Letzte Woche war ich in Berlin. Maike Albath hat im LCB den sehr klugen neuen Roman von Gregor Hens mitsamt seinem Autor präsentiert, und weil Gregor Hens außerdem Übersetzer ist, waren als zusätzliche Gesprächspartner Frank Heibert und ich dabei. Der Abend wird am Samstag, dem 23. Februar ab 20:00 Uhr im Deutschlandfunk ausgestrahlt.
Das Wort „Wort“ hat im Deutschen zwei Plurale mit unterschiedlichen Bedeutungen: Wörter und Worte.
Wörter sind das, was man zählen kann. Ein Wort, zwei Wörter, hundert Wörter. Ein Roman hat vielleicht fünfzigtausend Wörter. Beim Scrabble kann man tolle Wörter legen. Die großen Kinder bringen den kleinen Kindern die schlimmen Wörter bei.
Worte hingegen bezeichnen das, was jemand sagt. Den Inhalt; das, was er meint.
Ein paar warme Worte sagen. Deine Worte haben mir gutgetan. Seine Worte haben sie verletzt. (Manche Wörter, die er dafür benutzt hat, hat er von den großen Kindern gelernt.)
Die nächste Jane Gardam ist fertig und erscheint schon im Mai. Eigentlich hätte sie ein bisschen früher fertig sein sollen, aber dann bin ich eine Woche lang auf dem gebrochenen Fuß von einem Arzt zum anderen gerannt und kam nicht zum Übersetzen, was blöd war, denn noch eigentlicher muss ich dringend schreiben.
Aber jetzt ist sie fertig, letzte Woche Samstag habe ich das letzte Kapitel weggeschickt, und die Korrekturen kamen dann auch schon am Montag Mittag zurück, weil ich den Rest schon vorher abgegeben hatte. Montag Abend hatte ich sie durchgeguckt und zack.
Dienstag bin ich nach München gefahren, das war schön, weil Simone zufällig am gleichen Tag nach München fuhr und wir einfach mal fünf Stunden Zeit hatten.
Nachmittags im Hotel habe ich mit der Lektorin telefoniert und letzte Fragen geklärt, und damit ist der Keks jetzt auch wirklich gegessen, und ich habe den Kopf frei für meinen eigenen Roman.
In München war ich einen Tag zu früh, meine Lesung dort war erst am Mittwoch. Aber ich fand, ein ganzer Tag Anreise, abends Bühne, und am nächsten Tag schon wieder den ganzen Tag in der Bahn klang nicht so verlockend, also bin ich früher hin und wollte einfach mal einen Tag gemütlich durch München stromern. Was ja an sich eine gute Idee gewesen wäre, aber halt nicht mit einem gebrochenen Fuß. Der allerdings auch dramatischer klingt, als er ist. Ich habe also ausgeschlafen, gemütlich gefrühstückt, kurz ein bisschen gelesen, dann bin ich doch zu Fuß durch den Englischen Garten zu meiner Mittagessenverabredung gegangen und danach auch zu Fuß wieder zurück. Denn Fußkaputt hin oder her, nach drei Wochen Dauerschreibtisch und Fußhochlegen hatte ich dringend das Bedürfnis nach frischer Luft und Bewegung. Geht auch gut mit dem flotten Vorfußentlastungsschuh. Dann Mittagsschläfchen und abends Jane-Gardam-Veranstaltung mit Jo Lendle im Literaturhaus.
(Es war natürlich ein hochseriöser und sehr ernsthafter Abend. Foto: Amelie Fried)
Am nächsten Tag bin ich weitergefahren nach Berlin. Kein und Aber hatte zum Buchhändlerabend mit Max Porter eingeladen, und nachdem ich sein letztes Buch so toll fand und darüber gebloggt hatte, haben sie ein Zitat von mir auf die Rückseite des neuen Romans gesetzt und mich deswegen zu diesem Essen eingeladen. Das hat mir geschmeichelt, und es war total nett, mit Feuer draußen und leckerem Essen drinnen und dann wieder Lesung am Feuer draußen und lauter netten Berliner BuchhändlerInnen und anderen.
Freitag hatte ich noch eine Frühstücksverabredung in Berlin, bin dann nach Hause gefahren und habe abends im Büchereck Niendorf gelesen. Heute Nachmittag dann noch eine Lesung bei Boysen und Mauke, Zusammenbruch in … drei … zwei …
(Schon wieder dasselbe Kleid. Hab ich neu. Foto: Martin Paas)
Quatsch, geht schon. Morgen bin ich noch auf einem Geburtstag eingeladen, und ab Montag muss ich mich dann dringend an meinen Roman setzen. Richtig dringend. Ich habe Anmerkungen von meiner Agentin, meiner Lektorin und einem Freund bekommen, die muss ich jetzt kollationieren und alles ineinanderfrickeln und meine eigenen Notizen noch mal sichten und so weiter. Ende des Monats fahren wir wieder zu dritt zehn Tage in Schreibklausur, und da muss es dann mal langsam zum Ende kommen. Ich bin inzwischen ziemlich unter Druck, irgendwann Anfang März muss es fertig sein, und das ist ungefähr übermorgen. Wir haben jetzt einen Titel, das Cover ist in Arbeit, Erscheinungstermin ist irgendwann im September, es gibt sogar schon einen Premierentermin (ich sage rechtzeitig Bescheid), es ist alles ganz schön aufregend.
Hat jemand mein Superheldinnencape gesehen?
Dieser Artikel ist diesen Monat in der Zeitschrift Sense of home zu lesen.
Natürlich war mal wieder das Internet schuld. Die Malerin Melanie Tilkov schickte mir eine Freundschaftsanfrage auf Facebook. Ich glaube, sie hat sich uns für Was machen die da angeboten, aber wir konnten nicht kurz mal eben ins Rheinland fahren, um sie zu interviewen. Ich klickte mich aber durch ihre Bilder und sah, was sie malt: Frauenfiguren vor allem. Und Mädchen. Einige mit Turban auf dem Kopf. Oder eher: Immer wieder dasselbe Mädchen mit Turban. In klaren Farben, viel blau und weiß, meist ein roter Turban. Ich war sofort schockverliebt, vor allem in ein bestimmtes Turbanmädchen.
Wochen- und monatelang klickte ich immer wieder das eine Bild an. Es kamen auch dauernd neue dazu, Melanie Tilkov ist unglaublich produktiv. Ich verstehe nichts von Kunst, aber diese Turbanmädchen erwischten mich immer wieder – ich machte Facebook auf, sah ein neues Turbanmädchen und dachte: wow. Das ist ein Mädchen, das etwas mit sich herumträgt. Das etwas weiß. Das etwas zu sagen hat, es aber nicht tut, weil es ein irgendwie zurückhaltendes, melancholisches Kind ist. Man lernt es nach und nach ein bisschen kennen, gleichzeitig bleibt es geheimnisvoll. Das Mädchen auf den Bildern wurde älter. Wurde eine junge Frau. Zwischendurch nahm es auch mal den Turban ab. Ich entdeckte immer wieder neue Bilder, und außerdem kam ich immer wieder auf das erste Lieblingsbild zurück und betrachtete es. Diese Farben. Diese Melancholie.
Irgendwann fasste ich mir ein Herz und fragte Melanie Tilkov nach dem Preis. Und dachte: Ja, kein Wunder, ist ja auch Kunst, die soll ja auch was kosten, das ist schon richtig. Aber halt viel Geld für mich. Ich habe noch nie ernsthaft Geld für Kunst ausgegeben.
Kurz vor Ostern 2015 hatte Melanie Tilkov eine Ausstellung in der Nähe meiner Schwiegereltern. Wir fuhren bei der Galerie vorbei, und ich sah mein Lieblings-Turbanmädchen im Original. Und ein paar andere.
Ich war erwartungsgemäß hingerissen, von den Farben ebenso wie vom Ausdruck, genau so hatte ich es mir vorgestellt. So ganz sicher kann man ja nie sein, wenn man es nur auf dem Bildschirm gesehen hat. Der Turban des Lieblingsmädchens leuchtet in einem satten Rot, das mit dem kühlen Hellblau des Hintergrunds kontrastiert. Das Mädchen sieht nach unten, hat aber gar nichts Trauriges oder Geknicktes, sondern eher eine große Ernsthaftigkeit. Und es trägt seinen Turban mit ganz viel Stolz und Anmut. Ich seufzte, und wir fuhren nach Hause.
Am nächsten Tag schickte ich dem Galeristen eine Mail, in der nicht viel mehr stand als: „Ja, ich will.“ Und noch einen Tag später, am Karfreitag, fuhren wir die anderthalb Stunden wieder hin und holten unser Turbanmädchen ab. Seitdem hängt es über dem Sofa, es hängt dort perfekt, und ich freue mich jeden Tag darüber. Dem Geld habe ich keine Sekunde hinterhergeweint. Ich mag die Vorstellung, dass über anderen Sofas in anderen Wohnzimmern andere Turbanmädchen hängen. Beziehungsweise dasselbe Mädchen auf anderen Bildern, die unmerklich miteinander kommunizieren.
Manchmal fragen mich Leute, ob das Mädchen einen Namen hat. Ich finde die Idee vollkommen abwegig, ihr einen Namen zu geben, sie ist das Turbanmädchen. Ich weiß nicht, wer sie ist. Sie ist großartig.
Die bezaubernde Anja Goerz hat einen neuen Podcast: „Die Schreibenden.“ Darin unterhält sie sich mit Autorinnen und Autoren über das Schreiben, und weil sie eine gestandene und routinierte Radiomoderatorin ist, macht sie das eben nicht nur bezaubernd, sondern auch sehr professionell und ohne Drumherumgelaber. (Das ist ja mein Dauerproblem mit Podcasts: Zu viel Gelaber, da bin ich meist nach wenigen Minuten schon raus.) Die ersten drei Folgen sind heute online gegangen, und zwar mit Sven Stricker, Rainer Moritz und mir. Jeweils etwa eine Dreiviertelstunde. Sven Stricker habe ich schon gehört, er ist super und lustig und sehr interessant, weil er aus einer ganz anderen Richtung kommt als ich, nämlich vom Hörbuch und Hörspiel. Ich kenne ihn, weil er schon vor Jahren bei Hörbüchern zu von mir übersetzten Romanen Regie geführt hat. Jetzt muss ich erstmal arbeiten, würde aber viel lieber gleich noch Rainer Moritz hinterherhören, den ich auch schon ewig kenne, denn er ist der Leiter des Hamburger Literaturhauses und ebenfalls Autor. Und Kritiker und alles mögliche. Das ist mit Sicherheit auch sehr unterhaltsam. Zu hören ist das alles hier auf Soundcloud, auf Spotify und auf iTunes.
Wer weitere LiteratInnenpodcasts hören möchte: Ich bin ja großer Fan von Sexy und bodenständig von Alena Schröder und Till Raether, die sich immer über verschiedene Aspekte des Schreibens unterhalten.
Und wer dann immer noch nicht genug hat, kann bei Kapitel eins von Cornelius Hartz noch Interviews mit AutorInnen hören. Die Sache ist da wohl ein bisschen eingeschlafen, aber sowas wird ja nicht schlecht.