Ich habe keine Ahnung mehr, seit wann dieser Knoten da an meinem Hals ist. Auf zehn Jahre alten Fotos sieht man ihn schon. Gelegentlich wurde ich darauf angesprochen – ob meine Schilddrüse unter Kontrolle sei? Jaja, sagte ich dann immer, ich gehe regelmäßig hin, das war so halb wahr, ich sollte es eigentlich einmal im Jahr überprüfen lassen, meistens war ich nur alle zwei, drei Jahre da, es hieß dann immer, alles in Ordnung, aber ich solle es im Auge behalten. Solange ich Privatpatientin war, bedeutete im Auge behalten Radiologische Praxis, Kontrastflüssigkeit, Szintigraphie, Ultraschall, volles Programm. Seit ich Kassenpatientin bin, genügte es, die Schilddrüsenwerte im Blut zu überprüfen. Jenun.
Vor einem Jahr passierte dann, was lange abzusehen war: Sie musste raus. Die Schilddrüse wurde im Krankenhaus noch mal geschallt und abgetastet, ich unterschrieb eine Milliarde Zettel, dass alle behandelnden Ärzte miteinander sprechen dürfen, saß geschlagene vier Stunden für die Narkose-Vorbesprechung im Wartezimmer und zwei weitere beim HNO und wurde zwei Wochen später operiert. Als ich aus der Narkose aufwachte, fasste ich mir an den Hals, und der Knoten war noch da.
Wieso denn der Knoten noch da sei, fragte ich.
Der habe mit der Schilddrüse nichts zu tun, das sei ein Lymphknoten, hieß es. Man habe kurz überlegt, ihn mit rauszunehmen, dann aber auch nicht recht gewusst, und er sitze ja auch ein Stück höher als die Schilddrüse. Ich solle ihn aber besser im Auge behalten.
Ein Dreivierteljahr später, nämlich vor ein paar Wochen, fragte ich meine Hausärztin, wie denn im Auge behalten geht. Ich solle den Knoten mal ultraschallen lassen, sagte sie, das könne sie selbst aber nicht machen. Also ging ich in eine andere Praxis, wurde geschallt, und die junge Ärtzin sagte, wie ein Lymphknoten sehe das nicht aus, sie wisse aber auch nicht, was es sei, ich solle es lieber rausnehmen lassen (1), und sie wolle noch mal den erfahreneren Kollegen draufgucken lassen. Der erfahrenere Kollege sagte, wie ein Lymphknoten sehe das nicht aus, er könne aber auch nicht sagen, was es sei, ich solle es lieber rausnehmen lassen (2).
Der Befund wurde an meine Hausärztin geschickt, die mir sagte, es sei ja wohl etwas unklar, was das sei, ich solle es lieber rausnehmen lassen (3). Zur Beruhigung, niemand macht sich Sorgen, dass es was Schlimmes ist, immerhin ist das Ding da seit vielen Jahren und verändert sich nicht weiter.
Wieder in der Schilddrüsenklinik. Das erste, was der Professor sagt, ist: Wieso haben wir das denn letztes Mal nicht mit rausgenommen? Das möchte ich auch mal wissen, sage ich. Er tastet es ab, guckt in meine Akte, sagt, ich soll es lieber rausnehmen lassen (4) und schickt mich zum Ultraschall. Die Ärztin schallt, guckt in meine Akte und sagt: Das Ding habe ich doch letztes Jahr schon beschrieben, wieso haben die das denn nicht mit rausgenommen? Das möchte ich auch mal wissen, sage ich. Sie sagt, es solle auf jeden Fall besser raus (5).
Ich sitze diesmal viereinhalb Stunden im Wartezimmer der Narkoseabteilung, um einmal zu sagen „alle Daten stimmen noch“ und mir den kurzen Text zur Narkose, den ich vor nicht mal einem Jahr schon mal gehört habe, nochmal anzuhören. Ich unterschreibe wieder eine Milliarde Zettel. Zum HNO muss ich diesmal nicht, weiß der Geier warum, ich frage lieber nicht nach. Ich habe einen OP-Termin.
Eine Woche später kommt der Befund. Darin steht, Achtung:
„Patientin wünscht jetzt OP.“
Brüller! Zur Erinnerung: Ihr habt das Ding letztes Mal einfach dringelassen. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen. Und jetzt haben mir insgesamt FÜNF Ärztinnen und Ärzte -davon zwei aus Eurem Haus – gesagt, ich solle es rausnehmen lassen. „Patientin wünscht jetzt OP“!
Ja, klar. Das ist so ein inniger Herzenswunsch von mir, bitte operiert mich so oft wie möglich. Vielleicht nehmt ihr einfach wieder nur die Hälfte raus, damit ich bald noch mal wiederkommen kann. Es ist so schön bei euch im Krankenhaus, ich bin da einfach so gern.
Ich habe der Anästhesistin beim Vorgespräch gesagt, dass letztes Mal fast ein Vierteljahr lang meine Stimme nicht ganz intakt war, und ob sie diesmal vielleicht einen kleineren Tubus nehmen können. Immerhin besteht meine Arbeit zum Teil aus Lesungen. Drückt mir die Daumen, dass das nicht wieder passiert, das kann ich nicht gebrauchen, und ich habe auch keinen Bock drauf.
Und jetzt packe ich meine Tasche. Ich bin, um es freundlich auszudrücken, ein wenig ungehalten.
Die nächste Jane Gardam ist fertig und erscheint schon im Mai. Eigentlich hätte sie ein bisschen früher fertig sein sollen, aber dann bin ich eine Woche lang auf dem gebrochenen Fuß von einem Arzt zum anderen gerannt und kam nicht zum Übersetzen, was blöd war, denn noch eigentlicher muss ich dringend schreiben.
Aber jetzt ist sie fertig, letzte Woche Samstag habe ich das letzte Kapitel weggeschickt, und die Korrekturen kamen dann auch schon am Montag Mittag zurück, weil ich den Rest schon vorher abgegeben hatte. Montag Abend hatte ich sie durchgeguckt und zack.
Dienstag bin ich nach München gefahren, das war schön, weil Simone zufällig am gleichen Tag nach München fuhr und wir einfach mal fünf Stunden Zeit hatten.
Nachmittags im Hotel habe ich mit der Lektorin telefoniert und letzte Fragen geklärt, und damit ist der Keks jetzt auch wirklich gegessen, und ich habe den Kopf frei für meinen eigenen Roman.
In München war ich einen Tag zu früh, meine Lesung dort war erst am Mittwoch. Aber ich fand, ein ganzer Tag Anreise, abends Bühne, und am nächsten Tag schon wieder den ganzen Tag in der Bahn klang nicht so verlockend, also bin ich früher hin und wollte einfach mal einen Tag gemütlich durch München stromern. Was ja an sich eine gute Idee gewesen wäre, aber halt nicht mit einem gebrochenen Fuß. Der allerdings auch dramatischer klingt, als er ist. Ich habe also ausgeschlafen, gemütlich gefrühstückt, kurz ein bisschen gelesen, dann bin ich doch zu Fuß durch den Englischen Garten zu meiner Mittagessenverabredung gegangen und danach auch zu Fuß wieder zurück. Denn Fußkaputt hin oder her, nach drei Wochen Dauerschreibtisch und Fußhochlegen hatte ich dringend das Bedürfnis nach frischer Luft und Bewegung. Geht auch gut mit dem flotten Vorfußentlastungsschuh. Dann Mittagsschläfchen und abends Jane-Gardam-Veranstaltung mit Jo Lendle im Literaturhaus.
(Es war natürlich ein hochseriöser und sehr ernsthafter Abend. Foto: Amelie Fried)
Am nächsten Tag bin ich weitergefahren nach Berlin. Kein und Aber hatte zum Buchhändlerabend mit Max Porter eingeladen, und nachdem ich sein letztes Buch so toll fand und darüber gebloggt hatte, haben sie ein Zitat von mir auf die Rückseite des neuen Romans gesetzt und mich deswegen zu diesem Essen eingeladen. Das hat mir geschmeichelt, und es war total nett, mit Feuer draußen und leckerem Essen drinnen und dann wieder Lesung am Feuer draußen und lauter netten Berliner BuchhändlerInnen und anderen.
Freitag hatte ich noch eine Frühstücksverabredung in Berlin, bin dann nach Hause gefahren und habe abends im Büchereck Niendorf gelesen. Heute Nachmittag dann noch eine Lesung bei Boysen und Mauke, Zusammenbruch in … drei … zwei …
(Schon wieder dasselbe Kleid. Hab ich neu. Foto: Martin Paas)
Quatsch, geht schon. Morgen bin ich noch auf einem Geburtstag eingeladen, und ab Montag muss ich mich dann dringend an meinen Roman setzen. Richtig dringend. Ich habe Anmerkungen von meiner Agentin, meiner Lektorin und einem Freund bekommen, die muss ich jetzt kollationieren und alles ineinanderfrickeln und meine eigenen Notizen noch mal sichten und so weiter. Ende des Monats fahren wir wieder zu dritt zehn Tage in Schreibklausur, und da muss es dann mal langsam zum Ende kommen. Ich bin inzwischen ziemlich unter Druck, irgendwann Anfang März muss es fertig sein, und das ist ungefähr übermorgen. Wir haben jetzt einen Titel, das Cover ist in Arbeit, Erscheinungstermin ist irgendwann im September, es gibt sogar schon einen Premierentermin (ich sage rechtzeitig Bescheid), es ist alles ganz schön aufregend.
Dieser Artikel ist diesen Monat in der Zeitschrift Sense of home zu lesen.
Natürlich war mal wieder das Internet schuld. Die Malerin Melanie Tilkov schickte mir eine Freundschaftsanfrage auf Facebook. Ich glaube, sie hat sich uns für Was machen die da angeboten, aber wir konnten nicht kurz mal eben ins Rheinland fahren, um sie zu interviewen. Ich klickte mich aber durch ihre Bilder und sah, was sie malt: Frauenfiguren vor allem. Und Mädchen. Einige mit Turban auf dem Kopf. Oder eher: Immer wieder dasselbe Mädchen mit Turban. In klaren Farben, viel blau und weiß, meist ein roter Turban. Ich war sofort schockverliebt, vor allem in ein bestimmtes Turbanmädchen.
Wochen- und monatelang klickte ich immer wieder das eine Bild an. Es kamen auch dauernd neue dazu, Melanie Tilkov ist unglaublich produktiv. Ich verstehe nichts von Kunst, aber diese Turbanmädchen erwischten mich immer wieder – ich machte Facebook auf, sah ein neues Turbanmädchen und dachte: wow. Das ist ein Mädchen, das etwas mit sich herumträgt. Das etwas weiß. Das etwas zu sagen hat, es aber nicht tut, weil es ein irgendwie zurückhaltendes, melancholisches Kind ist. Man lernt es nach und nach ein bisschen kennen, gleichzeitig bleibt es geheimnisvoll. Das Mädchen auf den Bildern wurde älter. Wurde eine junge Frau. Zwischendurch nahm es auch mal den Turban ab. Ich entdeckte immer wieder neue Bilder, und außerdem kam ich immer wieder auf das erste Lieblingsbild zurück und betrachtete es. Diese Farben. Diese Melancholie.
Irgendwann fasste ich mir ein Herz und fragte Melanie Tilkov nach dem Preis. Und dachte: Ja, kein Wunder, ist ja auch Kunst, die soll ja auch was kosten, das ist schon richtig. Aber halt viel Geld für mich. Ich habe noch nie ernsthaft Geld für Kunst ausgegeben.
Kurz vor Ostern 2015 hatte Melanie Tilkov eine Ausstellung in der Nähe meiner Schwiegereltern. Wir fuhren bei der Galerie vorbei, und ich sah mein Lieblings-Turbanmädchen im Original. Und ein paar andere.
Ich war erwartungsgemäß hingerissen, von den Farben ebenso wie vom Ausdruck, genau so hatte ich es mir vorgestellt. So ganz sicher kann man ja nie sein, wenn man es nur auf dem Bildschirm gesehen hat. Der Turban des Lieblingsmädchens leuchtet in einem satten Rot, das mit dem kühlen Hellblau des Hintergrunds kontrastiert. Das Mädchen sieht nach unten, hat aber gar nichts Trauriges oder Geknicktes, sondern eher eine große Ernsthaftigkeit. Und es trägt seinen Turban mit ganz viel Stolz und Anmut. Ich seufzte, und wir fuhren nach Hause.
Am nächsten Tag schickte ich dem Galeristen eine Mail, in der nicht viel mehr stand als: „Ja, ich will.“ Und noch einen Tag später, am Karfreitag, fuhren wir die anderthalb Stunden wieder hin und holten unser Turbanmädchen ab. Seitdem hängt es über dem Sofa, es hängt dort perfekt, und ich freue mich jeden Tag darüber. Dem Geld habe ich keine Sekunde hinterhergeweint. Ich mag die Vorstellung, dass über anderen Sofas in anderen Wohnzimmern andere Turbanmädchen hängen. Beziehungsweise dasselbe Mädchen auf anderen Bildern, die unmerklich miteinander kommunizieren.
Manchmal fragen mich Leute, ob das Mädchen einen Namen hat. Ich finde die Idee vollkommen abwegig, ihr einen Namen zu geben, sie ist das Turbanmädchen. Ich weiß nicht, wer sie ist. Sie ist großartig.
Ach ja, Tagebuchbloggen! Finde ich ja bei anderen immer total interessant, bei mir selbst sterbenslangweilig. Die langweiligste Geschichte ist die von heute.
Dann tut mir also der Fuß ein bisschen weh, der rechte, der operierte. Als wäre mir etwas draufgefallen, als hätte ich da einen blauen Fleck oder sowas, aber es ist nichts draufgefallen. Macht ja auch alles nix, sowas behandle ich normalerweise mit Ignorieren, und der rechte Fuß jault ja eh gelegentlich. Oder um es mit meiner Tante Ingrid zu sagen: Was von allein gekommen ist, wird auch von allein wieder gehen. So schlimm ist es nicht, und ich neige ja nicht so zum Jammern.
Sondern laufe lieber eine Runde, das hilft ja bekanntlich gegen alles. Nur gegen Fußschmerzen dann halt doch nicht, eher im Gegenteil, zum Ende der Runde tut es dann doch wieder mehr weh. Und dann ziemlich. Und das hört auch übers Wochenende nicht auf und wird nicht besser. Der Fuß ist geschwollen. Am Montag Mittag rufe ich bei der Lieblingsärztin („Physikalische und Rehabilitative Medizin“) an; fünf Minuten nach Ende der Telefonsprechzeit. Dienstag beginnt die Telefonsprechzeit erst um 12, und an dem Nachmittag geht nichts mehr. Mittwoch morgen könne ich kommen, „sonst erst wieder ab April“.
Ich verlege also gleich zwei Mittwochmorgentermine und bin heute um halb neun da. Als erste. Komme trotzdem erst um neun dran, das ist nett, denn zufällig kommt auch gerade eine Freundin zu derselben Ärztin, und ich freu mich sehr, sie zu treffen. Wir sind jetzt in dem Alter, in dem man sich zufällig im Wartezimmer trifft, scheint’s.
Die Ärztin sagt das gleiche, was auch schon mein medizinisch nicht sehr bewanderter Kopf und Dr. Google gesagt haben: Verdacht auf Stressfraktur. Ermüdungsbruch. Ich soll ein Röntgenbild machen lassen, und nein, das geht nicht hier. Auch wenn sie in der Fachklinik mit drin ist, aber da dürfen nur Operateure Röntgenbilder machen. Bescheuert, aber so steht’s geschrieben. Ich muss woanders hin. Wenn man auf dem Bild nichts sieht, MRT-Termin ausmachen. Wenn man was sieht, dann zum Orthopäden (wieso kann ich nicht zu ihr zurück? Weil der Orthopäde … ich hab’s schon vergessen). Ob sie einen kennt, frage ich. Ja, sagt sie, Dr. S., da sei ich doch auch schon mal gewesen. Ach, und wenn ich schon dabei sei, solle ich auch gleich mal meine Knochendichte messen lassen, von wegen Osteoporose. Und im Übrigen könne das auch ein Gichtanfall sein, ob mit meiner Harnsäure alles in Ordnung sei? – Äh keine Ahnung? – Es sehe auch nicht nach Gicht aus, sagt sie.
Ich fahre also mit der U-Bahn zu Dr. S., wo man mich gleich wieder wegschickt, auf der Überweisung stehe ja „Radiologie“. Aber da steht auch erstmal Röntgen, sage ich, und ich wurde doch hier schon mal geröntgt. Ja, schon, aber sie seien keine Radiologen. Ich müsse also … gut 10 Minuten Fußweg, Spitzenidee mit meinem Fuß.
In der radiologischen Praxis warte ich wieder eine Weile. Und dann ist auf den Bildern nichts zu sehen. Um einen Termin fürs MRT auszumachen, muss ich bitte noch hoch in den vierten Stock. Für die Knochendichtemessung können wir auch hier einen Termin machen, der ist dann allerdings nicht hier, sondern in Altona. HERRGOTTNOCHMAL! Ich habe jetzt einen Termin Anfang Februar zur Knochendichtemessung in Altona. Und am Montag einen zum MRT in der Stadt.
Was ich bis Montag mit meinem inzwischen doch beschissen schmerzenden Fuß machen soll – keine Ahnung. Ich habe der Superärztin gemailt, mal sehen, was sie antwortet. Schmerzmittel, hochlegen, nicht rumlaufen, schätze ich. Ich will aufn Arm.
Wie du wohl wirst? Das große Ding wird sein, dass im September mein zweiter Roman erscheint. Der ist noch nicht fertig, ich muss erst noch fix eine Jane Gardam zu Ende übersetzen, aber das ist nicht mehr viel. Und dann kommt noch mal richtig intensiv Arbeit am neuen Roman, der soll im März fertigwerden.
Ich habe eine Scheißangst. Dass ich mich mit dem Roman übernommen habe, dass das Thema zu groß für mich ist, dass ich es nicht hinkriege, dass am Ende alle enttäuscht sind und es doof finden. Er ist wirklich etwas komplett Anderes als der Pfau. Allerdings finde ich die Grundidee immer noch super, und ich finde es auch immer noch richtig, etwas ganz anderes zu machen. Wenn ich noch so eine fluffige Komödie nachlege, dann bin ich in der Schublade drin und komme auch nicht mehr raus. Und ich fand schon am Übersetzen immer toll, dass mit jedem neuen Buch was ganz Neues kommt.
Außerdem: Einer dieser ewigen Lebensratschläge ist ja „Do one thing every day that scares you.“ Natürlich habe ich lauter Ängste, aber mir würde wohl nicht jeden Tag etwas Neues einfallen, wovor ich Angst habe. Aber einen eigenen Roman zu veröffentlichen, reicht ja wohl als furchteinflössende Tat für fast ein Jahr, und dann kann man noch ein paar kleinere Dinge hinzufügen. Ich habe heute Nacht nämlich schon damit angefangen und tatsächlich Karaoke gesungen. Ich! In ein Mikro rein! Es hat zum Glück niemand wirklich zugehört, weil die anderen alle mitgegröhlt haben, aber hey: Ich bin die Frau, die ein Jahr in Japan gelebt hat, ohne ein einziges Mal Karaoke zu singen. Weil ich zwar sonst wenig Scheu habe, mich auf alle erdenklichen Weisen zum Affen zu machen, aber Singen, wenn jemand das hört: nein. Ich werde sofort aggro, wenn man mich dazu zu zwingen versucht. Und dann habe ich es einfach trotzdem gemacht, und es ging irgendwie.
Was liegt sonst an? Im Februar fahren wir wieder zu dritt an die Ostsee zum Schreiben, da muss einiges am Roman passieren. Im März ist Buchmesse in Leipzig. Im Mai fahren wir für ein paar Tage nach Wien, kurz drauf ist Übersetzertagung, und im Juni wieder Schreibcamp, lauter Gründe für große Vorfreude. Bis zum Schreibcamp muss mein Roman auch durchs Lektorat sein, und ich kann anfangen, an etwas Neuem herumzudenken. Tatsächlich habe ich schon erste zaghafte Ideen, vielleicht kann ich die dort weiterentwickeln. Und dann ist im Sommer auch schon wieder die nächste Jane Gardam dran, die dann im Frühjahr 2020 erscheinen soll.
Ansonsten ist für die zweite Jahreshälfte noch nichts Großes geplant. Keine Ahnung, was wir in den Sommerferien machen, irgendwas Schönes bestimmt. Und dann kommt im September der neue Roman – sehr aufregend. Ob die BuchhändlerInnen ihn mögen werden? Ich hoffe natürlich, wieder auf Lesereise zu gehen, aber es kann auch sein, dass es deutlich weniger wird als beim Pfau. Dann schreibe ich was Neues, oder ich übersetze; langweilig wird es sicher nicht werden, es kommt ja immer was. Im Oktober ist Buchmesse, und danach ist das Jahr ja sowieso immer im Handumdrehen rum.
Ach ja, ein paar erste Lesungstermine für das neue Jahr gibt es auch schon (Stade, München, Hamburg, Berlin, Frankfurt für den Anfang)!
Habt ein bonfortionöses neues Jahr, ihr alle! Macht Quatsch, habt euch lieb, und seid gut zu denen, die doof sind. Die haben nämlich auch alle ihr Päckchen zu tragen. Bleibt gesund. Redet miteinander. Lacht und feiert! Macht Euch locker. Packt an. Nehmt euch selbst nicht so wichtig, hört zu und fragt nach. Gebt mehr als ihr nehmt. Geht viel spazieren und schlaft viel. Und esst mehr Obst!
„Ich will mich wieder wundern, will erstaunt sein,
Will wie der allererste Mensch
Mit neuen Augen zwischen den Dingen stehen
Und nichts wiedererkennen,
Die Schritte setzen durch Wälder und Wiesen
Und sagen: ja es ist gut – ist gar nicht so schlecht.
Und also öffne ich meine Arme, ich öffne sie so weit ich kann,
Denn jeder Tag ist ein Geschenk, er ist nur scheiße verpackt,
Und man fummelt am Geschenkpapier rum und kriegt es nur mühsam wieder ab.
Doch ja ich weiß jetzt, es gibt Menschen, die diese Welt durchaus rechtfertigen,
Die durch ihr bloßes Dasein andern Menschen leben helfen,
Die lieben und lieben und lieben und lieben und lieben und lieben,
Als wäre es das leichteste der Welt.
Ich will einer von Ihnen sein.“
Dann komm mal rein, 2019. Mach’s dir bequem, nimm dir ’n Keks. Wir rocken das schon, ne?