Dienstag
Der Vermieter, bei dem ich schon vor Woooochen über Airbnb ein Apartment für Katy und mich gebucht habe, schickt abends eine Mail: er sei krank und müsse zu Hause bleiben, also könnten wir seine Wohnung leider nicht haben. Tolle Wurst, es geht um drei Nächte ab übermorgen. Aber ein Hoch auf Facebook, innerhalb weniger Stunden habe ich neue Unterkünfte, erst für eine Nacht privat, dann zwei Nächte mit einer Freundin im Hotel, wo noch ein Bett frei ist (Danke, Heidrun und Antje! Sehr!). Katy findet auch noch etwas anderes, sie will auch nur eine Nacht bleiben.
Donnerstag
Ich fahre vormittags nach Leipzig, lande erstmal bei meiner Gastgeberin und komme dann ein bisschen zu spät zur Verleihung der Preise der Leipziger Buchmesse. Als ich ankomme, ist der Übersetzerpreis gerade an Robin Detje gegangen. Ich habe noch nie etwas von ihm gelesen, glaube ich, kann also nichts dazu sagen. Ebensowenig wie zu den Sachbüchern, die ich allesamt nicht kenne.
Aus den nominierten Belletristiktiteln habe ich immerhin Auszüge gehört, letzte Woche haben sich im Hamburger Literaturhaus alle fünf Autoren mit ihren Büchern vorgestellt. Meine Favoriten waren Saša Stanišić und Katja Petrowskaja, Saša vielleicht noch ein bisschen mehr, und dann hat er den Preis bekommen, und ich habe mich gefreut und alle haben sich gefreut, und hinterher wurde Sekt getrunken, zu dem ich strenggenommen nicht eingeladen gewesen wäre, aber dann war ich halt doch dabei und traf lauter tolle und nette Leute und habe mich noch mehr gefreut. So soll das sein.
Abends jede Menge Lesungen in verschiedenen Sälen der Moritzbastei, noch mehr nette Leute, ich freu mich immer noch und trinke was und unterhalte mich mit diesem und jenem und habe es nett. Hinterher, heißt es, sei die Tropenparty the place to be. Da gehe ich hin, mit den mairischs, und nach drei Minuten wieder raus, weil es rappelvoll ist, mit einer verblüffenden Anzahl grauer Anzugträger, es ist laut und eng und, ach nee. Ab ins Bett.
Freitag
Ich schlafe einigermaßen aus und gehe dann mit Katy frühstücken, damit wir uns wenigstens noch sehen. Dann auf die Messe, wo ich im Halbstundentakt sogenannte „Termine“ habe, von denen zwei leider ausfallen. Ansonsten bin ich mal wieder so unvorbereitet, wie man nur sein kann, und lasse mich einfach ein bisschen treiben.
Abends gehe ich auf die Lesung der unabhängigen Verlage, auf der außer Bov verblüffenderweise niemand ist, den ich kenne. Und nach einem vollen Messetag muss ich auch gar nicht noch stundenlang Lesungen haben. Ich lasse mich per Facebook auf eine Party locken, wieder in der Moritzbastei (Taxi, 12,- €) – das stellt sich aber als Ausstellerparty raus, ich komme folglich nicht rein. Ich sitze zehn Minuten frierend vor der Tür (Mitleid bitte jetzt) und google mir die Party der Kleinen Verlage im Schauspiel (Taxi, 11,- €). Dort steht eine elend lange Schlange vor der Tür, ich stelle mich an und friere und kenne niemanden und bin genervt, es ist halb zwölf. Und dann ist es zwölf, und ich habe weniger als die Hälfte der Schlange geschafft (mehr Mitleid jetzt). Leander kommt raus und sagt, sie dürfen aus baulichen Gründen nicht mehr Leute reinlassen, es geht also immer erst dann weiter, wenn welche gehen. Und übrigens sei die Party doof. Ich nehme mir kurzerhand das nächste Taxi (10,- €) und fahre nach Hause. Super Abend.
Samstag
Es ist un.fass.bar voll auf der Messe. Die ganzen verkleideten Cosplayer sind natürlich wirklich sehenswert, aber es sind eben auch viele. Und dann noch viel mehr Normalgekleidete.
Eigentlich wollte ich noch ein paar Verlage besuchen, zu denen ich am Freitag nicht mehr gekommen bin, noch ein paar Schwätzchen halten, aber ich komme überall im falschen Moment – die Leute, die ich kenne, sind gerade nicht da oder schon ganz abgereist, ich schiebe mich durch die Gänge bzw. lasse mich schieben, es macht nicht mehr so richtig Spaß. Am Nachmittag sitze ich in der Leipziger Autorenrunde, und die geht so: An zehn großen Tischen sitzt je einer, der zu irgendeinem Thema, das für Autoren relevant ist, etwas zu erzählen hat. Und dazu die interessierten Autoren. Man erzählt etwas, beantwortet Fragen, kommt ins Gespräch, wie es sich gerade ergibt. Nach einer Dreiviertelstunde können alle die Tische wechseln (außer dem jeweiligen Experten), und das Ganze geht von vorne los. Es ist ausdrücklich erwünscht, dass man auch zwischendurch die Tische wechselt und überall mal zuhört. Nachdem die Gesprächsrunden zweimal stattgefunden haben, gibt es eine Pause, und danach gibt es neue Runden zu neuen Themen. Insgesamt drei mal zwei mal zehn Tische. Super Konzept, vor allem für Anfänger, die noch gar nichts von der Branche wissen und tausend Fragen haben. (Ich erzähle vom Übersetzen, klar.)
Abends hänge ich mich wieder an die mairischs, wir gehen erst essen, dann zu einer Lyriklesung (schwyrik, sachichma), bei der zwischendurch der wunderbare Spacemann Spiff spielt, dessen Platten ihr bitte zügig alle kaufen wollt.
Danach herrscht ein bisschen Ratlosigkeit über die weiteren Möglichkeiten des Abends, ich verfatze mich schon wieder einigermaßen früh ins Bett. Zu Fuß!
So ist das mit den wilden, wilden Buchmessenpartys, von denen man immer hört. Am Ende sitzt man auf einer Treppe vor der Lyriklesung herum und spielt zu dritt Quizduell.
Sonntag
Nee, nee, reicht. Ich schlafe aus, plaudere mit der Zimmergenossin, gehe frühstücken und dann ins Museum der bildenden Künste. Katy erzählt auf Facebook, sie sei auch im Museum gewesen und habe im dritten Stock eine schöne Überraschung erlebt. Ich fotografiere hemmungslos herum, und just als ich auch die Überraschung fotografieren will, kommt eine Aufpasserin und sagt, man dürfe nur mit Genehmigung fotografieren. Tja. Dann müsst ihr jetzt selbst ins Leipziger Haus der bildenden Künste und nachgucken, was Katy so freudig überrascht hat. Das müsst ihr nämlich sowieso, weil: sensationell. Tolles Museum.
(Weiß zufällig jemand, von wem dieses Gemälde ist? Hat mir sehr gefallen, aber ich habe mir den Künstler natürlich trotzdem nicht gemerkt, ich Schlaumeier.)
Hurra, Facebook ist zehn Jahre alt geworden! Ich bin noch nicht seit zehn Jahren dort, aber hey: zehn Jahre! Das ist schon ganz schön groß. Groß genug, um mal eine Weile ohne mich zurechtzukommen, finde ich, und deswegen mache ich jetzt
facebookfreien Februar.
Wie es der Zufall so will, kommt mir die Kollateralzeitersparnis gerade zupass, immerhin bestand ja mal der Plan, bis zur Leipziger Buchmesse einen Roman fertiggeschrieben zu haben, und die Leipziger Buchmesse ist im März. Der Plan wurde minimal korrigiert in: bis zur Buchmesse ziemlich genau wissen, wie lange ich noch brauche. Damit meine Agentin das Manuskript dann schon einigermaßen konkret ankündigen kann. Ich möchte das, was ich bis dahin habe, gern in einer Form haben, die ich rausgeben kann. Was ich habe, sind im Moment knapp 150 Seiten und das Wissen, woran es noch hakt. Wie ich das beheben kann, ist mir noch nicht so klar, aber die Erkenntnis wird dann ja hoffentlich genau so vom Himmel fallen, wie der Rest des Textes bisher auch. Habe ich mir so überlegt.
Tschüss, Facebook, alter Zeitfresser, ich mach dich dann mal für ne Weile zu. Mach keine Dummheiten. Oder doch, mach Dummheiten, aber lass mich da raus.
Ich nämlich werde im Februar erstens unfassbar fleißig sein, und zweitens jeden Tag etwas wegwerfen.