Veranstaltungen zum Hieronymustag

Internationaler Übersetzertag am 30. September 2010

Bereits 1991 hat die Fédération Internationale des Traducteurs (FIT) den 30. September, an dem traditionell des Bibelübersetzers Hieronymus gedacht wird, zum Internationalen Übersetzertag erklärt. Der VdÜ, aus dessen Reihen bereits vor Jahrzehnten der Hieronymusring zur Würdigung von Übersetzerleistungen gestiftet wurde, will diesen Tag, der weltweit und in vielen europäischen Ländern – Österreich, Litauen, Frankreich und Dänemark – eingeführt ist, jetzt auch in der deutschen Öffentlichkeit etablieren.

Warum?

„Die Weltliteratur“, so der portugiesische Schriftsteller und Nobelpreisträger Saramago, „wird von Übersetzern gemacht.“ Aber Übersetzer „machen“ noch viel mehr: Auf ihrer Arbeit baut die gesamte abendländische Kultur auf. Das fängt mit den Bibelübersetzungen der Spätantike an und setzt sich im 9. Jahrhundert in Bagdad fort, wo die wissenschaftlichen Texte der griechischen Antike ins Arabische übersetzt wurden. Die sogenannte „Übersetzerschule von Toledo“ übertrug dann im 12. Jahrhundert neben originalsprachig arabischen wissenschaftlichen und religiösen Texten auch diese Übersetzungen ins Lateinische, im 13. Jahrhundert auch ins Kastilische, was sich normierend auf die spanische Sprache auswirkte. Luthers Bibelübersetzung hat die deutsche Sprache wesentlich geprägt, die englische „King James Bible“ hatte großen Einfluss auf Milton und andere bedeutende englische Dichter. Die Shakespeare-Übersetzungen von Schlegel und Tieck haben der deutschsprachigen Bühnenkunst und ihren größten Repräsentanten unverzichtbare Impulse gegeben, und die Gedanken der Aufklärung konnten sich erst durch Übersetzungen in der ganzen Welt verbreiten.

Mit anderen Worten: Wo immer gesprochen, geschrieben, gelesen, ja selbst gesungen wird, hatten und haben Übersetzer ihre Hand im Spiel, und ihnen verdanken wir es, dass die ganze Welt in der eigenen Sprache aufgehoben ist. Ihre Arbeit hat die Voraussetzung für die Entwicklung von Kultur und Wissenschaft, aber auch für die Entwicklung der Volkssprachen geschaffen und nicht zuletzt für die Möglichkeiten des vereinigten Europas und der heutigen globalisierten Welt.

Am Internationalen Übersetzertag sollen zahlreiche Übersetzerveranstaltungen in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für die Bedeutung der Übersetzung in Vergangenheit und Gegenwart wecken und zeigen, wer hinter den Übersetzungen steht, mit denen jeder ständig konfrontiert ist – von der schönen Literatur bis zum Fachbuch, vom Theater bis zu Film und Fernsehen, von Zeitungen und Zeitschriften bis zu Werbung und Gebrauchsanweisungen.

Übersicht über die Veranstaltungen zum Internationalen Übersetzertag 30. September 2010

(Stand: 1. September 2010)
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BERLIN

29. September

Kino Moviemento, 18.00 Uhr, Sonderveranstaltung des BDÜ-Landesverbandes Berlin-Brandenburg am Vorabend des Internationalen Übersetzertags: „Klappe! – Filmübersetzen“, mit Brigitte Große, Andrea Kirchhartz und Georg Felix Harsch. Geschlossene Veranstaltung für Mitglieder des BDÜ, VDÜ und VÜD; Eintritt: 6.50 Euro (inkl. 1 Glas Sekt zum Anstoßen auf uns), zu entrichten vor Ort. Anmeldung über Katrin Harlaß (mail@transnation-kh.de oder telefonisch unter 030/5327847)

30. September

„Buchhändlerkeller“, Carmerstraße 1, 10623 Berlin-Charlottenburg, 20.30 Uhr, Übersetzerinnen / Übersetzer stellen ihre Arbeit vor: Karin Uttendörfer: Jacques Yonnet „Rue des Maléfices“, Klaus-Jürgen Liedtke: Kjell Espmark „Epitaphe“

Tucholsky-Buchhandlung, Tucholskystraße 47, 10117 Berlin, 20.00 Uhr, Christine Belakhdar liest aus: Maissa Bey „Nachts unterm Jasmin“ (Übersetzung aus dem algerischen Französisch) Nähere Informationen unter http://www.yedd.org/literatur

Buchhandlung Thaer, Bundesallee 77, 12161 Berlin-Friedenau, Tel. 030 852 7908, 20.00 Uhr, Frank Heibert, Lesung (Philipp Meyer, „Rost“ u. a.) und Gespräch zum Übersetzer-Alltag

südost Europa Kultur e.V., Großbeerenstraße 88, 10963 Berlin, www.suedost-ev.de, 19.30 Uhr, Neues aus Südost, Mitwirkende: Brigitte Döbert liest aus dem neuesten Buch von Zarko Radakovic, Serbien, „Strah od emigracije“ (2010); Will Firth stellt einen Auszug aus dem Roman „Skriena kamera“ (2004) von Lidija Dimkovska, Mazedonien, vor; Ines Sebesta liest aus dem Kurzgeschichtenband „Fußnotengeschichten“ von Alexander Spatov (bulgarisch 2008, deutsche Übersetzung erscheint Ende September 2010 beim Wieser Verlag)
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BREMEN

30. September

Buchhandlung Leuwer, Am Wall 171, Bremen, 19.00 Uhr: „Übersetzer packen aus“. Mit Johanna Sophia Wais (Wie wird man Literaturübersetzer/in?), Wolfgang Schlott (Übersetzungsvergleich von Gedichten Pablo Nerudas); Dorota Tarach (Übersetzen aus dem Deutschen ins Polnische); Reiner Kornberger (Übersetzen aus dem argentinischen Spanisch); Claudia Otte-Lindner (Friedrich Rückert und seine Koranübersetzungen), Moderation Jürgen Dieking (unterstützt durch das Bremer Literaturkontor)
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ERLANGEN

30. September

Hugenottenkirche, 19.30 Uhr, Veranstaltung des Instituts für Fremdsprachen und Auslandskunde der Universität Erlangen, „Faszination Neuübersetzung“ mit den Referenten Frau Dr. Ott (Neuübersetzung der Geschichten aus „Tausendundeine Nacht“) und Herr Prof. Bobzin (Neuübersetzung des Koran)
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FRANKFURT / MAIN

30. September

Zentralbibliothek der Stadtbücherei, Hasengasse 4, 60311 Frankfurt am Main, Veranstaltung der Weltlesebühne: Aktionstag mit Bücherschau von aktuellen und herausragenden Übersetzungen aus dem Argentinischen und von Übersetzerinnen/Übersetzern aus dem Rhein-Main-Gebiet zum Gastland der Frankfurter Buchmesse 2010 (Argentinien). Nachmittags: Gläserner Übersetzer. Abends: Gespräch zwischen der Übersetzerin Susanna Mende und dem argentinischen Autor Raul Argemi
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FREIBURG

30. September

Stadtbibliothek Freiburg, Münsterplatz 17, 79098 Freiburg, 20.00 Uhr, „In Freiburg übersetzt“- Lesung und Ausstellung, Eintritt frei:
„… aber zum Untergang reicht es allemal“. Texte über große und kleine Katastrophen. Es lesen aus ihren Übersetzungen: Adelheid Zöfel, Beate Thill, Birgitta Höpken, Christoph Trunk, Cornelia Holfelder-von der Tann, Maja Ueberle-Pfaff, Sabine Grebing und Stefanie Fahrner. Die Ausstellung ‚In Freiburg übersetzt‘ ist vom 30.09.-17.10.10 zu den Öffnungszeiten der Stadtbibliothek, Di-Fr 10-19 Uhr, Sa 10-14 Uhr, zu sehen. Eine Veranstaltung von Literaturbüro Freiburg, Stadtbibliothek Freiburg und weltlesebühne.
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HAMBURG

27. September

20 Uhr | Übersetzer packen aus: Neuerscheinungen
Annette Kopetzki, Miriam Mandelkow und Eva Profousová stellen ihre jüngsten Übersetzungen vor und verlosen je ein Buch.
Erri De Luca: Der Tag vor dem Glück (Graf 2010), Richard Price: Cash (Fischer 2010), Jáchym Topol: Die Teufelswerkstatt (Suhrkamp 2010)
Buchhandlung Christiansen, Bahrenfelder Straße 79, 22765 Hamburg
Eintritt 5 Euro, erm. 3 Euro

28. September

19.30 Uhr | Und die Nilpferde kochten in ihren Becken
Michael Kellner stellt seine Übersetzung des von William S. Burroughs und Jack Kerouac 1944 gemeinsam verfassten Romans Und die Nilpferde kochten in ihren Becken (Nagel & Kimche 2010) vor und bringt die Stimmen der beiden Autoren durch Radioaufnahmen aus den Fünfzigern und Sechzigern zu Gehör.
Galerie Farbwerke M6, Marktstraße 6, 30357 Hamburg

29. September

19 Uhr | Autobiographische Kontrapunkte
Inka Marter und Andreas Löhrer stellen vor: Kindheitserinnerungen der argentinischen Avantgardeautorin Norah Lange: Kindheitshefte (Lilienfeld 2010) und die Autobiographie des spanischen Anarchosyndikalisten Abel Paz: Im Nebel der Niederlage / Am Fuß der Mauer (Edition AV 2009 / 2010).
B-Movie, Brigittenstraße 5, 20359 Hamburg

19.30 Uhr | TIERE ESSEN. Übersetzer lesen Foer.
Isabel Bogdan, Ingo Herzke und Brigitte Jakobeit lesen beim veganen Menü (€ 29) aus „Tiere essen“ von Jonathan Safran Foer (Kiepenheuer & Witsch 2010). Vorbestellung nötig!
Restaurant Trific, Eppendorfer Weg 170, 20253 Hamburg, Tel 040/21996927. Mehr dazu hier.

30. September

19 Uhr | The Subterraneans
Michael Kellner zu Gast bei der Langen Nacht mit Lesung, Film, O-Tönen und Musik
Lesung aus den Kerouc-Romanen On the Road – Die Urfassung, Gammler, Zen und hohe Berge und Be-Bop, Bars und weißes Pulver.
Metropolis-Kino, Steindamm 52/54, 20099 Hamburg

19.30 Uhr | Fegefeuer
Angela Plöger stellt den neuen Roman der finnisch-estnischen Autorin Sofi Oksanen vor: Fegefeuer (Kiepenheuer & Witsch 2010)
Buchhandlung Schaumburg, Große Schmiedestraße 27, 21682 Stade

20 Uhr | Ein Kräcker unterm Kanapee
Ingo Herzke stellt seinen Autor Alan Bennett (Die souveräne Leserin) vor, berichtet von seiner Arbeit und liest aus dessen jüngst erschienenen Werk Ein Kräcker unterm Kanapee (Wagenbach 2010).
Bücherstube Fuhlsbüttel, Hummelsbütteler Landstraße 8, 22335 Hamburg
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MÜNCHEN

30. September

Lesecafé, Kunst- und Textwerk München, Ligsalzstr. 13; 19.30 Uhr, „Drei Übersetzer aus dem Westend“: Richard Barth, Tanja Handels und Luis Ruby lesen aus ihren Übersetzungen und berichten von ihrer Arbeit. Eintritt frei.
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WINTERTHUR

30. September

ZHAW, Departement Angewandte Linguistik, IUED Institut für Übersetzen und Dolmetschen, Theaterstrasse 15c, Winterthur, Schweiz, ganztägig, Mitglieder des Zürcher Übersetzertreffens und der Weltlesebühne präsentieren sich als „Gläserne Übersetzer“ (E-D: Ulrich Blumenbach; E-D subtitles: Claudia und Michel Bodmer; F-D: Claudia Steinitz; I-D: Birgitta Höpken; S-D: Christian Hansen; R-D: Dorothea Trottenberg)

TIERE ESSEN. Übersetzer lesen Foer.

Brigitte Jakobeit, Ingo Herzke und ich stellen im Restaurant Trific Jonathan Safran Foers „Tiere essen“ vor. Dazu kocht Oliver Trific ein veganes (!) Drei-Gänge-Überraschungsmenü.

Mittwoch, 29.09.2010
19.30 Uhr
Kosten: 29,- € für das Essen

Da die Anzahl der Plätze begrenzt und das Interesse groß ist, bitte telefonisch direkt im Trific reservieren.

Tel. 040/21996927

Restaurant Trific, Eppendorfer Weg 170, 20253 Hamburg

UPDATE 17.09.2010: Die Lesung ist ausverkauft!

NOCH EIN UPDATE: Hier gibt es Bilder von der Lesung.

Nadia Budde: Unheimliche Begegnungen auf Quittenquart

Da mache ich nichtsahnend den Briefkasten auf, liegt da ein Geschenk drin. Einfach so. Von Lady Grey.

Wir sind nicht allein. Aber Besuch kommt eher selten. Manchmal muss man los, und gelegentlich begegnet man sich. Was passiert dann?

Die drei kleinen, grünen Männchen von Quittenquart gehen los und begegnen allen möglichen anderen Wesen. Es wird eng (da muss man durch) und laut (das muss man verstehen), es wird lustig oder gefährlich (oder auch nicht), unheimlich, bunt, verwirrend, immer anders. Und alles so wunderbar illustriert, wie es nur Nadia Budde kann, mit schiefen Wesen, die auf den ersten Blick nicht „schön“ sind, aber doch so zauberhaft. Die lauten Leute! Mit so Trötenmündern! Und die mit den gelben Popos, über die sie sich lustig machen! Superklasse.

Wer was wissen will, geht los.
Wer wen trifft, hat’s gut.

Und wer Lady Grey trifft, hat’s ganz besonders gut. Weil sie so aus dem Häuschen gerät, wenn es etwas Neues von Nadia Budde gibt, dass sie es mir mit der Post sofort schicken muss, statt die paar Tage zu warten, bis wir uns eh sehen.
Danke, Du Gute.

Nadia Budde: Unheimliche Begegnungen auf Quittenquart. Peter Hammer Verlag, 13,90 €

(Wenn ich eine Bibliothek mit Kinderbuchabteilung ausstatten dürfte, würde ich als erstes die gesammelten Werke von Nadia Budde und Wolf Erlbruch bestellen. Und ziemlich viel von Axel Scheffler. Und viel aus dem Peter Hammer-Verlag.)

Johanna Straub: Das Beste daran

Der Roman beginnt so:
Sonst, wenn sie zu Hause sind, ist er derjenige, der anfängt, der weiß, wie es geht, die Zeit zwischen ihnen anzuhalten, derjenige, der Berührungen verwandelt in solche, die das Gegenteil von flüchtig sind und wichtig und unabdingbar, wenn er seine Hand auf ihren Bauch legt, liegen lässt, schwerer werden lässt und nach oben streicht, das Hemdchen, das sie beim Schlafen trägt, zusammen mit ihrem leichtern Widerstand beiseiteschiebt wie einen lästigen Schleier, während er etwas in ihr Ohr flüstert, das sie zum Lachen bringt, weil es sie kitzelt und weil Lachen vielleicht dagegen hilft, dass sich all die kleinen Härchen in ihrem Nacken aufrichten und dass ihre Knie weich werden, das dürfen sie jetzt, weil sie liegt, und die Knie müssen sie gerade nicht tragen, ihre Arme können sich um seinen Nacken schließen, ihre Augen dürfen zufallen und seine dann auch, und die Bilder der Gedanken dürfen blasser werden, bis es dahinter hell wird, weiß und gleißend, und die Struktur nachlässt, bis es eine helle, weiße Fläche wird, in der sie sein können, ohne dass da noch irgendetwas anderes wäre außer dem Licht, von dem da so viel ist, und noch mehr – aber jetzt ist sie diejenige …

Ui, jetzt so beim Abtippen klingt das ja erstens nach höllenlangen Sätzen und zweitens ein bisschen esoterisch mit dem Licht und dem Weiß und so. Aber so ist das gar nicht.
Jette und Marvin, Mo, Ruben, Per, Anna, Alexandra und die anderen sind alle in dem Alter, in dem man sich mal entscheidet. Wer jemanden hat, muss entscheiden, ob man zusammenbleibt und ob man Kinder bekommt (und was man tut, wenn es nicht klappt). Wer niemanden hat, sucht. Und alle haben eine Vergangenheit, in die wir auch einen Blick werfen.
Ich musste beim Lesen immer wieder an PeterLichts Trennungslied denken; hier geht es zwar nicht um Trennung, sondern um das zwischen den Trennungen, um die Beziehungen nämlich, aber es ist ein ebensolcher Reigen wie bei PeterLicht: einer kennt den anderen, aber seine Frau nicht, die wiederum mit der nächsten befreundet ist und in der Vergangenheit wieder mit einem anderen zusammen war, und so weiter. Natürlich läuft keine Beziehung einfach so rund, jede hat ein anderes Problem, jede geht anders mit ihren Themen um.
Und wenn ich neulich über Judith Schalanskys Matrosenroman schrieb, man habe da einen Haufen Puzzlestücke in der Hand, die kein Bild ergeben, so hat man hier ebenfalls Puzzlestücke, die aber ein sehr genaues Bild ergeben. „Portrait einer Generation“ steht hinten drauf, das mag eine abgedroschene Worthülse sein, stimmt aber. Sehr schönes Buch, sehr gut zu lesen.
Johanna Straub steht im Regal zwischen Bram Stoker und Botho Strauß.

Johanna Straub: Das Beste daran. 221 Seiten. Liebeskind, 16,90 €

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