Eines Tages merkt die Ente, dass sie nicht allein ist: der Tod ist bei ihr. Er folgt ihr auf Schritt und Tritt, er behauptet sogar, schon ihr ganzes Leben bei ihr zu sein. Die Ente bekommt erstmal einen gehörigen Schreck. Aber dann spricht sie mit dem Tod, er erklärt ihr, wer er ist, und es stellt sich heraus: eigentlich ist er ganz nett. Er kommt auch nicht, um sie tot zu machen, denn „dafür sorgt schon das Leben“. Die beiden tun zusammen Entendinge, sie schwimmen, wärmen einander nachts und unterhalten sich darüber, wie die Ente sich das Totsein vorstellt. Und sie machen noch etwas Aufregendes. Und schließlich endet es, wie es enden muss, wenn der Tod einen schon eine Weile begleitet. Aber irgendwie ist das nicht mehr so schlimm.
Das Buch gibt keine Antworten und stellt keine Behauptungen auf, es folgt keiner Religion und fabuliert nicht irgendwelche Tröstlichkeiten herbei. Wir wissen hinterher immer noch nicht, ob die Ente in einen Entenhimmel kommt oder was mit ihr passiert. Aber der Tod ist der Ente zu einem Freund geworden, er ist die ganze Zeit bei ihr, er begleitet sie, spricht mit ihr, er hat sogar Humor, und am Ende schenkt er ihr seine Tulpe – die außer im Titel übrigens ausschließlich auf einigen Bildern auftaucht. Im Text wird sie kein einziges Mal erwähnt. Und die Bilder von Wolf Erlbruch sind mal wieder, wie die Bilder von Wolf Erlbruch eben sind: schlicht und wunderschön und irgendwie berührend. Weil der Tod, so schrecklich er aussieht, etwas so Liebevolles und Freundliches hat und so würdevoll mit dem Sterben der Ente umgeht. Und weil auch auf den Bildern gar nicht viel mehr passiert, als dass die Ente und der Tod langsam Freunde werden. Was für ein wunderbares, wunderbares Buch.
Wolf Erlbruch: Ente, Tod und Tulpe. Kunstmann, gebunden.
Große Ausgabe: 30×24 cm, 14,90 €
Kleine Ausgabe: 15×13 cm, 9,90 €
„Führt man im Englischen jemanden in die Irre, schickt man ihn nicht auf den Holz-, sondern auf den Gartenweg: lead someone down the garden path. Übersetzen wird für mich immer mehr zu einem solchen Gartengehen, und zwar im zweifachen Sinne. Einerseits kommt es mir darauf an, mit und neben dem Originalgedicht zu spazieren, das heißt sein Laufen, Schreiten, Springen wichtiger zu nehmen als sein Sagen, Rätseln, Rufen. Ich meine damit nicht objektiv zählbare Verse und Füße (aber auch), sondern den rhythmisch-gestischen Abdruck, den eine Zeile mit ihrem Auf und Ab, ihren Kadenzen, in meinem Körper hinterlässt. Going for a walk with an English poem heißt für mich zum Beispiel: Versuche so oft wie möglich, die Endstellung des Verbs zu verhindern! Das macht mich zuweilen ganz kirre. Als würde Mark Twain höchst persönlich in meinem Nacken keuchen. („Deutsche Bücher sind recht einfach zu lesen, wenn man sie vor einen Spiegel hält oder sich auf den Kopf stellt, um die Konstruktion herumzudrehen.“) Dass Mark Twain mir nicht im Nacken sitzt, sondern keucht, hat mit dem zweiten interessanten Aspekt des Gartengehens zu tun, nämlich mit der Irre, oder mit breathing down my neck, also damit, dass hier etwas vermischt wurde, was beim Übersetzen normalerweise säuberlich getrennt wird, nämlich verschiedene Sprachen, Ausdrucksweisen etc. Heimlich träume ich davon, das Ideal einer sauberen, reinen usw. Übersetzung hinter mir zu lassen und stattdessen dort, wo gar nichts mehr und alles geht, mit einer „Unreinheit“ zu spielen, die in meinen Gedichten schon länger um sich greift. Dirty Bird Translation. Translantisches. Eine Unreinheit, die nicht so sehr auf Nichtkönnen beruht (denn können muss man, um die besseren Fehler zu machen), sondern auf Nichttrennenkönnen. Die Lust, das fremde Material in der Zielsprache poetisch wirksam werden zu lassen, wie ein sanftes Gift/gift. Vielleicht ist Unreinheit nur ein anderes Wort für das, was Édouard Glissant meinte, als er schrieb: Übersetzung ist „eine wahrhaft kreolisierende Operation“: „Eine Spur in die Sprachen legen heißt, eine Spur ins Unvorhersehbare unserer nun gemeinsamen Lebensbedingungen legen.“ Unvorhersehbar, denn diese Art des Spazierengehens bringt es mit sich, dass man zuweilen nicht mehr weiß, auf welcher Seite des Gartenwegs man steht.“
Lesenswert: Ein Interview mit Ulrich Blumenbach in der Süddeutschen Zeitung.
„Ich lese kreuz und quer. Ich muss meinen Wortschatz in zwei Richtungen erweitern, also zurück zu Goethe und hin zu Helene Hegemann.“ Mein Reden!
Kaum mache ich drüben das alte Blog zu, da kommen die Forderungen. Die eine will nicht nur drüben einen Abschieds- sondern auch noch hier einen Willkommenseintrag, die andere will, dass ich hier reinschreibe, mir wäre die Milch übergekocht, dabei ist mir gar nicht die Milch übergekocht. Und demnächst wird hier womöglich sogar stehen, warum nicht. Horrido!
Hey! Herzlich willkommen! Nehmt Euch ein Glas Sekt, Chips stehen da vorne, Bier ist im Kühlschrank. Fühlt Euch wie zu Hause.
Heute ist der Tag des heiligen Hieronymus, des Schutzpatrons der Übersetzer. Happy Hieronymustag, everybody! Congratulations und so, wir sind super. Zur Feier des Tages habe ich hier eine kleine übersetzerische Herausforderung – statt Blumen, sozusagen.