Christoph Niemann: Abstract City

Christoph Niemann ist ein deutscher Illustrator und Designer, der lange in New York gelebt hat, und bisher fand ich alles, was ich von ihm gesehen habe, sensationell. Ich verstehe nichts von Kunst und Design, bin aber vor allem beeindruckt, wie er es schafft, immer wieder überraschend zu sein, immer wieder etwas vollkommen Neues und Anderes zu machen, das aber trotzdem immer unverkennbar Niemann ist. Außerdem ist er klug und hat einen guten Humor, ich muss immer lachen und würde schrecklich gern mal ein Bier mit ihm trinken gehen.
In diesem Buch sind die Sachen versammelt, die er im Laufe von ein paar Jahren für sein Blog bei der New York Times gemacht hat. Ein paar davon hatte ich auch hier im Blog verlinkt; eine meiner Lieblingsnummern ist immer noch Let it dough.
Das Buch ist durchgehend farbig und durchgehend wundervoll, und ich schlage ausnahmsweise mal vor, es auf Englisch zu kaufen, statt auf Deutsch. Und zwar vor allem wegen der Biodiversity, denn das dürfte schwer zu übersetzen sein. Aber was verstehe ich schon vom Übersetzen, vielleicht hat es ja wunderbar funktioniert. Ich nehme an, Niemann hat sich selbst übersetzt, jedenfalls ist bei Amazon kein Übersetzer angegeben. Dann dürfte er seinen Humor zumindest gut getroffen haben, und dann ist es auf Deutsch doch vielleicht genauso wunderbar.

Christoph Niemann: Abstract City – Mein Leben unterm Strich. Deutsche Ausgabe. 256 Seiten. Knesebeck, 19,95 €
Christoph Nieman: Abstract City. Englische Ausgabe. Harry N Abrams. 267 Seiten, 18,25 €.

(Englische Ausgabe ausnahmsweise bei Amazon verlinkt, weil schneller und billiger. Gibt’s aber auch beim kleinen Buchhändler Eures Vertrauens.)

Zur Webseite von Christoph Niemann.

Wolf Haas: Verteidigung der Missionarsstellung

Hey, Wolf Haas! Bin ich Fan von. So sehr, dass ich ihm auch den bescheuerten Titel und das unschöne Cover verzeihe. Beides erklärt sich natürlich im Laufe des Buchs und ist dann doch nicht mehr so bescheuert. Der Titel sowieso, und auch das Cover wird klar: tatsächlich ist es nämlich so, dass der Autor sozusagen mitspielt, er schreibt einen Roman im Roman über einen Freund, der dann sowohl im Roman-im-Roman, als auch in der Rahmenhandlung auftaucht.
Dieser Freund, Benjamin Lee Baumgartner, hat sich in seinem Leben dreimal Hals über Kopf verliebt. Einmal in England, als dort gerade BSE ausbrach, beziehungsweise Menschen damit angesteckt wurden. Und dann in China, als die Vogelgrippe grassierte und man fürchten musste, dass sie die Menschheit ausrotten würde. Und dann schließlich war Benjamin Lee Baumgartner das erste registrierte Opfer der Schweinegrippe, aber das hatte nicht so viel mit Verliebtheit zu tun.
Und mittenrein schreibt der Autor seine Anmerkungen darüber, was er noch in den Text einfügen oder an eine andere Stelle verschieben will – und da haben wir es nicht mit einer fiktionalen Autorenfigur zu tun, sondern durchaus mit Haas selbst (er ist das auch auf dem Cover). Und dann gibt es gelegentlich auch noch typografische Spielereien. Und dann dreht er die Schraube immer noch einen weiter.
Und wenn das alles nicht von Wolf Haas wäre, dann wäre es höchstwahrscheinlich doof. Aber es ist Wolf Haas, und der ist bei all dem einfach so dermaßen hemmungslos, dass es eben doch wieder gut ist, vor allem aber deswegen, weil er so toll erzählt, und weil er so toll Dinge weglassen kann, die dann irgendwann später in einem Nebensatz wieder auftauchen wie nebenbei, einem dadurch aber erst so richtig eine scheuern. Und weil er immer wieder so schön diese vorne eingestreuten Nebensächlichkeiten hinten wieder aufgreift, beispielsweise diese Hausarbeit über temporale und kausale Konjunktionen. Großes Kino, ehrlich.
Dummerweise … tja. Wie sag ich das jetzt? Irgendwie fand ich, dass es im letzten Drittel plötzlich ziemlich abfällt, und das Ende fand ich dann geradezu blöd. Wie schade ist das denn! Herr Haas! Das können Sie doch besser! Komische Sache. Vielleicht habe ich es auch nur nicht kapiert, vielleicht konnte ich auf die siebzehnte ironische Metaebene dann doch nicht mehr folgen? Ich habe halt gar nicht bemerkt, dass da eine ist.
Insgesamt also: Zwei Drittel lang ganz große Begeisterung, mehrfach schallend gelacht. Allerdings in der Tat eher trotz als wegen der Maniriertheiten mit dem stets präsenten Autor. Und dann am Ende – könnt Ihr das bitte auch lesen und mir sagen, dass ich beim Lesen nur zu erschöpft war, um das Ende goutieren zu können? Das wäre nett, danke. Weil, ich würde doch gerne Haas-Fan bleiben.

Eine von ganz vielen Lieblingsstellen:

Jedem von ihnen fiel auf, dass der andere ein bisschen rot wurde. Was sehr peinlich war, denn schließlich waren sie erwachsene Menschen. Und so wurden sie eigentlich rot, weil sie rot wurden. Ihm fiel auf, dass ihren unmerklich nach oben wandernden Pupillen auffiel, dass ihm auffiel, dass sie ein bisschen rot wurde, während ihr auffiel, dass ihm auffiel, dass ihr auffiel, dass er ein bisschen rot wurde, und obwohl jeder von ihnen noch hoffte, dass nur die Errötung des anderen sichtbar, das eigene Gesichtsgefühl aber noch eine unsichtbare, bloß farblose Wangenerhitzung sein möge, war der Prozess der unendlichen gegenseitigen Errötungshochschaukelung nicht mehr zu stoppen, bis ihnen nichts anderes mehr übrigblieb, als so zu tun, als wäre nichts.

Wolf Haas: Verteidigung der Missionarsstellung. 239 Seiten. Hoffmann und Campe, 19,90
Anscheinend nicht als E-Book erhältlich.

Danke nochmal an Pia für das Geschenk!

Sony Reader. Hilfe!

Kennt sich jemand mit dem Sony Reader aus? Auf meinem sind plötzlich sämtliche gekauften Bücher zwar noch da, lassen sich aber nicht mehr öffnen, wegen DRM. Irgendwas muss ich falsch gemacht haben. Ich habe es nicht gleich gemerkt, weil ich im Moment vor allem eigene pdfs darauf lese, kann also nicht mehr rekonstruieren, was passiert sein könnte. Da war neulich mal ein Software-Update, kann es damit zusammenhängen? Was kann ich tun?
Außerdem sind ein paar Bücher jetzt doppelt und dreifach drauf. Bzw. vierfach. Aber nur ein paar. Keine Ahnung, wie das passiert ist, aber diese Software ist auch wirklich sensationell unübersichtlich.
(Na, wer schreibt als erster „nänänä, mit Papierbüchern wär das nicht passiert“?)

Noch ein Geschenk!


Das supereilige Mammutprojekt schafft mich gerade ziemlich. Da kommt so ein „Einfach nur so“-Geschenk natürlich doppelt gut an. Anders gesagt, ich bin so fertig, dass ich glatt ein kleines Tränchen verdrückt habe vor lauter Rührung. Wolf Haas ist einer meiner absoluten Lieblingsautoren, ich freue mich wirklich sehr auf das Buch! Wenn ich erstmal abgegeben habe! Was ich dann alles mache! Bücher lesen! Rumlungern! Wohnen! Mehr lesen! Und rausgehen auch! Wo das Leben ist! Danke, Pia Ziefle!

Neuerscheinung: Dinner for one

Vom Glück, in der Küche eine Verabredung mit sich selbst zu haben

Klappentext: „Jeder tut es, aber nur wenige reden darüber, und wenn, dann nur sehr ungern: das Alleinessen. Dabei ist die Verabredung mit sich selbst in der Küche eine Kunst. Dass währenddessen ein besonderer Moment des Genießens entstehen kann, davon erzählt dieser Band – in Geschichten von William Boyd, Wäis Kiani, Susanne Kippenberger, Harriet Köhler, Katja Lange-Müller, Haruki Murakami, Harry Rowohlt, Denis Scheck, Leanne Shapton und vielen anderen.“

Zu den „vielen anderen“ gehören auch Stevan Paul und ich. Von mir sind auch ein paar kleine Übersetzungen drin, aber eben auch ein eigener Text übers Alleinessen. Ich stehe zwischen Harry Rowohlt und Haruki Murakami, das ist schon, also, puh. Die Geschichten sind bunt gemischt – Erlebnisberichte, quasi-philosophische Abhandlungen, fiktionale Geschichten, Lustiges, Trauriges, Sachliches – alles dabei.
Herausgegeben hat das Buch Friederike Schilbach, die bis dahin Lektorin beim Berlin-Verlag war und jetzt bei S. Fischer ist. Sie schrieb mir damals, sie wolle „das Alleinessen von seinem schlechten Ruf befreien“ – ein ehrenhaftes Anliegen, das ich natürlich gern unterstützt habe. Und jetzt ist so ein schönes Buch dabei rausgekommen! Wunderbares Geschenk für Leute, die sich mit dem Thema „Essen“ beschäftigen. Und das tut ja jeder.

Friederike Schilbach (Hg): Dinner for one. Vom Glück, in der Küche eine Verabredung mit sich selbst zu haben. Bloomsbury Taschenbuch, 9,99 €

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