Gill Hornby (Andrea O’Brien): Mutter des Monats

hornby - mutter des monats 12-10-19.inddDie Mütter von St. Ambrose geben wirklich alles. Sie engagieren sich für die Schule ihrer Kinder, sie sind jeden Morgen dort, um die Kinder abzuliefern und nachmittags noch einmal, um sie abzuholen, dann besprechen sie, was noch alles zu tun ist, für die Schule, für die Kinder, eigentlich für das ganze Dorf, für die Gemeinschaft. Und alle haben sich natürlich wahnsinnig lieb und sind eine große Familie. Unangefochtene Königin des ganzen ist Bea, die zwar immer ungeheuer beschäftigt ist, aber trotzdem alle Fäden in der Hand hält. Alle anderen Mütter sehen zu ihr auf, wünschen sie sich als beste Freundin und tun alles, um ihr zu gefallen.
Bis sie irgendwann nach und nach doch damit aufhören und stattdessen lieber anfangen, selbst zu denken. Wir begleiten diese Horde von Müttern durch ein Schuljahr, in dem geliebt und gelitten wird, Ehen auseinandergehen, große und kleine Tragödien passieren und hinterher die ein oder andere etwas gelernt hat.
Ich gehöre eindeutig nicht zur Zielgruppe, fand es aber trotzdem wirklich nett zu lesen. Locker-fluffige Strandlektüre, witzig und bissig, und wenn man den Mütterwettbewerb aus eigener Anschauung kennt, ist es bestimmt noch lustiger.

Gill Hornby (Andrea O’Brien): Mutter des Monats. KiWi, 9,99 €
Auch als E-Book.

Meike Winnemuth: Das große Los. Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr.

WinnemuthLosMeike Winnemuth muss ich nicht mehr vorstellen, oder? Ich hatte ihr Blog Vor mir die Welt damals mehrfach verlinkt, und wer das verpasst hat, dem sagt der Untertitel des Buches jetzt, worum es geht: Meike hat bei Günther Jauch eine halbe Million Euro gewonnen und ist davon auf Weltreise gegangen. (Beziehungsweise halt irgendwie auch nicht davon.)
Losgeflogen ist sie am 1. Januar 2011 nach Sydney, und hat dann ein Jahr lang jeweils einen Monat in einer anderen Stadt gelebt: Sydney, Buenos Aires, Mumbai, Shanghai, Honolulu, San Francisco, London, Kopenhagen, Barcelona, Tel Aviv, Addis Abeba und Havanna. Unglaublich unterschiedliche Städte mit ebenso unterschiedlichen Wirkungen auf Meike. Große Krise in Mumbai. Große Entspannung in Hawaii (es heißt nämlich „in Hawaii“, habe ich in dem Buch gelernt). Großes Zuhausegefühl in San Francisco. Schwer Einzuordnendes in Israel. Überwältigung in Äthiopien. Das alles war im Blog schon wirklich spannend zu lesen, und jetzt geballt als Buch ist es nochmal genauso interessant, selbst wenn man schon dem Blog gefolgt ist; das Buch ist ein Destillat aus kleinen und großen Geschichten und kleinen und großen Erkenntnissen über das Leben, das Reisen und die Welt. Und nicht zuletzt Selbsterkenntnissen. Und wahnsinnig rührenden Momenten. Ehrlich, ich habe ein paar Tränchen verdrückt. (Was ich zugegebenermaßen ziemlich schnell tue.)

Warum sie diese Reise „irgendwie auch nicht“ von Günther Jauchs Geld gemacht hat? Das war ihre überraschendste Erkenntnis: sie hätte das viele Geld gar nicht gebraucht. Sie hat, schreibt sie am Ende, in diesem Jahr insgesamt 40.000 € verbraucht. Inklusive aller Flüge und Mieten und so weiter, und sie hat nicht schlecht gelebt. Als Journalistin konnte sie unterwegs weiterarbeiten, sodass sie dieses Jahr tatsächlich auch ohne RTL hätte machen können. Wobei das Geld einem natürlich auch eine gewisse Sicherheit gibt, überhaupt erst loszufahren. Trotzdem, die größte Erkenntnis der Reise ist: Man kann unglaublich viel machen, wenn man nur will. Und es einfach macht.
Und das gilt bei weitem nicht nur für die finanzielle Seite. Lest das Buch und dann macht Sachen! Reisen oder irgendetwas anderes, was Ihr immer schon mal tun wolltet. Was Meike als nächstes vorhat, ist nochmal das gleiche in ganz anders: nachdem sie sich die Welt angeguckt hat, will sie sich 2014 Deutschland angucken. 12 deutsche Kleinstädte in zwölf Monaten. Ich bin gespannt.

Meike Winnemuth: Das große Los. Knaus, 19,99 €
Als E-Book nur 15,99 €, aber das würde ich nicht empfehlen, denn es sind Bilder drin. Bunte!

Elisabeth Rank: Bist du noch wach?

RankWachLisa Rank schreibt schon wieder über Abschied. In ihrem ersten Roman, Und im Zweifel für dich selbst, ging es um einen plötzlichen Abschied, um den überraschenden Tod eines jungen Mannes und wie seine Freundin und deren beste Freundin damit umgehen – nämlich indem sie einfach erstmal losfahren, wegfahren, irgendwohin. Reden, weinen, nicht reden, verzweifeln.
Diesmal geht es um schleichende, langsame Abschiede. Protagonistin Rea ist eine moderne Großstädterin, Ende zwanzig, sie arbeitet in einer Werbeagentur, geht auf hippe Partys und in hippe Clubs und hat hippe Freunde, unter anderem ihre beiden Mitbewohner Konrad und Pelle. Konrad ist außerdem ihr bester Freund – und entfernt sich gerade von ihr. Oder sie sich von ihm? Jedenfalls leben sie sich auseinander, Rea merkt, dass er innerlich weiter und weiter weg ist, und kann nichts dagegen tun. Konrad, darf man annehmen, geht es damit auch nicht gut – wenn auch vielleicht etwas besser, denn er hat eine neue Freundin – und man fragt sich, wo eigentlich die Grenze zwischen Freundschaft und Liebe verläuft, ob das immer so klar ist. Rea jedenfalls hat, als diese innige Freundschaft zu Ende geht und ihr entgleitet, einen ebensolchen Kater wie nach einer zu Ende gegangenen Liebe.
Außerdem liegt auch noch ihr Vater im Sterben, zu dem sie ein deutlich herzlicheres Verhältnis hat als zu ihrer Mutter. Und sie entdeckt ein Familiengeheimnis, über das sie mit niemandem sprechen kann. Denn Konrad ist nicht da, und wenn, dann höchstens körperlich anwesend. Oder, wie es im Klappentext heißt: „Mit wem soll man darüber reden, dass es niemanden mehr gibt, mit dem man über alles reden kann?“ Der Vater nicht, Konrad nicht, nur die beste Freundin ist noch da. Immerhin.
Was für ein trauriges Buch. Trotz lustiger Momente. Zwar bekommt Rea nach aller emotionalen Gelähmtheit am Ende doch noch die Kurve, sie rafft sich auf und fängt ein neues Leben an, aber dennoch: da ist kein „allem Anfang wohnt ein Zauber inne“, sondern vor allem das schmerzhafte, langsame Akzeptieren, dass Dinge zu Ende gehen. Puh. Keine Riesenstory, keine Explosion, aber viele kluge Sätze, viele Perlen, die bestimmt irgendjemand anderes irgendwo zitiert hat (Anke z.B.) – ich schreibe dies in Schottland und habe das Buch nicht dabei, deswegen müsst Ihr es jetzt selbst lesen, um die schönsten Zitate zu finden. Was ich sowieso für eine gute Idee halte.

Elisabeth Rank: Bist Du noch wach? Berlin Verlag, 256 Seiten, 17,99 €.
Als E-Book 13,99 €.

Und hier ist Lisas Blog.

Erlend Loe (Hinrich Schmidt-Henkel): Jens. Ein Mann will nach unten.

loe - ein mann will nach unten.inddFvonk ist ziemlich am Ende. Seine Freundin ist weg, das Verhältnis zu seiner Tochter nicht gerade innig, und seine Arbeit hat er auch verloren, wegen der Unkultur. Und dann verfolgen ihn auch noch die Schwangeren.
Eines Tages kommt eine mysteriöse Frau und mietet die beiden möblierten Zimmer in seinem Untergeschoss an. Stellt sich raus: der da einzieht, ist niemand Geringeres als Jens Stoltenberg, der norwegische Premierminister. Er braucht zwischendurch mal Zeit für sich, zum Abschalten und Runterkommen, er ist nämlich ganz schön ausgebrannt. Anders gesagt: fast genauso am Ende wie Fvonk, nur dass er nach außen hin noch funktioniert und weiterregiert.
Die beiden Männer freunden sich an, reden über alles mögliche, vor allem schüttet Jens Fvonk das Herz aus, sie unternehmen zusammen Skitouren, fahren zum Einkaufen nach Schweden, geben sich ihren respektiven Depressionen oder Psychosen hin und werden nach und nach etwas gesunder oder kranker, je nachdem. Und brechen einem zwischendurch das Herz. Zum Beispiel, weil der eine nie allein ist, und der andere immer:

Ich bin ja nie allein. Das ist wahrscheinlich der Kern des Problems. Viele, viele Jahre lang bin ich nie allein gewesen, dabei ist es wichtig, allein zu sein, sagt die Regierungsärztin, sehr wichtig, irgendwas passiert mit dem Gehirn, wenn man nie allein ist und nie mal gar nichts tut, ich weiß nicht mehr, was sie genau sagte, aber es war etwas mit dem Gehirnstoffwechsel, der gerät aus dem Gleichgewicht, und das ist nicht gut.
Nein, das ist sicher nicht gut.
Wie ist das bei dir, schaffst du es, dir etwas Zeit zum Alleinsein freizuschaufeln?
Ja.
Magst du es?
Nein, sagte Fvonk, alles andere als das.

Was mit dem lustigsten Titel der Saison anfängt und dann lange zwischen Tragik und skurriler Komik changiert, wird im Laufe des Lesens dann doch eindeutig traurig. Herrje, man möchte die beiden am liebsten einfach mal in den Arm nehmen. Ein Buch über Männerfreundschaft und Einsamkeit. Und auf jeden Fall eine Leseempfehlung! Auch wenn es einen am Ende nicht gerade glücklich macht.

(Auch super: Naiv. Super.)

Erlend Loe (Hinrich Schmidt-Henkel): Jens. Ein Mann will nach unten. KiWi Taschenbuch, 8,99 €. Auch als E-Book.

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