Arbeit

Was einem auch passieren kann: da ist man mit einer Übersetzung quasi fertig und schickt ein paar Tage vor der Abgabe noch drei letzte Fragen an den Autor. Der Autor antwortet, dass diese Fragen doch eigentlich geklärt seien, es gebe ja inzwischen eine neue Version seines Buchs, ob ich die nicht bekommen hätte? Er hänge mir die neuste Fassung noch mal an, die Änderungen in Rot markiert.
Ich mache das Dokument auf und kriege die Motten: auf jeder Seite Rot. Rufe also im Verlag an und sage: hey, ich bin quasi fertig. Nur habt Ihr mir nicht gesagt, dass ich nicht die aktuelle Version als Vorlage habe. Kann man auch nicht ahnen, denn ich hatte erstens ein fertiges, in GB bereits erschienenes Buch als Vorlage – die Änderungen wurden jetzt für die Taschenbuchausgabe in GB und die amerikanische Ausgabe vorgenommen, weil das ganze als Trilogie angelegt ist – und zweitens war der deutsche Verlag kurz vor pleite und die Mitarbeiter suchten sich einer nach dem anderen neue Jobs, da war also viel Wechsel. Da kann sowas schon mal untergehen.
Die in dem Moment für mich zuständige Lektorin sagte also: lass den Stift fallen, schick mir, was Du hast, und schick vor allem eine Rechnung, ich habe keine Ahnung, wie lange wir überhaupt noch zahlen können.
Habe ich gemacht, habe mein Geld bekommen und dann die Daumen gedrückt, dass der Verlag es irgendwie schafft. (Und meine Übersetzung mit ihm.) Das war letztes Jahr im Frühjahr.
Im Spätherbst wurde der Verlag endlich von einem anderen gekauft, und es kann weitergehen. Jetzt soll es doch bald erschienen, ich möge bitte einen Kostenvoranschlag für die Mehrarbeit machen. Ich sauge mir irgendeine Zahl aus den Fingern, keine Ahnung, wie lange ich dafür brauche, und nu sitz ich hier. Die Änderungen im Original sind zwar rot gekennzeichnet – aber natürlich nur da, wo etwas hinzugefügt oder verändert wurde. Wo etwas gestrichen wurde, steht einfach nur nichts, und das bedeutet: ich muss tatsächlich nochmal Satz für Satz meine fast ein Jahr alte Übersetzung mit dem neuen Original vergleichen. Und ich sag Euch: das macht echt keinen Spaß. Aber zum Glück ist es ein tolles Buch, das immer noch Spaß macht. Machen würde. Wenn es nicht so lästig wäre. Seufz.

Hexalogue or Code of Good Practice

As published by CEATL (Conseil Européen des Associations de Traducteurs Littéraires, das ist der Dachverband der Europäischen Übersetzerverbände):
 
 
Compliance with copyright, adequate payment: by publishing its Hexalogue, CEATL demands fair-play for literary translators
27-11-2011 – CEATL news | Europe

Three years after the groundbreaking study on the income of literary translators in Europe, the European Council of Literary Translators’ Associations (CEATL) has published six basic rules for fair-play in all business relations with literary translators.

Drawing on the experience of its 32 member associations, CEATL notes a general disregard for literary translators’ rights, in addition to shamefully low remuneration. Although all European countries have signed the Berne Convention, in which translations are explicitly acknowledged as original literary works, in many countries translators are not considered authors. This disregard is also reflected in the fact that the translator’s name is generally omitted from the credits, at readings and other events, and is often ignored by the media (press, radio, TV, online). Sometimes the translator’s name is omitted even when their work is used.

In order to change these unsatisfactory conditions, CEATL’s member associations have drawn up a set of six rules with which all parties involved in literary translation should comply: translators, publishers, event organisers and critics. You will find this ‘Hexalogue’ below, in its original wording. We would be grateful if you would devote a few lines to CEATL’s publication of these rules. Don’t hesitate to contact us if you have any further questions.

    The Six Commandments of ‘fair-play’ in literary translation, adopted by CEATL’s General Assembly on 14 May, 2011. [pdf download]

    1. Licensing of rights
    The licensing of rights for the use of the translation shall be limited in time to a maximum of five years. It shall be subject to the restrictions and duration of the licensed rights of the original work. Each licensed right shall be mentioned in the contract.

    2. Fees
    The fee for the commissioned work shall be equitable, enabling the translator to make a decent living and to produce a translation of good literary quality.

    3. Payment terms
    On signature of the contract, the translator shall receive an advance payment of at least one third of the fee. The remainder shall be paid on delivery of the translation at the latest.

    4. Obligation to publish
    The publisher shall publish the translation within the period stipulated in the contract, and no later than two years after the delivery of the manuscript.

    5. Share in profit
    The translator shall receive a fair share of the profits from the exploitation of his/her work, in whatsoever form it may take, starting from the first copy.

    6. Translator’s name
    As author of the translation, the translator shall be named wherever the original author is named.

Von der CEATL-Webseite. (via Katy)

Ein Gedicht, ein Gedicht!

Boah, lange kein Gedicht mehr zum Mitübersetzen gebloggt. Aber jetzt! Endlich! Diesmal habe ich hier eine Einladung zu einem Bridal Shower, einer Brautparty. Das ist eine Party, die vor der Hochzeit stattfindet, auf der schon mal Aussteuer usw. geschenkt werden. Wird gerne unter ein Motto gestellt und nicht von der Braut, sondern von ihren Freundinnen, Eltern, Kolleginnen … ausgerichtet. Diese Party hier wird vom Bridgeclub der Brautmutter geschmissen, das Motto ist: Lieblingssachen. Favorite things. Auf der Einladung steht:

    Girls in white dresses
    with blue satin sashes,
    snowflakes that stay on my nose and eyelashes!
    Please come and celebrate with our bride-to-be,
    Kristi Kerney.
    Bring her one of your favorite things!

Zusätzliche Härte: „Girls in white dresses“ ist auch der Titel des Buchs, auf deutsch wird es „Mädchen in weiß“ heißen. Könnte man also auch gern so übersetzen, muss aber nicht unbedingt. Und das mit den Schneeflocken hat keinen weiteren Sinn, bezieht sich auf nix anderes im Buch, reimt sich nur. Da kann also auch etwas völlig anderes hin, Hauptsache, es dichtet. Albernheiten willkommen, wisst Ihr ja.

Post!

Mail von meinem Kollegen Ulrich Blumenbach. Ihr erinnert Euch? Übersetzer von David Foster Wallace. Er schreibt zum Betreff „Lass uns gehen“:

Nabend allerseits,
ich habe keinen Blog, wo ich den Schaum vor dem Mund zum Dokument eintrocknen könnte, also muss ich es in einer Rund-Mail machen, die Ihr alle gern sofort löschen könnt. Seit achtzehn Jahren versuche ich, mit meinen sprachbewussteren Kollegen und Kolleginnen gegen die Anglizismen anzugehen, die durch schlecht synchronisierte Fernsehserien aus Großbritannien und den USA für eine akzelerierende Neandertalisierung der deutschen Sprache sorgen. Eine durchaus verehrte Kollegin
[das bin ich, das bin ihich! IB] verteidigt diese grassierende Aufforderung als „Weihnachtsimperativ“ wegen jahrhundertealter Zeilen wie „Lasst uns froh und munter sein“ oder „Lasset uns nun gehen …“, aber ich alter Sturkopf beharre darauf, dass „Lass uns gehen“ für „Let’s go“ ein Anglizismus ist, den wir nicht brauchen, weil er keine Lücke in der deutschen Sprache füllt. Und was sehe ich heute im korrigierten Englischtest, den mir meine Tochter zur Unterschrift vorlegt? Die Lehrerin hat ihr einen Punkt abgezogen, weil sie „Let’s go“ mit „Gehen wir“ übersetzt hat. Meine Tochter wird dafür bestraft, gutes Deutsch zu schreiben! Vielleicht bin ich ja ein Reaktionär der Sorte, die Pfützen stehenlässt, weil sie noch von der Sintflut herrühren könnten, aber DAS ist für mich der Untergang des Abendlandes, ähm, des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Zunge, ach Scheiße, was weiß denn ich.

Ich seh das mit dem Weihnachtsimperativ und vielleicht überhaupt mit den Anglizismen ja ein bisschen entspannter, aber das ändert natürlich nichts dran, dass Ulrich zumindest in sofern recht hat, dass „Gehen wir“ eine völlig in-Ordnunge Übersetzung ist, vielleicht sogar schöner als „Lass uns gehen“. Dass nun aber Ulrich Blumenbachs Tochter mehr vom Übersetzen verstanden hat als ihre Lehrerin, das wundert mich nicht wirklich.

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