da bin ich wieder! Nach fast fünf Wochen Schottland. Es war, was das Wetter angeht, der herrlichste Sommer seit vielen Jahren, sagen die Schotten. Für uns war es auch herrlich, wir haben dauernd im Bach gebadet und ganz viel Musik gehört und gemacht (letzteres nur der Mann), wir haben viel mit Freunden zusammengesessen und geredet, wir haben getanzt und vor allem: sehr viel Nichts gemacht. Und das war auch gut so, denn im letzten Jahr haben wir beide ganz schön viel gearbeitet.
Ich habe nicht mal viel gelesen. Was haben wir bloß den ganzen Tag gemacht? Ich weiß es nicht. In der Hollywoodschaukel gesessen, den Schwalben und Mauerseglern bei ihren Flugmanövern zugesehen und ungefähr sechs Millionen Fotos von Pfauen gemacht. Dazu: 24 Seiten geschrieben. Das ist ganz schön wenig, wenn man bedenkt, was ich mir vorgenommen hatte. Andererseits, siehe unten: „… aber so ein Zeitroman, mein lieber Freund, das zieht sich!“ Ist ja auch klar, dass man nicht „kurz mal eben“ einen Roman schreibt. Es ist schon in Ordnung, es geht eben langsam.
Zwischenstand: 68 Seiten. Vieles ist noch unklar. Manches ist mir klarer geworden, anderes gar nicht. Ich muss meine Figuren noch besser kennenlernen, und ich muss mir vor allem klarer werden, was ich eigentlich will, wo ich hinwill. Soll das ein nettes, kleines Unterhaltungsromänchen werden, oder darf’s auch ein bisschen ernster sein? Ist der Pfau wirklich das Hauptthema oder nur der Aufhänger? Na, und so weiter.
Jetzt also: back to work. Ich hoffe, dass ich in Schottland genügend Input und genügend Erholung hatte, um mich jetzt mit frischem Elan dranzusetzen und einigermaßen geregelte Arbeitstage am Schreibtisch zu verbringen und dann doch irgendwie voranzukommen. Dummerweise liegen hier auch die Korrekturen des Buchs, das ich im Winter übersetzt habe, da muss ich auch noch durch. Und dann muss ich noch den Festivalbericht aus Stonehaven fertigmachen, damit der nächste (oder übernächste) Woche erscheinen kann. Und Urlaubsfotos sichten. Und vielleicht auch noch welche bloggen. Außerdem dies und da… neenee. Ich muss dieses Buch schreiben! So.
Los geht’s.
das war in den letzten zwei Wochen der Blick aus meinem Homeoffice. Also, aus der Hollywoodschaukel, in der ich zum Schreiben saß.
Ja, das sind Pfauen da auf der Wiese. Irgendwann werden sie auch bestimmt besser zu erkennen sein und Konturen gewinnen. (Hey, ich versuche gerade, mich selbst als Autorin zu sehen, da wird wohl mal eine platte Metapher drin sein.)
Jedenfalls: jetzt bin ich kurz anderswo, und der neue Blick aus dem neuen Homeoffice ist dieser hier.
Das gibt metaphorisch jetzt leider gar nichts her, das Meer kommt in meinem Buch bisher nicht vor, auch kein Hafen, keine Boote und noch nicht mal wirklich der Sommer. Der könnte aber womöglich noch kommen, das weiß ich noch nicht. Dann würde ich ihn wahrscheinlich im Winter beschreiben, wenn ich weiterhin so vorankomme wie bisher. Bisher ist im Buch Winter. Sommer ist aber im wirklichen Leben reichlich, es ist warm und sonnig und herrlich, und deswegen muss ich auch dauernd draußen sein und spazierengehen und im Bach baden und Pfauen gucken, und das noch zusätzlich zu dem ganzen Stress mit Freunde besuchen und Lagerfeuer machen und Grillen und auf Sessions gehen und all das.
Jetzt sind wir in Stonehaven zum Folk Festival, das den Mann noch einen Tick mehr interessiert als mich, er ist gerade unterwegs, weil in den ersten Pubs die ersten Sessions losgehen. Und ich sitze im Hotel mit diesem Blick, vom nahegelegenen Pub dringt Livemusik herein, und ich denke, soll ich wirklich jetzt diese Winterszene weiterschreiben, soll ich schreiben, wie kalt es ist und wie sehr alle frieren, und dass es schneit, oder gehe ich raus, setze mich in die Sonne und höre Musik? Was ich hier für Opfer bringe, man macht sich keine Vorstellung! Und alles für die Kunst!
Zwischenstand: 63 Seiten. Mir ist aufgefallen, dass ich zwei meiner Hauptfiguren noch nicht besonders gerne mag. Das ist doof, die muss ich noch näher kennenlernen, um mehr Verständnis für ihre Macken zu kriegen. Nix ist blöder, als seine Figuren nicht zu mögen. Ich mag sie auch nicht *nicht*, aber ich habe sie halt noch nicht so richtig lieb. Gleichzeitig ahne ich, dass ich auch an den bisherigen Sympathieträgern im Laufe der Zeit noch Macken feststellen werde. Und: ich habe noch keine Ahnung, was der Lord und die Lady für welche sind. Wie alt sie sind, wie sie drauf sind und so weiter. Aber so langsam gewinne ich das Vertrauen, dass es mir irgendwann einfach klar sein wird. Wahrscheinlich muss ich einfach nur noch mehr Shortbread essen.
Desweiteren möchte ich zu Protokoll geben, dass ich ein dringendes Bedürfnis verspüre, Puffins zu sehen. Und Wale, bitte. Wenn das nicht geht, dann wenigstens Delfine. Danke.
Wow. Seit Ewigkeiten bin ich zum ersten Mal an meinem Geburtstag nicht zu Hause. Ich habe ihn immer gefeiert, immer alle eingeladen, nachmittags kamen meistens die Freunde mit Kindern, abends die ohne, ich habe es immer sehr genossen, die Bude voll zu haben, das liebe ich. Diesmal also das Gegenprogramm, abgelegenes Tal in Schottland, unsere Freunde hier sind unterwegs, wir haben quasi das ganze Anwesen für uns. Klingt erstmal ein bisschen einsam, ist aber trotzdem super – die Sonne scheint, es ist richtig warm, wir sitzen mit einem Glas Sekt in der Hollywoodschaukel und gucken über die riesige Rasenfläche (Pfauen!) ins Grün. Ich habe sogar etwas gearbeitet! Zwischendurch kochen wir Tee und essen Shortbread dazu, ich hüpfe ein bisschen auf dem großen Trampolin herum, das hier draußen steht, und dann gucke ich nochmal kurz ins Internet, wo mir schon wieder X Leute gratuliert haben und fühle mich kein bisschen allein.
Das waren deutlich über 200 Glückwünsche auf Facebook, Twitter, Xing, im Blog, per E-Mail und SMS. So wahnsinnig viel Nettes, das ist ein ganz schön tolles Gefühl – danke Euch allen dafür. Ich möchte fast wetten, dass ich ein paar verpasst habe, das tut mir sehr leid. Dummerweise ist hier das Internet limitiert, deswegen habe ich auf noch fast nichts reagiert, aber ich hab Euch alle lieb. Ehrlich! Danke! Sehr!
So ganz glaube ich es selbst immer noch nicht, aber ich bin tatsächlich dabei, einen Roman zu schreiben. Das ist, stellt sich heraus, verblüffend viel Arbeit. Wer hätte das gedacht!
Ein Gedicht ist rasch gemacht
Schnell auch reimt ein Lied sich.
Aber so ein Zeitroman –
Mein lieber Mann, das zieht sich!
Na gut, Robert Gernhardt hätte das also gedacht, und schätzungsweise auch sonst der ein oder andere. (Aus dem Gedächtnis zitiert, keine Garantie für den exakten Wortlaut.) Dabei ist es ja nicht mal ein Zeitroman, was ich da schreibe. Was dann? Leute fragen mich nach dem Genre – keine Ahnung. Muss immer alles in eine Schublade passen? Ich erzähle halt eine Geschichte. Und wie diese viele Arbeit aussieht, die das macht, weiß ich auch noch nicht wirklich, es ist jedenfalls sehr, sehr anders als das Übersetzen. Ich starre quasi auf den leeren Platz neben dem Monitor, wo sonst der Buchständer mit dem Original steht, und da ist nichts, das muss ich mir da selbst hindenken – die Geschichte, die Charaktere, Recherchen, Erzählperspektiven, ich weiß noch gar nicht so richtig, wie das alles geht.
Recherche ist plötzlich viel weniger zielgerichtet – beim Übersetzen muss ich normalerweise irgendeine Gegebenheit verifizieren, verstehen und dann vor allem: das eine Wort finden, das ich in der Übersetzung gerade brauche. Jetzt heißt Recherche: ein bisschen drumherumlesen und hoffen, dass mich etwas anspringt, das ich gebrauchen kann, das irgendwie in meine Geschichte passt. Oder ganz anders – es muss nicht mal Lesen sein, es kann auch Bildersurfen im Internet sein oder ein Spaziergang im Wald oder ein Telefonat mit einer Kollegin oder Pfauenfotografieren und mal gucken, was die so machen.
Und natürlich die Allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Schreiben, das habe ich ja beim Übersetzen auch nicht, dass ich erst bei der Arbeit merke, was ich da eigentlich mache. Beim Übersetzen geht es immer in erster Linie um die sprachliche Gestaltung, und um die mache ich mir jetzt bei meinem eigenen Roman am wenigsten Sorgen, der Ton der Geschichte war von Anfang an so klar und eindeutig, da gab es keine Sekunde drüber nachzudenken.
Schwieriger ist sowas wie die Erzählperspektive, ich habe einen allwissenden Erzähler (falls man das so nennt, ich kenne mich da nicht aus), der weiß auch, was die Leute so denken, aber ich möchte trotzdem nicht, dass er zu sehr zwischen den Gehirnen hin- und herspringt, oder vielleicht doch, ich weiß es nicht. Ich glaube, ich habe eine Lösung gefunden, und die muss ich jetzt nicht nur fürderhin anwenden, sondern auch die bisherigen 50 Seiten nochmal durchgehen und entsprechend anpassen.
So ähnlich geht es auch mit den Figuren, die mir langsam immer klarer werden, und die von einer diffusen „Gruppe“ nach und nach zu eindeutigen Charakteren heranwachsen. Fange ich jetzt wieder von vorne an und füge Charakterzüge ein, wo nenne ich sie zum ersten Mal beim Namen, oder mache ich erstmal hinten weiter mit der Geschichte und fange erst dann wieder von vorn an, wenn ich schon deutlich weiter bin als jetzt?
Überhaupt, die Geschichte selbst, das bin ich ja am allerwenigsten gewohnt, selbst eine Geschichte zu erzählen, mir etwas auszudenken, und ich habe immer noch die Befürchtung, dass mir nichts einfällt, was wahrscheinlich totaler Quatsch ist, um jetzt noch Thomas Mann zu zitieren:
Fantasie bedeutet nicht, dass man sich etwas ausdenkt, sondern dass man sich aus dem Vorhandenen etwas macht.
(Ebenfalls aus dem Gedächtnis zitiert und ohne Gewähr.) Bei den wenigen literarischen, also: fiktionalen Texten, die ich bislang geschrieben habe, habe ich immer die Erfahrung gemacht, dass die Geschichte dann schon von selbst kommt, wenn man nur erstmal anfängt, aber mir fehlt noch ein bisschen das Vertrauen, dass das auch weiterhin so funktionieren wird. Im Moment weiß ich, was den Plot angeht, nur die nächsten Schritte und eine ungefähre Richtung, aber noch nicht, wo es hingeht.
Zusammenfassend lässt sich sagen: ich komme tatsächlich voran, aber es geht ganz schön langsam. Was wohl total normal ist. Und ich muss mich noch daran gewöhnen, dass ein Großteil der Arbeit nicht aus Tippen besteht, sondern aus Denken, Ideenhaben, Verwerfen, Löschen, Neuanfangen. Wobei, gelöscht habe ich bisher wenig. Aber ich kann auch nicht dauernd stolz neu geschaffte Seitenzahlen verkünden wie beim Übersetzen. Dafür sehe ich insgesamt schon ein bisschen klarer als vor zehn Tagen, als wir hier ankamen und erstmal mit anderen Dingen als Arbeit beschäftigt waren. Eigentlich bin ich ganz zufrieden. Es geht langsam, aber es geht voran, ich bin guter Dinge. Beharrlichkeit ist vermutlich das Stichwort. Und um jetzt auch noch mit einem Zitat abzuschließen, ich habe leider vergessen, von wem:
Writing is five percent inspiration and ninety-five percent transpiration.
Heute habe ich Geburtstag. Und ich schenke mir diesen Satz: Jawohl, ich schreibe einen Roman. Puh. Crazy.
Anscheinend sind hier gerade Interviewwochen – ich habe schon wieder Fragen beantwortet, diesmal für das wunder-wunderbare Blog Authors and Translators. Ich bin wirklich stolz, dort dabeizusein, denn das ist ein Blog, das Übersetzerinnen stolz macht: was uns da an geballter Wertschätzung entgegenschlägt, haben wir sonst nie. Und es stammt von denen, von denen wir es am nötigsten brauchen, von den Autoren.
Hier geht’s zu meinem Interview.