Als Olinka Vištica und Dražen Grubišić sich getrennt haben, wussten sie nicht recht, wohin mit den gemeinsamen Erinnerungsstücken. Wegwerfen wollten sie sie ebensowenig wie behalten. Also haben sie tatsächlich ein Museum aufgemacht, das Museum der zerbrochenen Beziehungen in Zagreb, in dem sie solche Erinnerungsstücke aus aller Welt zusammentragen. Erinnerungen an Beziehungen, die nicht mehr bestehen. Weil nach mehreren Jahrzehnten die Liebe zu Ende war. Oder weil man sowieso nur einen Tag zusammen hatte und nie was draus geworden ist. Oder weil einer gestorben ist. Oder, oder, oder. Und zu diesem Museum gibt es nun ein Büchlein, in dem einige dieser Erinnerungsstücke vorgestellt werden. Jeder Gegenstand hat eine oder zwei Seiten, es gibt ein Foto und ein bisschen Text dazu. Manchmal nur einen Satz. Manchmal eine ganze Geschichte. Und alle, alle, alle brechen einem das Herz. Ich kann es gar nicht am Stück lesen, habe es auf dem Schreibtisch neben mir liegen und lese immer nur eine Seite. Einen Gegenstand. Vielleicht mal zwei. Und dann seufze ich tief und wende mich wieder meiner Übersetzung zu. Bis ich mir das nächste Mal das Herz brechen lasse. Von dem hässlichen Keramikfrosch zum Beispiel: das einzige Weihnachtsgeschenk, das ein Kind je von seiner Mutter bekommen hat, die Mutter hat die Familie nämlich verlassen, als das Kind drei wahr. Oder von der Asche eines geliebten Menschen, die in aller Welt verteilt wird. Oder von den Brustimplantanten, die nach dem Ende der Beziehung doch wieder rausgenommen wurden. Und dann muss ich auch mal kurz lachen, über den Liebesräucherduft, der auch auf dem Cover abgebildet ist, und bei dem nur steht: „Funktioniert nicht.“ Wenn der Herzbruch nicht mehr auszuhalten ist, klappe ich das Buch zu und kehre mit dem Anblick des Coverbilds zur Lakonie zurück. Ansonsten möchte man eigentlich aus jeder kleinen Geschichte einen Roman machen.
„Die Sache währte 300 Tage zu lang. Er gab mir sein Handy, damit ich ihn nicht mehr anrufen konnte.“
Olinka Vištica und Dražen Grubišić (Marcus Gärtner): Das Museum der zerbrochenen Beziehungen. Rowohlt, 15,00 €
Dann komm man rein. „Das neue Jahr wird ein bisschen ruhiger als das letzte“ habe ich vermutlich schon öfter geschrieben. (Außer 2016. Da ist der Pfau erschienen, da war klar, dass es aufregend wird. Allerdings nicht in dem Ausmaß.) Gestimmt hat es nie. Aber ich denke auch dieses Jahr wieder, dass es etwas ruhiger wird. Nicht sofort, erstmal muss ich jetzt blitzartig wieder einen Roman von Jane Gardam zu Ende übersetzen, Abgabe im März, er erscheint im Herbst. Danach genauso blitzartig meinen neuen eigenen Roman zu Ende schreiben, der aktuelle Plan sieht vor, dass ich vor den Sommerferien die erste Fassung fertig habe und wir im Herbst in Ruhe das Lektorat machen können, denn erscheinen wird er erst im Herbst 2019.
Parallel habe ich in der ersten Jahreshälfte noch vor, zur Buchmesse nach Leipzig zu fahren, zu zweit ein paar Tage zum Schreiben irgendwohin, zu zehnt ein paar andere Tage wo anders hin, und zur Übersetzertagung nach Wolfenbüttel. Und dann sind auch schon bald Sommerferien.
Für die zweite Jahreshälfte habe ich noch keine weiteren Pläne, außer Lektorat und Überarbeitung des neuen Romans, und das finde ich gerade höchst wunderbar. Denn das wird genug Arbeit, und natürlich werden sich auch wieder andere Dinge ergeben. Und es ist Frankfurter Buchmesse, fester Termin natürlich. Und dann wird irgendwann schon wieder die nächste Gardam kommen. Ich bin da gerade in der sehr komfortablen Situation, eine „feste“ Autorin mit einem umfangreichen Oeuvre zu haben, die hier so gut läuft, dass der Verlag weiterhin Bücher von ihr veröffentlichen will, etwa eins pro Jahr, vielleicht auch mal erst nach anderthalb Jahren. Und daneben meine eigenen Sachen zu schreiben. Perfekte Mischung.
Hatte ich oben geschrieben „etwas ruhiger“? Nun. Da lag dieser halbfertige Eintrag herum, und prompt klingelte das Telefon, Rowohlt war dran, und fragte, ob ich noch schnell 17 Seiten von – ACHTUNG – Fire and Fury übersetzen kann. Musste natürlich irre schnell gehen, sechs Kollegen saßen schon dran, ich war für ein paar Seiten die siebte. Und hoffe jetzt sehr, dass die sechs ihr Pensum alle schaffen und ich nicht noch mal einspringen muss, denn gleichzeitig, also tatsächlich am gleichen Tag, hat Hanser beschlossen, doch ein Leseexemplar von der neuen Gardam zu machen, das heißt, das muss ich auch früher abgeben als geplant. Ich schalte also mal wieder auf Turbo und sage alles andere ab. Tschüss, Welt, war schön mit dir. Hihi.
Oh, und noch einen Plan habe ich für dieses Jahr: Ich möchte Tango tanzen lernen. Und nachdem ich das auf Facebook zum X-ten Mal kundgetan habe, habe ich jetzt plötzlich gleich mehrere Anwärter und einen ersten Termin ausgemacht und freue mich sehr. Hoffentlich wird das was Längeres.
Heute ist mein Bloggeburtstag. Is a blog wird tatsächlich heute 13, und „ich habe mal wieder gute Vorsätze“ schreibe ich wohl auch jedes Jahr. Jenun. Nachdem ich mir viele Jahre lang vorgenommen habe, endlich mal mehr fernzusehen, bzw. überhaupt Filme zu gucken oder mal ins Kino zu gehen, hat es auch irgendwann geklappt. Inzwischen gucke ich sogar manchmal Serien, es ist ja nicht so, dass ich gar nicht lernfähig wäre. Vielleicht klappt es ja mit dem Bloggen auch wieder, eigentlich möchte ich das gerne. Weil ich auch immer gern die alten Sachen nachlese. Aber jetzt muss ich erstmal übersetzen.
Komm rein, 2018, nimm dir ’n Keks. Wir rocken das schon. Und: Happy Birthday to me!
Du warst ein bisschen sonderbar. Ich habe das Gefühl, fast gar nichts geschafft zu haben, aber total erschöpft zu sein. Ich habe nur ein Buch übersetzt, im Frühjahr, nämlich die Erzählungen von Jane Gardam, die im Herbst erschienen sind. (Und die großartig sind, übrigens.) Und ich habe versucht, einen zweiten Roman zu schreiben. Anfang des Jahres dachte ich noch, ich könnte ihn Ende des Jahres fertig haben. Jetzt habe ich 54 Seiten, und die sind sicher noch nicht fertig. Na, und 25 weitere Seiten Steinbruch. Und einen Stapel Karteikärtchen mit Notizen. Das ist nicht nichts, aber es fühlt sich auch nicht an wie viel. Was daran liegt, dass es ein ziemlicher Kampf war, ein dauerndes Hadern und Zweifeln. Im November war ich knapp zwei Wochen auf Helgoland, dort ist ein bisschen was passiert, immerhin habe ich jetzt einen Anfang und hoffe, damit weiter voranzukommen. Vielleicht liegt es auch an diesem Hadern und Zweifeln, dass ich mich zum Jahresende so erschöpft fühle. Im Dezember war mir selbst das Kommunizieren zu viel, so kenne ich mich gar nicht, ich hatte das Gefühl, alle wollen was von mir, ich wollte keine Mails mehr schreiben, mir eigentlich nur noch die Decke über den Kopf ziehen – und dazu fand ich eigentlich, gar kein „Recht“ auf so eine Stimmung zu haben, denn objektiv betrachtet war gar nicht mehr als sonst auch. Jaja, I know, man darf auch einfach so mal platt sein, vielleicht habe ich auch nur zu wenig Vitamin D und sollte mal ins Solarium. Ich bin auch dauernd ein bisschen erkältet, das nervt, sowas mache ich ja normalerweise nicht mit.
Einige Lesungen hatte ich 2017 auch noch. Längst nicht mehr so viele wie 2016, aber doch immer noch so, dass ich immer wieder unterwegs war. Und ich habe festgestellt, dass ich keinen Roman schreiben kann, wenn ich alle paar Tage dann doch wieder rausgerissen werde und irgendwo hinmuss. Ich muss mir tatsächlich immer wieder eine Zeit am Stück nur fürs Schreiben reservieren, und dann am besten wegfahren, nicht in Hamburg sein. Das hefte ich mal unter „dieses Jahr gelernt“ ab. Auf Helgoland ging es nach ein paar Tagen ganz gut.
Im September ist das Pfau-Taschenbuch erschienen und war sofort wieder auf der Bestsellerliste, und da ist es auch immer noch. Und es ist immer noch alles unbegreiflich und unglaublich und großartig, und ich staune immer noch, seit zwei Jahren staune ich. Zuletzt gestern in einer Buchhandlung in Edinburgh, wo mein Roman bei den fremdsprachigen Büchern im Regal „Deutsch“ stand. Das Regal war nicht groß, dort standen als erste: Bjerg, Bogdan, Böll, Brecht. Das ist doch crazy. Zu dem Gefühl, wenig geschafft zu haben, aber trotzdem erschöpft zu sein, kommt also dieses: Altes Buch himmelhochjauchzend, neues Buch … naja, nicht zu Tode betrübt, aber eben doch ein ziemlicher Brocken.
Damit habe ich die Reisen des Jahres quasi schon vom Ende an genannt: Jahreswechsel in Schottland. Seit heute sind wir wieder zu Hause. Im November 2 Wochen Helgoland. Im Oktober war ich natürlich auf der Buchmesse, zur gleichen Zeit habe ich ein paar Lesungen mit Takis Würger zusammen gemacht, which was fun. Es endete damit, dass ich seine Zettel, von denen er ablesen wollte, in einer Kneipe in Kiel liegen ließ und wir es erst unmittelbar vor der Lesung merkten. Ups.
In den Sommerferien waren wir in Kroatien, zum ersten Mal, und fanden es wunderbar. Na, mit Ausnahme dieser Insektenattacke aus der Hölle vielleicht, die mich eines Nachts tatsächlich ins Krankenhaus trieb, wo ich eine Spritze bekam und die Ärztin schwer beeindruckte mit meinen Stichen. Die Meeresorgel in Zadar macht aber solche kleineren Kalamitäten schnell vergessen.
Kurz vor Kroatien waren wir auf dem A Summer’s Tale, das war auch sehr fein. Noch davor war ich NICHT in Klagenfurt, was doof ist, denn dieses Jahr kann ich auch nicht. Ich konnte aber zur Übersetzertagung in Wolfenbüttel, die auch wieder schön war – wieso muss eigentlich immer erst Übersetzertagung oder Buchmesse sein, damit ich mal bis halb vier morgens tanze? Davor waren ein paar kleinere Reisen, ich war auch im Frühjahr ein paar Tage auf Helgoland, und ein paar Tage im Allgäu. Das war Arbeit, ich hatte dort Lesungen, aber es war so schön, dass es sich anfühlte wie Urlaub.
Sicher das Schönste an diesem Jahr: ich habe ein paar neue Freundschaften geschlossen oder begonnene intensiviert. Lauter Leute, über die ich mich wirklich sehr freue. Ich bin viel ausgegangen, habe Getränke getrunken, war im Kino, im Theater, auf Lesungen und Konzerten, mehrfach in der Elbphilharmonie (Höhepunkt dort: Rufus Wainwright. War. das. großartig.) Und ich habe viel zu wenig gelesen.
Die große Politik war eine Katastrophe, wisst Ihr selbst. Privat bin ich nach wie vor ein Glückskind, in meinem privaten Umfeld sind weitestgehend alle gesund, zufrieden und bei Sinnen.
Danke, 2017, du warst eigentlich schon ganz prima.
Endlich wieder wasmachendieda! Es hat schon wieder so einen Spaß gemacht. Und so viel Arbeit natürlich, im Moment kommen wir leider beide nicht dazu, das regelmäßiger zu machen.
Wer hier schon sehr lange mitliest, kennt Frank schon aus meinem Bericht über den Sportbootführerschein. Der fängt mit der Information an, dass Frank einen Knall hat. Es ist jetzt erschütternde sieben Jahre her, dass wir den Bootsführerschein gemacht haben, aber Frank hat immer noch einen Knall: Der neuste ist, dass er Drechseln und Drehen gelernt hat und in seiner heimischen Werkstatt Schreibgeräte baut. Kugelschreiber und Füllfederhalter vom Feinsten. Bitte aufs Bild klicken:
Ein Ladengeschäft gibt es auch, und dort lese ich am Freitag um 19:00 Uhr aus dem Pfau. Am Kaiserkai 26, das ist die Straße, die auf die Elbphilharmonie zuführt.
„Es fiel Regen in jener Nacht, ein feiner, wispernder Regen. Noch viele Jahre später musste Meggie bloß die Augen schließen und schon hörte sie ihn, wie winzige Finger, die gegen die Scheibe klopften. Irgendwo in der Dunkelheit bellte ein Hund, und Meggie konnte nicht schlafen, so oft sie sich auch von einer Seite auf die andere drehte.“
Cornelia Funke: „Tintenherz“, erstes Kapitel. (Danke, Karlo Tobler!)
Wolfram Fleischhauer: Schweigend steht der Wald (Danke, Jürgen Schöneich!)
„Fernes Hundegebell holte ihn in die Wirklichkeit zurück. Wahrscheinlich einer der Wachhunde des Sicherheitspersonals.“
Liu Cixin: Die drei Sonnen Band II, S.199 im chines. Original (Danke, Karin Betz!)
„In der Ferne lachten die Makaken.“ Marion Poschmann, Die Kieferninseln (Danke, Britta Waldhof!)
Robert Macfarlane: Alte Wege. Naturkunden No. 25 bei Matthes & Seitz Berlin (Danke, Susanne Dirkwinkel!)