Warum es so wichtig ist, die Übersetzer zu nennen
Warum liest man ein Buch? Sicher aus ganz unterschiedlichen Gründen. Vereinfacht könnte man sagen: die zwei Hauptgründe, aus denen man ein Buch mag und liest (oder nicht mag und nicht liest), sind
1. die Geschichte und
2. die Sprache.
Für die meisten Leser dürfte beides eine Rolle spielen, in unterschiedlicher Gewichtung, je nach Buch; je anspruchsvoller die Literatur ist, desto mehr Wert legt man möglicherweise auf die Sprache. Wenn die Geschichte gut genug erzählt ist, wenn die sprachliche Gestaltung etwas Besonderes ist, dann kann der Plot auch ein schlichtes „boy meets girl“ sein, es ist trotzdem ein tolles Buch. Und umgekehrt: die beste Story nutzt nichts, wenn sie grauenhaft erzählt ist, wenn die Sprache nicht stimmt, wenn sie holprig ist und vor Fehlern strotzt.
Das ist der Grund, warum man als Leser zunächst mal wissen möchte, von wem ein Buch überhaupt stammt. Wir wollen wissen, wie der Autor heißt, denn möglicherweise kennen wir ihn, und dann ahnen wir schon, ob uns die Geschichte interessieren wird und uns die Sprache zusagt. Zumindest bei deutschen Autorinnen. Wenn das Buch aber eine Übersetzung ist, dann sagt mir der Autorenname vielleicht etwas über die zu erwartende Geschichte – aber um eine erste Ahnung zu bekommen, ob das Buch mir sprachlich zusagen könnte, muss ich wissen, wer es übersetzt hat. Möglicherweise sagt der Name des Autors einem überhaupt nichts, man weiß aber, dass die Übersetzerin oft tolle Bücher übersetzt, und dass sie das gut macht; dann guckt man es sich vielleicht an. Wenn man die Autorin toll findet, aber sieht, dass die Übersetzung von jemandem stammt, von dem man wenig hält, lässt man es. Man mag jetzt sagen, ich sei da ein Spezialfall, weil ich selbst Übersetzerin bin. Das glaube ich aber nicht. Auch meine nichtübersetzenden Freunde lesen Bücher – zumindest teilweise – der Sprache wegen. Und was mich angeht: Ich habe schon oft genug Bücher *nicht* gekauft, weil sie von bestimmten KollegInnen übersetzt wurden (deren Namen ich hier selbstverständlich nicht nenne, weil es eben Kollegen sind). Und umgekehrt: Krimis zum Beispiel interessieren mich überhaupt nicht, aber wenn „Wolf Haas“ draufsteht, kaufe ich sie. Ausschließlich wegen der Sprache, die Handlung ist mir komplett wurscht.
Es muss ja gar nicht jede Buchbesprechung auch eine fundierte und ausführliche Übersetzungskritik enthalten. Manchmal bietet sich das gar nicht an. Aber sobald ein Rezensent über die Sprache eines Buchs schreibt, muss er doch auch darauf hinweisen, dass es sich nicht um die Sprache des Autors handelt, sondern um die seiner Übersetzerin. Und dann muss er den Leser seiner Kritik wissen lassen, über wessen Sprache er da gerade schreibt. Und auch, wenn er nichts über die Sprache sagt, gehört der Hinweis auf die Übersetzerin zumindest ins Kleingedruckte, unten drunter, wo noch mal Autor, Titel, Verlag, Preis etc. genannt werden.
Aber nicht nur in Kritiken gehören die Übersetzer genannt. Sondern beispielsweise auch in Werbemaßnahmen von Verlagen, und das gilt bis in kleine Facebookeinträge – da liest man verblüffend häufig so etwas wie „jetzt endlich bei uns auf Deutsch erschienen“, als wäre die deutsche Version vom Himmel gefallen (oder um mich selbst zu zitieren: „Uns ist eine Übersetzung erschienen, Hallaluja!“). Eine Leserin, die sich für die sprachliche Gestaltung eines literarischen Werks interessiert, möchte da doch die wichtigste Angabe dazuhaben, nämlich: von wem sie denn nun stammt, die sprachliche Gestaltung. Weil das für jemanden, der die Sprache liebt, eines der wichtigsten Kauf- oder Nichtkaufargumente ist. Viel wichtiger als Preis oder Seitenzahl oder ISBN. Es nervt kolossal, wenn man bei jedem Hinweis auf ein Buch in Blogs oder den sozialen Netzwerken erstmal selbst rauskriegen muss, wer es denn übersetzt hat, um entscheiden zu können, ob man das Buch sofort kaufen oder vielleicht nur auf dem Schirm behalten oder gleich abhaken will.
Jeder Käufer eines Hörbuchs möchte wissen, wessen Stimme er hören wird. Ein Käufer klassischer Musik wählt nach Interpret aus. Genauso möchte die Leserin eines Buchs wissen, wessen Stimme sie lesen wird.
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Ach ja, FUN FACT zum Schluss: Der Übersetzer ist der Urheber der deutschen Fassung. Kein Dienstleister, der mal eben inches in Zentimeter umrechnet, das Ergebnis abliefert und dann nichts weiter damit zu tun hat. Und dass wir Urheber sind, bedeutet unter anderem, dass wir bei jedem Zitat genannt werden müssen. Ich sehe schon, das schreibt Ihr Euch jetzt alle schön hinter die Ohren, ne?