Von Jenny Merling, Übersetzerin aus dem Englischen und Spanischen. Ich fragte sie aus aktuellem Anlass, ob sie etwas von Vargas Llosa gelesen hat. Sie schreibt:
„Von Vargas Llosa hab ich nur mal einen Ausschnitt aus einem Buch gelesen, den haben wir in Spanisch übersetzt. Ich kuck heute Nachmittag mal nach. Ich habe gerade zwei Texte vor Augen und weiß nicht, welcher davon von ihm war; entweder fand ich es total toll oder völlig schrecklich, either way solltest du es wissen! Aber nachdem ich ihn gestern hab sagen hören, wie toll Spanisch ist (was stimmt), und dass es eine der ‚kreativsten Sprachen der Welt ist‘ (völliger Schwachsinn), die jetzt sozusagen endlich die ihr zustehende Ehre bekommt, war ich eher genervt von dem Mann. Nur weil ein Schriftsteller sowas sagt, glauben dann auch ganz viele Leute, dass Spanisch eine der kreativsten Sprachen ist, und ich hasse solche Aussagen, weil es einfach Quatsch ist und nicht stimmt. In Englisch kann man tolle Wortspiele machen, weil Sachen gleich klingen, auch wenn sie anders geschrieben werden. Das geht auf Deutsch nicht, aber dafür kann man fast unbegrenzt Substantive aneinanderreihen, siehe Südstaatenschmonzettenfahne. Und das geht im Spanischen wiederum nicht, aber „viel“ heißt „mucho“ und „sehr viel“ heißt „muchísimo“ und „gaaaaanz viel“ heißt „muchísisisisimo“, das ist doch unglaublich. Dass da eine aktuelle, romanische Sprache ist, die einfach mal ein Wort durch Einfügen einer Silbe mittenrein steigern kann. Finde ich fantastisch. Naja, jedenfalls mag ich solche Aussagen nicht, dass irgendwas die …..e Sprache der Welt ist, weil sich die Leute ja auch meistens nicht auf sprachwissenschaftliche Erkenntnisse beziehen, sondern auf ihre eigene eingebildete Meinung. Pfffff.“
María Sonia Cristoff aus Buenos Aires war in Leipzig, Rayk Wieland (Hamburg/Shanghai) war in Patagonien. Und jetzt waren sie beide auf der Buchmesse und haben mit Sabine Erlenwein vom Goethe-Institut über ihre Erfahrungen und ihre Blogs gesprochen, gedolmetscht von Friederike von Criegern (Percanta). Letztere beeindruckt mich sehr, wie mich Dolmetschen immer beeindruckt. Sie sieht so konzentriert aus, und so klug und schön. Wenn man sie sieht. Streckenweise macht die Kameraführung ja ziemlich deutlich, für wie wichtig die Dolmetscherin gehalten wird. Da ist die linke Bildhälfte leer, rechts sitzt María Sonia Cristoff, und man weiß, dass noch weiter rechts Friederike sitzt und spricht oder liest, man hört ihre Stimme, sieht sie aber nicht. Und zwar nicht aus Platzgründen. Dabei könnte das Gespräch ohne sie gar nicht stattfinden. (Und wer Cristoffs Buch übersetzt hat, wird natürlich auch nicht erwähnt. Es war Peter Kultzen.)
Da wundere ich mich immer, ob es denn wirklich keine Blogs von Literaturübersetzern gibt (außer meinem und Katys) oder ob ich sie nur noch nicht gefunden habe, denn eigentlich müssten Übersetzer doch halbwegs schreiben können und sowieso am Computer sitzen und anfällig für Prokrastination und sowas sein, aber bislang scheint es nicht viel zu geben. Aber da! Ein Licht! Kollegin Christiane Bergfeld bloggt! Offenbar mit Spezialgebiet Nonsense und Nursery Rhymes, was ich natürlich sehr begrüße. Willkommen im Club, Madame!
Och nöööö. Das ewige Problem mit diesen Bücher- und sonstigen Umfragen. Ich kann Lieblingsdingse nicht leiden, ich habe auch kein Lieblingsessen. Mal muss es Sushi sein, mal Schokolade, dann wieder Gemüseeintopf. Dass ich gern Tim und Struppi lese, tut meiner Begeisterung für David Grossman ja keinen Abbruch.
Die Autoren, die mich in den letzten paar Jahren am nachhaltigsten beeindruckt haben, sind wahrscheinlich Wolf Haas, Tilman Rammstedt, Jenny Erpenbeck, Anette Pehnt, Gerbrand Bakker. Oh, und Alan Bennett. Und die nenne ich deswegen, weil ich von ihnen mindestens zwei Bücher gelesen habe. Wenn ich die dazunehme, von denen ich nur eins, ach, lest doch am besten gleich hier.
Oder um es mit Frau Sopran zu sagen: „Lieblingsbuch“ ist so 1985. Ihr dürft mir aber gern erzählen, was Euer Lieblingsbuch ist. Wenn Ihr eins habt.
Als nächstes lese ich die hier. Und die hier. Und dann beantworte ich die Frage im Jahr 2016 wieder.
Konkret freue ich mich aus dem fotografierten Stapel gerade am meisten auf Mariana Lekys Herrenausstatterin und Sascha Lobos Strohfeuer. Das werden vermutlich die nächsten beiden.