Begabung

In den letzten Tagen outet sich ein kleiner Teil meines Internets als hochbegabt, und ein anderer, sehr viel größerer Teil macht sich darüber lustig. „Schuld“ an der Häme ist vermutlich eine bestimme Sorte Eltern, die sich wünscht, ihre Kinder wären hochbegabt, oder die versucht, die Macken ihrer Kinder damit zu erklären. Ich treibe mich nicht dauernd in Elternkreisen herum, ich habe keine Ahnung, was da so alles los ist, aber von meinen Freunden mit Kindern hat noch niemand „einfach so“ behauptet, sein Kind wäre hochbegabt. Wie dem auch sei, es kursiert da offenbar alles Mögliche an – ja, an was? Berührungsängsten? Oder woher kommt die Häme? Du lieber Himmel, wegen ein paar IQ-Punkten? Hier, Vorschlag: lockermachen. Vielleicht kann man das Thema mal ein bisschen sachlicher angehen. (mehr …)

Besser ist das: Geld

Zur Einstimmung ins Thema ein kleiner Trailer zu dem Film „Let’s make Money“, den ich gar nicht gesehen habe. Aber der Trailer reicht schon, damit es einem ein bisschen übel wird.

Im Gegensatz zu dem einen Herrn da bin ich durchaus der Meinung, dass man auch als Investor mitverantwortlich ist für das Handeln der Unternehmen, in die man investiert. Wer kein „Investor“ ist, braucht hier aber keineswegs mit dem Lesen aufzuhören – die meisten dürften ja ein paar Euro auf einem Sparbuch haben, oder eine Rentenversicherung, einen Bausparvertrag, vielleicht ein paar Fondsanteile, irgendsowas. Einen Spargroschen. Aber wo geht das Geld hin? Wo wird es investiert? Die Zinsen, die einem die Bank zahlt, kommen ja irgendwoher, sie werden irgendwo erwirtschaftet. In der Immobilienblase, in ausbeuterisch arbeitenden Unternehmen, Atomenergie, Spekulation mit Lebensmitteln? Man weiß es nicht. Wir haben im Normalfall keine Ahnung, was die Bank mit unserem Geld macht. Und der kleine Bankberater, der uns in der Sparkasse gegenübersitzt, weiß es im Zweifelsfall auch nicht. Man kann wohl davon ausgehen, dass es in Unternehmen angelegt wird, die vor allem anderen auf Profit ausgerichtet sind und dabei wenig Rücksicht auf Mensch und Umwelt nehmen.

Es gibt aber auch Banken, bei denen das etwas anders ist. Die ihren Kunden versprechen, in ethisch, sozial und ökologisch vertretbare Projekte und Unternehmen zu investieren, und ihre Investitionen auch komplett offenlegen. Da sind beispielsweise die GLS-Bank, die Triodos oder die Ethikbank. Einen Überblick gibt es auf Soziale-Banken.de.

Wir ziehen mit unserem Geld gerade um zur GLS, ich kann also nur für die sprechen, glaube aber, dass es bei den beiden anderen genannten ähnlich zugeht. Die GLS findet hauptsächlich im Internet statt – man kann online ein Konto eröffnen, das geht ganz schnell und einfach und ist in wenigen Minuten gemacht. Man muss sich dann nur noch über das Postident-Verfahren in einer Postfiliale identifizieren, aber auch das geht ganz einfach. (Vorteil: man muss nicht bei jedem Umzug im wirklichen Leben auch wieder mit dem Konto umziehen.)
Es gibt aber auch ein paar wenige Filialen, glücklicherweise auch eine in Hamburg, und da waren wir und haben uns beraten lassen. Uns gegenüber saß zum allerersten Mal eine Bankberaterin, bei der wir das Gefühl hatten, dass sie selbst denkt, und nicht nur, wie man das sonst oft erlebt, auswendiggelernte Textbausteine aufsagt. Sehr angenehm. Wobei sie natürlich auch den obersten Leitgedanken der Bank zitiert hat, nämlich: dass der Besitz von Geld (auch wenn es wenig ist) auch eine Verantwortung bedeutet. Das hat mich sofort überzeugt, ich wollte sofort ja, ja, ja! rufen, und habe es mir spontan hinter die Löffel geschrieben. Deswegen wiederhole ich es hier gerne noch mal:
 

Wer Geld hat, hat auch eine Verantwortung.

 
Normalerweise geben wir diese Verantwortung am Bankschalter ab. Der Bankberater soll uns bitte glaubwürdig versichern, dass es gewinnbringend angelegt wird (Gewinnegewinnegewinne!), er soll uns einen Vertrag geben, in dem beispielsweise ein Prozentsatz festgelegt ist, den wir für unser Geld bekommen, und dann fragen wir nicht weiter nach, wie sie das denn machen, dass das Geld sich vermehrt.
Den Vertrag bekommt man bei den Ethikbanken natürlich auch, das sind jetzt keine obskuren oder riskanten Vereine, sondern etablierte Banken; die GLS beispielsweise wurde 1974 gegründet und arbeitet seitdem gesund und munter und verlässlich. Sie verschickt dreimal im Jahr ein Kundenmagazin, in dem genau aufgelistet ist, welche Unternehmen gefördert werden. Und das sind dann eben keine multinationalen Konzerne, sondern kleine regionale Unternehmen, die nachhaltig, sozial und ökologisch (und profitabel) arbeiten. Und noch besser: ich kann sogar auswählen, in welche Sorte Projekte mein Geld gesteckt werden soll. Ob ich es lieber in erneuerbaren Energien sehen möchte, in Kirchen, Schulen, Biobauernhöfen, Wohnprojekten oder sonstwo.

Das fühlt sich für mich gerade sehr gut und richtig an. Wenn ich nicht möchte, dass mit Lebensmitteln spekuliert wird, kann ich mein Geld nicht der Deutschen Bank anvertrauen. Wenn ich keine Atomkraftwerke möchte, kann ich keine EON-Aktien haben oder mein Geld einer Bank geben, die es dort investiert.
Ich weiß gar nicht mehr, wie es beim letzten Kontoumzug war, vor acht Jahren, als wir nach Hamburg zogen – aber inzwischen kann man fast überall, wo man Einzugsermächtigungen oder sowas hat, online die neue Kontonummer angeben, sodass der ganze Umzug schön nach und nach zu Hause am Schreibtisch zur Prokrastination gemacht werden kann, man braucht nicht mal Briefe zu schreiben, und zack! schon hat man’s geschafft. Geht ganz einfach.

Dieser Artikel ist Teil einer Reihe über den Versuch, irgendwie anständiger zu konsumieren. Bisherige Teile:
1. Einleitung: Besser ist das
2. Fleisch
3. Gemüse
4. Schokolade und Kaffee
5. Zwischenbemerkung

Anderswo: Essen ersetzen bei Sandra Schöner

Sandra Schöner schreibt eine kleine Reihe zum Thema „Essen ersetzen“. Natürlich nicht durch Lichtnahrung, sondern durch anderes Essen, also beispielsweise herkömmliche durch fair gehandelte Schokolade. Passt hier gerade gut zum Thema, ich bin sehr gespannt, wie es noch weitergeht. Geplant sind noch die Themen „Fast food, Fleisch, Marmelade, darum, nicht selber einkaufen zu müssen und um die Frage, ob ein Hackenporsche auch für unter 60jährige zugelassen ist.“ Bitte hier entlang.

Besser ist das: Zwischenbemerkung

Anke Gröner hat auf meine kleine Artikelreihe hier, beziehungsweise auf Jennys Versuch, sich vegan zu ernähren, mit einem Blogeintrag reagiert, den wiederum ich nicht unkommentiert stehenlassen kann. Denn es geht mir um etwas komplett anderes als das, was Anke beschreibt. (Ich ahne, dass dir das klar ist, Anke, aber ich will das doch gern noch einmal öffentlich klarstellen.)
Mir fällt beim Lesen von Ankes Artikel – und ich bitte um Entschuldigung, wenn das ein wenig kitschig klingt – sofort Michael Endes „Die unendliche Geschichte“ ein. Da bekommt Bastian dieses Amulett mit der Aufschrift „Tu, was Du willst“. Das ist gleichzeitig Erlaubnis und Verpflichtung, denn er ist damit quasi der Chef in Phantásien. Alles, was er will, wird wahr und kann gemacht werden. Bastian genießt diese Freiheit erstmal und tut alles, worauf er Lust hat. Bis er irgendwann merkt: das kann es nicht sein. Es kann nicht um die spontane Bedürfnisbefriedigung gehen, sondern es geht um etwas viel Größeres und Schwierigeres: Herauskriegen, was man wirklich will. Und das dann tun. Und um das zu tun – das, was man *eigentlich* will – muss man die spontanen Bedürfnisse womöglich manchmal sogar hintanstellen. Anders gesagt: Natürlich hätte ich gerade gern ein Stück Schokolade. Aber ich möchte nicht, dass dafür Kinder versklavt werden, also muss ich abwägen, was mir gerade wichtiger ist.
Es geht überhaupt nicht darum, mir irgendetwas zu verkneifen und Verzicht zu üben. Es geht darum, dass ich an ausbeuterischen Systemen nicht mehr teilnehmen möchte, oder jedenfalls so wenig wie möglich. Und was genau „möglich“ ist, für mich ganz persönlich, ist ein Thema, das mich gerade sehr beschäftigt, und mit dem ich hadere. Ich esse kein Fleisch mehr aus Massentierhaltung, weil ich weiß, wie es dort zugeht. Darauf muss ich nicht unter Qualen verzichten, ich möchte es ja gar nicht mehr essen. Dieses Fleisch ist mir kein Genuss mehr, und darum muss ich es mir auch nicht verkneifen.
Beim Fleisch ist das noch halbwegs einfach. Auch deswegen, weil die Alternativen einfacher zu finden sind. Bei Schokolade wird es schwieriger, natürlich möchte ein Teil von mir sie essen, der andere Teil wird an die Kinder denken, die den Kakao geerntet haben. Und ja, das ist manchmal scheißschwierig und manchmal schaffe ich es nicht, weil die spontane Bedürfnisbefriedigung sich dann doch kurz in den Vordergrund drängelt. Aber so richtig aus vollem Herzen genießen kann ich diese Schokolade dann nicht, eben weil ich weiß, dass ich das eigentlich nicht will. Ich will nicht, dass Kinder meine Schokolade ernten. Ich will nicht, dass für meine Klamotten Menschen knietief in Chemikalien waten. Auch wenn das Kleid wirklich hübsch ist und wirklich ein Schnäppchen.
Es geht mir darum, herauszufinden, was ich will, und vor allem: wie ich es umsetzen kann. Welche Kompromisse ich finden kann, mit denen ich umgehen kann, sowohl in praktischer Hinsicht, als auch was mein Gewissen angeht. Es geht nicht darum, „mir den Luxus zu erlauben, mir Dinge zu verkneifen“, wie Anke schreibt, sondern es geht um ganz altmodische Werte: um sowas wie Anstand.

Und wo ich schon dabei bin – was ich auch nicht möchte, ist, den Eindruck vermitteln, ich hätte es irgendwie schon „raus“ oder für mich gelöst. Ich glaube nicht mal, dass es eine „Lösung“ gibt, man kann nur immer weiter suchen und versuchen. Ich bin bekennender Großstadtfan, ich werde sicher nicht demnächst aufs Land ziehen und in Subsistenzwirtschaft leben. Will ich auch gar nicht. Ich suche Mittelwege, ich versuche es an allen Ecken und Enden, und ich weiß, dass es nicht gehen wird, ich weiß, dass ich als moderne Großstädterin kein ethisch einwandfreies Leben führen können werde. Aber das ist, wie schon im Einleitungsartikel geschrieben, kein Grund, es nicht immer wieder zu versuchen. Was ich hier aufschreibe, sind diese Versuche, und außerdem meine Versuche, die Balance zu finden. Zwischen es-immer-weiter-versuchen einerseits, und mich, wenn es nicht klappt, nicht zu sehr grämen andererseits.

Anke schreibt, ihr Kernsatz ist: „Du darfst essen, was du willst.“ Ich möchte auch essen, was ich will, und ich finde auch, jeder soll essen dürfen, was er will. Ich versuche nur gerade herauszubekommen, was ich denn überhaupt will, und wie das gehen kann. Und zwar grundsätzlich, nicht nur jetzt gerade im Moment. Ankes und meine Vorgeschichte in Sachen Essen könnte unterschiedlicher kaum sein; Anke hat sich Zeit ihres Lebens irgendwelches Essen verkniffen, ich habe Zeit meines Lebens gegessen, worauf ich gerade Lust hatte, ohne weiter darüber nachzudenken. Jetzt denke ich endlich darüber nach. Allerdings nicht im Zusammenhang mit meiner Figur, um die es hier überhaupt nicht geht, und es geht auch nicht darum, ob Biozeug gesünder für den Konsumenten ist. Sondern ich denke darüber nach, woher dieses Essen, diese Kleidung, diese sonstigen Konsumartikel kommen, unter welchen Umständen sie produziert wurden, und was ich davon mittragen möchte oder kann oder nicht will.
Es geht um den Versuch, verantwortungsbewusster zu konsumieren. Und damit – für mich – auch genussvoller.

(Bisherige Teile der Reihe:
1. Einleitung: Besser ist das
2. Fleisch
3. Gemüse
4. Schokolade und Kaffee)

Besser ist das: Schokolade und Kaffee

Einen für mich handhab- und vertretbaren Umgang mit dem Konsum von Fleisch und Gemüse zu finden, war vergleichsweise einfach. Da ging es um Tiere und Pflanzen. Jetzt wird es schwieriger, jetzt geht es um Menschen.

Vor einer Weile habe ich hier einen Film von Miki Mistrati über Kinderarbeit auf Kakaoplantagen an der Elfenbeinküste verlinkt. Es zieht einem die Schuhe aus, wie da systematisch Kinder verschleppt und an Kakaobauern verkauft werden, um auf den Plantagen zu arbeiten. So ein Kind kostet etwa 230 Euro, dafür darf man dann damit machen, was man will. Das Geld bekommen allerdings nicht unbedingt die Eltern, sondern im Zweifel derjenige, der das Kind verschleppt hat. Manche Kinder gehen auch freiwillig mit, weil man ihnen einen guten Verdienst in Aussicht stellt, den sie dann natürlich nicht bekommen. Die Schokoladenindustrie tut rein gar nichts dagegen, sie sagt nichts dazu und möchte auch nicht drüber reden. Dieser Film ist schon etwas älter, und die Schokoladenindustrie hat danach versprochen, gegen die Kinderarbeit vorzugehen, Schulen zu bauen, die Kakaoplantagen stärker zu kontrollieren, etc. (mehr …)

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