Besser ist das: Zwischenbemerkung

Anke Gröner hat auf meine kleine Artikelreihe hier, beziehungsweise auf Jennys Versuch, sich vegan zu ernähren, mit einem Blogeintrag reagiert, den wiederum ich nicht unkommentiert stehenlassen kann. Denn es geht mir um etwas komplett anderes als das, was Anke beschreibt. (Ich ahne, dass dir das klar ist, Anke, aber ich will das doch gern noch einmal öffentlich klarstellen.)
Mir fällt beim Lesen von Ankes Artikel – und ich bitte um Entschuldigung, wenn das ein wenig kitschig klingt – sofort Michael Endes „Die unendliche Geschichte“ ein. Da bekommt Bastian dieses Amulett mit der Aufschrift „Tu, was Du willst“. Das ist gleichzeitig Erlaubnis und Verpflichtung, denn er ist damit quasi der Chef in Phantásien. Alles, was er will, wird wahr und kann gemacht werden. Bastian genießt diese Freiheit erstmal und tut alles, worauf er Lust hat. Bis er irgendwann merkt: das kann es nicht sein. Es kann nicht um die spontane Bedürfnisbefriedigung gehen, sondern es geht um etwas viel Größeres und Schwierigeres: Herauskriegen, was man wirklich will. Und das dann tun. Und um das zu tun – das, was man *eigentlich* will – muss man die spontanen Bedürfnisse womöglich manchmal sogar hintanstellen. Anders gesagt: Natürlich hätte ich gerade gern ein Stück Schokolade. Aber ich möchte nicht, dass dafür Kinder versklavt werden, also muss ich abwägen, was mir gerade wichtiger ist.
Es geht überhaupt nicht darum, mir irgendetwas zu verkneifen und Verzicht zu üben. Es geht darum, dass ich an ausbeuterischen Systemen nicht mehr teilnehmen möchte, oder jedenfalls so wenig wie möglich. Und was genau „möglich“ ist, für mich ganz persönlich, ist ein Thema, das mich gerade sehr beschäftigt, und mit dem ich hadere. Ich esse kein Fleisch mehr aus Massentierhaltung, weil ich weiß, wie es dort zugeht. Darauf muss ich nicht unter Qualen verzichten, ich möchte es ja gar nicht mehr essen. Dieses Fleisch ist mir kein Genuss mehr, und darum muss ich es mir auch nicht verkneifen.
Beim Fleisch ist das noch halbwegs einfach. Auch deswegen, weil die Alternativen einfacher zu finden sind. Bei Schokolade wird es schwieriger, natürlich möchte ein Teil von mir sie essen, der andere Teil wird an die Kinder denken, die den Kakao geerntet haben. Und ja, das ist manchmal scheißschwierig und manchmal schaffe ich es nicht, weil die spontane Bedürfnisbefriedigung sich dann doch kurz in den Vordergrund drängelt. Aber so richtig aus vollem Herzen genießen kann ich diese Schokolade dann nicht, eben weil ich weiß, dass ich das eigentlich nicht will. Ich will nicht, dass Kinder meine Schokolade ernten. Ich will nicht, dass für meine Klamotten Menschen knietief in Chemikalien waten. Auch wenn das Kleid wirklich hübsch ist und wirklich ein Schnäppchen.
Es geht mir darum, herauszufinden, was ich will, und vor allem: wie ich es umsetzen kann. Welche Kompromisse ich finden kann, mit denen ich umgehen kann, sowohl in praktischer Hinsicht, als auch was mein Gewissen angeht. Es geht nicht darum, „mir den Luxus zu erlauben, mir Dinge zu verkneifen“, wie Anke schreibt, sondern es geht um ganz altmodische Werte: um sowas wie Anstand.

Und wo ich schon dabei bin – was ich auch nicht möchte, ist, den Eindruck vermitteln, ich hätte es irgendwie schon „raus“ oder für mich gelöst. Ich glaube nicht mal, dass es eine „Lösung“ gibt, man kann nur immer weiter suchen und versuchen. Ich bin bekennender Großstadtfan, ich werde sicher nicht demnächst aufs Land ziehen und in Subsistenzwirtschaft leben. Will ich auch gar nicht. Ich suche Mittelwege, ich versuche es an allen Ecken und Enden, und ich weiß, dass es nicht gehen wird, ich weiß, dass ich als moderne Großstädterin kein ethisch einwandfreies Leben führen können werde. Aber das ist, wie schon im Einleitungsartikel geschrieben, kein Grund, es nicht immer wieder zu versuchen. Was ich hier aufschreibe, sind diese Versuche, und außerdem meine Versuche, die Balance zu finden. Zwischen es-immer-weiter-versuchen einerseits, und mich, wenn es nicht klappt, nicht zu sehr grämen andererseits.

Anke schreibt, ihr Kernsatz ist: „Du darfst essen, was du willst.“ Ich möchte auch essen, was ich will, und ich finde auch, jeder soll essen dürfen, was er will. Ich versuche nur gerade herauszubekommen, was ich denn überhaupt will, und wie das gehen kann. Und zwar grundsätzlich, nicht nur jetzt gerade im Moment. Ankes und meine Vorgeschichte in Sachen Essen könnte unterschiedlicher kaum sein; Anke hat sich Zeit ihres Lebens irgendwelches Essen verkniffen, ich habe Zeit meines Lebens gegessen, worauf ich gerade Lust hatte, ohne weiter darüber nachzudenken. Jetzt denke ich endlich darüber nach. Allerdings nicht im Zusammenhang mit meiner Figur, um die es hier überhaupt nicht geht, und es geht auch nicht darum, ob Biozeug gesünder für den Konsumenten ist. Sondern ich denke darüber nach, woher dieses Essen, diese Kleidung, diese sonstigen Konsumartikel kommen, unter welchen Umständen sie produziert wurden, und was ich davon mittragen möchte oder kann oder nicht will.
Es geht um den Versuch, verantwortungsbewusster zu konsumieren. Und damit – für mich – auch genussvoller.

(Bisherige Teile der Reihe:
1. Einleitung: Besser ist das
2. Fleisch
3. Gemüse
4. Schokolade und Kaffee)

25 Kommentare

  1. Christoph Knappe Montag, 15. April 2013 um 21:19 Uhr [Link]

    Ich finde das sehr wichtig: Nicht immer vom Kleinen auf das große Ganze schließen. Sondern das Kleine, den Selbstversuch, auch mal einen solchen bleiben zu lassen. Ohne Vorbildwirkung, ohne Mahnung.
    Deshalb freue ich mich über diese Klarstellung.
    Herzliche Grüße
    Christoph Knappe

  2. jule Montag, 15. April 2013 um 21:34 Uhr [Link]

    Ich kopier zunächst mal, was ich drüben bei FB schon schrieb.

    „Ich esse seit 1990 kein Fleisch mehr (auch keinen Fisch). Für mich in dem Sinn kein Verzicht mehr, es fällt mir nicht schwer. Aber ich bin Ovo-Lacto-Vegetarierin, und ohne Eier und Milchprodukte auszukommen, wäre echt zu hart. Die Schattenseiten der Eier- und Käse- sowie Milchproduktion sind mir bekannt, aber ich kann mich damit nicht immerzu beschäftigen und will es auch nicht. Bequem, klar. Da bin ich auch ignorant, was mir manchmal sehr bewusst wird, aber für mich ist es so richtig.“
    ~~
    Ich habe für mich derzeit eine Lösung gefunden, wie ich mich ernähren und wie ich leben will, ohne permanent in Gewissenskonflikte zu geraten.
    Ein bisschen lindere ich schlechtes Gewissen bezüglich manche Ernährungsgewohnheiten auch dadurch, dass ich denke: Ich hab kein Auto und hatte nie eins, weil ich keins brauchte _und_ keins wollte, in den Urlaub fahre ich meistens mit der Bahn, Flugreisen kommen alle Jubeljahre mehr vor. Karmapunkte ;-).
    Ich versuche, mehr Gutes zu bewirken, als ich Schaden anrichte, ob mir das aus objektiver Sicht gelingt, weiß ich nicht.

    Was ich nicht mehr tun möchte: Mich vor irgendeiner Partybekanntschaft zu „rechtfertigen“, dass ich kein Fleisch esse, aber Lederstiefel trage. Und Käse esse. Auch mal welchen mit Lab.

    Solche Unterhaltungen bin ich leid. (Wie gesagt, im Verlauf von 23 Jahren gabs viele Leute mit Nachfragen, Kritik, „aber dann musst du doch auch“-Kram.) Ich esse kein Fleisch, ursprünglich aus ethisch-moralisch-emotionalen Gründen, mittlerweile _auch_ aus Gewohnheit. Aber ich halte mich deswegen nicht für einen besseren Menschen, der die Welt retten wird, ich missionier keinen und will bei einer _Party_ vielleicht einfach nur Spaß und nette Gespräche, aber keine politische Diskussion über Ernährung und soziale Ungerechtigkeit und und und. Das ufert meist aus.

    Ich hab schon mal behauptet, ich hätte eine Fleischallergie, denn für allergiebedingte Einschränkungen hat anscheinend jeder Verständnis.

    Meine Haltung ist: Ich esse, was ich essen will. (Dafür habe ich Gründe, aber ich möchte sie nicht jedem bei jeder Gelegenheit erläutern „müssen“.) Andere essen, was sie essen wollen, und das bewerte ich nicht. Klappt meistens gut.

    • Isabel Bogdan Montag, 15. April 2013 um 21:42 Uhr [Link]

      Ja, mein Reden – Fleischesser behaupten ja gerne, Vegetarier würden dauernd missionieren wollen, dabei ist meist das Gegenteil des Fall. Man möchte eigentlich nur in Frieden kein Fleisch essen, bekommt dann aber diese Gespräch aufgedrängt.

  3. Jenny Montag, 15. April 2013 um 22:16 Uhr [Link]

    Schöne „Klarstellung“.
    Das Wichtigste (aka das, was jede(n) von uns hoffentlich am glücklichsten macht) ist meiner Meinung nach ein bewusstes Essen. Egal, in welche Richtung dieses Bewusstsein geht – ob es ein Bewusstsein für die positiven bzw. negativen Herstellungsbedingungen eines bestimmten Lebensmittels ist oder für die (nicht) tierische Herkunft eines Produkts oder eben auch die bewusste Entscheidung gegen jeglichen Verzicht in diesem Lebensbereich. Jeder/m sind andere Dinge wichtig und genau danach sollte auch jede(r) handeln.
    Wie Jule meinte:
    „Meine Haltung ist: Ich esse, was ich essen will. […] Andere essen, was sie essen wollen, und das bewerte ich nicht.“

    • Isabel Bogdan Montag, 15. April 2013 um 22:44 Uhr [Link]

      Argh, just das Wort „Verzicht“ wollte ich da raushaben. Ich habe mich nicht *für den Verzicht* entschieden. Ich will nicht verzichten.
      Ich verzichte nicht auf Marzipan. Ich mag kein Marzipan, deswegen möchte ich keins essen. Ich möchte auch keine Seeigel essen. Ich möchte auch nicht essen (anziehen, in der Wohnung haben …), was unter ausbeuterischen Bedingungen produziert wurde. Keinen Seeigel zu essen, ist natürlich etwas einfacher, als keine Schokolade zu essen.
      Das ist manchmal schwierig. Aber ich mag das Wort „Verzicht“ nicht, das ist mir zu hart und zu … situationsabhängig. Es geht mir ja aber gerade nicht um Situationen, sondern um eine Grundsatzentscheidung. Und da kaufe ich grundsätzlich halt lieber fair gehandelte Schokolade. Ich verzichte ja nicht auf Schokolade, ich suche nur eine Alternative zur Supermarktschokolade. Eben, um *nicht* zu verzichten. Dafür muss ich nur eine Winzigkeit besser planen, damit ich nicht am Kiosk dem spontanen Bedürfnis erliege.

    • Jenny Montag, 15. April 2013 um 23:03 Uhr [Link]

      Ich wollte das Wort nicht dramatisch aufgeladen benutzen, sondern nur in der neutralen Bedeutung „etwas aus freien Stücken nicht tun“.

  4. Stephan Montag, 15. April 2013 um 22:30 Uhr [Link]

    .

  5. Feathers McGraw Dienstag, 16. April 2013 um 01:08 Uhr [Link]

    Darf ich bei euch beiden nicken? Ihr widersprecht euch ja eigentlich nicht so richtig. Jedenfalls hatte ich Anke so nicht gelesen. Bei euch spiegeln sich zwei Seiten von mir, die so einen Grundkonflikt austragen: a) waere ich gern ein besserer Mensch und b), wuerde ich mich gern akzeptieren, wie ich bin. Wenn man das Gefuehl hat sich und seine Beduerfnisse aendern zu *muessen* ist das grosser Muell – da steckte Anke frueher (und ich heute manchmal noch) fest. Aber wenn man so einigermassen zufrieden mit sich ist, fragt man sich irgendwann: Ich *muss* zwar nicht, aber ich *will* mich aendern. Die Grenze zwischen beidem zu ziehen ist fuer mich immer noch hakelig. Ich hab auf joggen oder Yoga keine Lust. Aber den inneren Schweinhund zu besiegen fuehlt sich *toll* an – ich schaff es nur zu selten. Genauso toll ist es, mal Leuten zu sagen dass man keine Lust darauf hat in eine Bar zu gehen obwohl man denkt, man muesste. Da koennte ich auch denken „eigentlich muesste ich doch auch mal Alkohol trinken, wie ein Erwachsener“ – aber da hab eich entschieden: Das *will* ich nicht muessen. Yoga *will* ich muessen, weil es mir nachher besser geht. Aber den Unterschied zu finden zwischen Dingen, die ich muessen will und die ich nicht muessen will, das ist hart, finde ich. Weil ich nicht immer wissen kann, ob die innere Stimme vielleicht nicht doch einfach nur der Schweinehund ist.

    • Rebekka. Donnerstag, 18. April 2013 um 00:01 Uhr [Link]

      Das ist toll gesagt.

  6. nastie Dienstag, 16. April 2013 um 04:48 Uhr [Link]

    Was passiert aktuell mit den Kakao pflückenden Kindern, wenn dieser Kakao nicht mehr gekauft wird? Müssen sie sich dann prostituieren oder betteln gehen? Was passiert mit den Familien, die auf dieses Geld angewiesen sind?

    Ich finde, dass das eine sehr schwierige Entscheidung ist und dass es allein mit „nicht mehr kaufen“ nicht getan ist. Dass es sogar die momentane Situation dieser Menschen verschlimmert. Da sich vor Ort – speziell in diesen Ländern – nichts ändert, wird meine Kaufentscheidung zu gar nichts beitragen, außer, dass diesen Menschen noch der letzte Groschen weg genommen wird, weil ich mich „pseudo“ gut fühlen will. Weil sich das Elend dann einfach nur verschiebt. In eine noch schlimmere Richtung.

    • Zahnwart Dienstag, 16. April 2013 um 10:34 Uhr [Link]

      @nastie, ich fürchte, da denkst du in die falsche Richtung. Mit solch einer Argumentation lassen sich alle ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse rechtfertigen, und ich bezweifle, dass du das möchtest. Volkswirtschaftlich gesehen, ist es so: Wenn Leute konventionell gehandelte Schokolade kaufen, wird es Händler geben, die diese Schokolade anbieten, wenn Leute keine konventionell gehandelte Schokolade kaufen, dann bietet die auch niemand mehr an. Dann werden die Händler andere Schokolade anbieten, fair gehandelte – und die wird von den gleichen Leuten geerntet, wie zuvor, nur zu anderen Bedingungen. Einzig wenn niemand mehr überhaupt Schokolade kaufen würde, hätten die Pflücker ein Problem und müssten sich ein anderes Einkommen suchen (das auch nicht zwangsläufig betteln sein müsste) – aber das wird wohl nicht passieren.

  7. Uta Dienstag, 16. April 2013 um 07:30 Uhr [Link]

    Ein klasse geschriebener Post, den ich so nur unterschreiben kann. Je mehr ich mich in viele Themen einarbeite, je mehr Informationen ich bekomme, um so schwieriger wird es für mich, herauszufinden, wo mein Weg ist. Erleichtert bin ich, dass es anscheinend nicht nur mir so geht. Aber ich denke, wenn das Bewußtsein einmal da ist, wird man schon den eigenen Weg finden…
    Lieben Gruß

    • trippmadam Mittwoch, 17. April 2013 um 05:08 Uhr [Link]

      Ja, und wenn die Kakaobesitzer die Eltern dieser Kinder einstellen und sie anständig bezahlen würden, dann bräuchten die Eltern ihre Kinder nicht mehr zu verkaufen. Vielleicht würde die Schokolade für uns ein bisschen teurer werden, was uns eventuell dazu bringen würde, bewusster mit diesem Nahrungs- und Genussmittel umzugehen. Oder bin ich unlogisch?

  8. alasKAgirl Dienstag, 16. April 2013 um 09:15 Uhr [Link]

    Heute morgen beim Brotdosen packen habe ich genau darüber nachgedacht. Man hört ja oft „ich könnte nicht ohne Fleisch/Milch/Käse/Schokolade“. Ich bin der Meinung, jeder kann, wenn er will. Aber man muss nicht wollen. Ich persönlich kann ein Zweifuffzichhühnchen nicht genießen, weil ich mir immer vor Augen halte, was das Huhn denn die wenigen Wochen seines Lebens gefressen haben muss, dass es sich noch immer lohnt es für den Preis zu verkaufen. (Davon abgesehen habe ich neulich irgendwo gelesen, dass der Gewinn an einem konventionell gehaltenen Hühnchen für den Bauer gerade mal 6 cent sind. 6 cent ist ein Hühnerleben wert!) Das macht für mich die Abscheu beim Essen größer als den Genuss. Bei Milch und Eiern überwiegt bei mir noch der Genuss, auch wenn ich weiß, dass hier die Tiere potentiell auch leiden. Der Punkt ist, wenn man sich für eine vegetarische/vegane Ernährung entscheidet, sollte es kein Verzicht sein. Deshalb sehe ich solche vegan/vegetarisch auf Zeit Versuche eher skeptisch. Da wird dann tatsächlich verzichtet und das sollte nicht sein. Grundsätzlich denke ich, jeder sollte das essen, was ihm nach Kenntnis der Produktionsbedingungen noch immer schmeckt.

  9. Aurora Dienstag, 16. April 2013 um 10:27 Uhr [Link]

    Ich denke, jede(r) muss diese Grenze selber ziehen. Am Anfang ist jede Ernährungsumstellung eben genau das : Eine Umstellung. Als ich Vegetarier war, ist mir erst dann bewußt geworden, wo überall Fleisch enthalten ist. Als ich meinen veganen Monat gemacht habe, ist mir erst dann bewußt geworden, wo überall tierische Produkte enthalten sind. Das ist am Anfang ein gefühlter Verzicht, da wird etwas nicht mehr konsumiert, was man vielleicht schon sein ganzes Leben konsumiert, vielleicht auch mit Behaglichkeit, Trost, schönen Abenden etc. verbindet.
    ABER nach einer gewissen Zeit ist es dann normal, dann verknüpft man damit schöne Erinnerungen oder Momente. Und wenn man das nicht macht, wenn man nach einer (für jeden Menschen beliebigen) Zeit immer noch sagt „Ach, ich würde aber sogar…“ und gesundheitlich nichts dagegen spricht – ja, dann kann man doch auch.

  10. Indica Dienstag, 16. April 2013 um 10:30 Uhr [Link]

    Ich komme auch aus der Ecke von Anke Gröner und deshalb hat mich ihr Post sehr berührt und ich kann sehr gut nachvollziehen, was sie schreibt.

    Bei dir lese ich die Serie auch von Anfang an mit, bzw. auch Jennys Beitrag, und ich sehe, dass es eben tatsächlich um unterschiedliche, auch subjektive Ansätze geht. Das macht ja auch nichts, denn ich kann mich ja persönlich entscheiden einerseits dem „Ich habe die Freiheit, alles zu essen, was ich will“ hingeben und andererseits bestimmte Konsumentscheidungen bewusster treffen.

    Für mich heißt das z.B.: Ich kriege das nicht immer hin, z.B. auf nicht-bio-Wurst zu verzichten, obwohl ich eigentlich die Sachen lieber beim Neuland-Fleischer kaufe. Geht aber nicht immer, weil manchmal die Lust auf Leberwurst groß ist, der Öko-Fleischer nicht gut erreichbar oder das Geld gefühlt knapp. Und so ist das Leben eben „in Arbeit“, aber unvollkommen, auf dem Weg und weit entfernt von perfekt.

    Gerade weil es ja nicht einfach ist, „besser“ zu konsumieren beim Essen (siehe CO2-Äpfel), kann jede/r nur eine Annäherung daran erzielen und für sich selbst entscheiden, was wichtig ist. Da hast du ja deine Entscheidung getroffen, die ist für dich richtig und gut und gibt ja, beispielsweise über diese Serie, immer wieder Anstöße zum neu-nachdenken. Auch wenn ich selbst aus der „Bloß-nie-wieder-verzichten-müssen“-Ecke komme.

    • extramittel Dienstag, 16. April 2013 um 16:10 Uhr [Link]

      Was Isa sagt ist alles völlig richtig, Jennys Experiment ist interessant, ich habe alles gelesen und mache das auch so ähnlich. Gleichzeitig spricht mir der Beitrag von Anke und auch der von Frau Indica aus der Seele. Möglicherweise ist es für so gar nicht diätgeschädigte Menschen leichter, mit diesem fröhlichen Eifer ihre Lebensgewohnheiten zu analysieren und zu verbessern. In mir erzeugt das gern ein depressives „Was mache ich denn jetzt schon wieder falsch?“. Auch wenn versucht wird, Begriffe wie „Verzicht“ oder gar „Sünde“ zu vermeiden, dräuen sie (zumindest für mein krankes Hirn) über der ganzen Diskussion und werden mit jedem Kommentar schlimmer, in dem wieder jemand die eigenen Karmapunkte aufzählt und die „kleinen Sünden“ (huäh!) rechtfertigt.
      Aber wie gesagt, es stimmt natürlich alles. Fast kein Aber. Tschuldigung. Weitermachen.

  11. Kiki Dienstag, 16. April 2013 um 11:09 Uhr [Link]

    Ich finde Deine Serie sehr gut, und lebe ähnlich vor mich hin. Ankes Einwand konnte ich zwar aufgrund ihrer Historie nachvollziehen, dachte beim ersten Lesen jedoch die ganze Zeit genervt „ja, okay, wissen wir, kannst dich wieder hinsetzen — Thema komplett verfehlt.“ Beim zweiten Lesen war ich schon etwas milder gestimmt und sehe es inzwischen eher wie Feathers McGraw hier weiter oben in den Kommentaren: im Grunde sind es halt zwei von vermutlich tausend Aspekten der ganzen Geschichte.

    Den Einwand von nastie hier, was denn aus den Kindern wird, die jetzt den „bösen“ Kakao ernten, finde ich übrigens ganz fabelhaft, auch wenn der Zahnwart das anders sieht. Er schreibt: „Wenn Leute konventionell gehandelte Schokolade kaufen, wird es Händler geben, die diese Schokolade anbieten, wenn Leute keine konventionell gehandelte Schokolade kaufen, dann bietet die auch niemand mehr an.“

    Das ist meiner Erfahrung nach leider frommes Wunschdenken. Wenn Leute mehr Geld mit Ausbeutermethode verdienen, dann werden sie Ausbeutermethoden anwenden. Wenn die irgendwann nicht mehr goutiert werden, geben sie eine Imagekampagne in Auftrag, ein schickes, buntes, faires Gütesiegel oder benennen ihre Firma halt um und sind dann eine Woche später mit einer anderen Kreidefarbe auf den Pfoten und Stimmbändern wieder dick im Geschäft. Bonus: sie können mehr Geld für dieselbe Ware nehmen, denn wir Idioten aus der ersten Welt bezahlen ja gern mehr für fair gehandelte Dinge. Denn wir hier am anderen Ende der Welt können das ohnehin nicht kontrollieren und im Zweifel ist es uns leider auch egal, weil’s halt lecker schmeckt. Womit sich der Kreis schliesst.

    • Isabel Bogdan Dienstag, 16. April 2013 um 12:13 Uhr [Link]

      Ohne frommes Wunschdenken kommen wir aber auch nicht weiter. Und gegen die bunten Imagekampagnensiegel hilft hoffentlich Aufklärung. Natürlich ist es nicht einfach, womöglich ist es sogar ein Kampf gegen Windmühlen – aber die Einstellung „hilft eh nicht“ ist jedenfalls auch nicht zielführend.

  12. Kiki Dienstag, 16. April 2013 um 12:33 Uhr [Link]

    Nein, so meinte ich das auch nicht. Das Gute daran ist ja, daß wir das inzwischen wissen, und daß es täglich mehr Menschen durchschauen. Am Ende muss sich jede/r selbst fragen: wie gehe ich damit um, nun, da ich Bescheid weiss?

  13. nastie Dienstag, 16. April 2013 um 16:39 Uhr [Link]

    Unsere „frommen Wünsche“ werden aber auf den Rücken der z. B. arbeitenden Kinder ausgetragen. Ich bin Mutter und wenn ich mir vorstelle, dass jemand, der tausende Kilometer entfernt ist und mit seinem Wohlstandsbauch nichts von meinem Leben weiß, beschließt, dass es Zeit ist zu kämpfen, um mein „unwürdiges Leben lebenswert zu machen und dafür ungefragt mein Leben und das meiner Kinder aufs Spiel setzt, dann wäre ich ehrlich gesagt wütend.

    Wie lange – schätzt man – soll das dauern, bis sich etwas ändert?
    5 Jahre, 10 Jahre, 100 Jahre – vielleicht ändert sich nie was?
    Dafür werden aktuell in diesem Moment – HEUTE – Kinder gezwungen, sich zu prostituieren, weil ich diesen Scheiß Kakao nicht mehr kaufe.
    Ich verstehe schon dieses Dilemma und ich würde mir wünschen, dass es eine menschenwürdige Lösung gibt, aber von außen kann man in diesen Ländern nichts ändern. Der Meinung bin ich.

    Die Änderung muss von innen heraus passieren, selbst gewollt und die Leute müssen einverstanden sein mit ihren Opfern. Hier bei dem Kakao wird niemand von den Leuten vor Ort gefragt. Es wird einfach von uns entschieden und dann stehen sie da – ohne Job und fragen sich, warum man ihnen noch den letzten Pfennig weggenommen hat.
    Das wäre für mich persönlich keine Alternative.
    Sicher hat da jeder eine andere Denkweise.
    Ich würde mir aber wünschen, dass auch dieser Aspekt mal Berücksichtigung findet.

    • percanta Dienstag, 16. April 2013 um 17:40 Uhr [Link]

      Nastie, im Ernst? Du meinst, lieber Tonnen billiger Schokolade essen, d.h. essen ja vielleicht nicht, aber jedenfalls kaufen und notfalls verklappen, damit die Kinder weiter ihre „Jobs“ haben? Damit man hingehen kann und sagen: „Ändert Euch halt von EUCH aus! Und dankbar sein kannst Du mir auch, Du dummes Kind, als Kindersklave verdienst Du ja wenigstens Geld! Also, Dein Chef. Aber egal! Besser Kindersklave als Kinderprostituierte, und DAS Los hab ich Dir nur durch meinen Billig-Schoko-Konsum erspart! Da kannst Du froh sein, das ist nämlich schlimmer, das kann ich aus meiner reichen Erfahrung als Kindersklave UND Kinderprostituierte (was geht mit Kindersoldat?) nämlich sagen. Denk mal drüber nach, Du dummer Drittweltler!“
      Nicht im Ernst, oder?

    • Isabel Bogdan Dienstag, 16. April 2013 um 17:41 Uhr [Link]

      (Bezieht sich auf Nastie, nicht auf Percanta.)

      Nein. Die *Eltern* sollen Arbeit haben und dafür halbwegs anständig bezahlt werden, sodass die Kinder in die Schule gehen können. Das möchte ich, deswegen kaufe ich Fair-Trade-Schokolade.
      Ich möchte nicht, dass Kinder ausgebeutet werden, deswegen kaufe ich keine herkömmliche Schokolade. Weil ich mein Geld nicht den Unternehmen geben möchte, die diese Arbeitsbedingungen dulden oder unterstützen, indem sie mit ihrer Preispolitik, sprich: mit ihrer Gier überhaupt erst dafür sorgen, dass Kinder unter diesen Umständen arbeiten müssen.

      „Von innen heraus“ ist eine gute Idee, aber das muss nicht aus dem „Inneren“ der Arbeiter kommen, sondern aus der Schokoladenindustrie, die für diese Zustände verantwortlich ist. Diese Industrie wird aber ihre Preispolitik nicht von allein ändern, und schon gar nicht dann, wenn billige Schokolade weiterhin nachgefragt wird. Denn der zweite „Schuldige“ neben der Industrie ist der Verbraucher, der nur auf den Preis guckt.

      Kein Kind wird deswegen zur Prostitution gezwungen, weil ich keine billige Schokolade kaufe. Die Kinder werden zur Prostitution gezwungen, weil die Eltern auch an allen anderen Stellen nicht anständig behandelt werden. Weil Menschen Menschen ausbeuten. Und dabei möchte ich so wenig wie möglich mitmachen.

  14. Hannes Dienstag, 16. April 2013 um 17:29 Uhr [Link]

    Ein schöner und wichtiger Post. Letztlich geht es dabei – wie bei anderen Entscheidungen im Leben auch – um die inneren Widersprüche, in denen wir uns alle permanent bewegen. Ob es bei der Ernährung ist, bei Reisen oder Mobilität, bei Textilien oder auch beim Geld. Bei der Ernährung spüren wir die Auswirkungen einer Verhaltensänderung vielleicht am unmittelbarsten. Sei es, weil wir etwas „vermissen“ oder „genießen“ oder einfach gesünder sind. Mir ist es wichtig – und das fehlt vielfach in den Diskussionen – ehrlich und transparent mit diesen Widersprüchen umzugehen und den moralinsauren Zeigefinger einfach mal in der Hosentasche zu lassen. Daher schätze ich diese ehrlichen Erfahrungsberichte. Die keinen Aspekt unter den Teppich kehren sondern die Widersprüche beim Namen nennen. Niemand von uns wird von jetzt auf gleich sein komplettes Leben umkrempeln können und zum Heiligen mutieren. Mich freut es immer wieder, von diesen Gehversuchen zu lesen und zu spüren, ich bin mit meinem eigenen, immer wieder hochgradig widersprüchlichen Verhalten nicht alleine sondern in im wahrsten Wortsinn „bester Gesellschaft“.

  15. nastie Dienstag, 16. April 2013 um 18:17 Uhr [Link]

    Ja, das sind ernsthafte Überlegungen meinerseits.
    Und ich verstehe auch jeden Standpunkt von Euch. Absolut! Aber Ihr seid mir immer noch die Antwort schuldig in Bezug auf:
    Was passiert JETZT und HEUTE mit den Kindern, die in diesem Moment ihre Schokolade nicht loskriegen.
    Langfristig ist Eure Vorgehensweise vielleicht eine Lösung. Vielleicht auch nicht.
    Darum geht es mir nicht.
    Im Moment werden Kinder geopfert. Und zwar von beiden Seiten.
    Und ich bin immer noch der Meinung, dass der Staat dort was ändern muss. Rahmenbedingungen schaffen. Der Verbraucher wird immer nur auf das Geld schauen. Schon aus dem Grund, weil viele keines haben. Die Welt besteht nicht nur aus Deutschen.
    Die Industrie schaut nach ökonomischen Interessen.
    Der Staat muss Rahmenbedingungen schaffen. Dazu gehört, dass ganze Kulturen umgekrempelt werden müssen. Weil dort von jeher Kinder mit zur Arbeit herangezogen werden. Vor kurzem war das bei uns auch noch so. Und selbst unsere Sommerferien waren eigentlich so gelegt, dass die Kinder bei der Ernte helfen konnten.
    In manchen Gesellschaften gehört das zum Überleben dazu und wird nicht hinterfragt. Das sind doch alles Bedingungen, die ich niemals mit dem Kauf von Fairtrade-Schokolade ändern kann. In meinen Augen ist das Sozialromantik. Gut gemeint zwar und nachdenkenswert und selbstverständlich gehört dazu, dass man nach Lösungen sucht. Aber ein wenig einfach. In meinen Augen.
    Und ich klinke mich jetzt aus. Für mich ist alles gesagt, was ich sagen wollte :)

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