Am Montag saß ich auf der Social Media Week auf einem Podium zum Thema Werbezusammenarbeit zwischen Bloggern und Unternehmen. Mit dabei, von links nach rechts: Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach, Romina Gerhards, Johannes Korten und Djure Meinen.
Heute Mittag um viertel vor eins oder etwas später kommt in der Sendung „Punkt 12″ auf RTL der Bericht über Nunu Kaller, in dem auch ein Teil unserer Wohnzimmerlesung zu sehen sein wird. Ich bin gespannt. Mein Bücherregal! Im Fernseh!
UPDATE: Der Beitrag ist jetzt hier zu sehen.
Ab heute wird in Hamburg in der S- und U-Bahn nicht mehr „Zurückbleiben, bitte“ durchgesagt. In den letzten – weiß nicht, zwei Wochen? wurde regelmäßig durchgesagt, dass ab heute nicht mehr „Zurückbleiben, bitte“ durchgesagt wird, und dass man bitte nicht mehr in die Bahn einsteigen soll, wenn es piepst. Für den Wegfall der Durchsage gibt es laut Hochbahn drei Gründe:
Erstens haben Leute das „Zurückbleiben, bitte“ nicht als Aufforderung zum Zurückbleiben verstanden, sondern zum Schnell-noch-Reinspringen („als Startsignal“). Der Wegfall der Durchsage, heißt es, erhöhe also die Sicherheit.
Meine kleine Privatahnung dazu geht so: wenn die Durchsage „Zurückbleiben, bitte“ bislang die Leute angespornt hat, doch noch schnell in die Bahn zu springen, dann wird demnächst das Piepsen beim Türenschließen diese Aufgabe übernehmen, und dann ist es *noch* knapper. Die Hochbahn hingegen ist der Meinung, Piepsen und Blinken sei irgendwie eindeutiger und würde die Leute davon abhalten, noch schnell reinzuspringen.
Zweitens werde durch den Wegfall der Durchsage Energie gespart, weil man ja Zeit bei der Abfertigung spare und die Züge daher in Zukunft etwas langsamer fahren könnten. Janee, klar.
Und drittens schließlich machten andere Städte das auch nicht („Einheitliches Verfahren im Bundesgebiet“). Was die anderen machen, ist ja immer ein hervorragender Grund für alles mögliche, das habe ich schon vor fünfunddreißig Jahren meiner Mutter zu erklären versucht, als ich ihr sagte, die anderen Mädchen hätten auch alle Barbies. Ich habe trotzdem keine bekommen. (War dann auch nicht so schlimm.)
Es fällt mir wirklich schwer zu entscheiden, welchen dieser drei Gründe ich jetzt am kokolorösesten finden soll. Ist aber auch egal – was mich viel mehr beschäftigt, schon seit Tagen, ist die Vorstellung, dass ja irgendwer als erster auf die Idee gekommen sein muss, diese Durchsage abzuschaffen. Irgendwer muss als erster gedacht haben, das sei doch doof, oder vielleicht ging die Durchsage ihm auch nur ganz persönlich auf die Nerven. Das muss derjenige dann in irgendeiner Art von Gremium vorgeschlagen haben, ich stelle mir vor, dass es bei der Hochbahn, was weiß ich, „die Montagsrunde“ oder sowas gibt, wo sich immer Montags um elf eine bestimmte Gruppe von Leuten trifft, die solche Dinge besprechen, und dass dann ein Herr Müller oder eine Frau Schulze gesagt hat, ich hab eine Idee, wollen wir nicht die „Zurückbleiben, bitte“-Durchsage abschaffen? Die anderen haben erstmal „Hä?“ gemacht, und dann hat Frau Schreiber oder Herr Schäfer gesagt, ja, das nervt, oder ja, ihr sei auch schon aufgefallen, dass die Leute immer noch schnell reinspringen, wenn sie das hören.
Dann haben sie eine Weile diskutiert, Frau Berger hat vielleicht gesagt, sie finde es wichtig, die Leute vorzuwarnen, aber Herr Schmidt, der sowieso immer so schlecht gelaunt ist, fand, man bekomme überhaupt viel zu viele unerbetene Ratschläge, und Frau Mayer, die alte Zicke, hat ihm zugestimmt, das sei Bevormundung, ihr reiche schon das ewige „Fahr vorsichtig“ ihrer Eltern, wenn sie bei ihnen zu Besuch war. Herr Becker hat dann eingewandt, es gebe Studien, denen zufolge Menschen weniger Unfälle bauen, wenn sie morgens geküsst aus dem Haus gehen, und wenn sie Glücksbringer am Rückspiegel baumeln haben, die nämlich nicht in erster Linie den Blick ablenken, sondern dem Unterbewusstsein signalisieren, dass jemand sich um einen sorgt, bzw. einem Glück wünscht, und dann fährt man vorsichtiger. Er finde daher, auch die Hochbahn könne sich wenigstens diese Winzigkeit um ihre Fahrgäste kümmern und sie vorwarnen, dass die Türen zugehen. Das sei einfach eine kleine Freundlichkeit, bei der ihnen ja wohl kein Zacken aus der Krone bräche. Die anderen haben die Augen verdreht, sie fanden Herrn Becker sowieso immer viel zu weich, und Herr Schmidt hat gesagt, man sei ja nicht die Mutti der Fahrgäste und er persönlich habe auch keine Lust, jeden einzelnen beim Einsteigen zu küssen. Frau Krieger fand eigentlich, Herr Becker hätte recht, sagte aber nichts, weil die Mayer sie sowieso schon auf dem Kieker hatte. Am Ende haben sie abgestimmt, und eine knappe Mehrheit war dafür, die Durchsage abzuschaffen.
Herr Becker hat dann noch eingewandt, dass man den Fahrgästen das aber vorher sagen müsse, sonst seien die ja total verwirrt, wenn plötzlich die Durchsage wegfalle. Die Partei der Durchsagengegner fand das nun wirklich total übertrieben, Herr Schäfer pflaumte Herrn Becker an, bitte, er könne ja auch jeden einzelnen Fahrgast ans Händchen nehmen und ihm beim Einsteigen helfen, er solle die Leute mal nicht für blöder halten, als sie sind, worauf Frau Berger sagte, ein bisschen Freundlichkeit habe noch niemandem geschadet und würde vielleicht auch Herrn Schäfer guttun. Der Chef sprach schließlich ein Machtwort und sagte, Frau Berger solle der Textabteilung bitte den Auftrag geben, eine Durchsage zu schreiben, dass die Durchsage demnächst wegfalle, und dann solle das ab Anfang Februar alle zehn Minuten an den Bahnsteigen durchgesagt werden. Desweiteren solle die PR sich bitte eine plausible Begründung für den Wegfall einfallen lassen, fürs Abendblatt und die Webseite.
Seitdem sitzen die Durchsagenverteidiger und die Durchsagengegner in der Kantine an getrennten Tischen, Herr Becker und Herr Schäfer reden gar nicht mehr miteinander.
In der Textabteilung wurde, je nach Veranlagung, schallend gelacht oder mit den Augen gerollt. Zwei junge Leute dachten sich abends nach dem zweiten Bier das aus, was jetzt auf der Webseite steht, dabei war das ein Missverständnis und war eigentlich nur Quatsch gewesen. Der Chef und Frau Schulze fanden es super.
„Wahrscheinlich bin ich homophob wie mein Freund, und das ist auch gut so“, schreibt Matthias Matussek in der Welt. Der ganze Artikel ist von vorne bis hinten indiskutabel, man möchte dem Herrn eigentlich jeden einzelnen Absatz um die Ohren hauen, aber dann denke ich wieder, dass er die Mühe nicht wert ist. Deswegen will ich hier nur einen Satz herausgreifen:
Was für ein Eiertanz um die einfache Tatsache, dass die schwule Liebe selbstverständlich eine defizitäre ist, weil sie ohne Kinder bleibt.
Vielleicht wollen wir mal drei Dinge auseinanderhalten: Fortpflanzung, Sex und Liebe.
Zur Fortpflanzung braucht man Sex, und zwar gemischtgeschlechtlichen, das ist klar (schon gut, es geht hier nicht um die Möglichkeiten der modernen Medizin). Ein Charakteristikum des Menschen ist es allerdings – und da unterscheidet er sich von den meisten anderen Tieren –, dass er nicht ausschließlich zum Zwecke der Fortpflanzung Sex hat, sondern auch einfach so zum Spaß. Weil wir das als angenehm empfinden. Fortpflanzung benötigt also Sex, aber man braucht keinen Fortpflanzungswunsch, um Sex zu haben.
Und die Liebe? Die Liebe mag sich evolutionsgeschichtlich irgendwann aus dem Fortpflanzungstrieb entwickelt haben. Daraus kann man aber nicht den Umkehrschluss ziehen, dass für die Liebe heute noch Fortpflanzung notwendig wäre. Es gibt diese historisch gewachsene Idealvorstellung, dass Menschen nur Sex hätten, wenn sie sich lieben, oder je nach Grad des religiösen Fundamentalismus sogar nur dann, wenn sie sich lieben UND ein Kind möchten; doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.
Menschen haben Sex, wenn es sich gerade so ergibt, weil sie betrunken sind, weil sie sich lieben, weil die Stimmung gerade danach ist, um sich zu trösten, und manchmal sogar, obwohl sie sich gar nicht besonders mögen, aber gerade Lust dazu haben. Manche haben sogar keinen Sex, obwohl sie sich lieben. Sex ist ein körperlicher Vorgang, ebenso wie Fortpflanzung. Sex braucht keine Liebe. Je nach eigenen Vorlieben ist er mit Liebe schöner. Oder womöglich gerade nicht.
Sex und Liebe werden in unserer Kultur dennoch gerne zusammen gedacht, das ist ja auch in Ordnung, die meisten Liebenden werden auch Sex miteinander haben, zumindest am Anfang. Das Sichverlieben geht meist mit einer körperlichen Anziehung einher. Klassischerweise ist in einer festen Liebesbeziehung der Sex mit anderen unerwünscht. Mit dem Wunsch nach Fortpflanzung haben Liebe, Sex und Begehren oft nur am Rande zu tun.
Aber was ist nun die Liebe? Sie ist nicht zwangsläufig an Sex gebunden, und schon gar nicht an Fortpflanzung. Sämtliche Formen der Kunst und Kultur versuchen seit Jahrhunderten immer wieder aufs Neue, die Liebe zu beschreiben. Liebe ist etwas zwischen Menschen, Liebe ist etwas, das man zuallererst geben muss. Es gibt sie in tausend Abstufungen, von „jemanden mögen“ bis zur langjährigen festen Beziehung mit Herzklopfen. Was ich für meine Freunde empfinde, ist auch eine Art von Liebe. Die Übergänge sind fließend. Wenn man Glück hat, geht mit einer besonderen Liebe ein gegenseitiges körperliches Begehren einher, und wenn man noch mehr Glück hat, lässt beides nicht nach. Die Liebe ist schwer zu definieren, aber eins ist sie auf jeden Fall: Für jeden Menschen etwas anderes und für jede Beziehung etwas anderes. Sie ist individuell. Wenn zwei Menschen (oder mehr) zusammenfinden und ihre Liebe und ihr Begehren so leben können, wie es ihnen guttut, dann ist das wundervoll. Wenn dazu Kinder gehören: prima. Wenn nicht: auch prima. Selbst wenn jemand (für sich selbst) ein Leben ohne Kinder als defizitär empfindet, ist doch die Liebe nicht defizitär. Eine Liebe, die für alle Beteiligten gut und schön ist, ist gut und schön. Da kann doch keiner daherkommen und allen Ernstes pauschal die Liebe anderer Menschen für *defizitär* erklären, das ist nicht nur vollkommen grotesk, sondern anmaßend, herablassend und selbstgerecht.
Menschen lieben einander, und das ist toll. Liebe ist nicht defizitär. Etwas, was man jemandem schenkt, kann nicht defizitär sein. Sie ist unterschiedlich, und niemand kann bestimmen, dass seine eigene Form des Liebens die einzig „richtige“ wäre.
Man kann Menschen doch nicht dafür verachten, dass sie lieben, das will mir nicht in den Kopf. Und dann, um noch einen draufzusetzen, auch noch mit dieser Verachtung kokettieren.
Da sind die Nominierungen für den Preis der Leipziger Buchmesse! Nämlich
in der Belletristik:
Per Leo: Flut und Boden. Roman einer Familie
Katja Petrowskaja: Vielleicht Esther
Fabian Hischmann: Am Ende schmeißen wir mit Gold
Martin Mosebach: Das Blutbuchenfest
Saša Stanišić: Vor dem Fest
Bei den Übersetzungen:
Paul Berf mit Karl Ove Knausgård (Norwegisch): Spielen
Robin Detje mit William T. Vollmann (Englisch): Europe Central
Ursula Gräfe mit Haruki Murakami (Japanisch): Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
Hinrich Schmidt-Henkel mit Denis Diderot (Französisch): Jacques der Fatalist und sein Herr
Ernest Wichner mit Varujan Vosganian (Rumänisch): Buch des Flüsterns
Im Sachbuch:
Diedrich Diederichsen: Über Pop-Musik
Jürgen Kaube: Max Weber: Ein Leben zwischen den Epochen
Helmut Lethen: Der Schatten des Fotografen
Barbara Vinken: Angezogen: Das Geheimnis der Mode
Willemsen, Roger: Das Hohe Haus: Ein Jahr im Parlament
Das klingt natürlich mal wieder alles spannend. Allerdings: In allen drei Kategorien sind vier Männer und eine Frau nominiert. Irrer Zufall.