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Helgoland, Tag 1

Diesmal bin ich geflogen, zum ersten Mal. Mit einem winzigen Flugzeug, acht Plätze plus Pilot. Der Flug dauert nur zwanzig Minuten von Büsum, Flughöhe 400-500 Meter über dem Wasser, ich fand es wunderschön. Die Maschine rappelte und ratterte, ein bisschen beängstigend war es auch, aber nicht sehr, und so schön! Herrliches Wetter, blauer Himmel, blaues Wasser und viel zu schnell tauchte vor uns schon Helgoland auf. Wir landeten supersanft, alles war toll. Zehn Minuten später kam ein noch kleineres Flugzeug, das im Landeanflug beängstigend torkelte, da war ich froh, da nicht dringesessen zu haben.

Auf der Düne laufen wir erstmal ein bisschen am Strand entlang und gucken Robbenbabys. Sagte ich schon, dass die Sonne scheint? Herrlich. Ich traue mich kaum noch, jedes Mal denselben begeisterten Kitsch zu schreiben.
Um kurz nach zehn nehmen wir die Fähre von der Düne zur Hauptinsel (die Flugzeuge landen auf der Düne); normalerweise bin ich um die Uhrzeit zwar schon aufgestanden, aber noch nicht unbedingt angezogen und einsatzfähig, heute benutze ich schon das vierte Verkehrsmittel.

Im Hotel bin ich mutterseelenallein. Keine Gäste, kein Personal, kein W-LAN, niemand. Nur ich. Der Hotelier fragt, ob ich „The Shining“ gesehen habe. Habe ich nicht, und das ist vermutlich auch gut so. Aber die Aussicht vom Balkon (Balkon!) ist der Knaller, die fotografiere ich morgen.
Nach einem versehentlich etwas zu lang geratenen Mittagsschlaf drehen wir eine Runde ums Oberland, Iris und ich, und die Insel gibt wirklich alles. Perfekter Sonnenuntergang, our lives have gone Kitschpostkarte.

Beim Abendessen erfahren wir, dass der torkelnde Flieger, als er zum Rückflug abgehoben hatte, nach gut 20 Metern Flug abgestürzt ist. „Wie ein Stein“. Pilot und die drei Passagiere sind unverletzt, aber puh.
Jetzt sitze ich im altbekannten Aparthotel, wo außer Iris auch niemand ist, aber halt W-LAN. Bin gespannt, wie es später allein im Shining-Hotel wird. Wünscht mir Glück.

Medienouting II: Film und Fernsehen

Nach dem großen Lese-/Nichtlese-Outing kommt hier mein Verhältnis zum nächsten Medium, nämlich zu Film und Fernsehen. Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: habe ich überhaupt keinen Bezug zu.
Als ich Kind war, hatten wir zu Hause keinen Fernseher. Meine Eltern waren der Überzeugung, dass Fernsehen schlecht sei und kein Mensch das braucht. Wir bekamen einen Fernseher, als ich ungefähr 16 war; ich erinnere mich, dass ich eine Weile lang halbwegs regelmäßig „Dallas“ geguckt habe, und ansonsten gelegentlich mit meiner Mutter zusammen mal eine 50er-Jahre-Komödie mit Peter Alexander und Lilo Pulver. Und vor Weihnachten Sissi. Meine Brüder guckten Wetten dass oder mal was von Otto, das fand ich alles eher langweilig und unlustig. Der Fernseher stand natürlich auch nicht im Wohnzimmer, wie bei anderen Leuten, sondern im Keller, und wurde angemacht, wenn man etwas Bestimmtes sehen wollte. Und wenn das zu Ende war, aus. (mehr …)

Schwäne

    Der November steht vor der Tür. Irgendwann im November werden die Hamburger Alsterschwäne ins Winterquartier verfrachtet. Ich habe letztes Jahr zugeguckt, als sie zusammengetrieben und auf Boote verladen wurden – eigentlich für „Sachen machen“, aber dann passte es da irgendwie nicht recht rein. Hier jetzt also ein Jahr später:

Schwäne

Seit sechseinhalb Jahren lebe ich jetzt in Hamburg. Seit sechseinhalb Jahren höre ich von den „berühmten Hamburger Alsterschwänen“, die angeblich sogar Touristen anlocken, und seit sechseinhalb Jahren denke ich: hä? Schwäne sind schön, keine Frage, die Alsterschwäne auch, aber mal ehrlich: etwas so Besonderes sind sie nun nicht, jede Stadt hat Schwäne, jedes mittelgroße Gewässer hat Schwäne. Da brauchen die Hamburger sich auf ihre Alsterschwäne nicht groß was einzubilden. Dachte ich. (mehr …)

Dorothee Elmiger: Einladung an die Waghalsigen

Wow. Was für ein Buch! Ganz erstaunlich. Weil man hinterher irgendwie auch nicht wirklich klüger ist als vorher, man hat vielmehr das Gefühl, dass die Geschichte jetzt erst so richtig anfangen würde, aber da ist das Buch schon zu Ende. Und das ist ganz wunderbar so, denn der wichtigste Schritt der beiden Protagonistinnen ist da wahrscheinlich schon getan. Wenn die klassische Heldenreise damit anfängt, dass der Held nach anfänglichem Zögern aufbricht, um dann X weitere Stationen zu durchlaufen – dann hört es hier mit dem Aufbruch quasi auf.
Die beiden Schwestern Margarete und Fritzi sind, was ihr Alter angeht, irgendwo an der Schwelle von der Jugend zum Erwachsensein. Sie leben im „Gebiet“, einem ehemaligen Kohlerevier; im Laufe des Buchs erfahren wir, dass es dort unterirdische Feuer gibt, die Kohleflötze brennen schon seit Jahrzehnten, das Gebiet ist anscheinend zum großen Teil verwüstet und verlassen, aber so ganz genau erfahren wir es nicht. Der Vater ist Polizeichef der verschwindenden Stadt, die Mutter nicht mehr da. Es gibt in der Umgebung noch ein paar weitere bewohnte Ortschaften, aber auch das bleibt ein wenig unklar, wir erfahren nicht genau, was passiert ist, und wer noch da ist, und warum. Das vor allem: warum. Warum geht fast niemand weg, aus diesem tristen und offenbar begrenzten Gebiet? Da draußen ist die Welt, ganz normal, aber irgendwie bleiben die Leute, die noch da sind, zum größten Teil da. Man weiß nicht, warum. Man erfährt überhaupt ziemlich wenig, das aber auf eine unglaublich poetische Weise, die die ganze Geschichte ebenso klaustrophobisch wie hoffnungsvoll macht. Die beiden Schwestern suchen nämlich nach einem Fluss, den es einmal gegeben haben soll, und der möglicherweise unter der Erde verschwindet. Sie brechen auf, immer wieder, durchsuchen das gesamte Gebiet nach diesem Fluss, erleben Rückschläge und Krankheiten – und am Ende kommen sie, auch wenn ich eingangs etwas anderes behauptet habe, doch irgendwo an. Oder auch nicht. Ganz, ganz großartiges Buch, große Leseempfehlung.

Dorothee Elmiger: Einladung an die Waghalsigen. DuMont, 144 Seiten, gebunden, 16,95 €.
Taschenbuch, 9,99 €
E-Book, 7,99 €

[Die Links führen zum Webshop der Buchhandlung Osiander. Wenn Ihr das Buch dort kauft, werde ich ich reich.]

Susann Pásztor: Ein fabelhafter Lügner

Jaaaa! Endlich mal wieder ein Buch, das mich so richtig begeistert. (Die Mumins sind natürlich auch super, laufen aber irgendwie außer Konkurrenz.) Jedenfalls:
Zum hundertsten Geburtstag ihres verstorbenen Vaters Joschi treffen sich die drei Halbgeschwister Marika, Hannah und Gabor. Marika und Hannah sind auch sonst in engem Kontakt, Gabor lebt weiter weg, und das nicht nur im wörtlichen Sinne. Bei den dreien ist außerdem Marikas Tochter, die sechzehnjährige Ich-Erzählerin. Zu viert fahren sie nach Buchenwald, wo Joschi inhaftiert war. Joschis erste Frau und die beiden ersten Kinder wurden in Auschwitz ermordet.
Den drei Frauen, von denen diese drei noch lebenden Kinder stammen, hat Joschi, wie sich herausstellt, ganz unterschiedliche Geschichten über seine Herkunft aufgetischt. Zu stimmen scheint nur, dass er Jude und in Buchenwald war. Ansonsten hat er frei drauflos erzählt, hat zwei Frauen quasi gleichzeitig geschwängert, hatte nach einem missglückten Selbstmordversuch drei Frauen an seinem Krankenbett stehen, hat gelogen und betrogen oder geschwiegen, hat irgendwie doch alle um den Finger gewickelt und schafft es am Ende, dass man ihn sogar als Leser irgendwie mag, trotz allem. Seine drei Kinder und seine Enkelin jedenfalls sind mit einem dermaßen umwerfenden trockenen Humor gesegnet, dass man ihnen sofort erlegen ist. Was dabei rauskommt: ein ganz wundervoll tragikomisches und warmherziges Buch; tatsächlich ein Buch mit Holocaust und Humor. Bemerkenswert. Ganz dicke Leseempfehlung, ich möchte eigentlich, dass Ihr das sofort alle kauft und lest und super findet und das weitersagt.

Susann Pásztor: Ein fabelhafter Lügner. 204 Seiten. Kiepenheuer und Witsch,
Gebundene Ausgabe, 17,95 €
Taschenbuch, 7,99 €
E-Book 7,99 €
Audio-CD, 12,99 €

(Die Links führen zum Webshop der Buchhandlung Osiander. Wenn Ihr das Buch dort bestellt, werde ich unermesslich reich.)

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