Mein schönstes Ferienerlebnis aka Das erste Mal Frankfurter Buchmesse

Gastbeitrag von Jenny Merling

8:21 Uhr Das erste Mal auf dem Weg zur Frankfurter Buchmesse. Trage einen Pullunder und fühle mich generell sehr professionell. Who let all these peasants here on the ICE to Mainhattan? Ts, ts, ts.

10:30 Ankunft. Wo ist das Isabo, ich brauch mein Isabo, ich kenn doch hier keinen, ich werd verrückt, isch kann net mehr, isch will net mehr.

10:31 Blick auf den Plan erinnert mich daran, dass Christoph Metzelder hier gleich sein 1. Fotobuch vorstellt. AWWW YEAH. Isa ist vergessen.

10:45 Metze steht da in all his glory. Ich muss ein Foto haben. Und ein Autogramm. Ich muss.

10:53 Sehe Metze glücklich dabei zu, wie er Interviews gibt.

11:00 Metze gibt weiter Interviews. Und sieht dabei schön aus. Aber mein Foto doch! Jetzt aber.

11:07 Hand geschüttelt, Autogramme bekommen, Fotos gemacht. (Casually fainting.) Mann, ist der nett. Und groß. Und schön. Und so nett.

11:12 Ich sehe auf beiden Fotos scheiße aus. Das kann so nicht bleiben. Das kann auch Metze nicht egal sein. Wer weiß, wann der mich das nächste Mal wiedersieht.

11:13 Ich kann da jetzt aber nicht noch mal hin. Oh Gott.

11:19 Geistesblitz.

11:20 „‘Tschuldigung, ich bin’s noch mal, könnten wir vielleicht noch ein Foto machen? Die ersten beiden sind nämlich verwackelt.“ – Metze: „Ach was, hatte das nicht der Fotograf von der WELT gemacht?“ – „Tja, haha, Dinge gibt’s. Können wir dann…?“

11:23 Das 3. Foto ist annehmbar. Metze darf weiter Interviews geben.

11:31 Isa ruft an und will sich treffen. Ich kann jetzt hier nicht weg, das versteht sie.

11:35 Isa und ich sehen gemeinsam Metze beim Interviewgeben und Schönaussehen zu. Das macht er gut, der Junge.

11:45 Isa schafft’s tatsächlich, mich wegzuzerren. Zweitfrühstück mit Zoë Beck. Das ist nicht nur eine hübsche Alliteration, das ist auch an sich nett. Ich erzähle, dass ich Christoph Metzelder getroffen habe. Höfliches Nicken von Frau Beck.

12:10 Isa und ich hören hingerissen Christoph Niemann dabei zu, wie er genauso toll redet, wie er graphikdesignt. Isa meint, „Christoph Niemann ist Gott!“, woraufhin eine Kollegin hinter uns ihr höflich widerspricht: „Nein, das ist mein Schwager.“ Wieder was gelernt.

12:30 Auf zum Übersetzerzentrum, das jetzt „Weltempfang“ heißt. Schönes Wortspiel, aber seltsame Assoziation mit diesem Maskottchen-Männchen von der Leipziger Messe irgendwie.

12:45 Wir treffen Eike Schönfeld. Isa ist gefasst, das macht sie offensichtlich nicht zum ersten Mal. Ich bin starstruck (O-Ton Isa) und stottere „Sie haben den ‚Fänger im Roggen‘ neu übersetzt!“ Das weiß der Eike aber schon und murmelt nur charmant „… unter anderem“. Aber gefreut hat er sich bestimmt doch.

13:00 Wir treffen Ingo Herzke. Wieder ist Isa ein bisschen weniger außer sich darüber als ich. Aber dass Ingo Herzke super ist, da sind wir uns einig. Ich erzähle, dass ich Christoph Metzelder getroffen habe. Ingo Herzke erzählt, dass er Nick Hornbys „Fever Pitch“ gerade neu übersetzt. Touché, sag ich mal.

13:30 Isa ist mit irgendwem verabredet, ich habe mir eine Diskussionsrunde über die Situation der Autoren in Weißrussland herausgesucht. Ja, deren Situation ist genauso schlimm, wie man sie sich vorstellt. Gute Redner, interessante Dinge. Ernsthaft aber unterhaltsam.

14:30 Diskussionsrunde mit Uda Strätling, die „Things fall apart“ von Chinua Achebe neu übersetzt hat. Habe große Lust, es endlich mal zu lesen. Aber im Original. Hoffe, das ist für Frau Strätling in Ordnung. Die übrigens wie die deutsche Ausgabe von Jodie Foster wirkt. Was für sie bestimmt ebenfalls in Ordnung ist.

15:30 Treffen mit „meiner“ dtv-Lektorin. Die in echt genauso lieb ist, wie sie in ihren E-Mails wirkt. Lasse mir von einer dtv-Mitarbeiterin einen Tee servieren. Ha! Sehr aufregend, das alles, man will ja einen guten Eindruck machen, redet dann viel zu schnell und lacht zu laut und hofft, man wurde nach dem Treffen nicht Uma-Thurman-style mit einem Filzstift von einem Notizblock gestrichen.

16:00 Sitze im ARD-Forum. Da wird über einen deutschen Film diskutiert, der in Afghanistan (?) spielt, und man hatte nur 16 Drehtage in Marokko, das war nicht einfach. Ach ja. Mehr krieg ich aber nicht mit, weil ich das erste Mal an diesem Tag einen Moment nur zum Rumsitzen habe. Den ich mit mitgebrachten Brötchen und „Game of Thrones“-Lesen fülle.

16:30 Isa hat mich wiedergefunden. Biete ihr eins meiner Käsebrötchen an. Sie beißt sofort dankbar rein, mümmelt auch tapfer eine Hälfte weg, steckt sich dann aber die 2. Hälfte in die Handtasche – „für später“. Klar!

17:00 Eigentlich stand jetzt „Karl Marx für jedermann“ in Halle 3 auf dem Plan, aber stattdessen geht’s auf *Emofang* (wenigstens ein Insiderwitz muss einfach sein) zu den Indie-Verlagen. Wo wir die fantastische Katy und die wirklich herzallerliebste Stefanie vom Mairisch-Verlag treffen und gleich mal Rotwein bekommen. Wurde ja auch Zeit. Ich erzähle, dass ich Christoph Metzelder getroffen habe. Stefanie fragt, warum’s keinen Trikottausch gab. Mir bleibt ob der verpassten Gelegenheit kurz das Herz stehen und ja, ich verliebe mich ein bisschen in Stefanie.

18:00 Jetzt aber los zum Café Größenwahn. Es wird ein sehr lustiger Abend mit vielen neuen, lieben Leuten. Die alle kreative Berufe und/oder kreative Hobbys haben, und das macht mich alles so froh. Ich bekomme eine Brokkodil-Postkarte von Herrn Skizzenblog geschenkt, treffe endlich Anne, der eine unterhaltsame Rückfahrt mit mir versprochen wurde, kläre mit Katy, dass „Sherlock“ generell schon super, aber Andrew Scott dann doch heißer als Benedict Cumberbatch ist, kläre den umwerfenden Andreas über bretonische Fußballclub-Hymnen und seine eigene Ähnlichkeit mit Henning Ahrens auf, und – erzähle, dass ich Christoph Metzelder getroffen habe. Wobei diese Tatsache diesmal von einem sehr, sehr netten Mathe- und Physiklehrer, der kein Mathe- und Physiklehrer mehr sein will, zum ersten Mal auch wirklich gewürdigt wird. Jawollja.

22:13 Auf nach Hause. Die liebe Anne hat zum Glück ihren Laptop dabei und bloggt während der Fahrt fröhlich vor sich hin, wie ich im Nachhinein erfahre; sobald wir im Zug sind, kippe ich nämlich von Eindrücken überwältigt und kopfschmerzig zur Seite und schlafe ein.

23:59 Düsseldorf Hauptbahnhof. Verpasse meine U-Bahn nach Hause um eine Minute, bin verwirrt (gerade aufgewacht), laufe einmal bis ans Ende des Bahnhofs, wieder zurück, und dann mir fällt mir wieder ein, dass ich auch einfach eine S-Bahn nehmen kann. Also dann wirklich endlich nach Hause, neben dem Mann ins Bett fallen, und dann erst mal wirr träumen, gibt eine ganze Menge zu verarbeiten.
Habe ja schließlich Christoph Metzelder getroffen. Auf der Frankfurter Buchmesse 2012.

Susann Pásztor: Ein fabelhafter Lügner

Jaaaa! Endlich mal wieder ein Buch, das mich so richtig begeistert. (Die Mumins sind natürlich auch super, laufen aber irgendwie außer Konkurrenz.) Jedenfalls:
Zum hundertsten Geburtstag ihres verstorbenen Vaters Joschi treffen sich die drei Halbgeschwister Marika, Hannah und Gabor. Marika und Hannah sind auch sonst in engem Kontakt, Gabor lebt weiter weg, und das nicht nur im wörtlichen Sinne. Bei den dreien ist außerdem Marikas Tochter, die sechzehnjährige Ich-Erzählerin. Zu viert fahren sie nach Buchenwald, wo Joschi inhaftiert war. Joschis erste Frau und die beiden ersten Kinder wurden in Auschwitz ermordet.
Den drei Frauen, von denen diese drei noch lebenden Kinder stammen, hat Joschi, wie sich herausstellt, ganz unterschiedliche Geschichten über seine Herkunft aufgetischt. Zu stimmen scheint nur, dass er Jude und in Buchenwald war. Ansonsten hat er frei drauflos erzählt, hat zwei Frauen quasi gleichzeitig geschwängert, hatte nach einem missglückten Selbstmordversuch drei Frauen an seinem Krankenbett stehen, hat gelogen und betrogen oder geschwiegen, hat irgendwie doch alle um den Finger gewickelt und schafft es am Ende, dass man ihn sogar als Leser irgendwie mag, trotz allem. Seine drei Kinder und seine Enkelin jedenfalls sind mit einem dermaßen umwerfenden trockenen Humor gesegnet, dass man ihnen sofort erlegen ist. Was dabei rauskommt: ein ganz wundervoll tragikomisches und warmherziges Buch; tatsächlich ein Buch mit Holocaust und Humor. Bemerkenswert. Ganz dicke Leseempfehlung, ich möchte eigentlich, dass Ihr das sofort alle kauft und lest und super findet und das weitersagt.

Susann Pásztor: Ein fabelhafter Lügner. 204 Seiten. Kiepenheuer und Witsch,
Gebundene Ausgabe, 17,95 €
Taschenbuch, 7,99 €
E-Book 7,99 €
Audio-CD, 12,99 €

(Die Links führen zum Webshop der Buchhandlung Osiander. Wenn Ihr das Buch dort bestellt, werde ich unermesslich reich.)

Tove Jansson (Birgitta Kicherer): Herbst im Mumintal

Alle kennen die Muminfamilie, also: gefühlt alle, außer mir. Irgendwie sind die Bücher in meiner Kindheit komplett an mir vorbeigegangen, aber es spricht ja auch nichts dagegen, das noch nachzuholen. „Herbst im Mumintal“ war also mein erstes Muminbuch, und gleichzeitig auch nicht, denn es kommen gar keine Mumins darin vor. Obwohl alle solche Sehnsucht nach der Muminfamilie haben, als es Herbst wird. Da ist der Hemul, der immer für alle irgendwas organisiert und allen sagt, was sie tun sollen. Weil er eigentlich nur will, dass es allen gut geht. Die Filifjonka, die dauernd putzt und auch ganz gut kochen kann, sich aber fürchterlich vor kleinen Krabbeltieren ekelt. Und die gern ein bisschen mehr wie die Muminmutter wäre. Oder der ängstliche und schüchterne kleine Homsa, der tolle Geschichten erzählt. Der griesgrämige Schnupferich, der so schön Mundharmonika spielen kann. Und der uralte Onkelschrompel, der froh ist, dass er einfach alles vergessen kann. Und die Mymla, die ihre kleine Schwester Mü mal wieder sehen möchte. Sie alle brechen zum Herbstanfang auf ins Mumintal, weil es dort so schön ist, aber die Mumins sind gar nicht da. Und so richtet diese bunt zusammengewürfelte Gesellschaft von mehr oder weniger einsamen Eigenbrötlern sich im Haus der Mumins ein. Und das ist alles unglaublich warm und schön und gleichzeitig irgendwie traurig, und so voller kleiner Lebensweisheiten und Melancholie und Herzlichkeit. Und mal ehrlich: wer nicht schon von dem Namen „Onkelschrompel“ hingerissen ist, dem ist wohl nicht zu helfen. Onkelschrompel. Wundervolle Figur. Genau wie der Schnupferich. Und die Mymla. Und … naja, alle halt. Ganz großartiges Buch, davon kommen sofort noch ein paar mehr auf den Wunschzettel. Dann vielleicht welche *mit* Mumins, denn jetzt habe ich so viel über die Mumins gelesen, dass ich auch was über sie lesen will, wenn Ihr versteht, was ich meine.

Ganz herzlichen Dank an Nils Mohl für die Empfehlung und an Giardino für das Geschenk!

Tove Jansson (Birgitta Kicherer): Herbst im Mumintal. Arena-Verlag. Gebunden, 12,95 €
Taschenbuch, 4,99 €

(Die Links führen zum Webshop der Buchhandlung Osiander. Wenn Ihr das Buch dort bestellt, werde ich unermesslich reich.)

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