Besichtigung

Museumspädagogik ist ja so eine Sache.
Ich habe einen Betrieb besichtigt. Nun ist ein Betrieb kein Museum, aber ein paar museumspädagogische Grundsätze könnte man bei einem Betrieb, der andauernd Besichtigungen durchführt, doch auch anwenden. Stattdessen werden wir als allererstes in den zum Betrieb gehörenden Laden geschleust. Quasi Fanshop. Auf der Eintrittskarte befindet sich ein Einkaufsgutschein über zwei Euro; für zwei Euro bekommt man beispielweise einen Kapselheber, das ist ganz nett. Hauptsache, im Shop gewesen, ne?
Dann kommt unser Führer und verkündet, er wisse nicht genau, ob wir in die eine Halle überhaupt reinkönnen, denn da würde ein Film gedreht, und er wisse auch nicht, ob in der anderen Halle die Maschinen überhaupt laufen. Ich denke zum ersten Mal, dass wir dann ja eigentlich auch wieder gehen können, wenn es eh nichts zu sehen gibt.
Es gibt aber was zu sehen, nämlich erstmal einen Film. Und zwar nicht etwa einen informativen Film darüber, wie das Produkt des Hauses hergestellt wird, sondern ein zwanzigminütiges Werbevideo. Zwanzig geschlagene Minuten Imagefilm, in dem das Image der, weißnichtmehrgenau, ungefähr fünf Einzelprodukte dieses Unternehmens haarklein dargestellt wird. Gesponserte Fußballmannschaften, wogende Getreidefelder, glückliche Menschen und gefühlte acht Millionen Mal die Logos der Produkte. Ich fange an, mich ein wenig zu ärgern.
GutAlsdann erzählt der Führer noch ein bisschen was darüber, dass es ja immer Gelächter gebe, wenn im Film gesagt wird, dass Bier gesund sei, dass das aber *wirklich* so sei, und dann erklärt er uns, wie die Kopfhörer zu bedienen sind, die wir bekommen haben: man muss sie sich in die Ohren stecken, es drückt, und unten dran hängt der Empfänger und der Laufstärkeregler, es zieht also auch noch ein bisschen nach unten. Ich finde das unangenehm, ich kann Kopfhörer sowieso nicht leiden, aber das ist natürlich mein Problem. Wir marschieren quer übers Gelände in die erste Halle, in der die Filmleute zugange sind – das bedeutet eigentlich nichts, außer dass wir auf die Kabel am Boden aufpassen sollen, und vor allem bedeutet es, dass das Schaubild nicht da ist, an dem der Führer normalerweise irgendwas erklärt. Er versucht es ohne Schaubild, wir stehen zwischen riesigen Läuterbottichen (!) herum, der Mann vermisst sein Schaubild, auf dem man das alles so schön sehen kann, wie was funktioniert, ja wo isses denn, das Schaubild? Na sowas Dummes. Mich nervt der Kopfhörer, ich setze ihn ab und höre ohne das Ding zu, das geht auch, man muss sich nur ein bisschen konzentrieren. Worauf ich irgendwie nicht so richtig Lust habe. Mit dem Schaubild wäre bestimmt alles besser gewesen, aber leider, das Schaubild ist weg. Wir gehen eine Halle weiter, wo viele große Fässer quasi von oben aus der Decke rausgucken und vieleviele Rohrleitungen unterschiedlichen Durchmessers kreuz und quer durch den Raum verlaufen, und hurra! Da isses! Das Schaubild! Jenun.
Wir bekommen das Schaubild erklärt, und ich frage mich, wofür wir eigentlich hergekommen sind. Die erste Stunde ist herum, wir haben ein endlos langes Imagevideo gesehen und ein Schaubild erklärt bekommen, das man sich auch im Internet ansehen kann. Und der Führer sprüht jetzt, vorsichtig ausgedrückt, auch nicht gerade vor Charme und Esprit. (Es ist natürlich gemein, das so zu schreiben. Er gibt sich ja Mühe. Und immerhin *hust* verrate nicht mal, bei welchem Unternehmen wir überhaupt sind.)
Zum Schluss kommen wir dann endlich in eine große Halle, in der man tatsächlich etwas sieht, in der die Maschinen laufen und wir eine Ahnung bekommen könnten, wie denn die Abläufe sind und was wie gemacht wird, wenn wir, also ich, denn noch zuhören könnten, aber ich bin der ganzen Aktion gegenüber leider schon einigermaßen ungnädig und nicht mehr wirklich willens. Und so höre ich nur noch halbherzig hin, gucke mir ein bisschen die Maschinen an, bin ziemlich fasziniert von der Präzision und der Geschwindigkeit, mit der einzelne defekte Flaschen aussortiert werden, und wie diese Transportbänder laufen, und dann ist es auch schon vorbei. Zum Schluss dürfen wir ein bisschen was verkosten, und dazu gibt es Schinkenbrote, es sei denn, man möchte „aus religiösen oder allergischen Gründen“ lieber ein Käsebrot.
Ich möchte ein Käsebrot, obwohl ich nicht religiös und höchstens gegen blöde Sprüche allergisch bin.

Wow, das klingt ja sensationell schlechtgelaunt. So schlimm war es gar nicht. Und immerhin ist der möglicherweise langweiligste Blogeintrag aller Zeiten dabei rausgekommen, das ist ja auch nicht nichts.

NACHTRAG: Die Brauerei meldet, der Film dauere nur zehn Minuten.
Das Käsebrot war lecker, die angebotenen Getränke auch, ich hatte ein alkoholfreies Alster, und die anderen sahen auch alle glücklich aus. Ich war wohl etwas ungnädig gestimmt an dem Tag, das tut mir leid.

Anderswo

- „Das Prinzip der Tafeln ist einfach: Sammle von denen, die genug haben und gib es denen,
die zu wenig haben.“ Gute Idee: Die Kalorien, die man beim Laufen verbraucht, an die Tafeln spenden. Das geht mit der App Miles for Meals. Die App errechnet, wieviele Kalorien man beim Laufen verbraucht hat, wievielen Tafelmahlzeiten das entspricht, und was das kostet. Der Betrag wird dann gespendet. (Ich laufe zwar nicht deswegen, weil ich zu viel gegessen hätte, sondern um mich zu bewegen und am Schreibtisch nicht komplett einzurosten, aber hey. Wenn ich dabei jeweils einen Euro fuffzich an die Tafeln spenden kann, dann mache ich das doch. Dummerweise geht das Bezahlen über Paypal, die daran vermulich mitverdienen. Irgendwas ist immer.) (Beim Metamädchen gefunden.)

- Das Hamburger Abendblatt über den ehemaligen Carlsen-Verleger Klaus Humann, der jetzt den neuen Kinderbuchverlag Aladin aufzieht. Nachdem er Carlsen mit Harry Potter und Stephenie Meyer reich gemacht hat. Jetzt will er wieder inhaltlich arbeiten, statt nur noch Manager zu sein, und fängt noch einmal von vorne an. Finde ich super.

- Irische Designer haben die blödesten Kundenfeedbacks zu Postern verarbeitet. Und das ist sehr, sehr schön geworden.

- Von Niegehört auf Top-Ten-Blog in no time: Das Literaturblog Schöne Seiten von Caterina Kirsten.

- Meine Kollegin Brigitte Große bei We are traffic. Schöne Frau, schönes Fahrrad, schöne Stadt.

- Wenn man mal wieder denkt, man wäre zu alt für irgendwelche Klamotten: So ein Quatsch. Man muss sie nur mit dem entsprechenden Stolz tragen. Hervorragend zu sehen auf Advanced Style.

- Der ein oder andere erinnert sich vielleicht, dass ich vor einem knappen Jahr so beeindruckt von Harry Belafonte war. Jetzt erst entdeckt: Benjamin Hüllenkremer war an dem Abend auch da und hat Fotos gemacht. Ich finde, man sieht darauf, was für ein beeindruckender Mann das ist.

- Die Süddeutsche zum hundertsten Mal und ziemlich deutlich über den Affentanz bei Suhrkamp.

- Wundervolle Gedanken von Matthias Nawrat in Volltext über das Schreiben: „Und es kommt immer was. Je mehr ich schreibe, desto mehr kommt. Und desto häufiger kommt auch was Überraschendes. Es scheint mir in solchen Augenblicken, dass ich nichts erfinde, sondern nur finde.“ Das sollte ich mir vielleicht ausdrucken und über den Schreibtisch hängen; mein Hauptproblem beim Schreiben ist ja immer noch die Angst, dass mir nichts einfällt. (Und ja, ich weiß, dass das self-fulfilling ist.)

- Ganz großer Spaß: You had one job

Amazon

Wer die Sendung über Amazon und den Umgang mit den Leiharbeitern dort gestern verpasst hat: Bitte hier nachgucken. Wirklich. Guckt Euch das an. Das ist alles so unfassbar. Moderner Sklavenhandel. Beaufsichtigt von (mutmaßlichen) Neonazis.
Irgendwer sagte mal: Es gibt keine billige Kleidung. Es fragt sich nur, wer den Preis zahlt.
Gilt auch für alles andere, schätze ich. Auch für „aber ist doch so praktisch“.

(Und meinen Wunschzettel verlege ich jetzt auch wieder zu stories.)

Mehr dazu: Pia Ziefle
Stellungnahme von Amazon im Buchreport
Frank Lübberding in der FAZ
Verlag Ch. Schroer kündigt die Geschäftsbeziehungen zu Amazon
Amazon will Vorwürfe prüfen lassen (Börsenblatt)
Offener Brief der Krimiautorenvereinigung Das Syndikat
Nochmal FAZ: Amazon im Ausnahmezustand
Süddeutsche: Amazon im Shitstorm
New York Times: Amazon to investigate claims of worker intimidation at German centers
Die Welt: Amazon-Umsätze überraschen Analysten. Neun. Milliarden. Dollar. In Deutschland. Die Steuern darauf werden in Luxemburg gezahlt, nicht hier.
FAZ: Der Amazon-Studentendienst erwartet euch. Gleiches Thema im Buchreport.
SZ: Amazon feuert Sicherheitsdienst
VAT-Verlag André Thiele kündigt die Zusammenarbeit mit Amazon

Petition unterzeichnen

Indiebookday!

Hurra! Am 23. März ist Indiebookday. Das hat der fabulöse Mairisch-Verlag beschlossen, und was Mairisch beschließt, ist gut, wahr und schön, alte Regel.

Was das ist? Ich kopier mal kurz:

Ihr liebt schöne Bücher.
Am 23.03.2013 könnt Ihr das allen zeigen. Es geht ganz einfach:

Wie funktioniert’s?
Geht am 23.03.2013 in einen Buchladen Eurer Wahl und kauft Euch ein Buch. Irgendeines, das Ihr sowieso gerade haben möchtet.
Hauptsache ist: Es stammt aus einem unabhängigen/kleinen/Indie-Verlag.

Danach postet Ihr ein Foto des Covers, des Buches, oder Euch mit dem Buch (oder wie Ihr möchtet) in einem sozialen Netzwerk (Facebook, Twitter, Google+) oder einem Blog Eurer Wahl unter dem Stichwort „Indiebookday“. Wenn Ihr die Aktion gut findet, erzählt davon.

Zum Hintergrund
Es gibt viele kleine tolle Verlage, die mit viel Herzblut und Leidenschaft schöne Bücher machen. Aber nicht immer finden die Bücher ihren Weg zu den Lesern. Der Indiebookday kann da für ein bisschen Aufmerksamkeit sorgen.

Im Netz: Auf Indiebookday und auf Facebook.

Ichsachmaso – dass ich ein Buch kaufen gehen soll, braucht man mir ja nicht zweimal zu sagen. Ich werde das in einer unabhängigen, kleinen, inhabergeführten Buchhandlung tun.

Twitter