Über Geld reden
„Wir müssen über Geld reden“ hieß neulich ein Artikel von Malte Welding in der FAZ, in dem er dann leider nicht so richtig über Geld redet. Aber mit der Überschrift hat er natürlich recht; über Geld reden ist zwar irgendwie verpönt, aber ich finde es wichtig. Und deswegen rede ich jetzt über Geld, mit ganz konkreten Zahlen. Und zwar über das Geld, das Übersetzer und Autoren verdienen. Ein befreundeter Autor erzählte neulich, Leute in seiner Umgebung würden davon ausgehen, dass er finanziell ausgesorgt habe, immerhin habe er ja jetzt schon vier Bücher veröffentlicht. Da besteht offenbar beträchtlicher Aufklärungsbedarf.
1. Übersetzer werden pro Seite bezahlt. In den allermeisten Fällen dürfte der Seitenpreis irgendwo zwischen 15,- und 20,- € liegen. Bei einem literarischen Hardcover in einem renommierten Verlag können es auch mal etwas mehr als 20,- € sein, bei Science Fiction in einem Nischenverlag oder im Jugendbuch auch mal weniger als 15,- €. Dass ein literarisches Hardcover gar nicht unbedingt schwerer zu übersetzen ist als literarisch unerhebliche Chick Lit, weiß jeder, spielt aber für die Vergütung keine Rolle.
Für Taschenbücher wird grundsätzlich weniger bezahlt als für Hardcover. Die Entscheidung, ob ein Buch als TB oder HC erscheint, ist oft eine haarscharfe, etwa bei gehobener Unterhaltung. Kommt zum Beispiel drauf an, wo gerade ein Programmplatz frei ist, oder was weiß ich worauf. Jeder weiß, dass der Schwierigkeitsgrad des Übersetzens überhaupt nichts damit zu tun hat, ob etwas zwischen Papier- oder Pappdeckel gepresst wird, trotzdem gibt es für Hardcover ein bisschen mehr Geld. Alles Verhandlungssache natürlich, wir verhandeln für jedes Buch neu und jeder Übersetzer bekommt andere Honorare. Aber „naja, erscheint ja nur im Taschenbuch“ ist ein häufig gehörtes „Argument“, da kann man dann keinen Euro mehr pro Seite bezahlen. Auch nicht 50 Cent. Denn so sieht’s aus: oft genug diskutieren wir in Vertragsverhandlungen tatsächlich über 50 Cent mehr oder weniger pro Seite. Bei einem durchschnittlichen Roman von 400 Seiten, an dem man drei Monate sitzt, macht das 200,- € aus. Damit Ihr wisst, um was für Dimensionen es hier geht.
Zusätzlich zu diesem Grundhonorar bekommen wir Übersetzer eine Umsatzbeteiligung. Manchmal. Nicht immer. Verhandlungssache. Je nach Verlag liegen die Beteiligungsgrenzen bei einer Auflagenhöhe, die sowieso nicht zu erwarten ist, etwa bei 10.000 Exemplaren im HC, im TB auch schon mal bei 100.000 verkauften Exemplaren. Vor einer Weile gab es ein BGH-Urteil, das festlegte, 0,8% Beteiligung am Nettoladenpreis eines Hardcovers und 0,4% im Taschenbuch, jeweils zu zahlen ab einer Schwelle von 5.000 verkauften Exemplaren, sei eine „angemessene Vergütung“.
Rechnen wir das doch mal aus: wenn ein Taschenbuch im Laden 8,99 € kostet, sind das Netto 8,36 €, und davon 0,4% sind 0,033 €. Drei Cent pro verkauftem TB gehen also an den Übersetzer, das bedeutet, pro 1.000 verkaufte Bücher bekommt er noch mal 33,- €. Yeah, wow. Bei 10.000 Büchern mach das schon 330 Euro! Im Hardcover sieht es schon deutlich besser aus, die kosten erstens das doppelte, zweitens bekommen wir dann doppelt so viele Prozente – aber Hardcover werden natürlich auch nicht so oft verkauft. Wenn sie überhaupt über 5.000 gehen, läuft es schon sehr gut.
Im Übrigen sind das nur die Zahlen, die der BGH als „angemessen“ festgelegt hat – ob sich die Verlage daran halten, ist eine andere Frage. Viele tun es nicht. Und zwar nicht deswegen, weil sie nach oben abweichen würden.
Viele Kollegen (ich auch) rechnen im Jahresdurchschnitt mit ungefähr 100 übersetzten Seiten pro Monat. Bei einem durchschnittlichen Seitenpreis von, sagen wir, 18,- €, macht das also monatliche Einnahmen von 1800,- €, plus ein bisschen Umsatzbeteiligung, wenn man Glück hat und gut verkäufliche Bücher übersetzt. Von diesen Einnahmen ziehen wir aber alles mögliche ab, Arbeitszimmer, Krankenkasse, Rentenversicherung, Fortbildung, Recherchen etc., und den Rest versteuern wir.
2. Bei Autoren funktioniert das Vergütungsprinzip anders. Autoren bekommen kein Seitenhonorar, sondern eine Umsatzbeteiligung vom ersten Exemplar an. Und damit sie trotzdem von irgendetwas leben können, bekommen sie einen sogenannten „Vorschuss“ auf die zu erwartende Beteiligung. Ein Autor erhält also erstmal 5.000,- € oder 50.000 €, je nachdem wie berühmt er ist oder wie gut er (oder sein Agent) verhandelt oder welchen Absatz der Verlag erwartet. Dieser Vorschuss wird mit der Beteiligung verrechnet, das heißt, erstmal muss man den Vorschuss über die Verkäufe sozusagen wieder einspielen, und wenn dann noch mehr Bücher verkauft werden, bekommt man, was darüber hinausgeht. Wenn das Buch den Vorschuss über die Verkäufe nicht wieder reinholt, es sich also schlechter verkauft, als der Verlag erwartet hat, muss man den Vorschuss allerdings auch nicht zurückzahlen. Man nennt das: verrechenbar, aber nicht rückzahlbar.
Was ich gar nicht wusste, gerade erst gesehen habe: Der Schriftstellerverband (der zu ver.di gehört) hat sich mit einigen Verlagen auf eine Vergütungsregel geeinigt (leider nicht verlinkbar: auf der Verdi-Webseite nach „Vergütungsregel Belletristik“ suchen). Darin soll die Beteiligung bei Taschenbüchern bei 5%, bei Hardcovern bei 10% vom Nettoladenpreis liegen.
Rechenbeispiel: ein Taschenbuch kostet 8,99 €, das sind netto 8,36 €. Davon 5% sind 0,41 €, die der Autor an Beteiligung pro verkauftem Buch bekommt. Bei 1.000 verkauften Büchern erhält er also 410 €, bei 10.000 Exemplaren 4.100 €.
Im Hardcover: Ladenpreis 18,90 €, das sind netto 17,50 €. Davon 10% sind 1,75 €. Das ist ja schon ein anderer Schnack als die 40 Cent im Taschenbuch. Pro 1.000 verkaufte Bücher bekommt die Autorin also 1750,- €, bei 10.000 Exemplaren 17.500 €. Klingt schon besser, das ist mehr als viermal so viel wie im Taschenbuch. 10.000 Exemplare im Hardcover zu verkaufen, muss man aber auch erstmal schaffen; realistisch dürfte das für die wenigsten Bücher sein.
Wieviel Zeit man braucht, um einen Roman zu schreiben, ist sicher höchst unterschiedlich. Manche brauchen fünf Jahre, manche vielleicht nur ein halbes Jahr. Es mag eine Milchmädchenrechnung sein, aber wenn man mal davon ausgeht, dass man für einen anspruchsvolleren Roman länger braucht, der dann aber weniger gelesen wird … nun ja. Wenn man es schafft, in einem Jahr einen Roman zu schreiben, der für wert befunden wird, im Hardcover zu erscheinen, und der sich dann auch noch 10.000 mal verkauft: Chapeau. Dann hat man wirklich was erreicht. Und damit in einem Jahr 17.500 € – nein, nicht verdient. Eingenommen. Davon bezahlt man, siehe oben, Arbeitszimmer, Computer, womöglich Recherchereisen, Kranken- und Rentenversicherung und so weiter und versteuert den Rest. Wenn das Buch dummerweise als Taschenbuch erschienen ist, und sich ebenfalls 10.000 mal verkauft, sind es nur 4.100 € – da hat man wahrscheinlich schon ein bisschen mehr Vorschuss bekommen. Vielleicht irgendwas zwischen 5.000 und 10.000 €.
Nachbemerkung: Bestseller entstehen nicht zwangsläufig dadurch, dass ein Buch besonders gut ist und sich das herumspricht. Oft werden sie gemacht, von den Marketingabteilungen der Verlage. Und den Satz „Schreib / übersetz doch mal Harry Potter“, den haben wir alle schon gehört. Ungefähr siebzehnmillionen Mal. Ja, es gibt reiche Autoren. Das sind aber die Ausnahmen. Der große Rest hangelt sich mit Stipendien, Ehepartnern und/oder sogenannten Brotjobs durch. Und das hat nichts damit zu tun, dass das keine guten Autoren wären.
***
Super: Falk ist Kulturredakteur und spricht auch über Geld. Womöglich schlägt das ja noch Wellen. Denn ich finde, er hat recht, wenn er sagt: Ich glaube, dass dieses “Über Geld spricht man nicht” zur Entsolidarisierung beiträgt: Wer nicht über Geld spricht, der baut einen Popanz auf, eine Wertigkeit, nach der Geld mehr ist als eine Entlohnung für geleistete Arbeit. Ist es aber nicht. Wir sollten alle mehr über Geld sprechen.
NACHTRAG: Cornelius Hartz hat auch etwas darüber geschrieben: Vom Schreiben leben.
Not quite like Beethoven Samstag, 19. Mai 2012 um 13:02 Uhr [Link]
Ich verstehe natürlich, warum Hardcover von den Herstellungskosten her teurer ist. Ich verstehe aber nicht ganz, warum Autoren und Übersetzer bei Hardcover höhere Beteiligungen bekommen. Geht es da nur darum, dass HC mehr Renomme bedeutet und aus mir unverständlichen Gründen weiterhin bedeuten soll? Ist HC für Verlage unterm Schnitt ein besseres Geschäft?
Isabel Bogdan Samstag, 19. Mai 2012 um 13:06 Uhr [Link]
Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung. Hardcover werden natürlich weniger gekauft, vielleicht rechtfertigt das eine höhere Beteiligung? Aber die wäre ja bei doppeltem Verkaufspreis sowieso höher, da müsste sie nicht prozentual auch noch höher sein.
Zum unterschiedlichen Seitenhonorar für Übersetzer befragt, sagen Lektorinnen im Allgemeinen, das wüssten sie auch nicht, es sei halt so. Und ja, sie wüssten auch, dass ein Taschenbuch nicht leichter zu übersetzen sei.
Übrigens glaube ich, die Herstellungskosten für ein HC sind nur minimal höher, aber das weiß ich nicht genau.
Heidrun Schaller Samstag, 19. Mai 2012 um 13:45 Uhr [Link]
Hat mich immer schon gewundert, diese Unterscheidung zwischen Hardcover und Taschenbuch, vor allem auch der enorme Preisunterschied. Wenn man knauserig bzw. knapp bei Kasse ist und sich für das Taschenbuch statt das HC entscheidet, muss man ja dem Schriftsteller und dem Übersetzer gegenüber ein richtig schlechtes Gewissen haben. Dabei will man doch eigentlich nur für die Bindung weniger Geld ausgeben, nicht für den Inhalt. Eigentlich bekloppt.
Danke jedenfalls fürs Vorrechnen. Ich wusste schon, dass es schlimm ist, aber nicht, dass es SO schlimm ist.
Kiki Samstag, 19. Mai 2012 um 14:01 Uhr [Link]
Danke, das ist wirklich interessant aufgeschlüsselt; v.A. der Teil mit den Übersetzerhonoraren. Was Autoren bekommen, habe ich im Verwandtenkreis schon gesehen … zum Leben zu wenig, zum Sterben zuviel. Unter diesen Umständen bin ich doppelt beeindruckt, daß sich überhaupt noch jemand als Übersetzer verdingen will. Hut ab!
frauziefle Samstag, 19. Mai 2012 um 15:35 Uhr [Link]
Die geringere Beteiligung am TB ist auch für mich nicht verständlich – auch wenn sie, genau wie die beim HC, gestaffelt ist: die Verkaufszahlen, die man erreichen müsste um sich mehr als eine Tüte Lollies mit mehrern Geschmacksrichtungen kaufen zu können, sind utopisch.
Früher war das TB die reine Zweitverwertung des HC – gab der Verlag, oder ein anderer Verlag, ein TB raus, waren mit dem HC schon alle auf ihre Kosten gekommen. Heute ist das nicht mehr so, bei weitem nicht. Darum müssten eigentlich für alle Ausgaben die Autorenbeteiligungen identisch sein – selber Content, selber Anteil.
frauziefle Samstag, 19. Mai 2012 um 15:36 Uhr [Link]
super Grammatik… das Letzte sollte heißen: derselbe Content – derselbe Anteil. Wenn das mein Verlag sieht :))
Isabel Bogdan Samstag, 19. Mai 2012 um 15:50 Uhr [Link]
Stimmt, die Staffelung habe ich hier ebenso unterschlagen wie die Beteiligung an den Nebenrechten. Letzteres dürfte in den meisten Fällen nicht wirklich ins Gewicht fallen. Interessant ist die Staffelung bei gut verkäuflichen Büchern: da gibt es dann beispielsweise im Taschenbuch 5% bis 25.000 Exemplare, 6% bis 50.000 Exemplare, und danach 7%. Fällt wahrscheinlich unter „Der Teufel scheißt immer auf den dicksten Haufen“.
(Wenn ich groß bin, schreibe ich ein Hardcover. Mit Lesebändchen. Und das wird dann ein Bestseller und ich reich!)
frauziefle Samstag, 19. Mai 2012 um 16:14 Uhr [Link]
Daran dachte ich auch schon, wobei die Größe des Haufens exakt so aussieht, TB, bei Ladenverkaufspreis von 12,90 € und Beginn der Staffel bei 6%:
2000 1.439,64 €
10000 7.198,2 €
15000 10.797,3 €
25000 17.995,5 €
50000 41.989,5 e
100000 95.976 €
und wie finster erst bei 8,90 € (beispielsweise)
2000 993,24 €
10000 4.966,20 €
15000 7.449,30 €
25000 12.415,50 €
50000 28.969,50 €
100000 66.216,00 €
Noname Samstag, 19. Mai 2012 um 16:19 Uhr [Link]
Nach diesen Daten dürfte es nur ganz wenige Schriftsteller geben, die vom Schreiben leben können.
Mit den neuen Medien wäre weder HC noch TB und die damit verbunden Kosten notwendig. Schriftstellerselbstvermarktung über das Internet ohne Druckerei und Handel. Download und Bezahlung direkt oder über einen Dienstleister müßten dem Schriftsteller doch bessere Ergebnisse bringen. Längerfristig wird der Druck eh aussterben . Ich finde soviele unbekannte Schreiber im Internet mit hervorragenden Gedanken und Geschichten, sodaß auch der Beruf „Schriftsteller“ als Broterwerb hinfällig werden wird,
ebenso wie seinerzeit der Schriftsetzer.
Ju Honisch Samstag, 19. Mai 2012 um 16:22 Uhr [Link]
Ich kann Euch versichern, dass kleine Verlage, also die, die mit größerer Wahrscheinlichkeit einen noch unbekannten Autoren verlegen, noch weit, weit weniger zahlen. Von einem Vorschuss von 10.000 € kann man da nur nachts im Dunkeln träumen. Ein Fünftel davon wäre schon viel.
Das liegt nicht daran, dass kleine Verlage etwa fies, böse und gemein sind, sondern daran, dass sie keine großen (oder gar keine) Marketingbudgets haben, um das Buch zu einem Bestseller zu machen. Die Verkaufszahlen bleiben also klein, ebenso die Gewinnmarge. Von der Beteiligung pro Buchverkauf sieht ein Autor entsprechend dann auch nur wenig oder gar nichts.
Ich bekomme jedes Mal Zustände, wenn in den Medien Schriftsteller als reiche Überflieger dargestellt werden, die in ihrer Villa in der Sonne herumliegen und gelegentlich mal in die Tasten einer Schreibmaschine hauen.
Kultur ist der Welt wenig wert. Das gilt nicht nur für Schriftsteller, sondern auch für Musiker und bildende Künstler. Ein winziger Bruchteil wird mit einer Marketingmaschinerie hochgehypet – nicht immer die Besten, sondern die, die dem Controller, der sie nicht gelesen hat, per Statistikdaten am besten gefallen – und der Rest muss sich leider abrackern. Ich bin Schrittstellerin (preisgekrönt), und tagsüber arbeite ich in einem Industrieverband als Übersetzerin. Mein Mann ist Musiker, und tagsüber repariert er Maschinen in einem Industriebetrieb. Freizeit hat keiner von uns beiden.
coolcat Samstag, 19. Mai 2012 um 16:23 Uhr [Link]
sehr interessant! weißt du zufällig, ob handarbeitsbücher in diesem zusammenhang auch unter belletristik gehandelt werden, bzw. was eine übliche autorenbeteiligung bei einem handarbeitsbuch wäre?
Sascha Samstag, 19. Mai 2012 um 16:26 Uhr [Link]
frauziefle, Deine Überlegungen passen durchaus. Der „Einkommensunterschied“ für literarische Übersetzer und Autoren bei Taschenbuch oder Hardcover ist historisch gewachsen. Das Taschenbuch kam üblicherweise als Zweitverwertung, also weniger Prozente Tantiemen als die Erstverwertung im Hardcover. Für Dinge, wo sich das HC nicht lohnte, gab’s die Heftromanverlage, die ganz andere Tantiemenstrukturen haben als Buchverlage.
Das ist heute nicht mehr zwingend so, oft kommen Erstauflagen gleich als Taschenbuch. Entsprechend sind die Regelungen eigentlich anachronistisch und müssten überarbeitet werden – besonders auch deshalb, weil sich mit dem eBook eine noch billiger zu produzierende Verwertungsmöglichkeit etabliert, die oft parallel zur ersten Druckauflage gefahren wird. Logisch betrachtet sollten wir Textleute eigentlich für den „Content“ bezahlt werden, nicht die Verpackung drumrum.
Wie Isabel aber auch in ihrem (wirklich gelungenen!) Blogbeitrag andeutet: „Ist halt so, das haben wir schon immer so gemacht“. Der Literaturbetrieb ist recht traditionell drauf, um es freundlich auszudrücken. Entsprechend wundern mich die zunehmenden Berichte reiner eBook-Autoren, die „selbst verlegen“ und damit finanziell gut fahren, nicht. Isabels Zahlen sprechen eine deutliche Sprache; vertreibt man seinen Roman als 4-Euro-eBook verdient man unter Umständen mehr als an einer €10-Taschenbuchveröffentlichung in einem Kleinverlag. Man wird dann zwar nicht im Feuilleton rezensiert und darf bei einigen Autorenverbänden nicht mitmachen („Selbstverlag, igitt!“), aber wenn’s den Kühlschrank füllt …
frauziefle Samstag, 19. Mai 2012 um 16:34 Uhr [Link]
oh siehste, das 8.90 Beispiel hattest du ja selber gerechnet.. ich lese gleich mal nach, was die in Hexenschusscreme mischen…
Uschi aus Aachen Samstag, 19. Mai 2012 um 16:52 Uhr [Link]
„Du hast es gut, Du bist selbständig“, sprach eine Freundin (Angestellte) und wunderte sich über meine (Grafik-Designerin) fast zornige Antwort.
Eure Berechnungen sind genauso deprimierend wie meine pekuniären Realitäten – und um jeden Cent muß bei jedem Auftrag m-ü-h-s-a-m-s-t neu gerungen werden…
Doch wer von uns macht es schon wirklich hauptsächlich des Geldes wegen? Wäre uns nicht die Erfüllung durch das, was wir mit Leidenschaft tun, das Wichtigste, wären wir keine Freiberuflerinnen. Was unsere Kunden natürlich keinesfalls davon entbindet, uns angemessen zu bezahlen – denn Erfüllung oder nicht, es ist Arbeit.
Isabel Bogdan Samstag, 19. Mai 2012 um 17:16 Uhr [Link]
Coolcat, nee, unter Belletristik fällt hier nur Fiktionales. Angrenzendes „literarisches Sachbuch“ (wie etwa meins) dürfte ziemlich gleich behandelt werden, aber ein Handarbeitsbuch fällt wahrscheinlich eher unter „populäre Ratgeber“ – ich nehme an, dass das nochmal vollkommen anders gehandhabt wird. Das dürfte auch in der Herstellung deutlich teurer sein, weil das Layout viel aufwändiger ist und man wegen der Bilder besseres Papier braucht und so weiter. Keine Ahnung, wie sowas läuft.
Alle anderen: vielen Dank für die Ergänzungen!
Not quite like Beethoven Samstag, 19. Mai 2012 um 18:25 Uhr [Link]
Entschuldige die Abweichung, aber was ist denn ein literarisches Sachbuch?
Isabel Bogdan Samstag, 19. Mai 2012 um 18:44 Uhr [Link]
Keine Ahnung, ob es da eine exakte Definition gibt; was ich meine, sind Sachbücher, die hauptsächlich aus zusammenhängendem Text bestehen. Biografien und Autobiografien, Reportagen, sowas.
Im Gegensatz zu Ratgebern, die oft zum Beispiel sehr viele Bilder drinhaben (wie Coolcats Handarbeitsbuch es wahrscheinlich hätte), und dazu eher kurze Textstücke mit Anleitungen und Ähnlichem.
Und noch etwas anders ist dann das Fachbuch, das sich an Fachleute richtet. In welchem Fach auch immer.
Und die Übergänge sind natürlich überall fließend.
adelhaid Samstag, 19. Mai 2012 um 18:57 Uhr [Link]
ich habe weiland ‚Das Parfum‘ in der englischen übersetzung gekauft, weil es 70 pfennig (!!!!) billiger war, als das deutsche original.
beide TB.
opening a whole new can of worms?
Isabel Bogdan Samstag, 19. Mai 2012 um 19:40 Uhr [Link]
Nö, das ist ja total egal.
Heißt ja nur, dass es den Übersetzern und Autoren in anderen Ländern auch nicht besser geht. Und wegen 35 Cent würden die wenigsten Leute sich für eine Sprache entscheiden.
Sanníe Samstag, 19. Mai 2012 um 19:50 Uhr [Link]
Aber ich mag den Satz mit der Kultur, die uns angeblich nichts wert ist, einfach nicht mehr hören.
Ich kaufe ca. 50 Bücher im Jahr und seit ich es mir leisten kann auch Hardcover, wenn ich das unbedingt jetzt lesen will. (Mir liegen Taschenbücher nämlich eigentlich besser in der Hand.)
Mehr Bücher kaufe ich allein deshalb nicht, weil ich mehr einfach nicht schaffen kann. Und umgekehr wird, wer nicht liest, auch keine Bücher kaufen – ist es ihm dann nichts wert? Das scheint mir eine seltsamer Blickwinkel zu sein.
Aber irgendwie – finde ich – gehört das dazu: Daß ich heute auf dem Flohmarkt feststellten mußte, mehr als 1,50 kriegst Du nicht für ein einmal gelesenes Buch. Das fand ich erschütternd – diesen krassen Wertverfall für etwas, das ja seinen Zweck gebraucht noch genauso gut erfüllt wie in neu.
Sanníe Samstag, 19. Mai 2012 um 19:56 Uhr [Link]
Achso, zum Thema: Vielen Dank, Isa. Du hast glaub ich schonmal den Tarif für eine Seite genannt – das ist schlimm. Ihr Übersetzer scheint vor allem aus Liebe zu Büchern und Sprache zu arbeiten.
Von mir aus können Bücher auch teurer sein, nur müßte das Geld halt ganz bei den Schöpfern ankommen, aber am Verteilerschlüssel können die Leser ja nichts ändern.
Isabel Bogdan Samstag, 19. Mai 2012 um 20:32 Uhr [Link]
Ja, ich habe auch weder einen Lösungsvorschlag, noch wollte ich irgendwem die Schuld zuweisen. Schon gar nicht den Lesern, die die Bücher kaufen.
Wenn, dann den Verlagen – wenn man sieht, was Spitzenautoren teilweise an Vorschüssen bekommen, oder was für Übersetzungslizenzen ausländischer Spitzenautoren bezahlt wird, wird einem schwindelig. Offenbar ist da doch Geld vorhanden. Da ist es wirklich lächerlich, dass wir um 0,50 € pro Seite betteln müssen. Die einzelne Lektorin, mit der wir verhandeln, kann natürlich auch nichts dafür.
Oder wenn man sich anhört, wie die Verlage sich von Thalia und co. um Rabatte erpressen lassen – gibt es da wirklich keine Möglichkeit, das einfach kollektiv nicht mitzumachen? Ich versteh da ja nichts von, aber es kommt mir irrwitzig vor. Im Moment scheint es ja mit Thalia bergab zu gehen – ich heul da nicht drum.
Dieter Samstag, 19. Mai 2012 um 23:08 Uhr [Link]
Zum unterschiedlichen Verteilungsschlüssel Taschenbuch – Hardcover:
Ich habe keine Ahnung vom Buchgeschäft, aber mit einer Designerbrille oder Designerjeans ist es so: Sie kostet in der Herstellung etwa doppelt so viel wie die Billigbrille, kann aber für das Zehnfache verkauft werden (Marketingkosten kommen natürlich noch dazu). Insgesamt ist also der Ertrag höher (Preis abzüglich Kosten), es kann mehr verteilt werden. Diesen höheren Preis zu erzielen schafft aber nicht jeder, deswegen werden nur die erfolgversprechenderen Bücher als Hardcover in den Markt gebracht. Vielleicht kommt hier später noch ein Verlagsmensch vorbei, der meine Erklärung bestätigt oder eine bessere anzubieten hat.
Daß den Konsumenten die Kultur so wenig wert ist kann ich nicht mehr hören. Es stimmt einfach nicht. Buchneuerscheinungen kosten gerne mal 25 Euro. Meine Frau liest die meisten Bücher an einem Tag aus, ich brauche etwas länger. Das ist kein billiges Vergnügen. Auch neue CDs kosten 17 Euro, wenn nicht direkt ein neuer Saturn- oder Mediamarkt-Prospekt erscheint. Das ist in meinen Augen nicht wenig Geld.
Das „Problem“ sind die Autoren und Künstler, die so scharf darauf sind, ihre Kunst herauszubringen, daß sie über einen längeren Zeitraum bereit sind, mit einem sehr geringen Einkommen zu leben, entweder in der Hoffnung, bald groß herauszukommen, oder weil ihnen das Leben als Künstler so viel wert ist, daß sie es so akzeptieren, wie es ist. Vielleicht gibt es Möglichkeiten, diese Künstler über eine Kulturflatrate zu subventionieren. Aber das bedeutet auch einen gewissen bürokratischen Aufwand, der dem Künstlerleben entgegensteht. Soll dann ein Musiker Auftrittsverbot bekommen, weil er nicht in der Künstlerkasse ist? Darf er dann nicht umsonst in einer Kneipe auftreten, auch wenn er (oder sie) es einfach will, allein um des Erlebnisses willen? Oder hat jemand Lust,
Mit den Übersetzern ist es leider ähnlich. Wer zwingt einen Übersetzer dazu, als ebensolcher zu arbeiten? Übersetzer können mehr verdienen, wenn sie einen größeren Anteil am Umsatz kriegen. Wer ist dann bereit, von seinem Anteil abzugeben? Der Autor? Der hat ja selbst nicht viel. Der Verlag? Können die das? So weit ich weiß, brauchen die die Einnahmen der Erfolgsbücher, um die anderen mit durchzuziehen. Das Problem ist also auch hier ein Überangebot. Ich will hier nicht rumtrollen, ich würde mich freuen, wenn Leute, die ihre Arbeit gut machen, auch angemessen bezahlt werden. Aber die Selbstausbeutung gut ausgebildeter Menschen halte ich nicht für das größte Problem. Da sehe ich bei abhängig Beschäftigten ein größeres. Was z.B. Ergotherapeuten verdienen ist auch ein Witz, und die haben häufig auch noch 6000,- € pro Jahr Schulgeld bezahlt.
In einem Artikel, den ich leider nicht mehr finde, sprach die Verfasserin auch das Problem an und bezog sich auf Katja Kullmann. Sie sprach am Ende davon, daß sie keine professionellen Schriftsteller kennt, genauso wenig, wie sie professionelle Lottospieler kennt. Wenn ich den Artikel finde, komme ich nochmal zurück.
Dieter
Isabel Bogdan Samstag, 19. Mai 2012 um 23:48 Uhr [Link]
Ich glaube, der Vergleich mit den Designerbrillen hinkt mächtig. Die Preisspanne bei Büchern ist ja nicht besonders groß; ein Taschenbuch kostet zwischen, keine Ahnung, 8 und 13 Euro, ein Hardcover zwischen 15 und 20 – ungefähr. Wenn es sehr dick ist und besonders tolles Papier hat, auch mal über 20,-, aber das ist wirklich selten.
Und wie gesagt, den Konsumenten für die schlechte Bezahlung der Urheber zu beschuldigen, halte ich auch nicht für vernünftig.
Aber den Künstlern sozusagen selbst die Schuld zu geben, ist auch keine Lösung. Natürlich muss niemand als Übersetzer arbeiten. Aber *irgendwer* muss als Übersetzer arbeiten, Bücher müssen übersetzt werden, wir leben in einer globalisierten Welt, und alles, was wir über andere Länder und Kulturen wissen, wissen wir durch Übersetzer. Man stelle sich mal vor, man könnte keine fremde Literatur mehr lesen, das wäre ja absurd. Und wer sie übersetzt, der sollte wenigstens halbwegs davon leben können, das ist verdammt noch mal eine wichtige Arbeit, die wir da machen.
Natürlich sollen die Autoren nichts an die Übersetzer abgeben, die haben ja selbst nichts. Komische Idee. Aber ebenso wie die Verlage könnten auch wir von der Mischkalkulation leben: indem wir an den gut verkäuflichen Büchern besser beteiligt werden und uns damit die schwierigen Lieblingsbücher querfinanzieren könnten, beispielsweise. (Außer, dass das in vielen Fällen auch nicht funktionieren würde, weil manche immer die Krimi-Bestseller übersetzen und andere immer die schwerverkäufliche Hochliteratur.)
Ob eine Kulturflatrate eine Lösung wäre – keine Ahnung, ich habe nicht mal eine Meinung, und ich habe schon gar keine Lösung. Ich wollte nur erstmal die Tatsachen darstellen, die vielen offensichtlich nicht bewusst sind.
Und jetzt gehe ich Katja Kullmann googeln. Ich kenne einen ganzen Haufen professionelle Schriftsteller, na und? Reich sind die alle nicht.
Dieter Sonntag, 20. Mai 2012 um 02:09 Uhr [Link]
Mit der Designerbrille meine ich nur den wirtschaftlichen Mechanismus. Wenn die Gewinnspanne größer ist, der letztendlich Verantwortliche, der das Risiko trägt (der Verlag) sicher sein kann auf seine Kosten zu kommen, dann kann er von dem Geld auch prozentual auch mehr abgeben, weil er insgesamt immer noch mehr Geld reinbekommt als beim billigeren Produkt. Kann aber auch sein, daß es wie beim Friseur mit den unterschiedlichen Preisen für Männer und Frauen ist.
Irgendwer wird natürlich als Übersetzer arbeiten, genauso wie irgendwer immer noch Bücher schreiben oder Musik machen wird. Aber höhere Einkommen werden nur dann zu erzielen sein, wenn eine Angebotsverknappung eintritt. Der gleiche Mechanismus ist auch bei Schauspielern zu sehen (da ist das Durchschnittseinkommen ebenfalls zum Heulen, es gibt nur wenige Gutverdiener). Denn wenn der eine Übersetzer einen höheren Anteil fordert, geht der Verleger zum nächsten, der es für den alten Preis macht.
Kathrin Passig hat letztens ein Gespräch mit einer Buchfrau veröffentlicht, das sie zu Recherchezwecken geführt hat. Was für mich bei dem Interview hängen blieb, ist, daß der deutsche Büchermarkt einfach unglaublich aufgebläht ist und viel mehr auf den Markt kommt als verkauft und gelesen werden kann. Das ist zwar kulturell schön, aber vielleicht auf Dauer nicht mehr aufrecht zu erhalten, oder eben nur zu den erwähnten Bedingungen der Selbstausbeutung, oder durch Zuwendung zu den neuen Publikationsformen wie e-Books. https://docs.google.com/document/d/1qFCO74SXSQNYu0tlb9Wnz8sAsURjGS1TqTu-f4o00ag/edit?pli=1#
Vielleicht liege ich aber auch vollkommen daneben und die Verbesserung der Einkommen kann durch Organisation und Kartellierung geschehen. Bei Theatermusikern und Bühnenarbeitern klappt das, Schauspieler und Tänzer machen so etwas nicht und hängen deswegen einkommensmäßig hintendran.
http://www.stern.de/kultur/film/deutsche-buehnen-absurdes-theater-565600.html
Jana Sonntag, 20. Mai 2012 um 08:55 Uhr [Link]
@Ju Honisch
> Ich bekomme jedes Mal Zustände, wenn in den Medien
> Schriftsteller
> als reiche Überflieger dargestellt werden, die in ihrer Villa in der
> Sonne herumliegen und gelegentlich mal in die Tasten einer
> Schreibmaschine hauen.
Dabei sollten sie schon erwähnen, dass dieses Image von den Schriftstellern, Verlagen und ihren PR-Agenturen aufgebaut wird.
> Kultur ist der Welt wenig wert. Das gilt nicht nur für Schriftsteller
>, sondern auch für Musiker und bildende Künstler.
Nichts ist der Welt etwas wert. Sehen Sie sich mal an, wie wir unsere Ärztinnen oder Ingenieure bezahlen, unsere Kindergärtnerinnen oder Programmierer.
In den Medien stehen immer nur die verschwindent kleinen Minderheiten aus den Berufsgruppen, die es geschafft haben. Der Rest ist das jeweilige Proletariat des Berufs, und muss sich Vergleichbares anhören wie schreib mal einen Harry Potter
Daher ist Ihr Schluss „wir sind Künstler, wir sind was Besseres“ einfach falsch. Ich sehe das immer als Versuch, Solidarität einzufordern ohne selber Solidarität zu zeigen, nach dem Motto, der Pöbel hat sich gefälligst für Kunst zu interessieren *fußaufstampf*.
frauziefle Sonntag, 20. Mai 2012 um 11:16 Uhr [Link]
Mit Rotweinglas auf einer Dachterrasse an der Kohtazür, genau :))
Oder in einer einsamen Berghütte, wie T.C. Boyle.
Bei letzterem darf man aber z.B. nicht vergessen, wie viele viele Romane er geschrieben hat und dass er außerdem unterrichtet und noch 100 andere Dinge tut.
Nach meinem Verständnis geht es immer um „Teilen“. Wenn ich Bäcker wäre würde ich meine Brote teilen, als Metzger die Würste und als Schreiner meine Stühle. Jetzt als Schriftstellerin schreibe ich Bücher und ich tue das, weil ich etwas, das mich beschäftigt, teilen will. Wenn ich Glück habe und meine Sache gut gemacht habe, will das jemand wissen. Und bezahlt dafür.
Wenn ich mich nicht so sehr anstrengen will oder kann, oder wenn es für etwas zum Verkaufen nicht reicht, blogge ich darüber und teile kostenlos.
Viele von uns tun das, Isa ja auch.
Letztlich wollen wir also für einen Teil unserer Beiträge zur Gemeinschaft bezahlt werden, und ja, ich will das auch für den Teil, den ich dafür ausgesucht habe. Das empfinde ich dann immer noch als solidarisch.
Zurück zum Oberthema: was man nicht vergessen darf ist, dass die Verlage in Vorleistung gehen für uns, und oft sehr viel höhere Vorschüsse bezahlen als je an Honorar erwirtschaftet werden kann. Für den Verlag spielen also u.U. mehr Faktoren eine Rolle, als nur die Wirtschaftlichkeit eines Titels.
Und dazu kommt: man kann ja nicht im Vorhinein wissen, wie sich Bücher verkaufen werden, manche werden tatsächlich ordentlich mit Marketing versorgt und floppen beim Leser kolossal.
Ich weiß auch keine gerechte Lösung, außer vielleicht einer Diskussion darüber, wieviel ein Verlag tatsächlich bereit ist, für sein Buch zu tun, damit der Autor weiß, auf was er sich einlässt und seine eigene Marktingarbeit vom Verlag bezahlt wird.
Frl. Wahrheit Sonntag, 20. Mai 2012 um 11:29 Uhr [Link]
Randbemerkung zu Verhandlungstaktiken:
Eine Kollegin von mir (Übersetzerin aus einer „kleinen“ Sprache. Wobei „kleine“ Sprache sich nicht auf die Sprecherzahl oder den Rang der jeweiligen Literatur bezieht, sondern auf die Zahl der publizierten Übersetzungen in deutschen Verlagen. Dazu muss man wissen, dass etwa 80% aller Übersetzungen ins Deutsche aus dem Englischen sind, die restlichen 20% sich dann unter den anderen Weltsprachen aufteilen), also: eine Kollegin von mir hat mit der Lektorin über den Seitenpreis verhandelt und wollte nicht unter ein bestimmtes Honorar gehen.
Die Lektorin antwortete ihr, die angebotene Summe sei nicht verhandelbar, das sei das Seitenhonorar, das auch *** (genannt wurde der Name eines renommierten Übersetzers aus derselben Sprache) erhalte.
Es sei völlig unerheblich, welches Honorar andere erhielten, antwortete meine Kollegin und sagte, dann müsse sie leider auf den Auftrag verzichten, denn sie ginge lieber Fische verkaufen als unter Wert zu arbeiten.
Gut, sagte die Lektorin, dann werde sie noch einmal mit der Verlagsleitung sprechen, und siehe da, plötzlich war es doch möglich, das verlangte Seitenhonorar zu bezahlen.
Es ging insgesamt wohl um etwa 300,– Euro mehr oder weniger, aber offensichtlich auch ums Prinzip.
Nun muss ich dazu sagen, dass meine Kollegin recht etabliert ist und der Verlag das Buch wohl unbedingt machen wollte. Eine solche Taktik kann womöglich auch nach hinten losgehen.
Gleichwohl finde ich, dass man als Übersetzer und Autor (und in anderen Berufsgruppen wohl auch) aus Gründen der Selbstachtung sowie aus Solidarität mit anderen bestimmte Honorargrenzen nicht unterschreiten sollte.
Isabel Bogdan Sonntag, 20. Mai 2012 um 11:38 Uhr [Link]
Ungefähr haargenau dasselbe ist mir auch passiert. Ich habe gesagt, unter 19,- mache ich nicht, die Lektorin sagte, sie wollte mir eigentlich 16,- anbieten und sich auf 17,- hochhandeln lassen. Wir haben dann beide bedauernd aufgelegt, denn wir mochten uns am Telefon spontan (war ein Erstkontakt) und das Buch klang spannend. Zwei Tage später rief sie wieder an. Sie habe mit dem Verleger gesprochen, sie wollten, dass das Buch gut wird, und deswegen bekäme ich nun 19,- €/Seite.
Wie sie darauf kamen, dass es gut wird, wenn ich es mache? Keine Ahnung. Ein prominenter Kollege hat mich empfohlen, und ich glaube: sie glauben, dass man etwas kann, wenn man selbstbewusst genug einen vernünftigen Preis verlangt. Allerdings weiß ich auch, wie schwer das ist, wenn man den Auftrag dringend braucht. Hätte ich ihn dringend gebraucht, hätte ich es wahrscheinlich auch für 17,- gemacht.
Pia, das sehe ich ein bisschen anders. Muss ich aber noch kurz drüber nachdenken und jetzt bin ich erstmal kurz weg.
Dieter Sonntag, 20. Mai 2012 um 18:14 Uhr [Link]
Das mit der harten Verhandlungsstrategie hat jemand nochmal empirisch überprüft. Ist in der Tat meistens besser: http://www.idw-online.de/de/news477062
Vielleicht hilft es auch, die Leute nicht nur auf den Preis, sondern auch auf Qualität und Termintreue hinzuweisen. Man muß auch mit seinen Pfunden wuchern.
Bei Kathrin Passig war noch ein anderes Dokument zu finden, das Manuskript einer Radiosendung zum Thema ungelesene Bücher. Von 35.000 Büchern, die von 2005 bis 2008 zuerst als Hardcover und dann als Taschenbuch erschienen sind, haben sich 1,6% mehr als 1500 mal verkauft. Die übrigen 98,4% haben sich seltener verkauft. Kann man Bücher mit einer Auflage von weniger als 1500 Stück wirtschaftlich publizieren?
Dieter
Christiane Sonntag, 20. Mai 2012 um 19:12 Uhr [Link]
Hallo Isa,
ich danke Dir dafür, dass Du es einmal ausgesprochen und übers Geld gesprochen hast. Es hilft doch ungemein, die Arbeit der Menschen einzuordnen und wertzuschätzen, auch finanziell… ich für meinen Teil finde, es sollte mehr über Geld geredet werden… vielleicht auch über die Berufsgruppen, die trotz Vollzeitjobs aufstockend Leistungen vom Staat beziehen müssen, weil der Partner eben nicht vorhanden ist oder auch nicht genug verdient… aber das nur am Rande…
leopanta Montag, 21. Mai 2012 um 10:00 Uhr [Link]
Es ist interessant und wichtig, dass einzelne Übersetzer (und Autoren) ihre finanzielle Situation darstellen, aber ich hätte doch gern ein wenig mehr Hintergrund. Fündig geworden bin ich hier:
http://www.literaturuebersetzer.de/
„Literaturübersetzungen werden zunächst pro Normseite honoriert (30 Zeilen zu maximal 60 Anschlägen). Dabei unterscheiden die Verlage in aller Regel, ob die Übersetzung im Hardcover oder als Taschenbuch erscheinen soll. Obwohl die Ausstattung des Buchs für die Arbeit der Literaturübersetzer/innen ohne Belang ist, wurden dennoch im Hardcover zwischen 2004-2008 durchschnittlich 17,83 € (17,50 € 1) erzielt, im Taschenbuch jedoch nur 15,30 € (14,50 €). Im Vergleich der beiden Zeiträume sind die Seitenhonorare seit 2002 real gefallen.
…
Erfolgreiche, vollständig ausgelastete Literaturübersetzer erzielen einen Betriebsgewinn von durchschnittlich 13.000 bis 14.000 € jährlich, ihr Nettoeinkommen liegt damit an oder unter der Armutsgrenze.“
Ich finde es wichtig zu wissen, dass es so etwas wie den VdÜ gibt und dass sich Übersetzer gemeinsam gegen die schlechten Arbeitsbedingungen hoffentlich erfolgreich zur Wehr setzen. .
Isabel Bogdan Montag, 21. Mai 2012 um 13:09 Uhr [Link]
Der Haken ist das „hoffentlich erfolgreich“ – den VdÜ gibt es schon seit über 50 Jahren, und er versucht ungefähr ebensolange, die Honorarsituation zu verbessern. Wir sitzen einfach an einem sehr, sehr kurzen Hebel, wie die meisten Künstler. Die Verlage sitzen die Verhandlungsversuche mehr oder weniger einfach aus, und die Welle von Klagen, die schließlich bis zum BGH geführt hat, hat erreicht, was oben steht.
Und ich bin in Wahrheit übrigens nicht halb so frustriert, wie das hier klingt.
leopanta Montag, 21. Mai 2012 um 13:35 Uhr [Link]
Letzteres freut mich, auch weil ich deinen interessanten Blog gern lese!
kid37 Montag, 21. Mai 2012 um 15:30 Uhr [Link]
Übrigens sind die oft geringen Margen der Verlage auch ein Argument für lange Laufzeiten von Urheber- und Verwertungsrechten. In Vorleistung für Autoren zu treten lohnt sich eben manchmal erst, wenn man die Ergebnisse auch möglichst lange (Jahrzehnte) verwerten kann.
frauziefle Montag, 21. Mai 2012 um 16:59 Uhr [Link]
@Dieter
wo hast du die Zahlen denn gefunden?
Die sind ja dramatisch niedrig.
frauziefle Montag, 21. Mai 2012 um 20:42 Uhr [Link]
und hier noch andere Zahlen, einer sehr sympathischen Autorin, die im Selbstverlag angefangen hat und von Ullstein entdeckt worden ist. Verlagskollegin auch, aber das ist nicht der Grund fürs posten, sondern die Auflagenzahlen im Folder http://www.ullsteinbuchverlage.de/ullstein/media/Neuhaus_Folder.pdf
Isabel Bogdan Dienstag, 22. Mai 2012 um 00:30 Uhr [Link]
Ja, naja. Das ist ja schon fast die „schreib doch mal Harry Potter“-Nummer. In ein paar Nummern kleiner. Aber man stelle sich vor, alle Bücher würden sich so verkaufen! Dann hätten wir überhaupt nichts mehr zu jammern! Nicht auszudenken.
Birte Vogel Dienstag, 22. Mai 2012 um 09:54 Uhr [Link]
Danke für diesen Beitrag, Isa!
Was das Übersetzen angeht, könnte man noch hinzufügen, dass es FilmübersetzerInnen ähnlich geht, obwohl in der Filmbranche ganz andere Summen im Spiel sind. FilmübersetzerInnen müssen darüber hinaus meist sämtliche Rechte abtreten, und teilweise sehr zeitaufwändige Zusatzarbeiten sind oft mit der Seitenpauschale ganz selbstverständlich abgegolten. Da gibt es nur in den seltensten Fällen Verhandlungsspielraum. Das Stundenhonorar für Freie liegt daher oft noch weit unter dem von Festangestellten.
Und was die Prozente betrifft, die AutorInnen von Verlagen bekommen, sollte man der Fairness halber nicht vergessen, wie viele Prozente Verlage dem Buchhandel abgeben müssen. Wenn ein Verlag „nur“ max. 35% an den Buchhandel abgibt, weigern sich so manche HändlerInnen, das Buch überhaupt in ihren Laden zu legen. Andere fordern und bekommen ganz selbstverständlich 50 oder mehr Prozent – gerade von Kleinverlagen. Für das Herumliegen eines Buches auf wenigen Zentimetern Ladenfläche bekommt der Handel also das Fünf- bis Zehnfache dessen, was diejenigen bekommen, die das Werk überhaupt erst geschaffen haben.
Da krankt das System m. E. zuerst. Irgendwas stimmt doch nicht, wenn AutorInnen und ÜbersetzerInnen fast unentgeltlich arbeiten, aber alle anderen Beteiligten mit dem, was sie schaffen, einen Teil ihres Lebensunterhalts verdienen.
Zumal die Vorschüsse der Verlage wohl immer weiter runtergehen – im Sachbuchbereich sind es oft maximal und mit viel Glück 1.000 Euro, wie KollegInnen mir erzählen. Oftmals bekommen sie gar keinen mehr, sondern nur noch Tantiemen, die dann aber auch nicht unbedingt höher liegen als bei denen, die Vorschüsse bekommen.
Wie gut für (fast) alle Beteiligten, dass es immer noch so viele Idealisten gibt, die allein das erhebende Gefühl, ein Buch veröffentlicht zu haben, antreibt. ;-)
frauziefle Dienstag, 22. Mai 2012 um 10:52 Uhr [Link]
Ich habe das bewusst gewählt, weil Nele Neuhaus im Selbstverlag angefangen hat und sehr sehr erfolgreich war, bevor sie diesen Verlag hatte – und sie behält übrigens nur 1% ihres Gewinnes, der Rest geht in ihre Stiftung
@Barbara
Wenn man das so betrachtet, dann sieht es unfair aus – aber die 30 bis 50% sind ja auch nur Umsatz, von denen die Buchhändler Laden, Angestellte, Versicherungen, eigenes Gehalt etc. zahlen müssen, und zum Beispiel die Logistik der Zwischenhändler – die wollen neuerdings Extrageld, nur damit der Bücherlaster am gehweg vor der Buchhandlung anhält (Extrageld wegen der Benzinpreise erheben sie schon länger, nennt sich Dieselfloater), das sind alles Kosten, die von den 30 – 50% bezahlt werden müssen. http://www.boersenblatt.net/506201/
Was ich als 10% Autorin davon habe? Etwa 7000 Verkaufsstellen im deutschsprachigen Raum, an denen mein Buch ausliegen kann oder mindestens bestellbar ist. Und die online-Händler.
frauziefle Dienstag, 22. Mai 2012 um 11:13 Uhr [Link]
tschuldigung Birte, ich meinte natürlich Birte! Nicht Barbara.
Florian Felix Weyh Dienstag, 22. Mai 2012 um 11:16 Uhr [Link]
Das erwähnte Ms. (von mir) ist beim SWR zu finden: http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/literatur/-/id=7115478/property=download/nid=659892/1q1f1ur/swr2-literatur-20101214.pdf
Und die Zahlen stammen leider aus einer seriösen Studie. Es kommt übrigens nicht darauf an, dass ein Verlag mit 1.500 Stück verkaufter Bücher kostendeckend arbeitet, die Deckungsauflage liegt er beim Doppelten. Der Mechanismus ist seit vielen Jahren ab einer bestimmten Verlagsgröße 10:90, d.h. 10% der Mega-Seller finanzieren 90% der Titel, die maximal auf eine schwache schwarze Null kommen.
Isabel Bogdan Dienstag, 22. Mai 2012 um 12:27 Uhr [Link]
Frauziefle, ich habe den Eindruck, dass ganz viele Autoren und Übersetzer irgendwie zuviel mitdenken. Oder zu empathisch mitdenken. Denn bei „die Buchhändler müssen ja auch noch die Zwischenhändler mitbezahlen“ und „der Verlag muss ja mischkalkulieren“ und alldem Verständnis für die „andere“ Seite, schwingt irgendwie immer mit, dass wir ja nun wirklich nicht auch noch mehr Geld haben wollen dürfen.
Empathie ist grundsätzlich etwas Gutes, natürlich, aber in Verhandlungsfragen ist zu viel davon auch nicht förderlich.
Das klingt jetzt wie ein Widerspruch, aber: Ich glaube, wir müssen aufhören, eine „andere Seite“ zu sehen. Wir brauchen mehr Selbstbewusstsein, und das Bewusstsein, dass nicht nur wir von den Verlagen abhängig sind, sondern auch die von uns. Ebenso wie die Buchhändler und Zwischenhändler, die haben nur dann etwas zu tun und zu verdienen, wenn wir ihnen den Content liefern.
Es muss doch möglich sein, dass wir alle gemeinsam Bücher machen und verkaufen wollen, und zwar so, dass wir alle gut davon leben können. Ja, okay, das ist wahrscheinlich ein bisschen utopisch, aber ohne utopische Ideen kommt man auch nirgendwohin.
Meine Vorschläge wären ja: die Riesenvorschüsse und Lizenzsummen drastisch runterfahren. Wenn das Buch sich dann gut verkauft, bekommt der Autor ja seinen Anteil, aber warum soll er ihn schon vorab bekommen und der Verlag riskiert dabei, dass das Buch sich dann doch nicht so gut verkauft? Zweitens: Buchhandelsrabatte einheitlich halten. Es kann nicht angehen, dass die großen Ketten riesige Rabatte erpressen, und der kleine Buchhändler das nicht kann. Buchpreisbindung auch für den Handel.
Und drittens: den ganzen, Verzeihung, Mist nicht veröffentlichen. Die Verlage wissen, dass bestimmte Titel Mist sind, dann geben sie sich beim Lektorat keine Mühe und bei der Werbung schon gar nicht, man meint ja manchmal, es ginge nur darum, Papier zu bedrucken. Das muss doch nicht sein, man könnte ein paar weniger Bücher machen, und die dann wirklich überzeugt. Aber vielleicht ist das nur so ein Eindruck.
Ein bisschen die Aufgeregtheit aus dem Buchgeschäft nehmen. Es geht beispielsweise das Gerücht, diese Tante von der Piratenpartei, die die Vorstellung von geistigem Eigentum für albern hält, habe einen Vorschuss von 100.000 € bekommen. Was soll das? Alles, was ich von ihr gelesen habe, ist unausgegoren. Da werden plötzlich Leute gehypt, von denen keiner weiß, warum, und die Verlage machen das mit.
Allerdings sind diese meine Vorschläge natürlich auch total unausgegoren. Ich denke nur laut und habe das Gefühl, eigentlich gar keine Ahnung zu haben. Hmpf.
slowtiger Dienstag, 22. Mai 2012 um 14:30 Uhr [Link]
> „Das “Problem” sind die Autoren und Künstler, die so scharf darauf sind, ihre Kunst herauszubringen, daß sie über einen längeren Zeitraum bereit sind, mit einem sehr geringen Einkommen zu leben, entweder in der Hoffnung, bald groß herauszukommen, oder weil ihnen das Leben als Künstler so viel wert ist, daß sie es so akzeptieren, wie es ist. “
Das, lieber Dieter, stimmt so nicht. Tatsächlich ist es eher so, daß du bei sämtlichen Auftraggebern hübsch am langen Arm verhungern darfst, bis du schließlich jeder beliebigen miesen Bezahlung zustimmst, weil 5.-€ in der Hand besser sind als 5000.- € im Traum. Ich bin keinesfalls zu einem miesen Leben bereit, aber ein besseres zahlt mir keiner. Ich bin auch nicht freiwillig Freiberufler geworden, aber die Alternative heißt in meinem Alter nur noch Hartz 4.
frauziefle Dienstag, 22. Mai 2012 um 17:21 Uhr [Link]
Volle Zustimmung für „weniger Bücher“.
Volle Zustimmung auch für das Unverständnis in genau diesem einen Fall wegen der Vorschusshöhe.
Ich glaube aber nicht, dass wir zuviel mitdenken. Ich habe das nochmal gesagt, um darauf hinzuweisen, dass der Handel seinen Teil nicht behalten kann, was nicht heißen sollte, dass man schlechte Bezahlung akzeptieren muss.
Keine Vorschüsse mehr zu bekommen im momentanen Gefüge wäre fatal – denn ich habe ja keinerlei Einfluss auf die Programmgestaltung der Verlage, auf ihr Marketing, ihren Einsatz für mein Buch etc. – bin aber für mein Honorar von der Qualität dieser Arbeit abhängig. Vorschüsse mildern diese Abhänggkeit wenigstens ein bisschen.
Oder Romane zum Festpreis?
Andere Gewerke werden auch nicht umsatzabhängig bezahlt, kein Grafiker oder Texter bekommt Tantiemen – da wird kalkuliert, Arbeit gemacht, bezahlt. Vielleicht sollten alle Autoren einen Seitenpreis anbieten? Nicht nur die Drehbuchautoren, Heftromanautoren etc. (Scherz – oder auch nicht…)
Lakritze Dienstag, 22. Mai 2012 um 23:45 Uhr [Link]
Uff. Auch wenn ich der Branche nicht ganz fremd bin, schockieren mich die nackten Zahlen. Gut, sie mal schwarz auf weiß präsentiert zu bekommen. Danke dafür. (Und jetzt werde ich noch mal gründlich nachdenken, was man denn deibelnocheins tun kann ….)
José Mittwoch, 23. Mai 2012 um 01:29 Uhr [Link]
Ich will gleich vorausschicken, daß alles, was ich weiß, nur gefährliches Halbwissen ist. Allerdings aus mehreren Ecken. Aber vielleicht schaffe ich es, ein paar der gestellten Fragen zu beantworten.
Ich bin IT-Mensch und habe jahrelang bei einer großen Buchhandelskette gearbeitet.
Meine Frau arbeitet als Kinderbuchillustratorin. Sie kann davon leben, reich wird sie nicht, aber es geht ihr gut. Sie wird ähnlich bezahlt wie die Autoren, d.h. mit Vorschuß und prozentualer Beteiligung. Beides ist vergleichsweise kleiner, je nach Umfang geht es um 1.500 bis 3.000 Euro pro Werk. Wenn ich nicht irre, war ihr höchstes Honorar 6.000 Euro, aber die Zeiten sind vorbei. Prozente bekommt sie m.W. zwischen 2,5 und 4, wobei sie von über 100 veröffentlichten Werken nur 2- oder 3-mal über die Vorschußgrenze kam. Insofern ist der Unterschied zwischen Autoren- und Übersetzerhonorar nur nominell: beide bekommen einen verhandelbaren fixen Anteil und eine prozentuale Beteiligung, wovon letztere meistens nur der Wunsch bleibt.
Um sich finanziell über Wasser zu halten, ist sie also gezwungen, möglichst viel zu veröffentlichen. Sie ist schnell, ihr Stil kommt gut an, so daß sie gut im Geschäft ist. Allerdings hat sie seit Jahren keinen Urlaub gemacht, die Ausfallzeit kann sie sich nicht leisten.
Im Kinderbuchbereich wird m.E. sehr viel Müll produziert. Das kann man den Verlagen anlasten, aber man darf nicht vergessen, daß das wirtschaftlich agierende Betriebe sind: sie verkaufen schlicht das, was die Leute kaufen. Man kann das beobachten: Verlag X hat ein erfolgreiches Buch mit Prinzessinen und viel Rosa herausgebracht, keine zwei Monate später liegen Anfragen von Verlag Y, Z, A, B und C zum gleichen Thema auf dem Tisch. Das Gleiche wiederholt sich mit Vampiren, Pferden, Ballerinas, Meerjungfrauen und Piraten. Wir haben in den letzten Jahren den einen oder anderen Autor oder Autorin kennengelernt, die nach diesem Muster produziert haben: ich muß jetzt mal ein Drachenbuch rausbringen, in zwei Wochen soll es fertig sein. Story? Egal. Sprache? Egal. Die Miete muß her. Die Bücher verkaufen sich, nicht zuletzt auch, weil die Eltern ihren Kindern jeden Mist vorsetzen.
Die unterschiedliche Bezahlung für Hardcover und Taschenbuch hat mit der Erwartung der Verlage zu tun, wie sich das Buch verkaufen wird. Anspruchsvolle Bücher werden aufwendiger produziert, da man davon ausgehen kann, daß das Publikum dafür mehr zahlen wird. Andererseits weiß man damit gleich, daß die Zielgruppe kleiner ist – anspruchsvoll und teurer gleich weniger. Die Taschenbücher erscheinen traditionell als Zweitverwertung, wenn die Nachfrage erloschen ist, um die Zielgruppe derer abzuschöpfen, die das Buch gern gelesen hätten, aber es aus Kostengründen nicht taten. Für Massenware gilt das nicht, hier wird gleich billig produziert und preiswert angeboten, um über die Stückzahlen zu verdienen. Die Autoren bekommen eine höhere Beteiligung bei HC, weil da die niedrigen Stückzahlen einkalkuliert sind. Natürlich träumt jeder von dem großen Wurf, gleich von der Hardcoverausgabe mehrere Auflagen zu verkaufen, aber das ist selten.
Der Buchhandel streicht tatsächlich viel Geld ein, hat aber auch hohe Fixkosten. Speziell die großen Ketten nutzen die wirtschaftliche Macht ihrer Einkaufsabteilungen, um Rabatte auszuhandeln. Dabei spielt die Warenwirtschaft eine entscheidende Rolle. Bei einem Artikelstamm von deutlich über 100.000 Titel besteht die Kunst darin, genau die richtigen auf Lager zu haben – es nutzt nicht viel, alle Harry-Potter-Bände palettenweise zu bevorraten, wenn der Hype gerade zu den Vampiren übergegangen ist. Die Lagerkosten für eine so große Vielfalt kann niemand finanzieren, was wiederum die großen Distributoren wie Libri oder KNV ernährt. Ich behaupte, einer der Hauptgründe für den Erfolg meines Arbeitgebers bestand darin, das eigene Lager mit den richtigen Titeln zu füllen. Zwar können alle anderen Titel für den nächsten Tag beschafft werden, aber das geht zu anderen Konditionen als aus dem eigenen Lager. Die Erkennung dieser „richtigen“ Titel ist aufwendig und ist auf eine leistungsstarke IT angewiesen.
Puh! Viel geschrieben. Aber vielleicht war es ja hilfreich. Gute Nacht!
Kiki Mittwoch, 23. Mai 2012 um 13:11 Uhr [Link]
Kann mir noch mal jemand genau erklären, warum hierzulande so vehement an der Buchpreisbindung festgehalten wird? Ich meine, die nützt doch wirklich niemandem, außer dem Verleger (womit die Frage auch schon beantwortet wäre …).
Was sie Margen angeht: Selfpublishing ist nicht die Frage, scheint mir. Selfpublishing ist die Antwort. All diejenigen, die darob die Nase rümpfen, leiden noch nicht genügend oder verdienen offensichtlich genug.
Isabel Bogdan Mittwoch, 23. Mai 2012 um 13:20 Uhr [Link]
Nee, das glaube ich nicht, dass die Buchpreisbindung nur dem Verleger nützt. Schlimm genug, dass ich 5% von 8,-€ bekomme – ohne Buchpreisbindung würde ich ja womöglich nur 5% von 3,-€ bekommen. Da Bücher alle ungefähr das gleiche kosten, ziehen die gutverkauften halt die anderen mit durch.
Come to think of it: wenn Angebot und Nachfrage den Preis regeln, dann würde mein Buch zum Beispiel wahrscheinlich gar nicht gekauft. Weil es zu teuer wäre, weil es vermutlich wenig Leute interessiert.
Im Selfpublishing würde es noch weniger Leute interessieren. Ich bin schon gut vernetzt, denke ich – ich blogge seit Jahren, habe an die 700 Facebookfreunde (wer sind die alle?), darunter ein paar Buchhandlungen und so – aber mal ehrlich, wenn es richtig, richtig gut läuft, dann bringt mir das vielleicht 500 Buchkäufer. Da hat so ein Verlag doch ganz andere Möglichkeiten.
Auch was die Vorauswahl betrifft. Beispiele wie Nele Neuhaus sind nun wirklich die absolute Ausnahme, und jetzt hoffen auf einmal viele, dass es bei ihnen auch so laufen könnte. Ich glaube da nicht recht dran.
Kiki Mittwoch, 23. Mai 2012 um 13:47 Uhr [Link]
Ich gucke mir das auch schon eine ganze Weile an und bin für mich zu dem Schluss gekommen, die meisten Autoren hierzulande leiden unter dem Stockholmsyndrom gegenüber ihren Verlegern. Im Musikbusiness ist es dasselbe in Grün (Disclosure: ich bin u.a. auch Partnerin in einer direct-to-fan Marketing Agentur, die Labels, (Musik)Verlage, Bands, Manager berät, wie sie sichbzw. ihre Mandanten im Web gut verkaufen und aufstellen. Viele Bands wollen unbedingt gesigned werden, auch wenn sie im DIY-Verfahren zehnmal so viel verdienen würden und zig mehr Möglichkeiten hätten. Dabei machen sie ohnehin gerade bei den Indies alle nötige Arbeit selbst. — Crowdfunding, Direct to fan Kampagnen etc. … das kann und wird kein Label heute mehr leisten, außer für Madonna & Co. Guck’ Dir mal Amanda Palmer an, die hat verstanden, wie es geht.
Ganz aufschlussreich ist da übrigens auch das Blog http://jakonrath.blogspot.de. Klar, der beschreibt die Zustände für Autoren in den USA, aber die sind nicht wesentlich anders als hierzulande, dem Jammern und Klagen nach zu urteilen. Lohnt sich jedenfalls, da mal reinzulesen.
José Mittwoch, 23. Mai 2012 um 14:42 Uhr [Link]
@Isabel: „Come to think of it: wenn Angebot und Nachfrage den Preis regeln, dann würde mein Buch zum Beispiel wahrscheinlich gar nicht gekauft. Weil es zu teuer wäre, weil es vermutlich wenig Leute interessiert.“
Wie kommst Du darauf? Angebot und Nachfrage sagen, wenn es zuwenig Leute interessiert, dann senkt sich der Preis. Das Argument „zu teuer“ zieht nur mit der Buchpreisbindung, ohne sie kann man ja gegensteuern.
Kennt jemand Zahlen aus Ländern ohne Buchpreisbindung? Wikipedia zitiert Studien, die generell zeigen: ohne BPB werden Bestseller biliger, während alle anderen Bücher teurer werden. Aber wird deswegen wirklich weniger „kleine“ Literatur gedruckt? Würde mich interessieren.
Isabel Bogdan Mittwoch, 23. Mai 2012 um 14:46 Uhr [Link]
EDIT: Erst zu Ende lesen, dann Antworten, Isa.
Das hatte ich auch so im Kopf, dass in Ländern ohne BPB die Bestseller billiger werden und alles andere teurer. Ich nehme an, das liegt daran, dass kleine Auflagen teurer zu drucken sind, bei höheren Stückzahlen wird es billiger.
Kommt wahrscheinlich drauf an, ob man on demand druckt. Wenn die Auflage fertig gedruckt ist, und niemand kauft die Bücher, dann werden sie natürlich irgendwann billig. Aber das ist ja hier auch so, dass sie dann irgendwann verramscht werden.
So oder so hätten die Leute, die ohnehin wenige Bücher verkaufen, ohne Buchpreisbindung noch weniger davon, scheint mir. Aber wahrscheinlich sollte ich einfach aufhören, hier rumzumutmaßen.
Kiki Mittwoch, 23. Mai 2012 um 15:09 Uhr [Link]
„On a $25 hardcover, the author made $3.75 and the publisher made $4.50. This is after the costs directly associated with paper books–printing, shipping, distribution, corrugation–are paid by the publisher. So the author profit and publisher profit are pretty similar.
On a $25 ebook, the author made $3.12, and the publisher made $9.37. Publisher went from making a little more than the author, to almost triple, for no justifiable reason other than greed. This is based on the wholesale model, where a publisher would sell an ebook to Amazon for $12.50 which would have a suggested retail price of $25, same as a hardcover. But Amazon discounts, rarely charging the recommended retail price. The publisher would make $9.37 whether Amazon charged customers $25, $15, $10, or $5.
On a $25 ebook under the agency model (for comparison’s sake). the author made $4.37 and the publisher made $13.12. But under the agency model, publishers control retail price, and I‘ve never seen them price a single title at $25. They do price at $14.99. At $14.99, the author makes $2.62, and the publisher makes $7.87.
So under the wholesale model, a $9.99 ebook was earning $3.12 for the author. Under the agency model, a $9.99 ebook earns $1.75 for the author. Ouch.“
Quelle: http://jakonrath.blogspot.de/2012/05/exploited-writers-in-unfair-industry.html
José Mittwoch, 23. Mai 2012 um 15:19 Uhr [Link]
Ich weiss nicht so recht. Das klingt so, als würde sich Joe Konrath darüber beschweren, wie die böse Verlagsbranche die armen guten Autoren knechtet. Das mag in den USA so sein. Hierzulande (ich spreche nur aus meiner beobachtenden Perspektive als Ehegatte) scheint mir die Lage anders. Bisher war es immer so, dass es Diskussionen über Klauseln und Zahlen gab, aber man wurde sich immer einig. „Böse“ Klauseln musste sich der Verlag durch höhere Honorare erkaufen, oder aber sie wurden getilgt, und das Honorar wurde kleiner. Gezwungen wurde niemand, zumal es immer Angebote aus der Konkurrenz gab.
Lakritze Mittwoch, 23. Mai 2012 um 16:09 Uhr [Link]
This is after the costs directly associated with paper books–printing, shipping, distribution, corrugation–are paid by the publisher.
Ich gehöre zu den Leuten, die »unsichtbar« an Publikationen mitverdienen – als Redakteure oder Korrektorat. Alles Arbeit, die vom Verleger finanziert wird; ich weiß nicht, ob die in dieser Berechnung enthalten ist.
Bücher brauchen ein ordentliches Lektorat, ein ordentlicher Satz und eine ordentliche Endredaktion. (Bei eBooks ist vor allem der Satz ein Problem; wieder eine andere Geschichte.) Diese Aspekte allein rechtfertigen ein Verlagswesen, denke ich. Und eine Buchpreisbindung. Preise unterbieten geht immer auf Kosten der Qualität, und da, wo man’s nicht auf Anhieb sieht, wird als erstes gespart.
(Was nicht heißt, daß freie Lektorinnen im herrschenden System reicher wären als Übersetzerinnen oder Autorinnen …)
José Mittwoch, 23. Mai 2012 um 18:22 Uhr [Link]
@Lakritze: Verlagswesen sehe ich ein, aber BPB? Der Verlag ist auch heute in der Lage, den Buchpreis von vornherein niedrig anzusetzen, sprich die Qualität zu senken. Die BPB verhindert aber, mit Marktmitteln auf veränderte Situationen zu reagieren. Wenn die Nachfrage ausbleibt, bleibt der Verlag auf seine Auflage sitzen und kann nicht einmal versuchen, die Verluste zu minimieren, indem er Die Ware billiger verkauft. Am Ende muß sogar schlimmstenfalls verramscht werden.
Isabel Bogdan Mittwoch, 23. Mai 2012 um 18:23 Uhr [Link]
Wollt grade sagen. Freie Lektorinnen werden wahrscheinlich am allerschlechtesten bezahlt, ich habe schon von 2,- € pro Seite gehört. Und ehrlich gesagt, merkt man es den Büchern auch manchmal an, viel mehr als „mal drüberlesen“ ist für das Geld ja nicht drin. Die festangestellten Verlagslektoren haben immer weniger Zeit, selbst zu lektorieren, sie sind eher Produktmanager.
Kiki Donnerstag, 24. Mai 2012 um 15:52 Uhr [Link]
Eine Bekannte vermutete neulich in schönster Verschwörungstheroretikertradition, daß die Verlage die eBooks extra so schlampig bis gar nicht lektorieren lassen, damit die Leute denken „ach, eBooks sind Müll, da kauf’ ich lieber das gedruckte Buch“.
Ganz so pessimistisch bin ich nicht, aber ich kann schon nachvollziehen, wie sie auf diese Idee kommt.
Isabel Bogdan Donnerstag, 24. Mai 2012 um 16:01 Uhr [Link]
Nee – lektoriert wird ja zuerst. Dann wird aus dem Ergebnis ein Buch gedruckt und ein E-Book hergestellt. Ich glaube, bei den E-Books hapert es oft einfach noch an der Technik. Da stimmen Trennungen nicht mehr, wenn man eine andere Schriftart oder -größe einstellt, oder ich hatte neulich mal eins, wo dauernd unten die letzte Zeile oder sogar die letzen beiden Zeilen einer Seite fehlten, aber das sind ja alles technische Probleme, die mit dem Lektorat nichts zu tun haben. Da bin ich ja erstmal noch großzügig und denke, dass das Startschwierigkeiten sind, die bestimmt bald gelöst werden.
Wenn Leute natürlich demnächst vermehrt im Selbstverlag E-Books veröffentlichen, dann wird das Lektorat in vielen Fällen sicher ganz wegfallen.
Susanne Schmidt-Wussow Freitag, 25. Mai 2012 um 15:58 Uhr [Link]
Vielen Dank für den höchst informativen Artikel, liebe Isa! Der kommt genau zur rechten Zeit für mich. Von Autorenvergütungen hatte ich bisher so gar keinen Schimmer.
Kat Dienstag, 29. Mai 2012 um 00:10 Uhr [Link]
Erinnert sich noch jemand was der Ruiz Zafon für einen überkandidelten Vorschuss für sein Buch bekommen hat, nachdem er zu…ich glaube es war Fischer „gewechselt“ ist?
Erschreckend, das andere dann um 0,50€ betteln müssen!
Christiane B. Dienstag, 29. Mai 2012 um 13:06 Uhr [Link]
Liebe Isa,
gut, wie Du das Dilemma aufschlüsselst, ich habe nur einen Einwand:
*Bei einem durchschnittlichen Roman von 400 Seiten, an dem man drei Monate sitzt …*
Ich habe leider noch nie in meinem Übersetzerleben drei Monate an 400 Seiten gesessen. Auch straffe 100 pro Monat sind nicht unbedingt die Regel -
Eine kleine Ergänzung … Dienstag, 5. Juni 2012 um 22:56 Uhr [Link]
[...] zu meinem Artikel über Geld. Juli Zeh und Ilja Trojanow schreiben in der FAZ: Ein paar Zahlen zur Aufklärung: Ein [...]
Studie zur Einkommenssituation der Übersetzer Sonntag, 2. Dezember 2012 um 12:11 Uhr [Link]
[...] was ich neulich schon schrieb, wo es aber hauptsächlich auf meinen eigenen Erfahrungen basierte: Über Geld reden. Noch kein [...]
Anderswo Donnerstag, 17. Oktober 2013 um 12:57 Uhr [Link]
[…] was man als Kinderbuchautorin so verdient. (Und dann habe ich ihr auf Facebook meinen eigenen Blogeintrag zum Thema verlinkt, was dazu führte, dass auch andere den nochmal lasen und verlinkten … dabei ist er […]
Arthur Hoffmann Donnerstag, 17. Oktober 2013 um 16:49 Uhr [Link]
Sehr guter Artikel! Ich bin zwar weder Übersetzer noch Autor, dennoch kann ich die Forderung, mehr über Geld zu sprechen, voll und ganz unterstützen. Ich denke, die Direktive „über Geld spricht man nicht“ wurde vor allem von denjenigen in die Welt gesetzt, die viel davon haben und die sich davor schützen wollen, darüber zu reden, wie dieses Vermögen zustande gekommen ist und zustande kommt. Unter anderem nämlich möglicherweise dadurch, dass man andere für ihre Leistungen schlecht bezahlt.
creezy Donnerstag, 17. Oktober 2013 um 18:30 Uhr [Link]
Meine Fotodozentin (Schwedin) meinte, das Erste, was sie in Deutschland einführen würde, wäre die Gehaltstransparenz der Schweden. Das würde sehr vieles regeln.
Autoren verdienen Geld Samstag, 18. Januar 2014 um 20:44 Uhr [Link]
[…] dafür Geld vom Verlag. (Wie viel Geld er bekommt, ist noch eine andere Frage, dazu habe ich hier schon einmal etwas geschrieben.) Jetzt gibt es aber auch sogenannte Druckkostenzuschussverlage. Das […]
Links und Lesetipps - Thema Geld | Ebookautorin.de Sonntag, 25. Januar 2015 um 23:56 Uhr [Link]
[…] Was man mit dem Schreiben und Übersetzen von Büchern tatsächlich verdient, wenn man in einem seriösen Verlag veröffentlicht, in dem man kein Geld mitbringen muss, sondern Honorar bekommt, hat die Übersetzerin Isabel Blogdan in ihrem Blog aufgeschrieben: Wir müssen über Geld reden. […]
Was ein Buch kostet | Textile Geschichten Freitag, 8. April 2016 um 17:55 Uhr [Link]
[…] Autorin und Übersetzerin Isabel Bogdan hat schon 2012 in ihrem Blog über Geld geredet. “Ja, es gibt reiche Autoren. Das sind aber die Ausnahmen. Der große Rest hangelt sich mit […]
Linguistik #2: Literaturübersetzergehälter – Vannas Pages Donnerstag, 28. Juli 2016 um 00:53 Uhr [Link]
[…] Über Geld reden von Isabel Bogdan […]
Cornelius Hartz Donnerstag, 13. April 2017 um 11:20 Uhr [Link]
Der folgende Text ist eine gekürzte Fassung eines Vortrags, den ich im April 2017 in der Bundesakademie Wolfenbüttel im Rahmen der Tagung „Laborwerte“ gehalten habe.
Letztes Jahr wurde ich von einer Schule im Hamburger Norden eingeladen, um vor mehreren Klassen aus meinem letzten Roman zu lesen und Fragen der Schülerinnen und Schüler zu beantworten. Das aktuelle Thema im Lehrplan in Deutsch lautete „Autoren“, wie mir mitgeteilt wurde, und da sei es doch eine wunderbare Idee, einen Schriftsteller einzuladen, den die Jungen und Mädchen fragen konnten, was sie schon immer einen Schriftsteller hatten fragen wollen. An zwei Tagen las ich vor je drei 10. Klassen, und an beiden Tagen wurden mir Fragen gestellt. Hier die drei Fragen, deren Antwort die Schülerinnen und Schüler an beiden Tagen am meisten interessierten: Wie viel verdienen Sie im Monat? – Wie viel verdienen Sie an einem Buch? – Was für ein Auto fahren Sie?
Was antwortet man da? Sagt man: „Ich kann mich nicht beklagen?“ Oder ist man ehrlich? Sagt man: „Ich bekomme 80 Cent pro verkauftem Buch, von denen mein Agent noch 15 Prozent kassiert?“ So lautete zumindest meine ehrliche Antwort auf Frage zwei. Die Antwort auf Frage eins geht natürlich keinen etwas an – genauso wenig, wie viele Bücher ich denn bisher verkauft habe (als ob ich das selbst so genau wüsste). Wenigstens beim Auto konnte ich guten Gewissens sagen: „Ich fahre Mercedes“, was für anerkennende Blicke sorgte; mein Glück, dass man sich in der 10. Klasse noch nicht für die Preise auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu interessieren scheint – und natürlich band ich keinem auf die Nase, dass mein Auto älter war als die meisten der anwesenden Schüler. Bevor die Schüler nachrechnen konnten, wie viele Bücher ich im Monat verkaufen muss, um davon leben zu können, kamen weitere Fragen, und zwar endlich solche, wie man sie als Autor nach jeder Lesung hört – inklusive dem unsterblichen Klassiker: „Wie kommen Sie auf Ihre Ideen?“
Für eine Karriere als Schriftsteller habe ich mich nie aktiv entschieden. Als ich meinen ersten Roman schrieb, war ich noch an der Uni und promovierte. Einen Verlag fand ich für das Buch während eines Praktikums im Lektorat, und als es im Jahr darauf erschien, war ich als Lektor fest angestellt – in eben jenem Verlag, der meinen Roman herausbrachte. Ich hatte mich also selbst zu betreuen, was ich in meiner Autorenvita für die Presse aber wohlweislich verschwieg. „Ist im Verlagswesen tätig“, mehr brauchte ja keiner zu wissen. Mein Erstling kam auf die Shortlist des Sir-Walter-Scott-Preises für historische Romane, aber ein Bestseller war er nicht – wie auch sonst nichts in dem Verlag. Es war also nicht daran zu denken, vom Schreiben zu leben, aber ich hatte ja auch einen festen Job. Der allerdings war so schlecht bezahlt, dass ich auf den Vorschuss für den Roman angewiesen war, um wenigstens einmal in den zwei Jahren die ich als Verlagslektor arbeitete, in den Urlaub zu fahren.
Eingespielt hat das Buch den Vorschuss bis heute nicht, doch seit es 2008 erschien, ist viel passiert. Um mein karges Lektorengehalt aufzubessern, schrieb ich damals auch mein erstes Sachbuch, und nebenbei rutschte ich auch noch ins Übersetzerdasein ab. Als ich dann endlich genug hatte vom 60-Stunden-Job, kündigte ich und endschied mich für einen 70-Stunden-Job, der aber viel besser bezahlt war: Ich machte mich selbständig, als Übersetzer, Lektor und Autor. Die ersten Jobs gab ich mir noch selbst, kurz bevor ich beim Verlag aufhörte, und auch in der Folge arbeitete ich viel für meinen ehemaligen Arbeitgeber. Außerdem machte es sich bezahlt, dass die Gehälter in meinem Verlag so gering waren: Diese Tatsache führte nämlich zu einer ziemlich hohen Fluktuation in der Belegschaft. Und so waren mehrere meiner ehemaligen Kolleginnen längst bei anderen Verlagshäusern, und so erweiterte sich mein Kreis an Auftraggebern für Übersetzungen, Lektorate und Auftragsarbeiten nach und nach. Und das tut er noch immer.
Inzwischen habe ich 5 Romane und 15 Sachbücher herausgebracht, aber leben kann ich vom Schreiben immer noch nicht. Zwar summiert es sich nach und nach – von den 20 Büchern sind immerhin 19 noch auf dem Markt, und wenn man keinen echten Bestseller landet, kann man das durch die schiere Menge an Titeln etwas ausgleichen. Doch das meiste Geld verdiene ich mit Übersetzungen und Lektoraten; das Schreiben finanziere ich also quer.
Wenn man sich überlegt, dass ein mittelgroßer Verlag dem Autor für ein Buch von 300 Seiten 2000 Euro Vorschuss zahlt, einem freien Lektor für das Lektorat eines Buches von dieser Länge aber bereits ein Honorar von 3000 Euro und dem Übersetzer sogar 7000 Euro plus Beteiligung, so lohnt sich das Ganze zumindest auf den ersten Blick vor allem für den Lektor und den Übersetzer. Denn wenn der Autor anfängt, die Zeit, die er in das Buch gesteckt hat, mit dem Vorschuss gegenzurechnen, kommt er am Ende gerne auf einem Stundenlohn von 30 bis 40 Cent. Wenn sich das überhaupt je rechnen lässt. (Wer mehr Zahlen und Fakten will: Die Isabel Bogdan hat in ihrem Blog noch ein paar ganz konkrete.) Natürlich spielen die meisten Autoren ihren Vorschuss nachher wieder ein, so schlau sind die Verlage ja, und erhalten dann noch die Beteiligung am Verkauf. Aber wenn sich ein Roman eben nur 5000-Mal verkauft und nicht 50.000-Mal (womit er heute, anders als noch vor zwanzig Jahren, mehrere Wochen auf der SPIEGEL-Bestsellerliste wäre), kommen nun einmal nicht zehntausende Euro zusätzlich aufs Konto, sondern nur ein-, zweitausend. Die man dann ja auch noch versteuern muss. Zwar steckt in jedem Roman und Sachbuch ein potenzieller Bestseller – zumindest wollen wir alle, die wir schreiben, das glauben, und in gewisser Wiese stimmt es ja auch: Der Buchmarkt ist und bleibt nun einmal unberechenbar. Nehmen wir nur einmal das Sachbuch – wer hätte gedacht dass man mit einem Titel wie „Darm mit Charme“ oder „Das geheime Leben der Bäume“ Millionär werden kann? Giulia Enders und Peter Wohlleben sicherlich am allerwenigsten.
In der Hoffnung auf den Bestseller steckt die Hoffnung auf finanzielle Unabhängigkeit. Es müssen ja nicht gleich Millionen sein, aber „vom Schreiben zu leben“, das wollen die meisten Schreibenden, wenn man sie fragt, aber nur den wenigsten gelingt es. Dennoch, Not macht erfinderisch. Manche, die sich schon früh ganz und gar dem Schriftstellerdasein verschreiben, gleichen die geringen Verlagshonorare durch Lesungshonorare aus. Wer das gut hinbekommt, kann durchaus davon leben. Allerdings muss man dafür auch geboren sein – und ein guter Vorleser und Selbstvermarkter. Wer eine Lesung als notwendiges Übel ansieht, für den wären über hundert Termine im Jahr – wie früher bei wie Finn-Ole Heinrich – eine ganz schöne Belastung. Abgesehen davon, dass man sich die ja auch erst einmal erarbeiten muss.
Sicher, wenn man einen Bestseller landet, kommen die Anfragen dafür Lesungen buchstäblich von selbst, dabei braucht man die ja dann eigentlich gar nicht mehr, zumindest finanziell. Doch auch andersherum kann es funktionieren: Lesungen haben dem einen oder der anderen ihrerseits zu einer veritablen Karriere verholfen. So hat sich Sebastian Fitzek zum Beispiel seinen Status als deutscher Thriller-König geradezu „erspielt“: Schon am Anfang, als nur ein, zwei Handvoll Zuhörer zu seinen Lesungen kamen, war ihm die vielgescholtene „Wasserglaslesung“ zu langweilig., und er dachte sich immer neue Konzepte aus, mit viel Multimedia, Gästen aus dem Strafvollzug, etc. pp. Das sprach sich herum, die Lesungen wurden immer voller und größer, aus Buchhandlungen wurden schließlich ganze Hallen, und seither landet jedes seiner Bücher, so geteilter Meinung man auch über ihre Qualität sein mag, ganz oben in den Top Ten.
Dabei zählt Fitzek eher zu den Spätberufenen. Als sein Erstling erschien, war er wie ich über dreißig. Ich habe mich oft gefragt, was geschehen wäre, wenn ich schon so früh zu scheiben begonnen hätte wie unsere Laborantinnen und Laboranten beim Literatur Labor Wolfenbüttel. Tatsache ist, dass ich, bevor ich 32 war, gar nicht auf die Idee kam, überhaupt etwas zu schreiben, was nicht direkt für die Uni gedacht war und nicht in irgendeiner Form zu einer mehr oder weniger unmittelbaren Bewertung meiner Leistung diente. Hätte ich das Schreiben schon mit 16 für mich entdeckt, hätte ich dann jetzt nicht 20, sondern 40 oder 50 Bücher auf dem Markt? Oder hätte ich beim Schreiben schneller zu einer eigenen literarischen Stimme gefunden?
Natürlich sind Benjamin Lebert und Helene Hegemann, die mit 16 schon einen Bestseller auf dem Markt hatten, die große Ausnahme. Die meisten Autorinnen und Autoren, die allgemeine Bekanntheit erreichen, kommen erst viel später in die Gänge – sei es, dass sie die große Ochsentour hinter sich bringen, von der Schreib-AG in der Schule über die Literaturwerkstatt, das Studium in Hildesheim oder Leipzig, das Einsenden unzähliger Erzählungen zu Wettbewerben und Literaturzeitschriften – sei es, dass sie einfach spätberufen sind. Oder sich jahrelang einfach niemand für das interessiert, was sie so schreiben. Wie zum Beispiel bei Melanie Raabe, die vier komplette Romane geschrieben hat, die alle in der Schublade gelandet sind, bevor sie den Thriller „Die Falle“ verfasste, der inzwischen in 21 Ländern erschienen ist und derzeit in Hollywood verfilmt wird. Die vier fertigen Romane liegen da heute noch, in der Schublade, und wer weiß, ob sie da nicht auch ganz gut liegen. Aber wahrscheinlich liegen sie dort nicht mehr allzu lange, bedenkt man die aktuelle Tendenz der Verlage, wenn sich ein Autor erstmal einen Namen gemacht hat, so schnell es geht dessen Frühwerke von minderer Qualität hinterherzuschießen – siehe Simon Beckett oder Jussi Adler Olsen.
Es ist durchaus spannend, einmal nachzuschauen, wie alt berühmte Autorinnen und Autoren waren, als sie mit dem Schreiben begannen – oder zumindest als sie sich professionalisierten. Nun hat aber in der Regel jede und jeder, der oder die mit 40, 50 Romane zu schreiben beginnt, schon vorher geschrieben, sei es in der Wissenschaft, wie Eco, im Journalismus, wie Dörte Hansen, oder als Übersetzerin, wie Isabel Bogdan.
Und schon sind wir wieder bei einem Beispiel von meinem eigenen Schreibtisch. Den Großteil meines Einkommens verdiene ich als Übersetzer. An zweiter Stelle in meiner persönlichen Honorarhitliste stehen Lektorate, und erst dahinter taucht meine schriftstellerische Tätigkeit auf. Immer noch, auch nach zwanzig Büchern, auf denen mein Name auf dem Cover steht.
Der Einfachheit und Übersichtlichkeit halber taxiere ich das Ganze hier mit 70 Prozent, 20 Prozent und 10 Prozent: 70 Prozent Übersetzung, 20 Prozent Lektorat und 10 Prozent eigenes Schreiben. Wenn ich objektiv schätzen sollte, wie sich das Ganze anteilig im realen zeitlichen Aufwand misst, würde ich sagen: 50 Prozent Übersetzung, 25 Prozent Lektorat und 25 Prozent eigenes Schreiben. Gehe ich aber nach der gefühlten Verteilung, sieht das ganz anders aus. Gefühlt macht das eigene Schreiben bei mir nämlich knapp 50 Prozent von dem aus, was ich so den ganzen Tag tue, Übersetzung und Lektorat teilen sich Platz 2 und 3. Das hat sicherlich damit zu tun, woran das Herzblut hängt, aber eben auch, dass Schreiben viel mehr ist als – nun ja: schreiben. Denn was soll oder müsste man da alles mit einrechnen? Wie lange man morgens wach liegt und Romanideen wälzt? Wann und wie oft man sich beim Mittagessen Gedanken über Spannungsbögen macht? Wo man Leute beobachtet und Dialoge belauscht? Dass Schreiben mehr ist als niederschreiben, gilt wohl für jede Art von Text, auch für diesen hier. Leider kommen mir wie so oft beim Schreiben drei Faktoren in die Quere, die vielen Autorinnen und Autoren zu schaffen machen und ohne die das Verhältnis Zeit/Aufwand beim Schreiben für viele – und auf jeden Fall für mich – ein anderes wäre:
Recherche
Überarbeiten
Prokrastination
Ich bin ja nun auch Sachbuchautor, und da ist das mit der Recherche natürlich so eine Sache. Die Themen, zu denen ich Sachbücher schreibe, drehen sich in der Regel um die Antike, da erwartet man gar nicht erst, dass sich das großartig verkauft. Wenn ich an einem solchen Buch als Autor alles in allem an die drei- bis viertausend Euro verdiene, so rechtfertigt das allein keinen halbjährigen Rechercheaufwand. Vom reinen Niederschreiben ganz zu schweigen. Das Ganze geht eigentlich nur, weil es (a) Spaß macht, und weil ich (b) inzwischen weiß, wie ich meine Kraft und Ressourcen gezielt einsetze. Soll heißen: Ich bleibe immer bei Themen, bei denen ich mich bereits ohnehin ziemlich gut auskenne, und bei denen die restliche Recherche Spaß macht und nicht allzu aufwendig ist. Aber auch hier ist es wie so oft im Leben: Ausgerechnet dasjenige Sachbuch, das am wenigsten Aufwand für mich bedeutete, ist dasjenige, das sich am besten verkauft.
Allerdings haben Projekte wie dieses, die ziemlich klar umrissen sind und bei denen ich mir ein Konzept machen kann, von dem ich dann kaum noch abweichen muss, die ich also sozusagen „herunterschreibe“, den großen Vorteil, dass sie wenig Anlass bieten zum Prokrastinieren. Das kenne ich ausschließlich dann, wenn ich an einem Roman oder einer Geschichte sitze: Dass mir auf einmal klar wird, dass das Schlafzimmer gesaugt werden muss, dass ich die Vorsteuer für den laufenden Monat schon einmal vorbereiten könnte, dass da doch neulich jemand auf Facebook dieses Video gepostet hatte, das ich ja unbedingt noch … Naja. Man kennt das. Gegen die Prokrastination gibt es kein Patentrezept, und manchmal kommt man ja gerade beim Staubsaugen dann auch wieder auf die nächste zündende Idee. „Als Schriftsteller bekommt man bekommt ständig Ideen“, wie Neil Gaiman sagt, „auch wenn man sich langweilt. Der einzige Unterschied zwischen Schriftstellern und anderen Leuten ist, dass uns das auffällt.“
Einer der wichtigsten – und am meisten ignorierten – Ratschläge an angehende Autorinnen und Autoren lautet: Schreibe jeden Tag. Wenigstens ein bisschen. Selbst wenn du es nachher wieder verwirfst oder löschst. Regelmäßiges Schreiben ist das beste Mittel, seinen Stil zu verfeinern, eine eigene Stimme zu finden. Der National Novel Writing Month ist ein seit vielen Jahren jeden November stattfindendes Projekt, bei dem Autorinnen und Autoren binnen eines Monats einen neuen Roman schreiben, von Anfang bis Ende. Die Regeln sind simpel: Am 1. November fängt man an, am 30. November hört man auf, und bis dahin muss man 50.000 Wörter zu Papier gebracht haben. Das Projekt wird auch in Deutschland immer beliebter, und es gibt diverse Soziale Kanäle und Blogs, in denen sich die Schreibenden währenddessen austauschen. Das Ziel ist es dabei gar nicht so sehr, am Ende einen großartigen Roman geschrieben zu haben, dass das geschieht, ist wohl eher selten der Fall. Aber es ist ein großartiger Anlass, das kontinuierliche Schreiben zu üben. Weltweit nehmen inzwischen hunderttausende Autorinnen und Autoren am National Novel Writing Month teil. Die Zahl der Werke, die danach von irgendwem außerhalb des engsten Bekanntenkreises gelesen werden, dürfte sich in Promille messen statt in Prozent. Eine Ausnahme, die die Regel bestätigt, war Lani Diane Rich, die 2002 im Rahmen des National Novel Writing Month einen Roman schrieb, der später nicht nur einen Verlag fand, sondern von den Romance Writers of America sogar als bestes Debüt ausgezeichnet wurde .
Und damit sind wir bei einem weiteren Thema, das bei der Frage: „Kann man davon leben?“ keine unwesentliche Rolle spielt: der Genre-Literatur. An meinem Erstling habe ich über zwei Jahre gesessen, an den drei Krimis, die ich geschrieben habe, jeweils nur vier, fünf Monate. Heerscharen von Selfpublishern verstopfen den Amazon Kindle-Store, und diejeniegn, die dort von ihren eBooks gut leben können (was mittlerweile immerhin an die hundert sein dürften), produzieren bewusst Masse, und zwar richtig – teilweise vier, fünf oder sogar sechs Romane im Jahr. Das funktioniert, weil sie eine bestimmte Leserschaft zu bedienen, die keine anspruchsvolle Literatur sucht, sondern einen spannenden Thriller, eine zu Herzen gehende Schmonzette oder Fantasy mit möglichst vielen Zwergen, Orks und Elben.
Und warum auch nicht? Auch wenn der Großteil der Unterhaltungsliteratur seit jeher vom Feuilleton gemieden wird: Wer einigermaßen gut schreiben kann und ein Händchen für ein bestimmtes Genre bei sich entdeckt, hat in der Regel größere Chancen, vom Schreiben leben zu können, als so mancher Absolvent von Leipzig oder Hildesheim. Klaus-Peter Wolf schreibt seit 2007 Ostfriesenkrimis, und bislang hat er über 10 Millionen Bücher verkauft. Vom Erfolg von Shades of Gray oder den Twilight-Büchern ganz zu schweigen. Aber auch abseits der den Bestsellerlisten gibt es in der Unterhaltungsliteratur ein großes Mittelfeld von Autorinnen und Autoren, die bei mittelständischen oder auch bei großen Publikumsverlagen ganz stetig zweimal im Jahr einen neuen Roman veröffentlichen und jeweils fünf- bis achttausend Exemplare verkaufen. Nimmt man dazu noch eine Lesereise mit zwanzig Terminen im Halbjahr, so kann das durchaus reichen, um davon zu leben. Je nachdem, wie viele Kinder oder Exfrauen man zu versorgen hat.
Für meinen Blog interviewe ich immer mal wieder Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die mir erzählen, wie sie zum Schreiben gekommen sind. Und bei denen, die heute davon leben können, kam in der Regel irgendwann der Punkt, an dem sie sich gesagt haben: „Jetzt ist es soweit. Ich kündige meinen Vollzeitjob und schreibe nur noch.“ Das war in der Regel dann der Fall, als der zweite Bestseller in den Regalen lag. Bei denjenigen, die vorher freiberuflich tätig waren, war das naturgemäß ganz anders. Da braucht es ja auch keinen glatten Schnitt. Doch dafür tauchen auf einmal andere Probleme auf. Denn wenn man dann auf einmal das Glück hat, einen Bestseller zu landen und nicht sofort den nächsten fabriziert, muss man spätestens im Jahr darauf das Finanzamt und gegebenenfalls auch die Künstlersozialkasse davon überzeugen, dass der unverhoffte Geldsegen eine – vorerst, wie man hoffen möchte – einmalige Angelegenheit war. Um hier Abhilfe zu schaffen, ist es ratsam, längere Zeit – sagen wir ein halbes bis Dreivierteljahr – in den Urlaub zu fahren und so dafür zu sorgen, dass das Jahresgehalt insgesamt im Rahmen bleibt. Das hat den zusätzlichen Vorteil, dass man viel erlebt. Und ohne eigenes Erleben bleibt die Literatur naturgemäß recht blutleer. Aber das ist wiederum natürlich viel einfacher, wenn man Freiberufler ist.
Wann und wie man vom Schreiben leben kann? Vielleicht ist diese Frage ganz falsch gestellt. Vielleicht sollte man nicht fragen: Kann ich davon leben? Sondern: Kann ich dafür leben? Das Schreiben an sich ist und bleibt für die meisten, auch und gerade für viele literarisch Talentierte, eine brotlose Kunst. Man muss immer wieder zur rechten Zeit am rechten Ort sein, um sich eine Autorenkarriere aufzubauen. In einem Brief an Max Brod vom 5. Juli 1922 schreibt Franz Kafka: „Der Schriftsteller darf sich, wenn er dem Irrsinn entgehen will, niemals vom Schreibtisch entfernen, mit den Zähnen muss er sich festhalten.“ Wer so viel Leidenschaft fürs Schreiben aufbringt, wer schreiben kann und will und muss, der sollte auch versuchen, davon zu leben. Auch mit über vierzig hoffe ich immer noch, dass mir das eines Tages gelingt. Bis dahin lebe ich eben weiterhin vom Übersetzen, und das ist für mich nicht die schlechteste Alternative. Denn immerhin ernähre ich mich und meine Frau auch als Übersetzer davon, was aus meinem Kopf kommt, was ich formuliere und was ich zu Papier bringe.
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