Du warst ein arbeitsreiches Jahr. Ich habe knapp zwei Bücher übersetzt, eins zu Ende geschrieben, also X mal überarbeitet und ergänzt, und eins herausgegeben (mit Anne von Canal). Ich habe zusammen mit Maximilian insgesamt achtzehn Was-machen-die-da-Interviews geführt und zu lesbaren Texten verarbeitet, davon sechs für die Zeitschrift Nido, also endlich mal bezahlt. Ich habe ein fünftägiges Seminar und einen halbtägigen Workshop geleitet, mehrere Vorträge gehalten und selbst ein Seminar für Seminarleiter besucht. Überhaupt war ich ganz schön viel unterwegs. Und ich habe festgestellt, dass es wohl Unsinn ist, wenn ich manchmal denke, ich kriege ich nichts auf die Reihe. Das stimmt nämlich gar nicht.
Seit 16 Jahren übersetze ich Bücher. Dieses Jahr hatte ich zum ersten Mal so richtig das Gefühl, dass meine Arbeit wahrgenommen wird, es gibt viel Lob für die Gardam-Übersetzung, und das tut mal richtig gut. Im Moment arbeite ich fast nur noch für KiWi und Hanser Berlin, und besser kann man es wohl kaum haben. Es macht mit beiden Verlagen großen Spaß, ich arbeite mit allen Beteiligten sehr gerne zusammen.
Das Aufregendste war natürlich Der Pfau. Und der hörte auch nicht auf, aufregend zu sein, auch als die eigentliche Schreib-Arbeit dann wirklich getan war und er in Satz und in Druck ging. Irgendwie passierte trotzdem immer noch was Neues, ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt so dauerhaft auf Adrenalin gewesen wäre. Ein ganz großes Ding war natürlich die Meldung, dass Christoph Maria Herbst das Hörbuch lesen möchte – inzwischen hat er das tatsächlich getan, und ich habe es schon gehört und bin hingerissen, es ist wirklich großartig geworden.
Der andere große, aufregende Moment war der, in dem ich mein Buch zum ersten Mal in der Hand hatte. Ich habe mich noch nicht richtig getraut, darin zu lesen, aber es sieht unfassbar toll aus, und ich bin wirklich sehr glücklich damit, wie das bisher alles gelaufen ist. Wie es weitergeht, wird sich dann im nächsten Jahr weisen, wenn es erscheint.
Privat sind wir ebenfalls ein bisschen gereist. Im Januar waren wir für ein Wochenende in Wien, zusammen mit Falk und der schönen, klugen Frau. Kultur gucken und Mehlspeisen essen, hervorragendes Programm. Im März ein paar Tage auf Amrum, ich hatte ja keine Ahnung, wie schön es dort ist! Im April war für eine Woche meine Nichte hier, das habe ich sehr genossen. Im Mai war ich drei Tage auf Helgoland, um eine Inselgeschichte zu schreiben, was irgendwie nicht geklappt hat. Anfang Juli war ich wieder zum Bachmannwettbewerb in Klagenfurt, das war auch wieder sehr schön. So viele nette Leute, schönes Wetter, der Wörthersee. Für die Sommerferien waren wir lange unentschlossen und sind dann kurzfristig für ein paar Tage in der Normandie gelandet. Das war schön, aber wettermäßig wäre da noch was gegangen. Im Oktober war erst die Buchmesse, dann waren wir 10 Tage in Israel. Ich habe über fast nichts davon gebloggt, das ist wirklich blöd, denn eigentlich lese ich diese Sachen auch immer gern später noch mal nach. Ich kann mir ja mal wieder Besserung vornehmen. Seufz.
Auch nicht gebloggt habe ich darüber, dass ich im letzten Jahr mehrfach im Theater war. Dabei war es fast immer toll. Es war alles dabei, vom Kindermusical im Schmidt auf der Reeperbahn bis zum Wiener Burgtheater. Der Plan ist, das auch nächstes Jahr beizubehalten, ebenso wie gelegentliche Kinobesuche. Unsere Wohnzimmerlesungen hatten ein bisschen Pause, weil sich einfach wenig ergeben hat, aber zwei haben wir gemacht, und das war auch wieder sehr fein. Auch das soll nächstes Jahr weitergehen.
Es sind ein paar neue Menschen in mein Leben getreten, über die ich mich sehr freue, über Wasmachendieda, übers Internet oder sogar aus der Kohlenstoffwelt. Was für tolle Leute man da immer wieder kennenlernt! Und am allerliebsten habe ich es, wenn ich diese Leute miteinander verkuppeln kann, wenn ich sagen kann: Ich kenne da jemanden, der könnte das-und-das, ich geb dir mal die Mailadresse. Und wenn ich damit Leute glücklich machen kann.
Wir halten fest: es war ein rappelvolles Jahr. Ich habe viel gearbeitet, war viel unterwegs und bin tatsächlich ein wenig erschöpft. Erschöpft und sehr glücklich, denn es war alles tolle Arbeit, die ich gern gemacht habe und für die ich großartiges Feedback bekommen habe. Wenn es nervige Arbeit gewesen wäre, hätte ich sicher nicht so viel geschafft oder wäre jetzt nicht „ein wenig erschöpft“, sondern fix und fertig.
Sowieso bin ich ein Glückskind und habe ein schönes Leben. Danke, Leben.
Kate (Charlotte Rampling) und Geoff (Tom Courtenay) sind seit 45 Jahren verheiratet. Kate geht morgens mit dem Hund, dann kommt sie nach Hause, und es gibt Frühstück. Alle Handbewegungen und Beziehungsrituale sind seit Jahrzehnten einstudiert und laufen so wie immer. Wobei immer Kate diejenige ist, die Gespräche anfängt, Kontakt aufnimmt, ihren Mann überhaupt wahrnimmt, während er so vor sich hin eigenbrötlert und einem vorkommt wie unter einer Käseglocke. Immer nur halb anwesend und bei seiner Frau. Auch das ist eingespielt. Eine mittelmäßige Ehe in der Mittelschicht in Mittelengland. Die beiden planen zu ihrem 45. Hochzeitstag ein Fest (weil der 40. aus gesundheitlichen Gründen ins Wasser gefallen ist), bzw. Kate plant, Geoff läuft so mit. Der Film erzählt die Woche vor diesem Fest. Am Dienstag kommt ein Brief aus der Schweiz, dass die Leiche von Geoffs damaliger Freundin Katja gefunden wurde, die vor etwas mehr als 50 Jahren in eine Gletscherspalte gestürzt ist und seitdem dort im Eis liegt. Irgendwann hat Geoff Kate mal davon erzählt, sie wusste es, es war vor ihrer Zeit – aber dennoch. Es beschäftigt sie. Und ihn natürlich auch. Er kramt in seinen Erinnerungen, sie kramt ebenfalls in seinen Erinnerungen, er erzählt ihr nicht alles, sie ihm auch nicht. Niemand schreit, niemand flippt aus, niemand weint, niemand macht dem anderen eine Liebeserklärung, es passiert eigentlich nichts weiter, und dann ist irgendwann Samstag und das große Fest, und dann, ACHTUNG, hier kommt der Superspoiler, der aber gleichzeitig gar keiner ist: dann ist der Film zu Ende. Leider wurde vergessen, ihm einen Schluss zu geben; er hört einfach auf. Hier steht etwas von einer „erschütternden allerletzten Szene, die einen trifft wie ein Schlag“. Charlotte Rampling ist großartig in der Szene, keine Frage. Aber als uns klar wurde, dass der Film zu Ende ist, sahen mein charmanter Begleiter und ich uns an und sagten gleichzeitig: Hä?
Ich verstehe schon, dass das alles Methode hat. Dass die emotionalen Amplituden in einer eingespielten Ehe nicht mehr so hoch sind. Und wenn sie es dann doch mal sind, dass man dann über Dinge, über die man jahrzehntelang geschwiegen hat, trotzdem nicht mehr reden kann. Dass man nach außen hin und auch vor sich selbst den Schein wahrt. Aber man möchte die beiden zwischendurch einfach mal packen und schütteln, vor allem ihn. Und ja, es gibt auch ein paar wirklich große Szenen. Aber für einen Kinofilm reicht mir das nicht. Auch wenn er toll gespielt ist. Ich Banausin.
Mein Kurs lernt gerade das hier. Allerdings ohne mich. Ich habe irgendwie im Herbst und Winter zu oft gefehlt, habe den Anschluss verpasst, außerdem ist mein blöder, doofer Drecksmistfuß immer noch nicht okay. Aber jetzt habe ich hoffentlich endlich eine kompetente Ärztin und einen kompetenten Physiotherapeuten; beide finden, ich soll mal noch nicht steppen und laufen, bis sie das nicht wieder hingekriegt haben. Grummelgrummelgrummel.
Irgendwann steppe ich Euch alle in Grund und Boden.
Ja, ich weiß, wir hatten gerade erst ein Feuilleton. Aber es hat sich schon wieder so viel angesammelt, es war ja Buchmesse in Leipzig. Und ich war nicht da! Ich war stattdessen auf Amrum, was unfassbar schön war, aber ein bisschen tat es mir auch leid. Jedenfalls: hier ist eine Menge Nachlese.
- Was auf der Messe neu war: Die sogenannten „Bloggerpaten“. 15 Blogger haben jeweils eins der für den Preis der Leipziger Buchmesse nominierten Bücher als „Patenkind“ bekommen. Das ist im Prinzip eine gute Idee, aber in der Umsetzung hätte es offenbar besser laufen können, finden Tilman und Thomas.
- Meine Kollegin Katrin Harlass schreibt im Börsenblatt über den Traumberuf Literaturübersetzen.
Und Maria Hummitzsch erklärt es auf dem roten Sofa. (Ich hab so tolle Kolleginnen. Echtjetzma.)
- Terry Pratchett ist gestorben. Ich hatte nie das Bedürfnis, etwas von ihm zu lesen, nicht mein Genre. Aber viele Leute haben ihn sehr verehrt, und deswegen gibt es jetzt eine Petition, seinen Tod rückgängig zu machen. Gute Idee wahrscheinlich.
- Übersetzen sei „in Ketten tanzen“, heißt es gelegentlich. Ich halte von dieser Metapher bekanntlich nichts. Ketten? Pah! So muss Übersetzen laufen: Der neue Text muss ein eigener Tanz sein. Ich bin gerade ganz aus dem Häuschen über dieses tolle Video. (Wer mehr sehen will: Bitte schön.)
- ReLü, die Rezensionszeitschrift für Übersetzungen, hat mit der wirklich wundervollen Bärbel Flad gesprochen, die jahrzehntelang Lektorin bei KiWi war und die tollsten Autoren und Übersetzerinnen betreut hat. Und das teilweise immer noch tut. Außerdem gibt sie großartige Übersetzerseminare.
- Der Montaigne-Übersetzer Hans Stilett ist gestorben. Hier ein Nachruf in der Welt.
- Auch Assia Djebar ist gestorben. Lange her, dass ich etwas von ihr gelesen habe.
- Der kleine Prinz ist gemeinfrei geworden, und prompt gibt es eine Flut von Neuübersetzungen. Felicitas von Lovenberg schreibt in der FAZ darüber. Ich weiß nicht, was ich mit einem so ikonischen Satz wie „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“ machen würde. Zumal dann, wenn er so wunderbar übersetzt ist. Es ist ja schlechterdings unmöglich, ihn unbefangen und unvoreingenommen einfach so zu übersetzen, wie es sich im eigenen Textfluss gerade ergibt.
- Lektorin Katharina Raabe spricht über die Ménage à trois zwischen Autor, Lektor und Übersetzer, über verschiedene Möglichkeiten, wie es laufen kann, und kommt zu einigen Erkenntnissen.