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Abgegeben

Morgen vor drei Wochen habe ich den Pfau abgegeben. „Abgegeben“ bedeutet: an meine Agentin geschickt. Die aber natürlich auch noch was anderes zu tun hat, als ausgerechnet meinen Pfau sofort zu lesen. Seither warte ich also auf Feedback und kriege nichts anderes auf die Reihe. Das ist ziemlich albern, denn es ist ja so: Der komplette Pfau hat 180 Seiten. Meine Agentin hat irgendwann schon mal 130 Seiten gelesen, es kommt jetzt also für sie nicht die große Überraschung. Es ist nichts komplett Anderes als sie dachte, sie weiß, was kommt, und das kommt auch. Von daher wird auch ihr Feedback für mich keine komplette Überraschung sein. Sie wird weder sagen „Sorry, ich find’s saublöd, such dir ne andere“, noch sonst irgendwas total Unerwartetes. Sie wird ein paar Verbesserungsvorschläge haben, die vermutlich klug und durchdacht sind, dann werde ich noch mal kurz ranmüssen – ich weiß ja im Prinzip auch, wo es noch hakt – und dann schicken wir es an Verlage. Dann habe ich Grund zur Nervosität. Aber nicht jetzt.
Und was ist? Ich tigere Rillen in den Boden und kriege sonst nichts auf die Reihe. „Lauter neue Ideen“? Nee, nix. Leere im Kopf.
Ich blogge nicht mal, mir fällt nichts ein, ich war im Kino und habe nicht drüber geschrieben, wir hatten die Elektriker hier, über deren Unbeholfenheit man sich trefflich mokieren könnte, unser Nummernschild wurde geklaut, ich blogge trotzdem nicht. Und es ist auch nicht so, dass ich nichts zu tun hätte, ich habe genug zu übersetzen, die nächsten Wasmachendieda-Termine stehen an, und dann bin ich demnächst auch noch dauernd unterwegs. Was mache ich? Nichts. Wenn der beste Ehemann von allen mich nicht gelegentlich aus der Tür schubsen würde, würde ich nicht mal laufen.

So kann es nicht weitergehen, ich gehe mir ja selbst auf die Nerven. Und so wird es auch nicht weitergehen, denn Anfang der Woche werde ich sowohl mit meiner Agentin sprechen, als auch mit der Lektorin der supereiligen Übersetzung, die ich mit einem Lieblingskollegen zusammen mache, und zwar ab ungefähr genau jetzt. Berühmter Autor, ich freu mich sehr drauf, das erzähle ich dann demnächst. Jetzt lese ich erstmal das betreffende Buch. Ach ja, das ist übrigens nicht das einzige, was ich jetzt aber wirklich endlich mal lesen sollte. Ab morgen wird alles besser, dann wird in die Hände gespuckt und tschakka. Dochdoch, wirklich.

Buy local: garment

    [Vor einem halben Jahr habe ich hier Annette Rufeger vorgestellt, jetzt sind die Kolleginnen von garment dran. Disclosure: Ich bekomme für diesen Eintrag etwas. Und wie bisher immer bei Blogwerbung war es meine Idee. Ich trage schon seit Jahren vorzugsweise garment-Kleider, tue das hier also aus reinster Überzeugung. Und außerdem, weil es in meine Reihe Besser ist das passt. Buy local.]

 
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Mode und ich, das war immer eine etwas distanzierte Beziehung. Ich war lange der Jeans-und-Pulli-Typ, habe nie etwas gewagt, wäre zwar gern cooler gewesen, aber irgendwie hat es nie geklappt. Ich habe nie kapiert, was genau die Coolen anders machen als ich. Ich sah langweilig und brav aus, nichts dran auszusetzen, aber eben öde. Ich erinnere mich noch genau, wann und wo ich das erste Mal Stiefel zum Rock getragen habe, da habe ich mich geradezu verrucht gefühlt. Heute frage ich mich, wie ich je etwas anderes tragen konnte als Rock und Stiefel, inzwischen wohne ich quasi darin. Eine Zeitlang habe ich mich beim Einkaufen immer mal gefragt „würde Gesine das tragen“, denn Gesine sieht immer sensationell aus. Toller Trick, hat manchmal geholfen.

2005 zogen wir nach Hamburg. Gerade mal nachgeguckt: im alten Blog steht am 24. April 2006 als kurze Notiz: Mein neuer Lieblingsladen wird mit sofortiger Wirkung garment in der Marktstraße. Da war ich zum ersten Mal zufällig in den Laden geraten und hatte vom ersten Blick an das Gefühl: das ist meins. So will ich aussehen, das möchte ich tragen, das ist genau meine Kleidung. Klassisch, schlicht, aber nie langweilig. Endlich.
Ein halbes Jahr später hörte ich auf zu rauchen und nahm in rasantem Tempo sieben Kilo zu. Ich habe quasi von heute auf morgen nur noch Röcke getragen, weil meine Hosen mir nicht mehr passten. Bei Röcken ist es egal, dann rutschen sie halt ein Stückchen weiter hoch. Die Röcke kamen von garment, fast alle. Ich bekam so viele Komplimente wie noch nie.

Kurz drauf ging dann auch der lustige Mann mit und kauft seither ebenfalls bei garment. Und ist ebenfalls so überzeugt von den Sachen, dass er jetzt nach geschlagenen neun Jahren is a blog zum ersten Mal hier auftaucht.

garment sind Ullinca Schröder und Kathrin Müller. Wir waren mit Ullinca und Maximilian in der Hafencity und haben Quatsch gemacht. Tadaaa!

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Was garment macht, hat eigentlich nicht viel mit Mode zu tun, sondern vielmehr mit Stil. Und der Stil ist extrem reduziert, die Schnitte sehr schlicht, meist schmal, ein bisschen Sixties, ein bisschen britisch. Und alles in hochwertigen, alltagstauglichen Materialien und in einer leider so unfassbar guten Verarbeitung, dass einfach nie irgendwas kaputtgeht. Man hat also selten Grund, etwas Neues zu kaufen, außer dass eben alles so schön ist. Die Kleider! Und die Jacken! Mit diesen Kapuzen! (Hier nicht im Bild, es war zu warm.) Und die Röcke sowieso, Röcke hat man ja eh nie genug. Und Hosen. Die meisten Hosen nähen sie unten erst um, wenn man sie kauft – ich verstehe nicht, warum das nicht alle so machen, es macht die Sache so viel einfacher. Und habe ich schon die Kleider erwähnt? Die KLEIDER!

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Für Herren ist es genauso: Hemden, Hosen, Jacken, Anzüge, Mäntel, alles super. Ich bin vor allem immer wieder verliebt in die Details. Die kontrastfarbig eingefassten Knopflöcher. In der verdeckten Knopfleiste. Die schrägen, quasi unsichtbaren Eingrifftaschen in den vorderen Kleidernähten. Die dezent versenkten Reißverschlüsse. Die Kragen. Hach.

Und das Beste ist, es ist genau das Gegenteil von fast fashion. Nichts wird unmodern, nichts geht kaputt. Man wirft nicht alle Naselang etwas weg. Die Stoffe kommen vor allem aus England und Italien, entworfen und zugeschnitten wird in Hamburg, genäht teils hier, teils in Polen. Die Sachen sind logischerweise nicht ganz billig, aber wirklich jeden Cent wert. Und ich freue mich außerdem, weil ich sogenanntes Shoppen nicht leiden kann. „Bummeln“ womöglich, von einem Laden in den nächsten, der Horror. Also gucke ich immer mal in die beiden Lieblingsläden, wenn ich gerade in der Nähe bin (oder wenn sie Schlussverkauf machen), dazu ein paar Basics vom Ökodealer, fertig. Das Leben kann so einfach sein. Ein-zwei echte Lieblingsläden, immer gut angezogen. Und ich muss nie wieder zu H+M oder P+C.

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2006 hat es angefangen und sich bis heute nicht geändert. garment macht immer noch haargenau die Kleidung, die ich tragen will. Und die der lustige Mann tragen will. Und in der ich plötzlich nicht mehr die Uncoole bin, sondern die, die gerne mal einen Hauch overdressed ist, und zwar aus Überzeugung. Die Komplimente bekommt, weil sie „immer so stylische Sachen“ hat. Ich! Das muss man sich mal vorstellen. Wir haben hier schon so einen running gag, wenn wir zu zweit vorm Kleiderschrank stehen und einer sagt: „Was soll ich denn anziehen?“, dann sagt der andere: „Was von garment“, und wir müssen lachen. Keine Sorge, in Wahrheit laufen wir natürlich nicht im Partnerlook herum.

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garment-Kleider gibt es in Shops in Hamburg, München und Köln und im Onlineshop.

Alle Bilder: Maximilian Buddenbohm
Alle Kleidungsstücke: garment

Danke, Axel, Maximilian und garment! Das hat großen Spaß gemacht.

TEDx: Urban Connectors

Okay, vielleicht war es ein klitzekleines Bisschen ungeschickt, den Start von Was machen die da? auf den Tag zu legen, an dem wir beide auf der TEDx sind. Aber Maximilian hat an dem Tag seinen 10. Bloggeburtstag, da passt das schön als Geburtstagsgeschenk, außerdem ist der 1. April sowieso ein guter Termin, und wir waren startklar und hibbelig. Und hatten schon Tage vorher angekündigt, dass wir am 1. April online gehen. Also schalten wir um halb neun das neue Blog und die entsprechenden Einträge in unseren alten Blogs frei, und dann müssen wir auch schon los zur TEDx.
Wo als erster Speaker Paul Hilder von change.org auf die Bühne kommt und ein paar herzergreifende Geschichten von Veränderungen erzählt, die durch Petitionen auf change.org erreicht wurden. Untermalt von Bildern von Vogelschwärmen im Sonnenuntergang mit Liebespaarschattenriss im Vordergrund. Keine Frage, dass change.org eine tolle Sache ist, aber das ist mir alles zu dick aufgetragen und zu kitschig. Neben mir sitzt nicht nur Maximilian, sondern auch noch Johannes von der GLS-Bank, die das neue Projekt unterstützt, und Michael Merkel, einer der ersten portraitierten. Wir sind also zu viert und allesamt nebenbei mit dem Versuch befasst, ins W-Lan zu kommen, was komplett aussichtslos ist. Ebenfalls aussichtslos ist eine Internetverbindung übers Telefon, wenn man bei O2 ist. Ich bin bei der Telekom und habe als einzige Empfang, muss also am laufenden Band gucken, was mit dem neuen Blog ist. Die ersten Leute twittern den Link, wir freuen uns. Auf der Bühne spricht jetzt Sascha Haselmayer darüber, wie Städte Geld ausgeben und wie Entscheidungen getroffen werden. „Cities must open their problems“, sagt er, und meint: die Städte müssen beispielsweise kommunizieren, dass sie blinde Menschen unterstützen wollen, und nicht nur sagen, wir wollen sprechende Ampeln, die 600 verschiedene Anforderungen erfüllen, aber womöglich gar nicht so hilfreich sind. Das finde ich sehr interessant, ich höre zu und gucke zwischendurch nur ganz kurz, was wasmachendieda.de macht, ehrlich.
Es kommt Katarina Sostmann und berichtet von einem Projekt, mit dem in Krisengebieten und totalitären Systemen Informationsstrukturen geschaffen werden können. Ihr Unternehmen hat einen winzigen Radiosender entwickelt, der aussieht wie ein Radio, und der mit relativ geringem Aufwand und einer Autobatterie betrieben werden kann. Ich habe keinen Schimmer, wie toll und innovativ das ist. Aber wenn es dazu beiträgt, dass Menschen, denen der Strom und das Internet abgedreht wird, wenigstens wieder ein paar Informationen verbreiten können, soll es recht sein. Missbrauch ist natürlich nicht ausgeschlossen. Und zum Abschluss vor der Pause hören wir Jennifer Wood mit der Message: Be kinder. Sie arbeitet ehrenamtlich in der KZ-Gedenkstätte Dachau mit, schon seit vielen Jahren. Das ist natürlich toll, und die Leute im Internet finden unser neues Blog übrigens auch toll, wir werden verlinkt und auf Facebook geteilt, die ersten Kommentare kommen. Hurra! Die anderen finden es auch so toll wie wir!

Nach der Pause höre ich beim ersten Vortrag überhaupt gar nicht zu. Es geht um ein Musikprojekt, ich bekomme nichts mit. Wir gucken zum ersten Mal in die Blogstatistik und kriegen uns gar nicht mehr ein, wie toll ist das denn bitte? Als wir uns halbwegs wieder beruhigt haben, spricht Geraldine de Bastion zum Thema „Made in Africa“. Das ist interessant, was sie erzählt, und ihre Botschaft gefällt mir auch: stop helping, start investing. Afrika endlich ernstnehmen, bestimmt ein guter Ansatz. Nicht, dass ich irgendetwas über Afrika wüsste.
Es folgt eine Performance des Musikers Dekel Bor mit dem Schauspieler Christian Berkel. Bor spielt Gitarre, Berkel liest dazu Proust vor. Auf Englisch. Weil, ist ja alles Englisch hier (Ihr dürft EINmal raten, wer nicht genannt wurde). Na ja, kann man machen. Dann legt er den englischen Proust beiseite und erzählt eine Geschichte aus seiner Kindheit, sehr intensiv und berührend. Um zum Abschluss wieder irgendetwas zu lesen, was ich schon nicht mehr mitbekomme, mich nervt die Gitarrenuntermalung so langsam. Alsdann kommt Van Bo mit einem Baby im Tragetuch auf die Bühne (das natürlich eine Puppe ist), und erzählt, dass er sich gerne ein Sabbatical crowdfunden lassen möchte. Dass er vorher schon Karma Chakhs und Hartz4-Möbel entwickelt hat, erwähnt er nur en passant, dabei sind das wirklich tolle Sachen. Auch seine Überlegungen zu diesem bedingungslos einseitigen „Democratic Scholarship“, wie er es nennt, sind interessant, aber die Idee an sich, öhm, okay. Ich kann langsam nicht mehr zuhören, die Luft wird schlechter, wenn auch eindeutig weniger schlimm als letztes Jahr.
Das neue Blog geht durch die Decke, wir bekommen Kommentare, Retweets, Facebook, Verlinkungen, Komplimente, rivva. Van Bo hat seinen Vortrag beendet und kommt an uns vorbei, das Baby stellt sich als echtes Baby heraus. Sieh an. Jörg Reckhenrich spricht als nächster über die Rezeption von Kunst und darüber, dass es Zeit braucht, dass man sich Zeit nehmen muss, um Kunst zu „verstehen“, um sich ihr zu nähern. Das ist toll, ich würde sehr gern mal mit ihm ins Museum gehen. Zu guter Letzt vor der großen Pause erzählt Anja Fiedler uns etwas über „Stadt macht satt“. Man soll die Stadt ernten. Sie geht mit Kindergarten- und Grundschulkindern in Supermärkte und bittet um die Lebensmittel, die sonst weggeworfen würden. Sie legt Kräuter- und Gemüsebeete mit den Kindern an, hängt Kräutertöpfchen an Bauzäune und zack! werden die Kinder zu kleinen Gourmets. Klingt alles super, aber die anwesenden drei Väter sagen, dass es in ihren respektiven Kindergärten ähnliche Projekte gibt, die Kinder zu Hause aber sofort wieder Nudeln mit Butter möchten und sonst nichts. Was macht eigentlich das neue Blog?
Es ist Mittagspause, wir suchen uns etwas zu essen. Unterhalten uns über alles mögliche, aber nicht über die gehörten Vorträge. Obwohl einige wirklich gut waren, aber die sind in der Menge leider ein bisschen untergegangen. Und in dem Gefühl, dass hier ein Haufen weißer Mitteleuropäer (die USA gehören doch zu Mitteleuropa?) sich in der Pose des Machers und des kreativen Vordenkers für die ganze Welt gefällt. Alles awesome. Das ist jetzt ziemlich gemein, denn die Leute machen ja wirklich tolle Sachen. Das meine ich ernst. Es ist die Gesamtheit, die dieses Gefühl verursacht, nicht der Einzelne.
Nach dem Essen holen wir uns noch einen Kaffee und setzen uns in den Park, und als wir den Kaffee ausgetrunken haben, holen wir den Sekt raus, den wir mitgebracht haben, immerhin haben wir etwas zu feiern. Im Saal fängt derweil der dritte Teil an, wir sitzen in der Sonne und schicken Bilder von Sekt in Plastikbechern ins Internet. Und gucken in die neue Blogstatistik und können es nicht fassen und freuen uns und trinken noch einen Schluck Sekt. Johannes muss einen Zug bekommen, wir begleiten ihn noch zum Bahnhof und verpassen den dritten Teil komplett. Mal ehrlich, wie viele Vorträge kann man an einem Tag hören? Zumal dann, wenn man stattdessen mit netten Menschen in der Sonne sitzen und auf den gelungenen Start eines Projekts anstoßen kann, das wir alle super finden. Hurra!

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(Foto: Michael Merkel)

Mal kurz weg

Wir waren mal kurz weg, ein kleines Wochenende an der Ostsee. Es war erst eiskalt, dann regnerisch, und dann wunderschön. Ich hatte normale Schuhe an und konnte ganz okay laufen, aber natürlich noch nicht stundenlang. Also haben wir auch ausgiebig nichts getan (Sauna, Lesen), es war herrlich.

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Auf dem Rückweg haben wir in Lübeck Station gemacht und dort die Buddenbohms getroffen – nicht komplett überraschend, denn ich hatte morgens auf Facebook gelesen, dass sie dort hinwollten, aber auch nicht verabredet. Und weil man mit Kindern dann doch langsamer ist als ohne, haben wir das meiste in Lübeck nur von außen gesehen. Holstentor und Buddenbrookhaus zum Beispiel. Von innen sahen wir die Marienkirche mit den im Krieg bei einem Bombenangriff heruntergestürzten Glocken und das Niedereggerhaus, wo wir wundervolle Torte (ohne Marzipan) aßen.
Und ein paar schöne Schiffe gab es auch.

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PS: Gebucht haben wir das über eins dieser Internet-Reiseportale. Es heißt fast so wie die Überschrift hier, und das machen wir nie wieder. Ich bekam nämlich eine Mail, in der mir Buchungsbestätigung und Rechnung angekündigt wurden, die aber nicht anhingen. Ganze vier Werktage später bekam ich eine ausnehmend unhöflich gehaltene Mahnung, ich solle die Rechnung jetzt mal endlich zahlen.

Jochen Schmidt: Schneckenmühle

SchmidtSchneckenmuehleJens ist vierzehn Jahre alt und darf zum letzten Mal mit ins Ferienlager „Schneckenmühle“. Dort werden Freundschaften geschlossen, Nachtwanderungen gemacht, Tischtennis und Skat gespielt, Sprüche geklopft, nachts wird zu den Mädchen rübergeschlichen und allgemein wird das Coolsein geübt. Und das Erwachsenwerden. Der erste Alkohol wird getrunken, und Jens lernt im Laufe des Ferienlagers endlich, Karten zu mischen. Nur Tanzen in der abendlichen Disko, das ginge dann doch zu weit, Tanzen kann er nicht, das hat er nie gelernt, er weigert sich auch, es zu versuchen, gleichzeitig würde er aber gern. Jens fragt sich, woher die anderen das alle können. Es ist 1989, der letzte Sommer der DDR.
Und da habe ich dann wohl einiges an Anspielungen nicht verstanden, glaube ich. Wohin verschwinden die beiden Leiter? „Rübergemacht“? Oder was? Habe ich nicht verstanden. Aber vielleicht ist es auch gar nicht zu verstehen, vielleicht erfährt man es auch dann nicht, wenn man die Verhältnisse besser kennt. Und das Ende habe ich auch nicht verstanden – aber das macht rein gar nichts, denn bis dahin ist das alles ganz und gar wundervoll.
Es wird keine große Geschichte erzählt. Eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen ist im Ferienlager, das reicht. Aber die Art und Weise, wie dieses Ferienlager und die unterschiedlichen Typen darin beschrieben werden, macht einfach ganz großen Spaß. Die coolen Sprüche der 14jährigen Jungs, ihre Lebensweisheiten, ihr irgendwo aufgeschnapptes und nachgeplappertes Weltwissen; das alles führt über Gedankensprünge und Assoziationsketten und Durcheinanderreden zu wahnsinnig komischen Gesprächen.

„Vielleicht ist er ja zu den Partisanen gegangen? Warum hat er das mit den Fallschirmspringern erzählt?“
„Partisanen gibt’s doch gar nicht mehr. Es gibt doch keinen Faschismus.“
„Der ist bestimmt rüber“, sagt Holger.
„Rüber? Wie denn?“
„Na, über Ungarn.“
„Und die Mauer?“
„Was denn für ne Mauer?“
„Na, in Budapest, das ist doch die Hauptstadt von Ungarn.“
„In jeder Hauptstadt ist doch nicht ’ne Mauer.“
„In Ungarn gibt’s Danone-Joghurt“, sagt Dennis.
„Und Schweppes.“
„Quatsch, Ungarn ist doch sozialistisch.“
„Trotzdem gibt’s da Danone. Da sind unten Früchte drinne, zum Umrühren.“
„Wieso muss man den denn unrühren?“
„Ist doch toll.“
„Aber warum muss man das selber machen?“
„Mein Vater hat solchen Zweikomponenten-Kleber, den rührt man auch selber zusammen, das hält dann ewig.“
„Aber Joghurt ist doch nicht zum Kleben.“
„Die werden sich schon was dabei gedacht haben.“

Sowas macht mich froh. Ehrlich jetzt, genau so laufen solche Gespräche doch, und ich finde das unglaublich komisch. Überhaupt hat Jochen Schmidt einen sehr genauen Blick auf die Komik im Alltag dieser Ferienlagerkinder, aber er denunziert sie dabei nicht eine Sekunde lang, er macht sich nie über sie lustig, sondern nimmt seine Helden immer ernst. Und das macht dieses Buch so charmant und wundervoll.

Jochen Schmidt bekommt einen Regalplatz zwischen Harald Schmidt und Kathrin Schmidt.

NACHTRAG: Stefan Möller mochte es auch und hat die Anspielungen auch verstanden. Und viel eloquenter drüber geschrieben als ich.

Jochen Schmidt: Schneckenmühle. C.H.Beck, 220 Seiten, 17,95 €.
E-Book 13,99 €.

(Partnerlinks zur Buchhandlung Osiander. Wenn Ihr es dort kauft, werde ich unfassbar reich.)

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