Als dein Gesicht vor mir sich hob

Als dein Gesicht vor mir sich hob
und aufging über meinem Leben,
begriff ich erst: Erbärmlich arm
war ich. Nichts konnte ich dir geben.
Du schenktest mir den Wald, den Fluss,
das Meer in immer neuen Farben.
Durch dich erst war die Welt für mich
gemacht aus Regenbogengarben.
Jetzt hab ich Angst, es könnte sein,
der Sonnenaufgang geht zu Ende,
die Freudentränen trocknen ein.
Jetzt hab ich Angst. Und doch, ich wende
mich nicht dagegen, weil ich weiß:
Ich hab aus Liebe Angst. – Ich liebe.
Ich gäbe, gegen meine Art,
was drum, wenn diese Angst mir bliebe.
Von Angst bin ich gepackt. Von Angst,
wie schnell solch Augenblick vorüberweht.
Für mich sind alle Farben tot,
wenn dein Gesicht mir untergeht.

(Jewgeni Jewtuschenko,
Nachdichtung von Joachim Rähmer)

Kitsch? Vielleicht, ist mir egal. Ich mag es. Das Wichtigste an einem Gedicht ist nämlich der Rhythmus.

Gelesen

David Foster Wallace: Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich. Übersetzt von Marcus Indendaay. KiWi, 2004

Eine literarische Reportage über eine Kreuzfahrt, sieben Tage durch die Karibik.

- Schrecklich amüsant: Ist es, ja, stellenweise wirklich zum Lachen. „Ich habe mit eigenen Ohren gehört, wie ein Alleinunterhalter vor Publikum allen Ernstes sagte: ‚Okay, jetzt aber Scherz beiseite.‘ […] Ich habe erwachsene US-Bürger aus dem gehobenen Mittelstand gehört, erfolgreiche Geschäftsleute, die am Info-Counter wissen wollten, ob man beim Schnorcheln nass wird, ob Skeetschießen im Freien stattfindet, ob die Crew ebenfalls an Bord schläft oder um welche Uhrzeit das Midnight-Buffet eröffnet wird.”

- Schrecklich langweilig: Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Wallace auf diesem Schiff herumsaß und nichts zu tun hatte, als so vor sich hin zu schreiben, und was dabei herauskam, hat er ohne große Überarbeitung oder gar Literarisierung komplett veröffentlicht. Meinetwegen hätte er gern die Hälfte streichen können. Es fehlt ein bisschen der rote Faden, am Anfang und am Ende erzählt er chronologisch, in der Mitte nicht. Ich hätte es hübsch gefunden, wenn er zum Beispiel eine kleine Geschichte eingeflochten hätte, aber das mag Geschmackssache sein.

- Schrecklich ärgerlich: „Eine zweite Celebrity-Ordner-Dame versichert uns über Megaphon mehrfach, für das Gepäck sei gesorgt, es würde später nachkommen, und offenbar bin ich der Einzige, der sich dabei an die Verladeszene aus Schindlers Liste erinnert fühlt.” … „Das massenhafte, ängstliche Warten hat etwas von Ellis Island oder Auschwitz, aber mir ist nicht wohl bei diesem Vergleich und ich möchte ihn auch nicht vertiefen.” Dann bringen Sie ihn doch bitte gar nicht erst, Herr Wallace. Echt nicht.

- Schrecklich nervig: Der Text besteht schätzungsweise zur Hälfte aus Fußnoten. Kann man machen, ist aber auf die Dauer ziemlich lästig, wenn z.B. eine Fußnote über vier Seiten geht und man dann erst wieder zurückblättern muss, um den Anschluss wieder zu kriegen. Oder wenn vier Fußnoten in einem Satz stehen.
Oder wenn er dauernd mit seiner Agoraphobie kokettiert oder sich mit Fremdwörtern wichtig macht. Was aber andererseits auch wieder okay ist, irgendwie.

Fazit: Och jo. Hat was, ich habe es immerhin bis mitten in der Nacht zu Ende gelesen. Kann man lesen, aber dringend empfehlen würde ich es jetzt nicht.

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