Weihnachtsessen
Wisst Ihr schon, was Ihr zu Weihnachten kocht? Ich glaub, ich mache das hier. Ob ich meinen Kumpel Jonathan Safran dazu einlade?
(via Jens mal wieder)
Wisst Ihr schon, was Ihr zu Weihnachten kocht? Ich glaub, ich mache das hier. Ob ich meinen Kumpel Jonathan Safran dazu einlade?
(via Jens mal wieder)
2 kleine Weißköhle
2 Chicoree
1 riesige Rübe
Kartoffeln „Blauer Schwede“ (in der Tüte)
Topinambur (das ist das, was so aussieht wie Kartoffeln)
Möhren
Und jetzt? Ich habe zwei tolle Weißkohlrezepte (Weißkohl mit Apfelkompott und Coleslaw). Und dann? Steckrübeneintopf mit Möhren? Oder ohne? Stattdessen mal wieder Möhrenkuchen? Topinambursuppe? Und was mach ich mit dem Chicoree? Und mit den blauen Kartoffeln? In den Steckrübeneintopf? Vorschläge? Ach ja, und zwei Kohlrabis habe ich auch noch, die mal langsam wegmüssten.
IST DAS NICHT SUPER? All das Gemüse! Und dann noch Obst und Brot und Käse und Milch und Kartoffeln und Zwiebeln und Knoblauch und eine Avocado und hach! Und alles gebracht gekriegt!
Es scheint mein Jahr der Roadstorys zu sein. Roadstorys haben mich nie besonders interessiert, und dieses Jahr kommen sie plötzlich geballt: Finn-Ole Heinrichs Räuberhände, Lisa Ranks Und im Zweifel für dich selbst, Edgar Rais Nächsten Sommer, irgendwie auch Grossmans Eine Frau flieht vor einer Nachricht (gildet zu Fuß auch als Roadstory?) und jetzt Herrndorfs Tschick – hat sich zufällig so ergeben, und allesamt sind sie großartig.
Unterwegs sind diesmal Maik – Sohn aus reichem Hause, die Mutter ist Alkoholikerin und mal wieder auf der „Beautyfarm“, der Vater ist mit seiner Sekretärin unterwegs, Maik soll die Sommerferien allein zu Hause am Pool verbringen – und Tschick, Russlanddeutscher, „Assi“, unbeliebtester Junge der Klasse. Beide sind 14 Jahre alt, und sie fahren mit einem geklauten Lada von Berlin aus los in die Walachei.
„Wenn man wegfährt, wär irgendwie gut, wenn man weiß, wohin.“
„Wir könnten meine Verwandtschaft besuchen. Ich hab einen Großvater in der Walachei.“
„Und wo wohnt der?“
„Wie, wo wohnt der? In der Walachei.“
„Hier in der Nähe oder was?“
„Was?“
„Irgendwo da draußen?“
„Nicht irgendwo da draußen, Mann. In der Walachei.“
„Das ist doch dasselbe.“
„Was ist dasselbe?“
„Irgendwo da draußen und Walachei, das ist dasselbe.“
„Versteh ich nicht.“
„Das ist nur ein Wort, Mann“, sagte ich und trank den Rest von meinem Bier. „Walachei ist nur ein Wort! So wie Dingenskirchen. Oder Jottwehdeh.“
„Meine Familie kommt von da.“
„Ich denk, du kommst aus Russland?“
[…]
„Jottwehdeh gibt’s nicht, Mann! Jottwehdeh heißt janz weit draußen. Und die Walachei gibt’s auch nicht. Wenn Du sagst, einer wohnt in der Walachei, dann heißt das: Er wohnt in der Pampa.“
„Und die Pampa gibt’s auch nicht?“
„Nein.“
„Aber mein Großvater wohnt da.“
„In der Pampa?“
„Du nervst, echt. Mein Großvater wohnt irgendwo am Arsch der Welt in einem Land, das Walachei heißt. Und da fahren wir morgen hin.“
Er war wieder ganz ernst geworden, und ich wurde auch ernst. „Ich kenn hundertfünfzig Länder der Welt mit Hauptstädten komplett“, sagte ich und nahm einen Schluck aus Tschicks Bierflasche. „Walachei gibt’s nicht.“
Ich muss gerade ein bisschen aufpassen, dass ich nicht zu viel abtippe, denn das ist alles ganz wunderbar. Mir haben es vor allem die Dialoge angetan, sie sind so komisch in ihrer Ernsthaftigkeit, wie überhaupt das ganze Buch voller komischer Verzweiflung ist. Auch abseits der Dialoge ist die Sprache des Ich-Erzählers Maik so schön plausibel (soweit ich das beurteilen kann, haha), ohne sich anzubiedern. Denn nichts ist schlimmer als gewollte Jugendsprache.
Maik und Tschick, der eigentlich Andrej Tschichatschow heißt, aber das kann keiner aussprechen, fahren also los in die Walachei, von der sie nicht wissen, wo sie ist. Erstmal Richtung Süden, aber wenn man 14 Jahre alt und mit einem geklauten Wagen unterwegs ist, dann meidet man die Autobahn zunächst und benutzt nur Feldwege und kleine Straßen, und kennt natürlich die ganzen Dörfer nicht, hat also keine Ahnung, ob man überhaupt noch in die richtige Richtung fährt. Macht aber nichts, Hauptsache unterwegs. Später trauen sie sich dann auch auf die Autobahn. Unterwegs passiert natürlich alles mögliche, die beiden treffen unterschiedlichste Menschen, die alle eins gemeinsam haben: sie sind wahnsinnig nett und gar nicht so böse, wie einem das immer beigebracht wird. Und das gefällt mir sehr, wir haben hier keineswegs eine heile Welt, aber trotz einiger Kaputtheit lauter großartige Menschen. Im Sinne von: menschlich. Mir egal, wenn das pathetisch klingt.
Insgesamt volle Punktzahl: spannende Story, großartige Sprache, tolle Figuren, alles richtig gemacht, super Buch. Kaufen, lesen.
Herrndorf steht im Regal zwischen Judith Hermann und Helmut Hertrampf.
Wolfgang Herrndorf: Tschick. Rowohlt Berlin, 256 Seiten, 16,95 €.
NACHTRAG, 10.12:
„We are the ones who make a brighter day by making theories. … And the truth, you know, grammar’s all we need.“
(via Jens)