Helgoland

Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich inzwischen auf Helgoland war. Die Insel hat mich beim ersten Mal schon gekriegt, und sie kriegt mich jedes Mal wieder. Im Frühsommer 2009 zum ersten Mal, dann mit dem Mann, mit Freunden, und jetzt zum zweiten Mal mit Leuten aus dem Internet. Wir nennen es „Klassenfahrt“, und die Klasse von 2012 war etwas anders, aber genauso zauberhaft wie die von 2011. Fünfzehn Erwachsene und fünf kleine Kinder. Und das Aparthotel Klassik, in dem wir wohnen durften, war so zauberhaft wie eh und je.
Klassenfahrer unterteilen sich in zwei Gruppen: solche, die fragen, ab wann es Frühstück gibt, und solche, die fragen, bis wann es Frühstück gibt. Überschneidungen mit dem Feature „Kinder dabeihaben“ sind sicher rein zufällig. Wir hatten die fünf zauberhaftesten Kinder der Welt dabei (mit Ausnahme des sechsten zauberhaftesten Kindes der Welt, das letztes Mal mit war und diesmal leider nicht konnte). Und es ist ja so: auf dieser Insel ist alles so langsam und so durch und durch entspannt, das steckt nicht nur die Erwachsenen sofort an, sondern eben auch die Kinder. Und so haben fünf Kinder im Kindergartenalter, allesamt noch nicht mal in der Schule, sich in drei kompletten Tagen nicht ein einziges Mal gestritten, es gab keine nennenswerten Tränen (außer mal wehgetan), sie haben zusammen gespielt und gebuddelt und Steine gesammelt und Schiffe geguckt und mit den Erwachsenen Quatsch gemacht und Bücher gelesen und gegessen und sich unfassbar gut benommen und besonders schöne Steine sogar verschenkt. Zum Beispiel an mich, meine Handtasche war dann irgendwann voll.
Es war die zweite Klassenfahrt und schon ein irgendwie eingespielter Ablauf. Freitag früh aufs Schiff, Mittags Ankunft auf Helgoland. Alle schon vollkommen erschöpft von der Seeluft, erstmal Mittagsschläfchen. Also, alle außer den Eltern mit Kindern, die schon in der Karre oder auf dem Schiff geschlafen haben. Die Eltern also auf den Spielplatz, kinderlose Erwachsene ins Bett, Fotografen gleich mal die erste Tour machen. Dann schnell alle ein Fischbrötchen auf die Hand (so schnell, wie es mit 20 Leuten eben geht, also eher überhaupt nicht schnell) und aufs Oberland, zu den Vögelfelsen. Unterwegs Pröbchen kaufen, irgendwo oben dann die erste Schlucktied. Mit dem ersten Alkohol kommen die ersten schlimmen Vögelwitze (#irgendwasmitvögeln), aber in Wahrheit sind alle beeindruckt, und das ist ja auch wirklich ein imposantes Naturschauspiel. Basstölpel und Trottellummen, zu Hunderten, Geschrei und Gestank und Präzisionsfliegen und Multikulti-Wohnen auf kleinstem Raum und diese unglaubliche Eleganz.
Abends Essen im Aquariumscafé, anschließend Pyjamaparty aufm Zimmer, womöglich wird schon wieder Alkohol getrunken.
Samstag dann das andere große Helgoländer Naturschauspiel: Robben auf der Düne. Wieder machen alle dieselben Robbenfotos, außer dass wir diesmal professionelle Fotografen dabeihaben, die werden bestimmt bessere Bilder haben. Die Düne: Sand, Sand, Sand, Robben, Steine, Dünencafé, Sand, Robben, Strandkörbe, mehr Steine, und Blau, so weit das Auge reicht. Ich beschließe, einen Blogeintrag über die Farbe Blau zu schreiben, darüber, wie viele Blautöne das sind, und wie glücklich es einen macht, dieses Blau, das Wasser, der Himmel, wie kann es sein, dass eine Farbe einen so glücklich macht? Grün kann das auch, manchmal, aber Blau kann es immer. Dummerweise ist Maximilian mir damit zuvorgekommen. Wir haben nicht darüber gesprochen, muss Gedankenübertragung gewesen sein. Die Superkinder sind irgendwann ganz erschöpft vom Laufen im Sand, verständlicherweise, das ist ja auch anstrengend, und müssen getragen werden. Das ist dann auch für die Großen anstrengend, und natürlich endet die Inselrunde im Dünencafé, und natürlich bleiben wir da einfach sitzen und lassen uns die Sonne ins Gesicht scheinen und verteilen Sonnenmilch und bestellen noch eine Pommes und noch ein Eis und noch einen Kakao und noch ein Bier und zwischendurch buddeln wir ein bisschen und reden dummes Zeug und grinsen dümmlich und sagen, wie schön das ist, und wie gut wir es haben. Und niemand guckt einen komisch an, wenn man zwischendurch das Handy zückt, alle Handys liegen sowieso auf dem Tisch und alle twittern und viele foursquaren und der eine liest dann, was der andere getwittert hat und lacht und liest es allen vor, und das Beste daran ist: alle finden es normal. Und dann macht einer einen Witz, und alle lachen, und einer fragt „Wer twittert das?“, und ein anderer sagt „Hab schon“, und alles ist gut. Bis einer feststellt „Mein Gott, hier sind ja lauter Nerds“ und alles noch besser ist. Unsere Gesichter bekommen langsam andere Farben.
Abends irgendwo essen, irgendwo noch ein Bier, nur noch vier Leute gehen in die Älteste Disco der Welt (oder Deutschlands? Egal) und auch sie sind gegen eins im Bett. Seeluft macht müde. Und glücklich.
Sonntag dann allgemeines Abhängen, alle machen so vor sich hin, wozu sie Lust haben, die meisten Kinder gehen die Feuerwehr besichtigen, das größte Kind und ein Großteil der Erwachsenen treffen sich zum Trampolinspringen und Minigolfen. Trampolinpringen ist ein ganz großer Spaß und erstaunlich anstrengend, hinterher auf festem Boden Hüpfen ein ganz verblüffendes Gefühl. Minigolf dauert mir dann doch ein bisschen zu lang dafür, dass man das Meer nicht sieht. Zu wenig blau, nur der Himmel, der ist immer noch blau, beziehungsweise nach einem etwas graueren Morgen wieder knallblau. Unfassbar, wie diese Insel das immer macht. Immer schönes Wetter, scheints.
Nach dem Minigolfen noch schnell etwas essen, und dann fährt auch schon das Schiff. Bei etwas schaukeliger See bleiben die meisten drinnen, aber ich stehe draußen und gucke aufs Wasser und in den Himmel und sehe hinten die Insel kleiner werden und mir spritzt Gischt ins Gesicht und meine Lippen schmecken ganz salzig. „Sag mal, weinst Du, oder ist das die Gischt“, denke ich, und nein, ich weine nicht, obwohl es schon wieder so schön war, dass man das glatt mal könnte. Ein bisschen weinen vor lauter Sonne und Blau und Inselseligkeit.
Allerdings ist es auch wirklich so, dass Seeluft müde macht, deswegen kann ich jetzt keinen besseren Text mehr aus diesem eilig reingehackten Kurzbericht machen, sondern verfatze mich sofortestens ins Bett, denn morgen geht das mit dem Arbeiten wieder los, und zwar aberhallo und vollepulle.
Liebe Mitfahrer, ihr wart super. Echtma. Danke. Und liebes Aparthotel Klassik, du weißt ja, dass wir dich liebhaben. Danke, sehr.
Links zu den Berichten der anderen und Fotos kommen demnächst noch. *umkipp*

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Genauer geguckt

Die Basstölpel benutzen unter anderem Reste von Fischernetzen zum Nestbau. Und strangulieren sich dann damit oder bleiben mit den Füßen drin hängen und krepieren jämmerlich. Sind keine guten Bilder, aber ich wollte sie gezeigt haben.

Durchsage

Kann sein, dass es hier in den nächsten Tagen schon wieder diese immergleichen Bilder gibt. Basstölpel, Trottellummen, Kegelrobben, Dünen, Strand, blauen Himmel, blaues Wasser, den ganzen langweiligen Kram. Sorry. Vielleicht auch nicht, vielleicht bin ich zu beschäftigt, um Euch damit zu langweilen. Vielleicht wird auch das Wetter scheiße, aber das glaube ich nicht. Mal sehen.

Spindrift-Konzert

Die Folk-Veteranen Axel Bogdan und Matthias Koitzsch spielen ein fein ausgesuchtes Programm mit alten und neuen Liedern aus Schottland, Irland und England. Für temporeiche Abwechslung sorgen Instrumental-Sets mit Gitarren, 10-saitiger irischer Bouzouki/Cittern, Flute, Whistles, Banjo- und Bodhran-Einsätzen sowie Gesang a capella.

Freitag, 13. April 2012, 20.00 Uhr im Zwischenraum des Filmraums in Hamburg-Eimsbüttel, Müggenkampstraße 43. Der Eintritt ist frei, es geht ein Hut rum.
Weitere Informationen über Spindrift gibt es auf der nagelneuen Webseite der Band.

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