Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft

Johannes ruft zu einer Blogparade zum Thema „Schenken“ auf. Ein paar Leute haben schon sehr kluge Dinge dazu geschrieben; das passt gut zu einem Thema, das ich schon länger herumliegen habe, deswegen mache ich doch gerne mit und ergänze das bereits Gesagte noch um einen Punkt.

Ich finde Geschenke super. Ich weiß, dass es Leute gibt, die geradezu Angst vor Geschenken haben – sie haben Angst, wenn sie selbst etwas geschenkt bekommen, dass sie sich womöglich nicht so richtig freuen, dass das Geschenk knapp daneben ist, und dass sie dann heucheln müssen, oder dass es noch schlimmer ist und sie nicht heucheln können, sondern sagen müssen, dass es ihnen nicht gefällt, und das finden sie schrecklich. Und deswegen finden sie es auch schrecklich, selbst etwas zu verschenken, weil sie damit den anderen in ebendiese fürchterliche Lage bringen.
So geht es mir nicht, ich finde: lockermachen. Man darf das auch alles nicht zu hoch hängen. Geschenke sind erstmal super und etwas sehr, sehr Nettes. Ich liebe es, Geschenke zu bekommen, und ebenso gern mache ich welche. Allerdings gebe ich auch zu, dass ich oft genug keine gute Idee habe, dann lasse ich mich in der Buchhandlung beraten und hoffe hinterher, dass es wirklich passt.
Wenn es nicht passt – in beide Richtungen: wenn ich ein Geschenk nicht mag oder schon habe, oder wenn jemand von mir Beschenktes etwas nicht mag oder schon hat – dann finde ich das nicht so dramatisch. Ich kann dann schnell genug abwägen, ob es nur knapp daneben ist und ich es behalte und mich freue, oder ob es ganz daneben ist und ich das sage. Denn freuen tu ich mich sowieso – über die Geste, darüber, dass jemand sich Gedanken gemacht hat. Und das ist auch eine echte Freude, da brauche ich gar nicht zu heucheln. Dass ein Geschenk mal daneben liegen kann, weiß jeder erwachsene Mensch, und damit kann man auch erwachsen umgehen, finde ich. Ich jedenfalls fühle mich weder dann schlecht behandelt, wenn ich etwas bekomme, was ich nicht mag, noch dann, wenn jemand eins meiner Geschenke nicht mag. Das kann man sagen, und dann gibt es etwas anderes, fertig. Man muss da kein Problem draus machen. Die Geste zählt, und die ist grundsätzlich erstmal eine Nette.

Bei den Geschenken, die ich selbst mache, gilt: wenn ich eine richtig gute Idee habe, dann ist es mir (fast) egal, was etwas kostet. Und wenn ich zufällig etwas sehe, von dem ich sofort denke: das wäre etwas für denundden, dann kaufe ich es einfach und warte, wenn ich es aushalte, auf einen Anlass; meistens halte ich es allerdings nicht aus, sondern muss es sofort verschenken, auch ohne Anlass.
Allgemein finde ich aber, und das ist der Gedanke zum Thema, den ich eigentlich loswerden wollte: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Kleine! Zu große Geschenke hingegen können einen schnell beschämen. Wenn ich jemanden zum Essen einlade, beispielsweise, und einen Eimer Spätzle mache, dann möchte ich nicht eine Flasche Wein und zwei Kinogutscheine mitgebracht bekommen. Das ist zu viel. Ich muss gar nichts mitgebracht bekommen, aber ich freue mich über eine Flasche Wein oder ein kleines Blümchen, aber dann ist auch Schluss. Denn wenn das Geschenk zu groß ist, kriege ich ja fast ein schlechtes Gewissen, dass es „nur“ Spätzle gibt. Und mache beim nächsten Mal etwas Dolleres, und bringe bei der nächsten Gegeneinladung auch etwas Überdimensioniertes mit, und so weiter. (Außer dass ich das durchaus nicht tue, denn ich möchte das nicht, ich weigere mich, in irgendeine Verpflichtungsspirale zu geraten. Aber wenn man entsprechend veranlagt ist, kann man sich da prima reinsteigern.)
Ich möchte auch nicht, wenn ich den Heizungsableser bei den Nachbarn reinlasse, eine Flasche Wein und einen Dankesbrief bekommen. Das ist zu viel! Ich lasse doch nur den Ableser rein. Dafür möchte ich das Gefühl haben, wenn mir demnächst mal beim Kochen eine Tasse Mehl fehlt, bei den Nachbarn klingeln und eine Tasse Mehl schnorren zu können. Wenn die Nachbarn so ein großes Thema daraus machen, dass ich den Heizungsableser reinlasse, dann ist es mir beim nächsten Mal peinlicher, um eine Tasse Mehl zu bitten. Kleine Gefallen müssen ohne direkte Gegenleistung möglich sein. Man muss nicht für alles sofort „bezahlen“. Und man muss keine so großen Geschenke machen, dass es den Beschenkten beschämt. Sobald für den Beschenkten irgendeine Art von Verpflichtung entsteht, ein Zugzwang, eine Beschämung (und sei es „nur“ in seiner Wahrnehmung, obwohl es gar nicht so gemeint war), ist der eigentliche Sinn des Schenkens irgendwie verfehlt.
Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass ich selbst kein Geld ausgeben wollen würde oder zu geizig wäre, um Geschenke zu machen. Ich mache ja gerne welche. Es gibt auch genügend Freundschaften, die auch mal ein zu großes Geschenk aushalten. Aber bitte nur dann, wenn es wirklich genau dieses Geschenk für genau diese Person sein muss, und die Freundschaft eben entsprechend ist. Für alle anderen finde ich: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.

Alan Bennett (Ingo Herzke): Schweinkram

BennettSchweinkramAch, herrlich, Kinder! Ich bin ja sowieso Bennett-Fan (und Herzke-Fan), aber jetzt bin ich auch noch Schweinkram-Fan, denn das ist einer seiner besten. Wie gewohnt bei Wagenbach in einem schmalen Bändchen in rotem Leinen, und zwar diesmal, passend zur letzten Woche in diesem kleinen Kuschelblog, mit zwei unziemlichen Geschichten: Mrs. Donaldson erblüht, und Mrs. Forbes wird behütet. Beide ganz wundervoll.
Mrs. Donaldson hat nach dem frühen Tod ihres Mannes weniger Geld als gedacht und muss irgendwie Geld reinkriegen. Das tut sie auf zweierlei Weisen: sie vermietet ein Zimmer an ein Studentenpärchen, und sie nimmt einen Job im Krankenhaus an, wo sie jungen Medizinstudenten verschiedenste Krankheiten vorspielen muss. Die Studenten führen unter der Oberaufsicht eines Arztes erstmal ein Anamnesegespräch mit ihr, dann untersuchen sie sie. Wie es zugeht, dass Mrs. Donaldson schließlich erblüht, verrate ich natürlich nicht. Aber es kommt überraschend, und es ist herrlich.
Und Frs. Forbes in der anderen Geschichte ist eine alte Zicke, wird aber trotzdem von allen behütet – vor allem von ihrem über alles geliebten Sohn, aber auch von Mann und Schwiegertochter. Dabei haben alle gleichermaßen ihre Geheimnisse, und so geheim sind die gar nicht mal. Dafür aber ziemlich ungehörig, nach gängigen Maßstäben.
Ich mochte die erste Geschichte schon sehr, und die zweite fast noch mehr, weil da ein paar richtig gute Lacher drin sind. Beide Geschichten sind voll mit Sex, aber ohne jegliche Pornografie, sie sind sehr Bennett, mit Distanz und Ironie wie immer, mit diesem wundervollen Humor und vor allem: so wohltuend entspannt gegenüber dem Thema. Auch wenn nicht alle Figuren von Anfang an entspannt sind. Aber am Ende wollen sie natürlich alle nur das eine. Herrlich, ganz wunderbar. Geht hin und kauft dieses Buch und lest und habt Spaß!

Alan Bennett (Ingo Herzke): Schweinkram. Wagenbach, 139 Seiten, 15,90 €.

Wir müssen reden!

WLB

WIR MÜSSEN REDEN!
Mündliches in der Übersetzung

Lesung mit Ingo Herzke, Annette Kopetzki, Miriam Mandelkow, Friederike Meltendorf und Eva Profousová

1. März 2013, 20 Uhr
Ort: Kulturetage Altona
Große Bergstraße 160, 22767 Hamburg
Eintritt 5 Euro, für VdÜ-Mitglieder frei

Was haben ein englischer Elfjähriger auf der Flucht, eine Sizilianerin im Beichtstuhl und ein russischer Anarcho gemeinsam? Sie müssen reden, und zwar auf Deutsch.

Fünf Übersetzerinnen lassen laute und leise, wütende und verzagte Figuren aus englischen, italienischen, amerikanischen, russischen und tschechischen Romanen zu Wort kommen und umkreisen dabei verschiedene Aspekte des Übersetzens gesprochener Sprache wie Slang, Dialekt, Jugendsprache und Flüche – eine Suche.

Autoren: Alan Bennett, Andrea Camilleri, DJ Stalingrad, Tom Kelly, Pier Paolo Pasolini, Richard Price, Jaroslav Rudis, Jáchym Topol, David Vann und andere.

Eine Veranstaltung der Weltlesebühne, gefördert von der Robert Bosch Stiftung und dem Verband deutschsprachiger Übersetzer (VdÜ).

Anderswo

- Bräuchte ich einen Schlafplatz in Zürich, und hätte ich sehr viel Geld, dann würde ich dieses Hotel buchen. Was für eine Bibliothek! (Liebes Hotel B2, ich bin ja durchaus käuflich. Ladet mich doch ein, ich bleibe zwei-drei Tage und gucke mir die Bibliothek und das Hotel und die Stadt an, und dann schreibe ich, wie toll es ist. Hm?)

- Ein Fotoprojekt zu den Orten, an denen 1933 Bücher verbrannt wurden: verbrannte Orte. Dasselbe Projekt bei Kwerfeldein und bei Krautreporter – man kann das Projekt auch finanziell unterstützen.
Unabhängig davon: Das Blog von Birgit Ebbert über die Bücherverbrennung.

- Thematisch passend: eine App zu den Hamburger Stolpersteinen (gibt es bestimmt auch für andere Städte), mit der man über verschiedene Suchfunktionen Informationen zu den jeweiligen Personen findet, Biografien, weitere Stolpersteine in der Straße und so weiter. Ich finde das Projekt „Stolpersteine“ ja sensationell gut. Man kann übrigens auch Patenschaften für einzelne Stolpersteine übernehmen, mehr dazu hier.

- Hübsch: Pantone-Notizbücher

- Calvin and Hobbes lovingly inserted into 13 real world backgrounds

- Zoe Beck über Amazon.

- Katy hat ein neues Blog: In which she goes out drinking with German writers. Going dutch with German writers. Wundervolle Idee, ich bin sehr gespannt. Und ein bisschen neidisch, man sollte wahrscheinlich sowieso viel öfter mit Autoren trinken gehen. („To go dutch“ heißt übrigens, dass man getrennt bezahlt.)

Lyrikpostkarte

Ich bin natürlich nicht die einzige, die sich gerade um Lyrik bemüht – Anne Schüssler hat nämlich etwas ganz Tolles angefangen, sie bedichtet Postkarten. Das heißt, sie schreibt Gedichte über das, was vorne drauf ist, und verschickt die Karten dann. Die erste ging an Kiki, und die zweite habe ich bekommen! Hurra! Vielen Dank, Anne!
Vorne drauf ist, sehr schön passend zum lyrischen Thema der letzten Tage, Köhlers Schwein von Michael Sowa. Und gedichtet hat Anne natürlich Limericks, das wäre ja quasi gar nicht anders gegangen. Gleich drei Stück!

sowaschwein

I
Ein sportliches Ferkel aus Bergheim,
das wollte viel lieber ein Fisch sein.
Drum sprang es ins Wasser
doch wurd es nur nasser
und metamorphierte zum Schwimmschwein.

II
Eine ehrgeiz‘ge Sau aus Neuwilen,
der die Wettbewerbsregeln missfielen,
trainierte doch heiter,
schwamm schneller und weiter,
und träumt nachts von olympischen Spielen.

III
Ein Altbademeister aus Lahr,
der wusste nicht, wie ihm geschah,
als vom Einmeterbrett
sehr grazil und adrett
ein Schwein in den See sprang, echt wahr!

(Es spräche vermutlich rein gar nichts dagegen, wenn auch da noch jemand mitspielen wöllte. Wo ihr gerade so schön in Schwung seid und ich arbeiten muss.)

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