
Das war meine letzte Übersetzung aus dem Japanischen, November 1999. Danach habe ich zweierlei beschlossen: 1. kein Japanisch mehr, und 2. keine Fachübersetzungen mehr zu Themen, von denen ich nichts verstehe. Also alle. Hier: Biochemie oder so. Schimmelbildung an Bambus? Puh. 4 Seiten. Ich werde das als Mahnmal aufbewahren, als „ogottogott, was ich alles versucht habe.“
Kurz darauf kam glücklicherweise die erste Buchübersetzung, Gärten auf kleinstem Raum: Ideen für die Fensterbank, Balkon, Hof und Hauseingang. Das habe ich übers Millenniumssilvester in Schottland übersetzt, ich war einunddreißig Jahre alt und habe eigentlich zum ersten Mal im Leben gemerkt, was ich machen will. Also, eine Arbeit gemacht, die mir wirklich, wirklich Spaß gemacht hat, und von der ich mehr wollte. Plötzlich wollte ich Bücher übersetzen – natürlich keine große Literatur, das würde ich ja niemals können – aber popelige kleine Gartenratgeber und so, das wollte ich.
Ihr ahnt nicht, wie froh ich bin, keine chemischen Versuchsprotokolle aus dem Japanischen mehr übersetzen zu müssen. Oder Jahresberichte von Pumpenherstellern (ebenfalls aus dem Japanischen) oder die Webseiten mittelständischer metallverarbeitender Betriebe im Sauerland ins Englische. In die Fremdsprache! Geht ja gar nicht. Nee, nee, das ist schon alles sehr richtig für mich, was ich jetzt mache.
Heute im Hamburger Abendblatt: eine riesengroße Werbebeilage der Firma Vorwerk.
Hätten Frauen doch schon früher mehr Zeit gehabt. Vorwerk gratuliert allen Frauen zum Weltfrauentag 2013. Und schenkt ihnen mehr Zeit.

Hier, ich stell mal ne neue These auf: Ihr habt wohl den Schuss nicht gehört. Und weil ich eh lieber neue Bücher übersetze, brauche ich auch keinen neuen Staubsauger, thank you very much.
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Auch sehr schön, ebenfalls im heutigen Abendblatt, ein Artikel über reine Männerveranstaltungen in Bremen. Unzeitgemäß? Ach Quatsch, das ist Tradition. Wenn der Link nicht geht wegen Bezahlschranke: „Bremer Männerwirtschaft“ googeln, darüber klappt’s. Warnung allerdings: es zieht einem die Schuhe aus.
Folgendes steht in Artikel 3 unseres Grundgesetzes:
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Sinngemäß steht das gleiche auch in der internationalen Erklärung der Menschenrechte. Und das ist gut.
Wenn jetzt zwei dieser gleichberechtigen Menschen ihre Beziehung unter den Schutz des Gesetzes stellen wollen, und sei es auch nur der Schutz des Steuergesetzes, jedenfalls: wenn sie vor dem Staat und seinen Bürgern erklären wollen, dass sie zusammengehören und fortan als Einheit betrachtet werden möchten – wie kann es dann sein, dass in dem Moment die Gleichberechtigung nicht mehr gilt, beziehungsweise eben nur für die Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau gilt? Widerspricht das nicht dem Grundgesetz und den Menschenrechten? Wie können Männer und Frauen gleichberechtigt sein, aber sobald sich zwei zusammentun, wird ihre Beziehung nach Geschlecht beurteilt und gutgeheißen oder eben nicht? Anders gesagt: Wenn das Geschlecht einer Person vor Gericht keine Rolle spielt, also eine Relevanz von Null hat, wie kann es dann sein, dass das Geschlecht zweier Personen doch eine spielt? Null plus null ist doch immer noch gleich null. Wenn alle Einzelpersonen gleichberechtigt sind, müssen doch auch die Beziehungen zwischen ihnen gleichberechtigt sein. Der ganze Rest der Aufzählung aus dem Gleichberechtigungsartikel (Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, Glauben, religiöse und politische Anschauungen, Behinderung) spielt ja auch keine Rolle. Ich kann vollkommen problemlos einen asiatischstämmigen, kenianischen, kommunistischen, französischsprechenden Moslem mit Behinderung heiraten, aber keine Frau. Wenn es eine Frau ist, darf ich sie nur sowas Ähnliches wie heiraten, aber nicht so richtig. Das ist doch total willkürlich und nicht zu fassen.
Das ist übrigens keine rhetorische Frage, ich verstehe es wirklich nicht. Wie ich den Gleichberechtigungsparagrafen verstehe, müsste es doch verfassungs- oder grundgesetzwidrig sei, die Ehe auf heterosexuelle Paare zu beschränken. Wahrscheinlich ist das längst hundert Mal geklärt, aber ich verfolge das Thema nicht so tiefgehend und habe es nicht mitbekommen. Kennt sich da jemand aus? Ich muss jedes Mal den Kopf schütteln, wenn ich von dem Affentheater höre.
Johannes ruft zu einer Blogparade zum Thema „Schenken“ auf. Ein paar Leute haben schon sehr kluge Dinge dazu geschrieben; das passt gut zu einem Thema, das ich schon länger herumliegen habe, deswegen mache ich doch gerne mit und ergänze das bereits Gesagte noch um einen Punkt.
Ich finde Geschenke super. Ich weiß, dass es Leute gibt, die geradezu Angst vor Geschenken haben – sie haben Angst, wenn sie selbst etwas geschenkt bekommen, dass sie sich womöglich nicht so richtig freuen, dass das Geschenk knapp daneben ist, und dass sie dann heucheln müssen, oder dass es noch schlimmer ist und sie nicht heucheln können, sondern sagen müssen, dass es ihnen nicht gefällt, und das finden sie schrecklich. Und deswegen finden sie es auch schrecklich, selbst etwas zu verschenken, weil sie damit den anderen in ebendiese fürchterliche Lage bringen.
So geht es mir nicht, ich finde: lockermachen. Man darf das auch alles nicht zu hoch hängen. Geschenke sind erstmal super und etwas sehr, sehr Nettes. Ich liebe es, Geschenke zu bekommen, und ebenso gern mache ich welche. Allerdings gebe ich auch zu, dass ich oft genug keine gute Idee habe, dann lasse ich mich in der Buchhandlung beraten und hoffe hinterher, dass es wirklich passt.
Wenn es nicht passt – in beide Richtungen: wenn ich ein Geschenk nicht mag oder schon habe, oder wenn jemand von mir Beschenktes etwas nicht mag oder schon hat – dann finde ich das nicht so dramatisch. Ich kann dann schnell genug abwägen, ob es nur knapp daneben ist und ich es behalte und mich freue, oder ob es ganz daneben ist und ich das sage. Denn freuen tu ich mich sowieso – über die Geste, darüber, dass jemand sich Gedanken gemacht hat. Und das ist auch eine echte Freude, da brauche ich gar nicht zu heucheln. Dass ein Geschenk mal daneben liegen kann, weiß jeder erwachsene Mensch, und damit kann man auch erwachsen umgehen, finde ich. Ich jedenfalls fühle mich weder dann schlecht behandelt, wenn ich etwas bekomme, was ich nicht mag, noch dann, wenn jemand eins meiner Geschenke nicht mag. Das kann man sagen, und dann gibt es etwas anderes, fertig. Man muss da kein Problem draus machen. Die Geste zählt, und die ist grundsätzlich erstmal eine Nette.
Bei den Geschenken, die ich selbst mache, gilt: wenn ich eine richtig gute Idee habe, dann ist es mir (fast) egal, was etwas kostet. Und wenn ich zufällig etwas sehe, von dem ich sofort denke: das wäre etwas für denundden, dann kaufe ich es einfach und warte, wenn ich es aushalte, auf einen Anlass; meistens halte ich es allerdings nicht aus, sondern muss es sofort verschenken, auch ohne Anlass.
Allgemein finde ich aber, und das ist der Gedanke zum Thema, den ich eigentlich loswerden wollte: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Kleine! Zu große Geschenke hingegen können einen schnell beschämen. Wenn ich jemanden zum Essen einlade, beispielsweise, und einen Eimer Spätzle mache, dann möchte ich nicht eine Flasche Wein und zwei Kinogutscheine mitgebracht bekommen. Das ist zu viel. Ich muss gar nichts mitgebracht bekommen, aber ich freue mich über eine Flasche Wein oder ein kleines Blümchen, aber dann ist auch Schluss. Denn wenn das Geschenk zu groß ist, kriege ich ja fast ein schlechtes Gewissen, dass es „nur“ Spätzle gibt. Und mache beim nächsten Mal etwas Dolleres, und bringe bei der nächsten Gegeneinladung auch etwas Überdimensioniertes mit, und so weiter. (Außer dass ich das durchaus nicht tue, denn ich möchte das nicht, ich weigere mich, in irgendeine Verpflichtungsspirale zu geraten. Aber wenn man entsprechend veranlagt ist, kann man sich da prima reinsteigern.)
Ich möchte auch nicht, wenn ich den Heizungsableser bei den Nachbarn reinlasse, eine Flasche Wein und einen Dankesbrief bekommen. Das ist zu viel! Ich lasse doch nur den Ableser rein. Dafür möchte ich das Gefühl haben, wenn mir demnächst mal beim Kochen eine Tasse Mehl fehlt, bei den Nachbarn klingeln und eine Tasse Mehl schnorren zu können. Wenn die Nachbarn so ein großes Thema daraus machen, dass ich den Heizungsableser reinlasse, dann ist es mir beim nächsten Mal peinlicher, um eine Tasse Mehl zu bitten. Kleine Gefallen müssen ohne direkte Gegenleistung möglich sein. Man muss nicht für alles sofort „bezahlen“. Und man muss keine so großen Geschenke machen, dass es den Beschenkten beschämt. Sobald für den Beschenkten irgendeine Art von Verpflichtung entsteht, ein Zugzwang, eine Beschämung (und sei es „nur“ in seiner Wahrnehmung, obwohl es gar nicht so gemeint war), ist der eigentliche Sinn des Schenkens irgendwie verfehlt.
Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass ich selbst kein Geld ausgeben wollen würde oder zu geizig wäre, um Geschenke zu machen. Ich mache ja gerne welche. Es gibt auch genügend Freundschaften, die auch mal ein zu großes Geschenk aushalten. Aber bitte nur dann, wenn es wirklich genau dieses Geschenk für genau diese Person sein muss, und die Freundschaft eben entsprechend ist. Für alle anderen finde ich: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.
Museumspädagogik ist ja so eine Sache.
Ich habe einen Betrieb besichtigt. Nun ist ein Betrieb kein Museum, aber ein paar museumspädagogische Grundsätze könnte man bei einem Betrieb, der andauernd Besichtigungen durchführt, doch auch anwenden. Stattdessen werden wir als allererstes in den zum Betrieb gehörenden Laden geschleust. Quasi Fanshop. Auf der Eintrittskarte befindet sich ein Einkaufsgutschein über zwei Euro; für zwei Euro bekommt man beispielweise einen Kapselheber, das ist ganz nett. Hauptsache, im Shop gewesen, ne?
Dann kommt unser Führer und verkündet, er wisse nicht genau, ob wir in die eine Halle überhaupt reinkönnen, denn da würde ein Film gedreht, und er wisse auch nicht, ob in der anderen Halle die Maschinen überhaupt laufen. Ich denke zum ersten Mal, dass wir dann ja eigentlich auch wieder gehen können, wenn es eh nichts zu sehen gibt.
Es gibt aber was zu sehen, nämlich erstmal einen Film. Und zwar nicht etwa einen informativen Film darüber, wie das Produkt des Hauses hergestellt wird, sondern ein zwanzigminütiges Werbevideo. Zwanzig geschlagene Minuten Imagefilm, in dem das Image der, weißnichtmehrgenau, ungefähr fünf Einzelprodukte dieses Unternehmens haarklein dargestellt wird. Gesponserte Fußballmannschaften, wogende Getreidefelder, glückliche Menschen und gefühlte acht Millionen Mal die Logos der Produkte. Ich fange an, mich ein wenig zu ärgern.
Alsdann erzählt der Führer noch ein bisschen was darüber, dass es ja immer Gelächter gebe, wenn im Film gesagt wird, dass Bier gesund sei, dass das aber *wirklich* so sei, und dann erklärt er uns, wie die Kopfhörer zu bedienen sind, die wir bekommen haben: man muss sie sich in die Ohren stecken, es drückt, und unten dran hängt der Empfänger und der Laufstärkeregler, es zieht also auch noch ein bisschen nach unten. Ich finde das unangenehm, ich kann Kopfhörer sowieso nicht leiden, aber das ist natürlich mein Problem. Wir marschieren quer übers Gelände in die erste Halle, in der die Filmleute zugange sind – das bedeutet eigentlich nichts, außer dass wir auf die Kabel am Boden aufpassen sollen, und vor allem bedeutet es, dass das Schaubild nicht da ist, an dem der Führer normalerweise irgendwas erklärt. Er versucht es ohne Schaubild, wir stehen zwischen riesigen Läuterbottichen (!) herum, der Mann vermisst sein Schaubild, auf dem man das alles so schön sehen kann, wie was funktioniert, ja wo isses denn, das Schaubild? Na sowas Dummes. Mich nervt der Kopfhörer, ich setze ihn ab und höre ohne das Ding zu, das geht auch, man muss sich nur ein bisschen konzentrieren. Worauf ich irgendwie nicht so richtig Lust habe. Mit dem Schaubild wäre bestimmt alles besser gewesen, aber leider, das Schaubild ist weg. Wir gehen eine Halle weiter, wo viele große Fässer quasi von oben aus der Decke rausgucken und vieleviele Rohrleitungen unterschiedlichen Durchmessers kreuz und quer durch den Raum verlaufen, und hurra! Da isses! Das Schaubild! Jenun.
Wir bekommen das Schaubild erklärt, und ich frage mich, wofür wir eigentlich hergekommen sind. Die erste Stunde ist herum, wir haben ein endlos langes Imagevideo gesehen und ein Schaubild erklärt bekommen, das man sich auch im Internet ansehen kann. Und der Führer sprüht jetzt, vorsichtig ausgedrückt, auch nicht gerade vor Charme und Esprit. (Es ist natürlich gemein, das so zu schreiben. Er gibt sich ja Mühe. Und immerhin *hust* verrate nicht mal, bei welchem Unternehmen wir überhaupt sind.)
Zum Schluss kommen wir dann endlich in eine große Halle, in der man tatsächlich etwas sieht, in der die Maschinen laufen und wir eine Ahnung bekommen könnten, wie denn die Abläufe sind und was wie gemacht wird, wenn wir, also ich, denn noch zuhören könnten, aber ich bin der ganzen Aktion gegenüber leider schon einigermaßen ungnädig und nicht mehr wirklich willens. Und so höre ich nur noch halbherzig hin, gucke mir ein bisschen die Maschinen an, bin ziemlich fasziniert von der Präzision und der Geschwindigkeit, mit der einzelne defekte Flaschen aussortiert werden, und wie diese Transportbänder laufen, und dann ist es auch schon vorbei. Zum Schluss dürfen wir ein bisschen was verkosten, und dazu gibt es Schinkenbrote, es sei denn, man möchte „aus religiösen oder allergischen Gründen“ lieber ein Käsebrot.
Ich möchte ein Käsebrot, obwohl ich nicht religiös und höchstens gegen blöde Sprüche allergisch bin.
Wow, das klingt ja sensationell schlechtgelaunt. So schlimm war es gar nicht. Und immerhin ist der möglicherweise langweiligste Blogeintrag aller Zeiten dabei rausgekommen, das ist ja auch nicht nichts.
NACHTRAG: Die Brauerei meldet, der Film dauere nur zehn Minuten.
Das Käsebrot war lecker, die angebotenen Getränke auch, ich hatte ein alkoholfreies Alster, und die anderen sahen auch alle glücklich aus. Ich war wohl etwas ungnädig gestimmt an dem Tag, das tut mir leid.