Besser ist das: Zwischenbemerkung

Anke Gröner hat auf meine kleine Artikelreihe hier, beziehungsweise auf Jennys Versuch, sich vegan zu ernähren, mit einem Blogeintrag reagiert, den wiederum ich nicht unkommentiert stehenlassen kann. Denn es geht mir um etwas komplett anderes als das, was Anke beschreibt. (Ich ahne, dass dir das klar ist, Anke, aber ich will das doch gern noch einmal öffentlich klarstellen.)
Mir fällt beim Lesen von Ankes Artikel – und ich bitte um Entschuldigung, wenn das ein wenig kitschig klingt – sofort Michael Endes „Die unendliche Geschichte“ ein. Da bekommt Bastian dieses Amulett mit der Aufschrift „Tu, was Du willst“. Das ist gleichzeitig Erlaubnis und Verpflichtung, denn er ist damit quasi der Chef in Phantásien. Alles, was er will, wird wahr und kann gemacht werden. Bastian genießt diese Freiheit erstmal und tut alles, worauf er Lust hat. Bis er irgendwann merkt: das kann es nicht sein. Es kann nicht um die spontane Bedürfnisbefriedigung gehen, sondern es geht um etwas viel Größeres und Schwierigeres: Herauskriegen, was man wirklich will. Und das dann tun. Und um das zu tun – das, was man *eigentlich* will – muss man die spontanen Bedürfnisse womöglich manchmal sogar hintanstellen. Anders gesagt: Natürlich hätte ich gerade gern ein Stück Schokolade. Aber ich möchte nicht, dass dafür Kinder versklavt werden, also muss ich abwägen, was mir gerade wichtiger ist.
Es geht überhaupt nicht darum, mir irgendetwas zu verkneifen und Verzicht zu üben. Es geht darum, dass ich an ausbeuterischen Systemen nicht mehr teilnehmen möchte, oder jedenfalls so wenig wie möglich. Und was genau „möglich“ ist, für mich ganz persönlich, ist ein Thema, das mich gerade sehr beschäftigt, und mit dem ich hadere. Ich esse kein Fleisch mehr aus Massentierhaltung, weil ich weiß, wie es dort zugeht. Darauf muss ich nicht unter Qualen verzichten, ich möchte es ja gar nicht mehr essen. Dieses Fleisch ist mir kein Genuss mehr, und darum muss ich es mir auch nicht verkneifen.
Beim Fleisch ist das noch halbwegs einfach. Auch deswegen, weil die Alternativen einfacher zu finden sind. Bei Schokolade wird es schwieriger, natürlich möchte ein Teil von mir sie essen, der andere Teil wird an die Kinder denken, die den Kakao geerntet haben. Und ja, das ist manchmal scheißschwierig und manchmal schaffe ich es nicht, weil die spontane Bedürfnisbefriedigung sich dann doch kurz in den Vordergrund drängelt. Aber so richtig aus vollem Herzen genießen kann ich diese Schokolade dann nicht, eben weil ich weiß, dass ich das eigentlich nicht will. Ich will nicht, dass Kinder meine Schokolade ernten. Ich will nicht, dass für meine Klamotten Menschen knietief in Chemikalien waten. Auch wenn das Kleid wirklich hübsch ist und wirklich ein Schnäppchen.
Es geht mir darum, herauszufinden, was ich will, und vor allem: wie ich es umsetzen kann. Welche Kompromisse ich finden kann, mit denen ich umgehen kann, sowohl in praktischer Hinsicht, als auch was mein Gewissen angeht. Es geht nicht darum, „mir den Luxus zu erlauben, mir Dinge zu verkneifen“, wie Anke schreibt, sondern es geht um ganz altmodische Werte: um sowas wie Anstand.

Und wo ich schon dabei bin – was ich auch nicht möchte, ist, den Eindruck vermitteln, ich hätte es irgendwie schon „raus“ oder für mich gelöst. Ich glaube nicht mal, dass es eine „Lösung“ gibt, man kann nur immer weiter suchen und versuchen. Ich bin bekennender Großstadtfan, ich werde sicher nicht demnächst aufs Land ziehen und in Subsistenzwirtschaft leben. Will ich auch gar nicht. Ich suche Mittelwege, ich versuche es an allen Ecken und Enden, und ich weiß, dass es nicht gehen wird, ich weiß, dass ich als moderne Großstädterin kein ethisch einwandfreies Leben führen können werde. Aber das ist, wie schon im Einleitungsartikel geschrieben, kein Grund, es nicht immer wieder zu versuchen. Was ich hier aufschreibe, sind diese Versuche, und außerdem meine Versuche, die Balance zu finden. Zwischen es-immer-weiter-versuchen einerseits, und mich, wenn es nicht klappt, nicht zu sehr grämen andererseits.

Anke schreibt, ihr Kernsatz ist: „Du darfst essen, was du willst.“ Ich möchte auch essen, was ich will, und ich finde auch, jeder soll essen dürfen, was er will. Ich versuche nur gerade herauszubekommen, was ich denn überhaupt will, und wie das gehen kann. Und zwar grundsätzlich, nicht nur jetzt gerade im Moment. Ankes und meine Vorgeschichte in Sachen Essen könnte unterschiedlicher kaum sein; Anke hat sich Zeit ihres Lebens irgendwelches Essen verkniffen, ich habe Zeit meines Lebens gegessen, worauf ich gerade Lust hatte, ohne weiter darüber nachzudenken. Jetzt denke ich endlich darüber nach. Allerdings nicht im Zusammenhang mit meiner Figur, um die es hier überhaupt nicht geht, und es geht auch nicht darum, ob Biozeug gesünder für den Konsumenten ist. Sondern ich denke darüber nach, woher dieses Essen, diese Kleidung, diese sonstigen Konsumartikel kommen, unter welchen Umständen sie produziert wurden, und was ich davon mittragen möchte oder kann oder nicht will.
Es geht um den Versuch, verantwortungsbewusster zu konsumieren. Und damit – für mich – auch genussvoller.

(Bisherige Teile der Reihe:
1. Einleitung: Besser ist das
2. Fleisch
3. Gemüse
4. Schokolade und Kaffee)

Besser ist das: Schokolade und Kaffee

Einen für mich handhab- und vertretbaren Umgang mit dem Konsum von Fleisch und Gemüse zu finden, war vergleichsweise einfach. Da ging es um Tiere und Pflanzen. Jetzt wird es schwieriger, jetzt geht es um Menschen.

Vor einer Weile habe ich hier einen Film von Miki Mistrati über Kinderarbeit auf Kakaoplantagen an der Elfenbeinküste verlinkt. Es zieht einem die Schuhe aus, wie da systematisch Kinder verschleppt und an Kakaobauern verkauft werden, um auf den Plantagen zu arbeiten. So ein Kind kostet etwa 230 Euro, dafür darf man dann damit machen, was man will. Das Geld bekommen allerdings nicht unbedingt die Eltern, sondern im Zweifel derjenige, der das Kind verschleppt hat. Manche Kinder gehen auch freiwillig mit, weil man ihnen einen guten Verdienst in Aussicht stellt, den sie dann natürlich nicht bekommen. Die Schokoladenindustrie tut rein gar nichts dagegen, sie sagt nichts dazu und möchte auch nicht drüber reden. Dieser Film ist schon etwas älter, und die Schokoladenindustrie hat danach versprochen, gegen die Kinderarbeit vorzugehen, Schulen zu bauen, die Kakaoplantagen stärker zu kontrollieren, etc. (mehr …)

Besser ist das: Gemüse

Seit drei Jahren bekommen wir jetzt Gemüse von einem Biohof aus der Region (Gut Wulksfelde. Wie das genau funktioniert, habe ich hier schon mal aufgeschrieben). Der Hof produziert und liefert aber nicht nur Gemüse, sondern betreibt außerdem einen vollständigen großen Biosupermarkt; da klicke ich mir am Wochenende den kompletten Wocheneinkauf zusammen, und Mittwochs wird alles geliefert. Inklusive Fleisch (nur manchmal, siehe oben), Milch, Kartoffeln, Zwiebeln, es gibt wirklich alles, bis hin zu Wein, Kosmetik und Putzmitteln. Ich freue mich jede Woche auf den Lieferanten (wir nennen ihn Gemüsemän), der zudem noch ein netter Mensch ist, seit drei Jahren durchgängig gut gelaunt, und vor allem freue ich mich, dass ich nicht mehr in den Supermarkt muss. Seit drei Jahren kaufen wir im Supermarkt eigentlich nur noch Apfelsaft, oder mal abends eine Tüte Chips. Der Apfelsaft ist uns beim Biodealer schlicht zu teuer, wir trinken nämlich große Mengen davon, und bei Penny um die Ecke gibt’s einen sehr leckeren Bio-Direktsaft.
Eigentlich gilt für Gemüse vom Grundsatz her das Gleiche wie für Fleisch: ich möchte nicht mehr das essen, was ohne jede Rücksicht auf Verluste möglichst billig hergestellt wurde. Eisbergsalat aus Spanien und sowas. Allerdings bin ich beim Gemüse nicht ganz so konsequent – wenn mir die Zwiebeln ausgehen und ich ausnahmsweise doch schnell bei Penny welche hole, dann sind sie eben nicht bio. Nicht so schlimm. Anders als beim Fleisch; wenn es kein Biofleisch gibt, dann gibt es eben kein Fleisch.
Auch bei Obst und Gemüse muss man einen gangbaren Mittelweg finden. In unserer Obstkiste sind zum Beispiel auch Bananen und Orangen. Die stammen natürlich nicht aus regionalem Anbau. Ich kaufe gern so regional wie möglich, aber ich möchte auch nicht den ganzen Winter über nur Kohl und Äpfel essen. Ich esse im Winter keine Erdbeeren, denn die wachsen im Winter nicht, aber ich esse Bananen und Kiwis und Orangen, die wachsen hier sogar überhaupt nicht, sondern werden um die halbe Welt hierhergebracht. Ich bin dankbar dafür, dass dieses Obst hergebracht wird, und ich genieße das. Man könnte natürlich sagen, wer in Mitteleuropa Ananas isst, kann auch im Winter Erdbeeren essen, das liegt auf der nach oben offenen Beklopptheitsskala ungefähr auf gleicher Höhe. Tue ich aber nicht. Ich esse auch keinen Spargel aus Peru oder Griechenland, die paar Wochen kann ich dann auch noch warten, bis der heimische Spargel da ist. Das kann man verdreht nennen, oder bigott, oder pragmatisch, ich weiß es nicht. Jedenfalls brauche ich auch bei Obst und Gemüse Mittelwege und Kompromisse. Meine Kompromisse sind: ich esse Obst, das hier nicht wächst, sondern um die halbe Welt hierhergebracht wird. Aber das, was hier wächst, hätte ich gern auch von hier, und zwar zu vernünftigen Jahreszeiten. Allerdings ist auch das leider nicht unbedingt so einfach, wie es klingt – irgendwann regte ich mich mal über Äpfel aus China auf, ich meine: Äpfel! Aus China! Als würden die hier nicht wachsen, die muss man doch nicht aus China holen! Aber irgendwer erklärte mir dann, dass Äpfel ja hier auch gelagert werden müssen, sie wachsen hier ja auch nicht das ganze Jahr über. Und sie zu lagern, kann unter Umständen deutlich mehr CO2 erzeugen, als wenn man sie um die halbe Welt schippert. Sowas nervt mich kolossal, wenn man nicht mal mehr weiß, worüber man sich nun genau aufregen soll. Wenn man versucht, es richtig zu machen, aber dann ist es auch wieder falsch, einfach weil man es nicht besser weiß, und weil die Verstrickungen in alle Richtungen so undurchschaubar sind und einem irgendwie auch niemand sagen kann, was gut und richtig ist. Aber so sieht’s wohl aus: die Welt ist ganz schön komplex, und man durchschaut das nicht immer alles gleich. Wieder versuchen, wieder scheitern, besser scheitern.

Für Menschen, die gerne einkaufen gehen, sind bestimmt auch Wochenmärkte eine tolle Sache. Ich persönlich verabscheue Einkaufen aus tiefstem Herzen. So sehr, dass ich nicht mal auf den Markt will, obwohl ich weiß, dass es da eigentlich schön ist. Es wird auch nichts nutzen, wenn Ihr jetzt in die Kommentare schreibt, wie super es auf dem Markt ist. Ich weiß das. Theoretisch. Und zweimal im Jahr versuche ich es auch. (Spargel! Blumen!)

Das Reduzieren des Fleischkonsums hat – auch dank der Gemüsekiste – übrigens keineswegs den Effekt, dass wir uns dauernd etwas verkneifen würden und das Gefühl von Verzicht hätten, sondern im Gegenteil: es hat unseren Speiseplan enorm bereichert. Da waren nämlich auf einmal Dinge in der Gemüsekiste, die ich nie gekauft hätte, weil ich gar nichts damit anzufangen wusste. Aber „Ich weiß nicht, wie das geht“, ist in Zeiten des Internets keine valide Ausrede mehr, schon gar nicht fürs Nichtkochen. Und wie schon neulich im Fleischartikel beschrieben: Neugierig zu bleiben oder erstmal wieder zu werden, ist eine sehr gute Idee. Es gibt total viele tolle Lebensmittel da draußen, die man vielleicht gar nicht so auf dem Zettel hat; vermutlich, weil die eigene Mutter sie nie gekocht hat. Dabei kann man einfach mal probeweise etwas kaufen, was man nicht kennt, und was dann möglicherweise superlecker ist.
Apropos kaufen: Wir haben zwar nie wirklich Buch geführt, aber mein Eindruck ist ganz eindeutig, dass wir nicht mehr Geld für Lebensmittel ausgeben als vorher. Wir werfen deutlich weniger weg, weil wir es wieder mehr wertschätzen. Wenn ich das Gefühl habe, wir kriegen nicht das ganze Gemüse gegessen, dann koche ich vor und friere es ein. Es gibt ungefähr gar nichts Vorgefertigtes mehr (außer Nudeln, wenn man die zählen will), und dieses vorgefertigte Zeug sieht ja auch nur auf den ersten Blick preiswert aus, ist es aber gar nicht. Wir bestellen pro Woche für 15 bis 20 Euro Obst und Gemüse und kommen damit prima hin. Dazu kommen Milch, Butter, Kartoffeln, Zwiebeln und so weiter. Mit Fleisch und Käse wird es natürlich etwas mehr.
Gemüse ist super, ich freue mich da andauernd drüber.

Verblüffend finde ich, wie hilflos manche professionelle Köche sind, sobald es um Gemüse geht. Mit „professionell“ meine ich jetzt gar nicht die gehobene Cuisine, sondern Landgasthöfe oder den oben schon erwähnten Ratskeller. Oder ungefähr alle Restaurants auf Helgoland. Es kann doch nicht wahr sein, dass die alle nur Fleisch und Fisch können und als vegetarische Alternative totgekochten Brokkoli mit Sauce Hollandaise aus dem 5-Liter-Eimer anbieten.
Vor einer Weile sprach ich mit Steffen Hellmann, dem Chef des Restaurants Nil, das für seine Fleischgerichte bekannt ist. Und zwar nicht, weil es etwa Riesenportionen gäbe, sondern weil sie nur Tiere verwerten, die sie quasi mit Namen kennen, und die sie gerne im Ganzen kaufen. Was dazu führt, dass es auch schon mal Ungewöhnliches gibt wie Kalbsbries oder so. Es ist das einzige Restaurant, in dem ich bedenkenlos ein Fleischgericht bestelle (ich habe mich aber auch nicht wirklich nach Alternativen umgesehen, bestimmt gibt es auch in Hamburg noch mehr Möglichkeiten). Die Karte ist immer klein, acht Hauptgerichte, und sie wechselt monatlich. Von den Hauptgerichten war lange Zeit immer eines vegetarisch – inzwischen sind es immer zwei. Weil, wie Steffen sagt, die Leute so langsam doch anfangen nachzudenken und immer vernünftiger werden. Vor allem die Frauen – Frauen, sagt Steffen, seien ja sowieso klüger und würden Dinge als erstes merken, vor allem, was die Ernährung angeht.
Das lasse ich jetzt mal so stehen. Hihi.

(Das war Teil drei der Reihe. Bisher erschienen:
1. Einleitung: Besser ist das
2. Fleisch)

Besser ist das: Fleisch

(Einleitung: Besser ist das)

Angefangen hat es bei mir mit dem Fleisch. Wahrscheinlich war mal wieder das Internet schuld, wo lauter kluge Leute zunehmend über das Thema Ernährung schrieben; ich weiß es nicht mehr. Als ich den Auftrag bekam, Foers „Tiere essen“ mitzuübersetzen, rannte das Buch jedenfalls schon offene Türen ein und hat mich schwer beeindruckt. Ich habe viel recherchiert, viele Filme auf Youtube geguckt, gelesen, mich intensiv mit dem Thema beschäftigt.
Ich esse leider sehr gern Fleisch, und ich bin auch nach der Übersetzung nicht Vegetarierin geworden, auch wenn Teile meines Umfelds das zu glauben scheinen. Wann immer ich auf Facebook irgendwas von Fleisch schreibe, kommentiert jedenfalls ziemlich sicher jemand „das ist aber nicht vegetarisch“ oder „was sagt denn Herr Foer dazu?“ (mehr …)

Besser ist das

Ich wollte einen Blogeintrag über den Versuch schreiben, ein besserer Mensch zu sein. Nicht so sehr im täglichen Umgang mit anderen (meistens bin ich ganz nett), sondern was mein Konsumverhalten angeht. Den Konsum von Tierprodukten, Gemüse, Schokolade, Kleidung, Plastik, überhaupt Waren von Großkonzernen oder kleinen Produzenten, und so weiter. Und darüber, dass auch das schönste vegane Gemüseabo nur ein Versuch von vielen sein kann, es an einer Stelle von vielen ein bisschen besser zu machen. Dass man damit natürlich nicht die Welt retten kann, es aber trotzdem wichtig ist, es immer wieder zu versuchen und die Dinge wenigstens im Kleinen ein bisschen richtiger zu machen. Und dass es manchmal schwierig ist, nicht wütend zu werden, denn wenn man erstmal anfängt, sich mit Themen wie Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit zu befassen, dann wird das Thema immer größer und unüberschaubarer, und dann kann man schon sehr, sehr wütend werden, und man kann auch verbittert werden, über die Welt und wie sehr sie durch Profitgier angetrieben wird, und auch auf sich selbst kann man wütend werden, weil man es nämlich nicht schafft, weil man es gar nicht schaffen kann, weil es als moderner Großstädter schlechterdings unmöglich ist, ein ethisch einwandfreies Leben zu führen. Und dann wird man auch manchmal auf sich selbst wütend, weil man sich dazu hat hinreißen lassen, anderen Leuten Vorträge über diese Themen zu halten, oder andersherum deswegen, weil man sich nicht genügend bemüht hat, andere zu überzeugen, nicht mehr bei H&M zu kaufen, nur so als Beispiel. Und dann wird man auch auf andere wütend, denen man nie im Leben einen solchen Vortrag halten würde, die das aber einfach behaupten. Die behaupten, das Nervige an Vegetariern sei, dass sie einem immer Vorträge hielten, dabei kenne ich das in der Tat ausschließlich umgekehrt, man möchte eigentlich nur in Frieden kein Fleisch essen, wird dann aber von Fleischessern ausführlich über ihre Essgewohnheiten informiert, was schnell zu Rechtfertigungen wird, die man nie hören wollte („… auch nur noch ganz wenig Fleisch“, aber vergessen, Aufschnitt und Wurst mitzuzählen), oder sie prahlen umgekehrt damit, wieviel Fleisch sie verdrücken können und behaupten, nur von so Grünzeug würden sie ja gar nicht satt. Manchmal sind sie auch mitleidig, und fragen, ob man denn satt würde, oder noch schlimmer, sie werden hämisch und erklären einem, dass die schönen Schuhe allerdings auch aus totem Tier gemacht sind. Und dann sitzt man da und zwingt sich zum Schweigen, und das kann einen alles sehr wütend machen. Denn ich behaupte ja gar nicht, ich würde alles richtig machen, und ich behaupte auch nicht, ich könnte die Welt retten, wenn ich meinen Fleischkonsum einschränke, das behaupte ich alles nicht, und das ist mir alles klar, ich bin ja nicht blöd. Aber soll ich deswegen aufhören, es hier und da zu versuchen? Ich kann mich doch nicht weiterhin benehmen wie ein Berserker und die Welt ausbeuten, Mensch, Tier und Umwelt, wenn ich doch wenigstens ein paar kleine Dinge ein klein wenig besser machen kann. Denn immerhin zwingt mich niemand, Fleisch aus Massentierhaltung zu essen oder von Kindern geerntete Schokolade, und Kleider zu tragen, die unter entwürdigenden Bedingungen in Bangladesh hergestellt wurden. Das muss ich alles nicht, und das möchte ich alles nicht, aber ich verurteile niemanden, der es nur an einer dieser vielen Stellen versucht, ich bewerte es nicht, wenn jemand Vegetarier ist, aber viermal im Jahr eine Flugreise unternimmt, oder wenn einer nur selbstgenähte Kleidung aus Biomaterialien trägt, aber billiges Fleisch isst, ich möchte diese Urteile nicht. Ich möchte auch selbst nicht so beurteilt werden. Aber was ich auch nicht möchte, ist „einer allein kann eh nichts ausrichten“ als Begründung dafür, dass man sich weiterhin wissentlich und damit willentlich an allerhand Sauereien beteiligt.
Natürlich bin ich auch nur ein Mensch. Ich kaufe durchaus auch schon mal etwas, wo ich eigentlich nicht dahinterstehe. Dann ärgere ich mich, und dann denke ich „das eine Mal macht jetzt global gesehen den Kohl auch nicht fett“. Und dann denke ich Beckett: „Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.“

Darüber wollte ich schreiben.
Und dann hätte ich gehofft, dass mir beim Schreiben irgendein kerniger, kluger Satz einfällt, der realistisch ist und ein bisschen tröstlich und eine Art Faustregel oder Ermutigung oder irgendsowas enthält, an der man sich festhalten kann, wenn man mal wieder an den eigenen Ansprüchen und guten Vorsätzen oder an den Umständen gescheitert ist. Mein Satz, an dem ich mich festhalte, ist eine dieser jüdischen philosophischen Denksportaufgaben und geht so:

Du hast nicht die Pflicht, das Werk zu vollenden. Aber du darfst auch nicht aufhören, es zu versuchen.

Das ist tröstlich, wenn man es mal wieder nicht geschafft hat. Wenn man sich doch eine Plastiktüte hat geben lassen, weil man den Leinenbeutel vergessen hat, oder wenn man das Kleid „Made in Bangladesh“ doch gekauft hat, weil es so schön ist. Du hast nicht die Pflicht, das Werk zu vollenden, sei ein bisschen nachsichtig mit dir. Aber versuch’s halt weiter, und dann wirst du wieder scheitern und besser scheitern und es weiter versuchen.

Und dann wollte ich meine ganz persönlichen Versuche, es etwas besser zu machen, aufschreiben. Meine eigenen Mittelwege und Kompromisse. Ich habe mit dem Thema Fleisch angefangen, und das ist so lang geworden, dass ich das alles jetzt auf mehrere Blogeinträge verteilen werde, weil es sonst zu viel ist und zu lang wird. Und zwar in den Kapiteln (Planungsstand heute, das kann sich alles ändern) Fleisch, Gemüse, Kaffee und Schokolade, Geld, Kleidung, Plastik und Müll, Großkonzerne vs. Kleinunternehmer. Als Fazit am Ende wird sich ein kleiner Rant darüber anbieten, wie unfassbar bescheuert ich es finde, das Wort „Gutmensch“ als Schimpfwort zu benutzen. Was soll man denn sonst sein wollen, ein Scheißmensch?

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Alle „Besser ist das“-Artikel finden sich hier.

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