Der Titel ist eigentlich verkehrt herum, es fängt nämlich damit an, dass erstmal alle nichts sagen. Drei Tage lang. Die ersten drei erzählten Tage finden auf einem Schweigewochenende statt, auf dem die Ich-Erzählerin Mila versucht, runterzukommen, sich zu sortieren, die Stille auszuhalten, nicht zu denken. Nach diesem Wochenende nimmt sie einen der anderen Teilnehmer ein Stück im Auto mit und landet für die nächsten drei Tage in seinem Hotelbett. Und dann kommt das mit der Liebe.
Ich hatte erstmal verschiedene Befürchtungen. Da rechts mache ich Werbung für dieses Buch. Das ist natürlich so eine Sache – was, wenn ich es nicht mag? Ich hatte mir das Buch ausdrücklich gewünscht für die Werbung, weil ich Susann Pásztors ersten Roman Ein fabelhafter Lügner so gern mochte. Aber dann hatte ich ein bisschen Angst, dass es so ein typischer Frauenroman sein könnte, wegen des Titels und des Covers und des Klappentexts. Und zweitens hatte ich Esoterikbefürchtungen, wegen des Schweigeseminars. Und nun ist es so:
Na klar ist das ein Liebesroman. Aber vor allem ist es eine Charakterstudie, oder ein Entwicklungsroman. Jegliche Kitschangst ist unbegründet, und die Esoterikangst hat Mila selbst, die brauche ich nicht auch noch zu haben. Mila ist zu Beginn eine der einsamsten Romanfiguren, an die ich mich erinnern kann. Man möchte sie dauernd in den Arm nehmen. Und nein, man möchte nicht „heul doch“ sagen, denn sie heult gar nicht, sie jammert nicht, sie ist vielmehr höchst reflektiert und hat ein verblüffend gesundes und realistisches Selbstbild – endlich! Danke! Ich mag nicht mehr von diesen Protagonistinnen lesen, die sich dauernd irgendwas einreden. Außerdem hat sie einen guten Humor, sodass sie sich das „heul doch“ schon selbst sagt. Ach ja, sie heult natürlich auch. Aber das ist auch völlig in Ordnung, manchmal muss man halt heulen.
Und dann ist da Simon und diese urplötzliche Leidenschaft – die beiden landen im Bett und bleiben da für die nächsten drei Tage. Und da passiert die zweite große Wunderbarkeit dieses Buchs: sie haben Sex, und es ist schön. Fertig. Mila fragt sich nicht, ob ihre Brüste hängen, ob sie zu alt, zu dick, zu faltig, zu wenig hübsch, zu sonstwas ist, nichts davon. Und Simon auch nicht. Sie machen auch keine Turnübungen im Bett und vollbringen nicht irgendwelche Leistungen. Das finde ich unglaublich wohltuend, geradezu eine Erleichterung. Zwei erwachsene Menschen haben Sex, und es ist schön. Das Leben kann so einfach sein.
Außer dass es das natürlich keineswegs kann, denn die drei Tage gehen unweigerlich zu Ende, und es war nicht nur Sex, sondern Liebe. Und dann kommt der dritte Teil des Buches, über den ich jetzt nichts mehr sage, denn Ihr sollt bitte alle gleich morgen in die Buchhandlung gehen und das kaufen. So ein schönes, warmes, kluges, vorne trauriges und hinten glücklichmachendes Buch. Denn am Ende … dafür hätte ich jetzt einen schönen Satz parat, mit dem auch klar wäre, warum das ein Entwicklungsroman ist, aber damit hätte ich dann leider auch das Ende einigermaßen ausgeplaudert, und das tue ich natürlich nicht.
Quasi auf ganzer Linie gescheitert. Was sagen wir denn dazu! Dazu sagen wir folgendes: na und? Übermorgen gebe ich ein Buch ab, da habe ich in den letzten Wochen natürlich abends am Schreibtisch gesessen, statt Bücher zu lesen, Filme zu gucken oder auszugehen und was zu erzählen zu haben. Macht ja nix, wen interessieren denn ein paar nicht umgesetzte Vorsätze. Niemanden.
Aber wenn ich am Freitag das Buch abgegeben habe! Dann! Dann wird Frühling, und dann gucke ich Filme und lese Bücher und mache Sport und gehe aus und räume auf und werfe weg und alles.
Ein Katheder ist ein Lehrerpult. Mit D hinten, wie beispielsweise „desk“. Das kommt vom Lateinischen cathedra, was Lehrstuhl oder Bischofssitz bedeutete. Das Wort Kathedrale kommt ebenfalls daher, das ist nämlich eine Kirche, in der sich ein Bischofssitz befindet. Kirche und Schule war ja früher quasi das gleiche, kann man sich also gut merken.
Merken: das mit T hinten tut, jedenfalls heutzutage, körperlich mehr weh, und das hört man schon. Katheter kann man knallhart schmerzhaft aussprechen, während ein Katheder nach hinten hin geradezu weich wird. Quasi Kuschelpädagogik. Mit D hinten wie „desk“.
- „As far as the translator’s role in the process, it is my view that the translator’s own voice needs to come through in the newly created text, otherwise the result can read like generic, plain-vanilla translationese.” Meine Kollegin Shelley Frisch in Words without Borders.
- Wie wundervoll ist das denn! Automatisch generierte Gedichte aus Tweets: Pentametron watches all the public tweets created in a day. „It picks out the ones that happen to be in iambic pentameter,“ says Ranjit Bhatnagar, an artist and the inventor of the program. „When it finds some of those, it looks for a pair that rhyme, and then it tweets out a couplet.“
- Günter Wallraff wusste nicht, dass seine Bücher bei Amazon verkauft werden. Das ist ja schon geradezu niedlich. Er hat seinen Verlag Kiepenheuer und Witsch gebeten, das nicht mehr zu tun. Das finde ich irgendwie cool, aber bringen wird es natürlich gar nichts.
- Sehr schön: Toxic Translation: A Twelve-Step Program for Self-Injuring Translators
Zwar geht es da um Fachübersetzer, aber es gilt natürlich für Literaturübersetzer genauso. Ich mag ja Erkenntnisse wie diese hier: 3. Prepare to receive a truth of the universe in nine words: Translation rates are dropping because translators accept low rates.
- Und um nochmal auf das Thema der vorletzten Woche zurückzukommen:
- Und auf ein noch älteres Thema, nämlich den Plastikmüll: An der andalusischen Küste wurde ein verendeter Pottwal angespült. In seinem Bauch: 17 kg Plastikmüll. 30 qm Plastikplane.