Das Klavier (3)
(Hier ist Teil 1, hier Teil 2.)
Ich bekomme über 20 Zuschriften von Leuten, die sich für das Klavier interessieren. Für ihr Ferienhaus in Portugal. Für die Enkelin (und ich habe den Verdacht, dass es mit den Eltern der Enkelin nicht abgesprochen ist). Kurze Mails mit einem einzigen Satz. Lange Mails mit den eigenen Klavier-Geschichten. Wahnsinnig nette Mails. Mails aus Köln oder Bayern oder Sachsen. Mails aus Hamburg.
Einige kann ich schnell aussortieren. Beispielsweise finde ich, dass man ein Klavier nicht bis nach Portugal transportieren muss. Erstens gibt es dort ja auch welche, zweitens lebt meins seit 100 Jahren in Norddeutschland, es war noch nie weiter südlich als Köln. In Portugal sind es im Sommer 40°C, und im Winter in einem ungeheizten Ferienhaus wahrscheinlich 4°C. Das würde es wohl nicht lange mitmachen.
Die lustigste Mail kommt vom Kulissenbauer eines großen Hamburger Theaters, sie bauen gerade an einem Bühnenbild mit mehreren Klavieren. Kurz erscheint mir eine Zweitkarriere als Theaterklavier sehr glamourös, allerdings müsse ich wissen, heißt es dann in der Mail, dass der Theaterbetrieb bisweilen ein wenig ruppig sei und sie das Klavier möglicherweise zersägen würden. „Wenn das für Sie in Ordnung ist.“ Öhm, nee. Ist es nicht nicht. Doch nicht so glam.
Ich schreibe eine Mutter an, die es für ihren elfjährigen Sohn möchte, wir machen einen Termin aus. Ihr Mail ist furchtbar nett, das Klavier würde bei ihnen „zwischen Feuerwehrautos, Legosteinen und Englischvokabeln“ stehen, das kommt mir vor wie genau der richtige Ort. Der Klavierbauer Herr Becker kommt auch noch mal dazu und gibt seine Expertise ab, was wirklich nett ist. Ich bin beeindruckt, wie gut der Sohn schon spielt, und am nächsten Abend sagen sie ab. Der Mutter kommt die Reparatur irgendwie doch zu aufwändig vor, auch wenn sich an den Kosten nichts ändert, und der Sohn kann sich nicht gut vorstellen, wie das Klavier klingen würde, wenn es gestimmt wäre. Was auch vielleicht ein bisschen viel verlangt ist, wenn man elf Jahre alt ist.
Die nächste, bei der ich mich melde, heißt K. und freut sich sehr. Sie braucht Herrn Becker nicht nochmal dabei, es genügt, wenn ich ihr sage, was er gesagt hat. Sie kann auch gar nicht spielen, möchte es aber lernen. Sie findet das Klavier wunderschön. (Zu Recht.) Ich bitte einen kompetenten Nachbarn, ihr ein bisschen was auf dem verstimmten Ding vorzuspielen, damit sie es mal hört. Ich finde immer noch: für 20 Jahre ungestimmt gar nicht mal so schlimm. Der Nachbar sagt, man kann eine ganz einfache Mechanik einbauen, die das Klavier stumm schaltet und den Ton auf Kopfhörer überträgt, sodass die Nachbarn nichts hören.
Mir blutet jetzt doch ein bisschen das Herz, es wegzugeben. Kurz überlege ich, ob ich nicht lieber so etwas einbauen lasse und es doch noch mal selbst versuche … ach, who am I kidding. Mache ich ja doch nicht.
K. und ich trinken Kaffee und mögen uns und plaudern über Wohnungseinrichtungen. Und darüber, wie es jetzt weitergeht, wer wann was wo abholt, bzw. abholen lässt. Herr Becker heißt inzwischen Michael.
Die Reihenfolge ist (das weiß ich, weil es schon mit Michael und Mutter-und-Sohn besprochen war):
1. Michael holt die Mechanik ab und repariert sie in seiner Werkstatt.
2. Die Klaviertransporteure holen den Rest des Klaviers ab und bringen ihn zu K.
3. Der Klavierbauer baut die Mechanik bei ihr wieder ein und stimmt das Klavier.
4. Wir überlegen uns, was wir an die Stelle stellen, wo bisher das Klavier stand. Und ob da wirklich kein Bücherregal hin soll. Weil, warum denn nicht? Dummerweise wäre es schon vom ersten Tag an voll.
5. Ich frage K., ob ich mal zu ihr kommen und es hören darf, aber das weiß sie noch nicht.
Punkt 1 ist erledigt. Die Mechanik ist in der Werkstatt, es kommt kein Ton mehr aus dem Klavier. Der Transporteur, den Michael empfohlen hat, hat gerade keine Manpower, ein anderer macht nach ein paar Tagen ein Angebot, das uns allen sehr teuer vorkommt, der erste sagt dann aber doch, das sei normal – es muss hier aus dem zweiten Stock runter und bei K. in den vierten hoch. Wir bleiben dran. Also, K. bleibt dran, ich warte ab.
(tbc)