Anfang des Jahres schrieb ich, dass dieses Jahr vielleicht etwas ruhiger werden würde, und ahnte schon, dass das nicht klappen würde. „Irgendwann Anfang März“ die neue Gardam abgeben, war der Plan. Hmmm, ja klar, da konnte ich dann natürlich mal eben noch ein Kapitel „Fire and Fury“ einschieben, logisch ging das. Nur dass am selben Tag die Meldung von Hanser kam, dass sie von der neuen Gardam doch wieder ein Leseexemplar machen wollen und ich also nicht „irgendwann Anfang März“ abgeben kann, sondern es schon am 26. Februar in Satz sollte, sprich: auch schon lektoriert sein. Also habe ich mal wieder für ein paar Wochen den Turbo eingelegt, das war auch nicht schlimm, ich war vergnügt, weil diese Gardam wirklich absolut fantastisch ist, unfassbar guter Roman, das hat großen Spaß gemacht. Erscheint im Herbst. Und ich gehe seit meinem Bandscheibenvorfall vor zwei Jahren regelmäßig zum Feldenkrais, das tut gut, ich war auch körperlich gut drauf, hatte keine Rückenschmerzen und nix. Und dachte die ganze Zeit: Noch drei Wochen. Dann machst du Pause. Ist nur viel im Moment, aber alles ist gut. Und den ganzen Kranken, Siechen und Maladen in meinem Umfeld habe ich gesagt: Das macht mir nix, krank wurde bei mir nicht eingebaut, I don’t do krank, ich stecke euch alle mit Gesund an.
Und weil Hochmut bekanntlich vor dem Fall kommt, wurde ich dann pünktlich zur Gardam-Abgabe, genau: krank. Und kann euch jetzt voller Überzeugung berichten: Kehlkopfentzündung ist doof. Gruselig, wenn plötzlich einfach kein Ton mehr aus einem rauskommt. Das dauerte lehrbuchmäßig drei Tage, dann kam meine Stimme langsam zurück, dafür bekam ich dann Fieber und bla, was man halt so hat. Ich musste eine Lesung absagen, es wäre die 101. gewesen. Und eine Party, das war sehr schade, man hätte dort Lindy Hop lernen können, und die Fotos hinterher sahen supernett aus. Immerhin: Sieht aus, als würde ich stattdessen jetzt Tango tanzen lernen. Feine Sache.
Eine Woche später war ich auf einer anderen, ebenfalls supernetten Party in München, halbwegs wieder fit. Schönes Fest, tolle Gäste, zauberhafte Gastgeber, und eine schöne lange Heimfahrt am nächsten Tag mit K., mit der ich viel zu lange keine Zeit zu zweit hatte. Und letztes Wochenende war ich mit dem lustigen Mann ein paar Tage in Worpswede, das war schon lange geplant und ebenfalls sehr schön, auch wenn die meiste Zeit Nieselnebel war und ein Teil der Museen geschlossen wegen Umbau. Egal, es war genügend offen, und es gibt ja auch reichlich zu sehen. Und spazierenzugehen und zu essen und zu schlafen.
Und morgen fahre ich nun schon wieder weg, nach Leipzig zur Buchmesse, wo ich am Donnerstag im Übersetzerzentrum ein Podium moderiere. Berühmte erste Male. Und außerdem lauter tolle Leute treffe, ich freu mich schon wieder sehr auf die Messe. Und dann ist aber auch genug Zeit mit Kranksein und Reisen und Luftholen vergangen, dann fange ich endlich wieder an zu schreiben. Und zu laufen. Und dann soll bitte Frühling werden und die Sonne scheinen, ich habe es auch, wie jedes Jahr um diese Zeit, mal wieder gründlich satt, immer so viel anziehen zu müssen, ich möchte mir ein kleines Kleidchen überwerfen und fertig.
Der Plan ist immer noch, vor den Sommerferien mit der ersten Fassung des neuen Romans fertig zu sein. Ich habe immer noch Angst vor der eigenen Courage. Es ist immer noch ein ziemlich ehrgeiziges Projekt. Aber nu bin ich mitten drin und meistens guter Dinge, dass es was werden kann. Im April mache ich 10 Tage Schreibklausur zu dritt, das wird sicher gut und produktiv und hilfreich.
Ach so, Hanser will die nächste Gardam übrigens auch vorziehen. Also tschüss, lockere zweite Jahreshälfte. Hello Schreibtisch, my old friend. Denn dass das jemand anders übersetzt, kommt, wenn man mich fragt, gar nicht in die Tüte.
- Die wundervolle Anne von Canal, deren Fan ich sowieso bin (Der Grund, die Inseln) hat einen neuen Roman geschrieben: Whiteout. Genauso fantastisch wie „Der Grund“, und er ist zu Recht Buch des Monats beim NDR. Bitte unbedingt alle lesen!
- Es fehlt unerklärlicherweise auf der Longlist für den deutschen Buchpreis. Stattdessen stehen dort acht Bücher, die noch gar nicht erschienen sind. Für den gemeinen Leser ist das doof, man kann sich gar keine Meinung bilden.
- Hans von Trotha im Deutschlandfunk über die Covergestaltung von Büchern. Einer von vierhundert Gründen, KiWi zu lieben, da lief das nämlich ganz anders.
- Daniel Kampa im Börsenblatt über seinen Neustart mit dem Kampa-Verlag, der keineswegs ein reiner Simenon-Verlag mit ein bisschen Deko drumherum sein soll.
- Ein interessantes Interview mit Sven Regener in der faz über seinen neuen Roman Wiener Straße, der dieser Tage erscheint. Hier noch eins in der taz. Außerdem ist die Verfilmung seines letzten Romans Magical Mystery angelaufen, die will ich unbedingt auch sehen. Wobei ich von seinen Büchern zugegebenermaßen nur Herr Lehmann gelesen habe, und das ist ja ewig her. Aber hey, ich habe Karten für Element of Crime in der Elbphilharmonie! Im Mai 2018! Freue ich mich jetzt schon drauf.
- Da war ich neulich auch schon und habe Rufus Wainwright gehört. Vielleicht eins der besten Konzerte, die ich überhaupt je erlebt habe, es war unfassbar. Überwältigend. Und weil ich sowieso nicht zum Bloggen komme, hier wenigstens ein Song.
(Zum Teil nicht mehr ganz frisch. Aber veraltet ja auch nicht.)
- Joachim Kaiser ist gestorben. Hier ein fast zehn Jahre altes Interview in der SZ.
- Niklas Bender schafft es, Carlos Ruiz Zafón nicht zu mögen, ihn aber auch nicht unfair zu verreißen. Nur am Ende platzt ihm kurz der Kragen. Ich habe mir den ersten Band mal nach einem Übersetzerseminar für die Heimfahrt gekauft, auf dringenden Rat einer Kollegin. Habe ihn nach 10 Seiten allerdings zur Seite gelegt und nie wieder reingeguckt, ich bin nämlich auch allergisch gegen Bücherverehrungsromane. Ebenso wie gegen Romane, deren Protagonisten Schriftsteller sind.
- Tijan Sila in der ZEIT über Schreiben und Sport. Ich sollte endlich Skaten lernen. Immerhin hatte ich schon wieder angefangen zu laufen, aber jetzt habe ich gerade den Fuß kapott. (Die vorletzte Treppenstufe für die letzte gehalten, wie so‘n Trottel.)
- Dörte Hansen übers Pfahlsitzen, den goldenen Totenkopf, Marathon, Erfolg und Wunder. Ich bin nicht das Dörte-Hansen-Wunder, ich laufe auch keinen Marathon, sondern hoffentlich irgendwann wieder 10 km, aber: ja, ja, ja. Genau.
- Der Emons-Verlag macht jetzt Bücher für echte Kerle. Man möchte fast auf jeden einzelnen Satz reagieren, und zwar mit Haareraufen. Keine Zeit, daher nur dies: Wer sich „Charly“ nennt, heißt in Wahrheit vermutlich Karl-Heinz. Und übrigens: „nicht unlangweilig“ heißt: langweilig. Und Leute, die mit 200 Sachen über die Autobahn brettern, die … ach, egal. Und so weiter. Mannmannmann.
- Und Karin Betz über das Übersetzen von Liao Yiwu. Die Herausforderungen bei Übersetzungen aus dem Chinesischen haben noch eine ganz andere Dimension als die bei denen aus dem Englischen.
- Und zum dritten: Karin Krieger über das Übersetzen von Elena Ferrante.
- Die Basler Zeitung über „den Schakal“ Andrew Wylie.
- Und zum Schluss was fürs Herz. About how society kills creativity. Und jetzt alle: *Ach wie süüüüüß!*
Man kommt zu nix. Aber wem sag ich das.
Man kommt natürlich schon zu was, irgendwann doch endlich, jedenfalls: Ich habe die nächste Jane Gardam fertig. Im Herbst erscheint ein Die Leute von Privilege Hill, ein Band mit Kurzgeschichten, die absolut großartig sind, es hat wirklich Spaß gemacht, sie zu übersetzen. Und das Buch sieht auch noch toll aus. Es sind Schwäne drauf! Ich habe ja gute Erfahrungen mit Büchern mit Vögeln drauf.
Ich war auch wieder ein bisschen unterwegs. Das Allgäuer Literaturfest hatte mich für einen Samstag Abend eingeladen. Dann fiel ihnen ein, ob ich auch noch eine Schulveranstaltung machen könne, die musste dann natürlich am Freitag Vormittag sein. Also bin ich am Donnerstag schon ins Allgäu gefahren, habe Freitag früh die Schulveranstaltung gemacht, hatte den Rest des Freitags und den Großteil des Samstags frei und Samstag Abend die Abschlussveranstaltung des Festivals. Zwischendurch habe ich am See herumgelegen, gelesen, mich nicht von einer Schnappschildkröte beißen lassen, mir einen amtlichen Sonnenbrand abgeholt wie so eine Anfängerin, das nächste Wasmachendieda abgetippt und es überhaupt ganz schön gut gehabt. Sonntag bin ich zurückgefahren und am nächsten Donnerstag dann in die andere Richtung, nach St. Peter-Ording. Dort hat es geregnet, ich habe einen Strandspaziergang gemacht und bin ordentlich nass geworden, aber am nächsten Morgen war es schön, und ich hatte noch einen Sonnen-Strandspaziergang.
Beide Male hatte ich vorher, ehrlich gesagt, nicht so richtig Lust – keine Lust mehr auf Bahnfahrten und Hotelbetten und Unterwegssein. Und beide Male waren es dann ganz besonders zauberhafte Lesungen mit besonders reizenden Veranstaltern und besonders schönen Locations und … ich mache es auch einfach gerne.
Das waren die letzten Lesungen vor den Sommerferien, und inzwischen sind die Gardam-Stories auch lektoriert und durchgesprochen und im Satz. Ich atme jetzt mal kurz aus und mache den Schreibtisch leer. Nächste Woche ist Übersetzertagung, darauf freue ich mich, und dann muss ich auch dringend, jawoll: mit dem neuen eigenen Roman anfangen. Der wird sehr anders als der Pfau; schwieriger, ich habe mir ziemlich was vorgenommen und ein bisschen Angst vor der eigenen Courage. Gleichzeitig glaube ich, dass es gehen kann und scharre mit den Hufen. Der Plan ist, Ende des Jahres fertig zu sein, erscheinen soll er im Herbst 2018. Was ziemlich ehrgeizig ist.
Am Sonntag war ich auf einem Geburtstag in Planten un Blomen eingeladen, es gab Sekt und Kuchen und Käse und Chips und Wein auf Picknickdecken, und der erste, den ich sah, als wir die richtige Party suchten, war der Mann des Geburtstagskinds. Er kam auf uns zu, und ich dachte: Boah, sieht er gut aus. Dann merkte ich, dass das unter anderem daran lag, dass er nackte Füße hatte, die Jeans hochgekrempelt, die Ärmel hochgekrempelt, und eine Sonnenbrille im Haar. Er sah, anders gesagt, nach Sommer aus, und das macht schön. Meine eigenen Fußnägel sind knallrot, es ist warm, es gibt Erdbeeren, man kann abends noch draußen sitzen, und irgendwie kriege ich auch das neue Buch hin. Glaube ich. Hoffentlich. Und hey, ich habe endlich wieder angefangen zu laufen! Läuft noch nicht besonders gut, aber das wird bestimmt auch wieder. Ja, ja.
Als das mit dem Sex losging, wurde es nämlich wirklich lustig und sehr gut, da fielen die guten Sätze, da wurde laut gelacht, da war alles ganz prima. Nur leider fing das erst nach einer Stunde an, als man gerade darüber nachdenken wollte, ein kleines Nickerchen zu machen. Was jetzt ein bisschen böse war, aber ich war mit Maximilian im Theater, und mit ihm macht das Lästern immer so viel Spaß. In der ersten Stunde von „Ganzkörpereinsatz“ in den Hamburger Kammerspielen werden jedenfalls erstmal Figuren etabliert und Beziehungen geklärt, was man auch gut in zehn Minuten hätte abhandeln können, fanden wir. Die Beziehungskonstellation in diesem Stück und das Grundproblem sind nämlich wirklich großartig: Karen und Steve sind Hollywoodstars, nicht mehr ganz jung, nicht mehr ganz so gefragt wie früher. Beide könnten dringend einen Karrierekick gebrauchen. Der Regisseur, mit dem sie im Moment drehen, möchte nun, dass sie in der anstehenden Sexszene tatsächlich echten Sex vor der Kamera haben. Aus diesem Anlass treffen sie sich zu viert, mit ihren respektiven Partnerinnen, mit Karens Freundin Bev (Typ „Kampflesbe“) und Steves Frau Missy (Typ „junges, dummes Blondchen“), um zu besprechen, wie sie damit umgehen sollen. Was den beiden Schauspielern beim Dreh erlaubt sein soll und was nicht, und wie es den jeweiligen Partnerinnen damit geht. Dummerweise rücken Karen und Steve mit diesem Thema erst nach einer Stunde raus, als man von Karens Herumgestöckel auf den viel zu hohen Schuhen bereits einigermaßen genervt ist und zum hundertsten Mal gedacht hat „dann zieh sie halt verdammt noch mal endlich aus“. Was sie dann auch tut, man atmet erleichtert auf. Ja, ich verstehe das Bild mit den hohen Schuhen und dem Nicht-mehr-drauf-laufen-können, aber das war mir zu slapstickhaft. Ähnlich ging es mir mit dem Gerangel zwischen Bev und Steve – na klar ist das unterhaltsam, aber man hat es dann auch bald verstanden. Wobei das natürlich alles gar nicht schlecht ist, es klingt hier viel negativer als es soll. Aber es ging mir mit der ganzen ersten Hälfte des Stücks ähnlich wie mit Bühnenbild und Kostümen: Alles völlig okay, aber ein bisschen uninspiriert. So viele verschenkte Chancen bei so vielen großartigen Themen! Sex, lesbischer Kinderwunsch, Altwerden, Starsein, Karriereverlauf, künstlerische Verwirklichung und die verschwimmenden Grenzen zwischen all dem.
Und dann, als nach einer Stunde endlich der Anlass dieses Treffens ausgesprochen ist, als es also endlich ausdrücklich um Sex geht, wird alles anders, es wird hochkomisch, rasant, es fallen tolle Sätze, die ich mir alle nicht gemerkt habe, und man denkt: Ja! Mehr davon! Das hätte man alles noch viel mehr ausbreiten können! Ich habe keine Ahnung, ob das Stück halt so ist, oder ob das nur eine sonderbare Strichfassung war. Die Schauspieler können übrigens nichts dafür, die sind schon richtig. Und dann gibt es auch noch einen großartigen Showdown. (Spoiler gelöscht. Schade eigentlich. Aber ich hasse es selbst, wenn ich vorher zu viel weiß.)
Ceterum censeo, dass ich öfter ins Theater gehen möchte. Ich brauche am Anfang immer eine Weile, bis ich mich an diese eigenartige Theatersprechweise gewöhnt habe, immer wieder kommt es mir in der ersten Viertelstunde affig vor, das muss man doch durch Übung ablegen können. Danach geht es dann ja auch, dann habe ich mich wieder reingehört. Und dann ist so ein Theater ja wirklich eine dolle Sache. Da stehen echt Leute vorne und spielen einem eine Geschichte vor, das ist doch der Hammer, sowas muss man doch viel öfter sehen wollen.
Ganzkörpereinsatz. Eine Komödie von Neil LaBute. Deutsch von Frank Heibert. Hamburger Kammerspiele. Regie: Kai Wessel. Mit Patrick Heyn, Julia Koschitz, Joanna Kitzl, Stella Roberts