Ach, herrlich, Kinder!
Es gibt ja zwei Sorten Buchmessenbesucher: die, die nur unter Protest hinfahren und nur, wenn sie unbedingt müssen, und die, dich sich das ganze Jahr über darauf freuen, die gerne hinfahren und gar nicht genug bekommen. Ich gehöre eindeutig zur letzten Kategorie.
So viele Leute getroffen oder wiedergetroffen, verabredet oder zufällig, so viele neu kennengelernt, ganz unbekannte oder Facebookfreunde endlich in Echt erlebt, und viel zu viele andere nicht getroffen. Leuten vorgestellt worden, Leute einander vorgestellt. Verblüffend viel Wein und Sekt getrunken und verblüffend wenig (nämlich gar keine) Kopfschmerzen gehabt. Jeden Abend auf einer Party gewesen, einmal deswegen, weil ich fünf Minuten vor Messeschluss am Stand eines Verlages, für den ich nie gearbeitet habe, eine Freundin traf, die dort auch nicht arbeitet, mich aber fragte, ob ich am Abend bei der Party ebendieses Verlages sein würde, woraufhin ich mich beschwerte, dass ich in 15 Jahren Buchmesse noch kein einziges Mal zu einer dieser sagenumwobenen Partys eingeladen war, woraufhin wiederum eine mir völlig unbekannte Dame dieses Verlags eine Einladung hervorzauberte und sagte dochdoch, das sei schon in Ordnung. Danke, liebe unbekannte Dame vom Dumont Verlag, das war wirklich sehr nett.
Ich verließ die respektiven Partys allabendlich gegen zwei Uhr nachts, und ab halb sieben morgens lärmten die Kinder meiner Gastgeberin vor meiner Tür herum. Machte aber nichts, ich war verblüffend unmüde, und dass ich nach all dem Wein und all den Partys so unverkatert war, lag womöglich zum einen daran, dass niemand mehr in Räumen raucht, und zum anderen daran, dass ich sowieso die ganze Zeit voll auf Endorphinen war.
Es ist nämlich so: Mein Verlag – mein Verlag! – war ja schon immer mein Lieblingsverlag als Übersetzerin. Jetzt erscheint mein eigener Roman – mein Roman! – bei KiWi, und ich bin vollends verliebt. Ich war eine ziemliche Weile am Stand, am Donnerstag Abend durfte ich mit zum komplett verkicherten Autorenessen, und einer nach dem anderen kam zu mir, stellte sich vor und sagte, er habe den Pfau schon gelesen und fände ihn toll, und alle würden sich freuen, dass ich bei ihnen gelandet sei. Hallo? Ich habe noch nicht mal den Vertrag! Das ist doch nicht normal, dass gefühlt drei Viertel des Verlags den Roman schon gelesen haben. Und auch noch alle behaupten, sie würden ihn super finden und sich freuen. Fast hätte ich ein kleines Tränchen verdrückt vor lauter Rührung, ich kann das auch alles immer noch nicht richtig glauben, ich warte vielmehr fast darauf, dass sie merken, dass das alles ein Irrtum war. Aber bis dahin: Große KiWi-Liebe.
Überhaupt große Literaturszenenliebe, so viele tolle Menschen, und die Doofen kriege ich irgendwie immer gar nicht mit, aber ich muss dort auch keine Geschäfte machen. Ich treffe meine Lektorinnen, Freunde, Kolleginnen, Bekannte, ich verabrede mich mit den Leuten, die ich sehen will, und sagte ich schon, dass ich zu viele Leute gar nicht gesehen habe? Wann denn auch? Ich war ja dauernd verabredet. Nicht mal im Übersetzerzentrum war ich so richtig, nur am Samstag, als ich mich da kurz zum Obst machen musste, es gab einen „Translation Slam“, bei dem die Kollegen Ingo Herzke, Peter Torberg und ich spontan literarische Zitate und Sprichwörter übersetzen sollten. Es war ein Experiment, ein erstes Mal, nicht geprobt. Vorbereitet und moderiert von Annette Kopetzki, wir drei Teilnehmer waren einigermaßen ahnungslos, was auf uns zukommen würde, aber es hat gut geklappt, wir hatten unfassbar viele Zuschauer, und sie sind alle bis zum Ende geblieben und wurden immer mehr. Den Buchmessensamstag habe ich ansonsten ausgelassen, den Vormittag habe ich mit meiner Gastgeberin verbracht, und nach dem Slam bin ich gleich nach Hause gefahren. Die Besuchertage auf der Messe sind dann doch kein Spaß mehr, da ist es nur noch anstrengend.
Ich quassel zu viel auf Facebook, dort hatte ich nämlich einen Tag vorher geschrieben, dass ich mir aus Versehen noch ein Kleid für die Buchmesse gekauft habe, und so wurde ich drei Tage am Stück gefragt, ob das das neue Buchmessenkleid sei. Das war es nur am Donnerstag, und zwar dieses hier. Neben mir steht Mona Lang, KiWi-Lektorin, und wir halten aktuelle KiWi-Titel hoch. An den anderen Tagen trug ich ebenfalls schöne Kleider, ich freu mich ja über solche Gelegenheiten. Katy war noch besser ausgestattet, sie hatte drei Kleider für tagsüber und drei für abends dabei. Respekt! Überhaupt gab es auf der Messe viele schöne Kleider zu sehen.
Aber verblüffend, wie viele Leute meinen Facebookquatsch lesen und sich auch noch merken, was ich geschrieben habe. Ich hingegen vergesse ja alles, das ist manchmal sehr schlimm und sehr peinlich. Zum Beispiel vergesse ich Leute. Wie sie aussehen, wie sie heißen, woher ich sie kenne. Auf der Messe behauptet jeder, das ginge ihm genauso, aber so schlimm wie ich ist natürlich niemand.
Ansonsten habe ich es mal wieder geschafft, keine Bücher wahrzunehmen und keine Veranstaltungen mitzubekommen, keine Vorträge, keine Gespräche, keine Lesungen. Ich weiß nicht, wie andere das machen, im Halbstundentakt Termine zu haben, zwischendurch womöglich noch von Halle 3 in Halle 6 zu müssen, und dann auch noch irgendwelche Lesungen zu hören, die Gastlandhalle zu besichtigen und Bücher zu entdecken. Ich bekomme auf der Messe schlagartig einen Tunnelblick und nehme die Bücher höchstens als Tapete wahr. Was ich auch nicht beherrsche: hübsche kleine Giveaways mitnehmen. Von Büchern ganz zu schweigen. Aber die würde ich eh nicht für den Rest des Tages über die Messe schleppen wollen.
Vorsätze fürs nächste Jahr:
- Vielleicht einen Tag länger? Schon Mittwoch auf die Messe? Dann könnte ich mehr Leute treffen. Und womöglich nach Büchern gucken (hahahaha!), oder wenigstens mal die Gastlandhalle gehen. Finnland soll toll gewesen sein, hört man. Ich war nur kurz im Mumins-Bus, aber der hat mich nicht vom Hocker gerissen. Ich habe mir nicht mal ein Gehirnströme-Gedicht generieren lassen.
- Endlich selbst zu Partys eingeladen werden, statt mich immer als irgendjemandes „+1“ durchzuschnorren. Mit wem muss man dafür schla
- Mehr Fotos machen, mehr instagrammen, twittern, facebooken, livebloggen oder meinetwegen mit Gänsekiel auf Bütten notieren, denn ich vergesse ja alles. Jedenfalls mehr Momente festhalten, wie etwa den, als ich am Samstag in Halle 3.1 kam, wo am Anfang die christlichen Verlage sind. Hinter mir gingen zwei Frankfurter Muttis, von denen eine nur einen Blick in die Halle warf und feststellte: „Nee, hier simmä katholisch, des brauche mä net.“
Oder den, als mir Thomas Hettche vorgestellt wurde, und ich ihm gleich mit meinem ersten Satz mitteilte, dass ich ihn ein bisschen hasse. Das hat natürlich nichts mit ihm zu tun, sondern damit, dass ich das Cover seines aktuellen Romans so wunderschön finde und deswegen schlicht neidisch bin. So hätte meiner aussehen können.
***
Wen ich, außer der bereits im Text zweimal verlinkten Katy noch getroffen habe:
Unter anderem die Herren Stefan Möller und Stefan Mesch. Und endlich Wibke Ladwig – es muss sich irgendwie um ein Versehen des Universums handeln, dass wir uns vorher noch nie getroffen hatten.
Nora Bossong habe ich auch kurz kennengelernt.
Und natürlich noch viel mehr, aber die haben alle (noch) nicht gebloggt. Glaube ich. Wenn doch, sagt Bescheid, wird alles verlinkt.
Hinrich Schmidt-Henkel als Vorsitzender des Übersetzerverbandes VdÜ wiedergewählt – Vergütungsverhandlungen durch Hanser und andere Verlage abgebrochen
Auf seiner diesjährigen Mitgliederversammlung am 2. und 3. 3. hat der Verband der Literaturübersetzer VdÜ den renommierten literarischen Übersetzer Hinrich Schmidt-Henkel (Céline, Fosse, Ibsen) für eine weitere vierjährige Amtszeit als 1. Vorsitzender bestätigt. Als 2. Vorsitzender wurde Luis Ruby wiedergewählt. Die Gremien des Verbandes (Vorstand und Honorarkommission) und zahlreiche weitere Amtsträger wurden ebenfalls bis 2017 neu gewählt.
Schmidt-Henkel sagte nach der Wahl:
„Ich danke den Mitgliedern für das Vertrauen und freue mich auf die Zusammenarbeit mit den neuen Gremien. Sie verkörpern in ihrer Besetzung die Tradition unseres bald 60jährigen Verbandes und seine Jugendlichkeit.
Nachdem vor einigen Tagen die laufenden Vergütungsverhandlungen von den daran beteiligten Verlagen abgebrochen wurden, wird es unsere wichtigste Aufgabe sein, rasch an den Verhandlungstisch zurückzukommen, sobald das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsbeschwerde des Hanser-Verlags entschieden hat.“
Die Vergütungsverhandlungen des Verbandes mit einigen Hardcover-Verlagen waren sehr weit gediehen; jetzt aber teilte man dem Übersetzerverband mit, man wolle bis zur Entscheidung des BVErfG keine weiteren Verhandlungstermine abhalten. Die Verfassungsbeschwerde des Hanser-Verlags richtet sich gegen die BGH-Urteile zur Übersetzervergütung, aber auch gegen Teile des zugrunde liegenden Gesetzes.
Die Mitgliederversammlung des VdÜ zeigte sich über den Abbruch enttäuscht und verärgert.
Hinrich Schmidt-Henkel hierzu:
„Ich teile diese Verärgerung. Egal wie die Verlage es nennen, dies ist ein Abbruch der Verhandlungen. Niemand weiß, wann Karlsruhe entscheidet, niemand weiß, wie die Entscheidung inhaltlich ausfällt, niemand weiß, was die bisherigen guten Verhandlungsergebnisse dann noch wert sind. Es ist eine bittere Enttäuschung: Unsere Verhandlungspartner haben den Weg der gemeinsamen Einigung verlassen und hoffen darauf, dass das Gericht ihnen das Recht des Stärkeren bestätigt und überhaupt die gesetzliche Verpflichtung zu angemessenen Verträgen kippt. Die Übersetzer und alle Urheber hoffen das Gegenteil, damit ihnen die vom Gesetzgeber beabsichtigte angemessene Vergütung künftig zuteil wird – zwölf Jahre nach Verabschiedung des ’Stärkungsgesetzes’.“
Literaturübersetzungen werden nach Seiten abgerechnet. Und weil auf eine Seite ja sehr unterschiedlich viel draufpasst, ist genau definiert, was „eine Seite“ ist – eine sogenannte Normseite. Und die gilt nicht nur für die Abrechnung von Übersetzungen, sondern ist im Literaturbetrieb auch ansonsten das Maß für den Umfang eines Texts.
Die Normseite stammt noch aus der Schreibmaschinenzeit. Damals ging es darum, über einen bestimmten Rahmen nicht hinauszuschreiben. Übersetzer bekamen teilweise sogar vom Verlag Papier geschickt, auf dem dieser Rahmen aufgedruckt war. Hinein passten genau dreißig Zeilen mit jeweils höchstens sechzig Anschlägen.
Schreibmaschinenschriften waren nicht proportional, das heißt, es passten immer gleichviele Buchstaben in eine Zeile. Nämlich, im Falle der Normseite, 60. Heute auf dem Computer ist das anders, da haben wir Proportionalschriften – das bedeutet, dass beispielsweise ein i oder l in den meisten Schriftarten deutlich schmaler ist als ein M oder W. Dadurch kann eine Zeile, in der lauter i, j, l usw. vorkommen, deutlich mehr Anschläge haben als eine Zeile, in der viele m, w, C und sowas sind. Logisch.
Von den Standardschriften ist nur die Courier nicht proportional (es gibt bestimmt noch mehr, aber das ist so der Klassiker), da braucht ein i genauso viel Platz wie ein W. Deswegen stellen wir, wenn wir Normseiten haben wollen, die Courier oder Courier New ein und richten die Seitenränder so ein, dass höchstens sechzig Anschläge in eine Zeile passen und höchstens dreißig Zeilen auf eine Seite. Dreißig mal sechzig ergibt nun aber nicht 1800 – denn die wenigsten Zeilen werden ja voll. Wenn ein Wort bis zum einundsechzigsten Zeichen gehen würde, rutscht das ganze Wort auf die nächste Zeile, und die erste Zeile hat vielleicht nur 56 Anschläge. Oder ist am Ende eines Absatzes gleich halb leer. Und dann gibt es in der Literatur natürlich auch Stellen wie diese:
„Ja“, sagte sie.
„Nein“, sagte er.
„Doch“, sagte sie.
Auch damit bekommt man eine Seite voll. 1800 Anschläge hat sie dann sicher nicht, es ist aber trotzdem eine Normseite. Manchmal ist glatt die halbe Seite leer, oder noch mehr, weil danach ein neues Kapitel und damit eine neue Seite anfängt. Im Durchschnitt hat eine Normseite irgendwas zwischen 1400 und 1600 Anschlägen; wenn ein Text sehr dialoglastig ist, kann es auch deutlich weniger sein. Wie eine Normseite aussieht, kann man sehr schön auf Sandra Uschtrins Normseitenbrettchen sehen (wobei mir nicht klar ist, wie sie das mit Times New Roman hinbekommen will, denn die ist ja proportional). Auf einer Normseite ist also zwar theoretisch Platz für 1800 Anschläge, aber in einem normalen Text werden es nie so viele sein.
Jetzt gibt es immer wieder Verlage, die in ihre Verträge schreiben: Der Übersetzer erhält ein Honorar von 19,- € pro Normseite (1800 Anschläge). Das geht natürlich nicht. Es gibt sogar Lektoren, die behaupten, sie würden immer nach 1800 Anschlägen abrechnen, und es hätte noch nie ein Übersetzer was dagegen gesagt. Man kann in diesem Fall gut einen Link zu dem Text von Burkhard Kröber auf der Webseite der Literaturübersetzer schicken. Böse These: Die betreffende Lektorin hat nämlich entweder keine Ahnung oder keine Skrupel. Denn für den Verlag wird es natürlich günstiger, wenn sie für 1800 Anschläge das gleiche bezahlen wie für eine Normseite.
Eine Abrechnung nach 1800 Anschlägen wäre den meisten Übersetzern vermutlich ebenso recht wie eine nach Normseiten – allerdings muss man dann pro 1800 Anschläge eben entsprechend mehr bekommen als für eine Normseite. Vielleicht 23,- statt 19,- €.
Fachübersetzungen werden im Gegensatz zu Literaturübersetzungen übrigens meist nach Zeilen bezahlt, manchmal auch nach Wörtern oder Anschlägen. Bei der Abrechnung nach Anschlägen gibt es dann Auftraggeber, die die Anzahl der Anschläge ohne Leerzeichen berechnen wollen. Mieser Trick. Ein Leerzeichen ist ja ebenfalls ein Zeichen. Manchmal muss man sogar nachschlagen, ob da ein Leerzeichen hinkommt oder nicht. Sollte ich jemals eine Abrechung nach Anschlägen vereinbaren und erst hinterher erfahren, dass das ohne Leerzeichen gedacht war, dann wird der Auftraggeber eben einen Text ohne Leerzeichen bekommen. Hugh, ich habe gesprochen.
„Wir müssen über Geld reden“ hieß neulich ein Artikel von Malte Welding in der FAZ, in dem er dann leider nicht so richtig über Geld redet. Aber mit der Überschrift hat er natürlich recht; über Geld reden ist zwar irgendwie verpönt, aber ich finde es wichtig. Und deswegen rede ich jetzt über Geld, mit ganz konkreten Zahlen. Und zwar über das Geld, das Übersetzer und Autoren verdienen. Ein befreundeter Autor erzählte neulich, Leute in seiner Umgebung würden davon ausgehen, dass er finanziell ausgesorgt habe, immerhin habe er ja jetzt schon vier Bücher veröffentlicht. Da besteht offenbar beträchtlicher Aufklärungsbedarf.
1. Übersetzer werden pro Seite bezahlt. In den allermeisten Fällen dürfte der Seitenpreis irgendwo zwischen 15,- und 20,- € liegen. Bei einem literarischen Hardcover in einem renommierten Verlag können es auch mal etwas mehr als 20,- € sein, bei Science Fiction in einem Nischenverlag oder im Jugendbuch auch mal weniger als 15,- €. Dass ein literarisches Hardcover gar nicht unbedingt schwerer zu übersetzen ist als literarisch unerhebliche Chick Lit, weiß jeder, spielt aber für die Vergütung keine Rolle.
Für Taschenbücher wird grundsätzlich weniger bezahlt als für Hardcover. Die Entscheidung, ob ein Buch als TB oder HC erscheint, ist oft eine haarscharfe, etwa bei gehobener Unterhaltung. Kommt zum Beispiel drauf an, wo gerade ein Programmplatz frei ist, oder was weiß ich worauf. Jeder weiß, dass der Schwierigkeitsgrad des Übersetzens überhaupt nichts damit zu tun hat, ob etwas zwischen Papier- oder Pappdeckel gepresst wird, trotzdem gibt es für Hardcover ein bisschen mehr Geld. Alles Verhandlungssache natürlich, wir verhandeln für jedes Buch neu und jeder Übersetzer bekommt andere Honorare. Aber „naja, erscheint ja nur im Taschenbuch“ ist ein häufig gehörtes „Argument“, da kann man dann keinen Euro mehr pro Seite bezahlen. Auch nicht 50 Cent. Denn so sieht’s aus: oft genug diskutieren wir in Vertragsverhandlungen tatsächlich über 50 Cent mehr oder weniger pro Seite. Bei einem durchschnittlichen Roman von 400 Seiten, an dem man drei Monate sitzt, macht das 200,- € aus. Damit Ihr wisst, um was für Dimensionen es hier geht.
Zusätzlich zu diesem Grundhonorar bekommen wir Übersetzer eine Umsatzbeteiligung. Manchmal. Nicht immer. Verhandlungssache. Je nach Verlag liegen die Beteiligungsgrenzen bei einer Auflagenhöhe, die sowieso nicht zu erwarten ist, etwa bei 10.000 Exemplaren im HC, im TB auch schon mal bei 100.000 verkauften Exemplaren. Vor einer Weile gab es ein BGH-Urteil, das festlegte, 0,8% Beteiligung am Nettoladenpreis eines Hardcovers und 0,4% im Taschenbuch, jeweils zu zahlen ab einer Schwelle von 5.000 verkauften Exemplaren, sei eine „angemessene Vergütung“.
Rechnen wir das doch mal aus: wenn ein Taschenbuch im Laden 8,99 € kostet, sind das Netto 8,36 €, und davon 0,4% sind 0,033 €. Drei Cent pro verkauftem TB gehen also an den Übersetzer, das bedeutet, pro 1.000 verkaufte Bücher bekommt er noch mal 33,- €. Yeah, wow. Bei 10.000 Büchern mach das schon 330 Euro! Im Hardcover sieht es schon deutlich besser aus, die kosten erstens das doppelte, zweitens bekommen wir dann doppelt so viele Prozente – aber Hardcover werden natürlich auch nicht so oft verkauft. Wenn sie überhaupt über 5.000 gehen, läuft es schon sehr gut.
Im Übrigen sind das nur die Zahlen, die der BGH als „angemessen“ festgelegt hat – ob sich die Verlage daran halten, ist eine andere Frage. Viele tun es nicht. Und zwar nicht deswegen, weil sie nach oben abweichen würden.
Viele Kollegen (ich auch) rechnen im Jahresdurchschnitt mit ungefähr 100 übersetzten Seiten pro Monat. Bei einem durchschnittlichen Seitenpreis von, sagen wir, 18,- €, macht das also monatliche Einnahmen von 1800,- €, plus ein bisschen Umsatzbeteiligung, wenn man Glück hat und gut verkäufliche Bücher übersetzt. Von diesen Einnahmen ziehen wir aber alles mögliche ab, Arbeitszimmer, Krankenkasse, Rentenversicherung, Fortbildung, Recherchen etc., und den Rest versteuern wir.
2. Bei Autoren funktioniert das Vergütungsprinzip anders. Autoren bekommen kein Seitenhonorar, sondern eine Umsatzbeteiligung vom ersten Exemplar an. Und damit sie trotzdem von irgendetwas leben können, bekommen sie einen sogenannten „Vorschuss“ auf die zu erwartende Beteiligung. Ein Autor erhält also erstmal 5.000,- € oder 50.000 €, je nachdem wie berühmt er ist oder wie gut er (oder sein Agent) verhandelt oder welchen Absatz der Verlag erwartet. Dieser Vorschuss wird mit der Beteiligung verrechnet, das heißt, erstmal muss man den Vorschuss über die Verkäufe sozusagen wieder einspielen, und wenn dann noch mehr Bücher verkauft werden, bekommt man, was darüber hinausgeht. Wenn das Buch den Vorschuss über die Verkäufe nicht wieder reinholt, es sich also schlechter verkauft, als der Verlag erwartet hat, muss man den Vorschuss allerdings auch nicht zurückzahlen. Man nennt das: verrechenbar, aber nicht rückzahlbar.
Was ich gar nicht wusste, gerade erst gesehen habe: Der Schriftstellerverband (der zu ver.di gehört) hat sich mit einigen Verlagen auf eine Vergütungsregel geeinigt (leider nicht verlinkbar: auf der Verdi-Webseite nach „Vergütungsregel Belletristik“ suchen). Darin soll die Beteiligung bei Taschenbüchern bei 5%, bei Hardcovern bei 10% vom Nettoladenpreis liegen.
Rechenbeispiel: ein Taschenbuch kostet 8,99 €, das sind netto 8,36 €. Davon 5% sind 0,41 €, die der Autor an Beteiligung pro verkauftem Buch bekommt. Bei 1.000 verkauften Büchern erhält er also 410 €, bei 10.000 Exemplaren 4.100 €.
Im Hardcover: Ladenpreis 18,90 €, das sind netto 17,50 €. Davon 10% sind 1,75 €. Das ist ja schon ein anderer Schnack als die 40 Cent im Taschenbuch. Pro 1.000 verkaufte Bücher bekommt die Autorin also 1750,- €, bei 10.000 Exemplaren 17.500 €. Klingt schon besser, das ist mehr als viermal so viel wie im Taschenbuch. 10.000 Exemplare im Hardcover zu verkaufen, muss man aber auch erstmal schaffen; realistisch dürfte das für die wenigsten Bücher sein.
Wieviel Zeit man braucht, um einen Roman zu schreiben, ist sicher höchst unterschiedlich. Manche brauchen fünf Jahre, manche vielleicht nur ein halbes Jahr. Es mag eine Milchmädchenrechnung sein, aber wenn man mal davon ausgeht, dass man für einen anspruchsvolleren Roman länger braucht, der dann aber weniger gelesen wird … nun ja. Wenn man es schafft, in einem Jahr einen Roman zu schreiben, der für wert befunden wird, im Hardcover zu erscheinen, und der sich dann auch noch 10.000 mal verkauft: Chapeau. Dann hat man wirklich was erreicht. Und damit in einem Jahr 17.500 € – nein, nicht verdient. Eingenommen. Davon bezahlt man, siehe oben, Arbeitszimmer, Computer, womöglich Recherchereisen, Kranken- und Rentenversicherung und so weiter und versteuert den Rest. Wenn das Buch dummerweise als Taschenbuch erschienen ist, und sich ebenfalls 10.000 mal verkauft, sind es nur 4.100 € – da hat man wahrscheinlich schon ein bisschen mehr Vorschuss bekommen. Vielleicht irgendwas zwischen 5.000 und 10.000 €.
Nachbemerkung: Bestseller entstehen nicht zwangsläufig dadurch, dass ein Buch besonders gut ist und sich das herumspricht. Oft werden sie gemacht, von den Marketingabteilungen der Verlage. Und den Satz „Schreib / übersetz doch mal Harry Potter“, den haben wir alle schon gehört. Ungefähr siebzehnmillionen Mal. Ja, es gibt reiche Autoren. Das sind aber die Ausnahmen. Der große Rest hangelt sich mit Stipendien, Ehepartnern und/oder sogenannten Brotjobs durch. Und das hat nichts damit zu tun, dass das keine guten Autoren wären.
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Super: Falk ist Kulturredakteur und spricht auch über Geld. Womöglich schlägt das ja noch Wellen. Denn ich finde, er hat recht, wenn er sagt: Ich glaube, dass dieses “Über Geld spricht man nicht” zur Entsolidarisierung beiträgt: Wer nicht über Geld spricht, der baut einen Popanz auf, eine Wertigkeit, nach der Geld mehr ist als eine Entlohnung für geleistete Arbeit. Ist es aber nicht. Wir sollten alle mehr über Geld sprechen.
NACHTRAG: Cornelius Hartz hat auch etwas darüber geschrieben: Vom Schreiben leben.
Der Verlag Bastei-Lübbe wird Eichborn übernehmen. Nachdem jetzt so lange in der Schwebe war, ob und wie und unter welchem Dach es mit Eichborn weitergeht, habe ich keine Ahnung, ob das nun eine gute Nachricht ist. Da gucke ich also kurz auf die Lübbe-Seite, mal sehen, was genau die alles machen, und kriege im Bereich „Sachbuch“ den Lachanfall des Tages.