Defizite

„Wahrscheinlich bin ich homophob wie mein Freund, und das ist auch gut so“, schreibt Matthias Matussek in der Welt. Der ganze Artikel ist von vorne bis hinten indiskutabel, man möchte dem Herrn eigentlich jeden einzelnen Absatz um die Ohren hauen, aber dann denke ich wieder, dass er die Mühe nicht wert ist. Deswegen will ich hier nur einen Satz herausgreifen:

Was für ein Eiertanz um die einfache Tatsache, dass die schwule Liebe selbstverständlich eine defizitäre ist, weil sie ohne Kinder bleibt.

Vielleicht wollen wir mal drei Dinge auseinanderhalten: Fortpflanzung, Sex und Liebe.
Zur Fortpflanzung braucht man Sex, und zwar gemischtgeschlechtlichen, das ist klar (schon gut, es geht hier nicht um die Möglichkeiten der modernen Medizin). Ein Charakteristikum des Menschen ist es allerdings – und da unterscheidet er sich von den meisten anderen Tieren –, dass er nicht ausschließlich zum Zwecke der Fortpflanzung Sex hat, sondern auch einfach so zum Spaß. Weil wir das als angenehm empfinden. Fortpflanzung benötigt also Sex, aber man braucht keinen Fortpflanzungswunsch, um Sex zu haben.
Und die Liebe? Die Liebe mag sich evolutionsgeschichtlich irgendwann aus dem Fortpflanzungstrieb entwickelt haben. Daraus kann man aber nicht den Umkehrschluss ziehen, dass für die Liebe heute noch Fortpflanzung notwendig wäre. Es gibt diese historisch gewachsene Idealvorstellung, dass Menschen nur Sex hätten, wenn sie sich lieben, oder je nach Grad des religiösen Fundamentalismus sogar nur dann, wenn sie sich lieben UND ein Kind möchten; doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.
Menschen haben Sex, wenn es sich gerade so ergibt, weil sie betrunken sind, weil sie sich lieben, weil die Stimmung gerade danach ist, um sich zu trösten, und manchmal sogar, obwohl sie sich gar nicht besonders mögen, aber gerade Lust dazu haben. Manche haben sogar keinen Sex, obwohl sie sich lieben. Sex ist ein körperlicher Vorgang, ebenso wie Fortpflanzung. Sex braucht keine Liebe. Je nach eigenen Vorlieben ist er mit Liebe schöner. Oder womöglich gerade nicht.
Sex und Liebe werden in unserer Kultur dennoch gerne zusammen gedacht, das ist ja auch in Ordnung, die meisten Liebenden werden auch Sex miteinander haben, zumindest am Anfang. Das Sichverlieben geht meist mit einer körperlichen Anziehung einher. Klassischerweise ist in einer festen Liebesbeziehung der Sex mit anderen unerwünscht. Mit dem Wunsch nach Fortpflanzung haben Liebe, Sex und Begehren oft nur am Rande zu tun.

Aber was ist nun die Liebe? Sie ist nicht zwangsläufig an Sex gebunden, und schon gar nicht an Fortpflanzung. Sämtliche Formen der Kunst und Kultur versuchen seit Jahrhunderten immer wieder aufs Neue, die Liebe zu beschreiben. Liebe ist etwas zwischen Menschen, Liebe ist etwas, das man zuallererst geben muss. Es gibt sie in tausend Abstufungen, von „jemanden mögen“ bis zur langjährigen festen Beziehung mit Herzklopfen. Was ich für meine Freunde empfinde, ist auch eine Art von Liebe. Die Übergänge sind fließend. Wenn man Glück hat, geht mit einer besonderen Liebe ein gegenseitiges körperliches Begehren einher, und wenn man noch mehr Glück hat, lässt beides nicht nach. Die Liebe ist schwer zu definieren, aber eins ist sie auf jeden Fall: Für jeden Menschen etwas anderes und für jede Beziehung etwas anderes. Sie ist individuell. Wenn zwei Menschen (oder mehr) zusammenfinden und ihre Liebe und ihr Begehren so leben können, wie es ihnen guttut, dann ist das wundervoll. Wenn dazu Kinder gehören: prima. Wenn nicht: auch prima. Selbst wenn jemand (für sich selbst) ein Leben ohne Kinder als defizitär empfindet, ist doch die Liebe nicht defizitär. Eine Liebe, die für alle Beteiligten gut und schön ist, ist gut und schön. Da kann doch keiner daherkommen und allen Ernstes pauschal die Liebe anderer Menschen für *defizitär* erklären, das ist nicht nur vollkommen grotesk, sondern anmaßend, herablassend und selbstgerecht.

Menschen lieben einander, und das ist toll. Liebe ist nicht defizitär. Etwas, was man jemandem schenkt, kann nicht defizitär sein. Sie ist unterschiedlich, und niemand kann bestimmen, dass seine eigene Form des Liebens die einzig „richtige“ wäre.
Man kann Menschen doch nicht dafür verachten, dass sie lieben, das will mir nicht in den Kopf. Und dann, um noch einen draufzusetzen, auch noch mit dieser Verachtung kokettieren.

BREAKING NEWS

3PaarSchuhe

Ab übermorgen darf ich offiziell wieder Schuhe tragen. Also, auch rechts. Der Arzt sagte zwar, „… und dann kaufen Sie sich ein schönes Paar Bequemschuhe in extraweit, von Mephisto oder so“, aber, äh, nein. Denn: sie passen! Das sind vielleicht alles nicht die elegantesten Schuhe der Welt, aber hey. Ich passe rein! Wie gut ich damit laufen kann, wird sich weisen, ich übe mal ein bisschen zu Hause. Hooray!

[Bevor ihr fragt: Ich habe mir Mitte Dezember den Hallux Valgus operieren lassen, also kein Grund zur Sorge, alles ist gut. Seitdem trage ich einen sexy Vorfußentlastungsschuh. Und nein, das sind keine winterweißen Beine, das ist eine hellblaue Strumpfhose.]

Die Gewissensfrage

Sehr geehrter Herr Dr. Dr. Erlinger,
als wir gestern in unserern U-Bahnhof kamen, roch es nach einem Schwelbrand. Tatsächlich qualmte einer der Mülleimer, es stank beträchtlich. Also bin ich an die Notruf- und Infosäule gegangen, habe den Knopf gedrückt und den Brand gemeldet, habe gesagt, dass es nicht besorgniserregend ist, aber eben kokelt und stinkt, und ein freundlicher Herr am anderen Ende bedankte sich und sagte, er würde sich drum kümmern. Als wir in die Bahn einstiegen, sahen wir, dass der Müll inzwischen aufgehört hatte zu qualmen. Womöglich hat der HVV also völlig umsonst jemanden losgeschickt. Meine Frage also: hätten wir den Müll wieder anzünden müssen?

Isabel B., Hamburg

Hallo, 2014!

Du sollst das Jahr werden, in dem ich meinen Roman fertigschreibe. Damit er am liebsten im Frühjahr 2015 erscheinen kann, das ist der grobe Plan. (Für Herbst 2014 ist ja wohl schon alles geplant. Und ja, ich weiß, dass Pläne nicht immer das tun, was man von ihnen möchte.)
2014 soll überhaupt das Jahr werden, in dem ich mehr schreibe. Ich möchte mich endlich darum kümmern, irgendetwas Regelmäßiges für Geld zu schreiben. Oder überhaupt mal für Geld zu schreiben. Eine Kolumne vielleicht, oder eine Artikelreihe über irgendwas, das ich mir noch überlegen müsste. Gern übers Sachenmachen oder Ähnliches, ein-zwei Ideen habe ich schon, dummerweise kenne ich mich auf dem Zeitschriftenmarkt dermaßen wenig aus, dass ich nicht mal wüsste, wo ich es vorschlagen könnte. Also, Plan für 2014.
Außerdem bleibt das Filmprojekt, ich will mehr Filme gucken, und auch mehr Bücher lesen. Vielleicht ein bisschen meine Internetsucht im Zaum halten. Also quasi das Übliche. Urlaubspläne wachsen langsam, aber gebucht und beschlossen ist noch nichts, außer zwei Tagen Ostsee Ende Januar.
Ansonsten soll erstmal mein rechter Fuß zu Ende heilen und dann total super sein, vielleicht lasse ich dann noch dieses Jahr den linken machen. Es wird sich alles weisen; ich sehe dem Jahr entspannt entgegen, große Pläne gibt es keine; mal sehen, was kommt.
Schön, dass Du da bist, 2014. Komm rein, nimm Dir’n Keks, fühl dich wie zu Hause.

Tschüss, 2013

Letztes Jahr schrieb ich an dieser Stelle, dass 2012 das Jahr war, in dem ich plötzlich Autorin war. „Sachen machen“ ist erschienen, außerdem ein paar Kurzgeschichten in Anthologien. Genauer gesagt: alle, die ich je geschrieben habe.
Daran hat sich nichts geändert, es ist nichts hinzugekommen, 2013 ist nichts Neues erschienen (nichts Eigenes; Übersetzungen schon). Trotzdem war 2013 das Jahr, in dem ich ernst gemacht habe mit dem Schreiben. Ich habe mir eine Agentin gesucht, die mir erstmal Druck machen und meinen Roman dann an den Verlag bringen soll, und ich habe seit den Sommerferien keine Übersetzungsaufträge mehr angenommen, weil ich diesen Roman halt auch erstmal schreiben muss. Allerdings habe ich seitdem an reiner Textmenge nicht übertrieben viel produziert. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen (saublöder Insiderwitz).
Im ersten Halbjahr war ich noch sehr fleißig. Von Januar bis Juni habe ich zweieinhalb Bücher übersetzt und ein mehrtägiges Seminar gegeben. Und ich habe ein Stipendium bekommen! Im Blog habe ich in dieser Zeit die Besser-ist-das-Einträge geschrieben. Da habe ich ein etwas schlechtes Gewissen, das hängt irgendwie noch in der Luft, es fehlt einiges, das muss noch weitergehen und zu irgendeiner Art von Abschluss gebracht werden. Erst kurz vor den Sommerferien habe ich dann mal ausgerechnet, wieviele Seiten ich seit dem letzten August übersetzt hatte – ich weiß es jetzt nicht mehr, aber es war ganz schön viel. In den Sommerferien habe ich dann auch gemerkt, dass ich einigermaßen erschöpft war und die Ferien gut gebrauchen konnte.
Wir waren tatsächlich fast die gesamten Ferien in Schottland, fünf Wochen lang. Dort habe ich geschrieben, aber auch sehr, sehr ausgiebig nichts getan, was wundervoll war. Wir haben im Bach gebadet, waren auf dem Folk-Festival in Stonehaven, haben in der Sonne gesessen (doch, ehrlich) und in die Gegend geguckt und vor allem viel mit Freunden zusammengesessen und geredet und gegessen.
Nach den Sommerferien ging dann irgendwie alles ganz schnell. An einem der letzten Augusttage kam der Anruf, ob ich möglicherweise für einen Monat nach China wolle, und zwar noch vor Mitte Dezember. Also irgendwann in den nächsten paar Wochen. Die offizielle Einladung kam Mitte September. Ebenfalls im September bin ich beim Alsterlauf mitgelaufen. Mein erstes Mal zehn Kilometer, mein erster Volkslauf! Anfang Oktober war Buchmesse in Frankfurt, Ende Oktober die Blogger-Klassenfahrt nach Helgoland, und dann war ich tatsächlich den ganzen November in China. Woah!
Und weil mir so ein Monat in China nicht aufregend genug ist für ein Jahresende, habe ich mir dann im Dezember den ersten Fuß operieren lassen (wer es nicht mitbekommen hat: Hallux Valgus, eine Routinesache, alles gut). Der zweite kommt irgendwann auch noch dran. Den Dezember habe ich also zu großen Teilen zu Hause auf dem Sofa verbracht. Heute habe ich den ersten Spaziergang gemacht! Nur kurz und mit einer längeren Pause auf einer Parkbank, aber es war so schönes Wetter draußen und hat sehr gutgetan. Ich brauche die Krücken nicht mehr, und mit dem Vorfußentlastungsschuh geht es ganz gut.
Der Roman ist im Moment etwas mehr als 120 Seiten lang. Das ist vielleicht keine irre Menge, aber hey, es ist ja auch mein erster, ich muss das noch lernen. Oder halt lernen, dass ich es nicht kann. Schaumermal. Der Plan ist immer noch, bis zur Leipziger Buchmesse fertig zu werden. Das Ende der Geschichte ist schon fast erreicht, glaube ich, ich muss aber vorne noch ein bisschen was auffüllen und umarbeiten. So oder so wird es kein dicker Schinken werden, sondern eher ein schmales Romänchen.
Was das Blog angeht, war 2013 das Jahr, in dem ich das erste Mal Werbung gemacht habe – das ging unglaublich reibungslos und super. Zwei Kunden, nämlich Kiepenheuer & Witsch und die GLS-Bank, hatten abwechselnd den Platz da oben rechts; beide Unternehmen habe ich direkt angesprochen, weil ich sie sowieso gut finde und gerne für sie werbe. Ich hoffe, dass das nächstes Jahr genau so prima weiterläuft. Außerdem habe ich für Annette Rufeger gegen Naturalien gemodelt, das hat großen Spaß gemacht, sowas möchte ich auch gern weitermachen. Natürlich weiterhin nur mit Unternehmen, die ich eh gut finde, es wird hier sicher nie Coca-Cola- oder H+M-Werbung geben.
Das Filmprojekt, das ich Anfang des Jahres gestartet hatte – „jede Woche ein Film“ – ist, ähm, nun ja. Gelesen habe ich auch viel zu wenig. Ach so, aber ich war ja dieses Jahr noch in der Ausstellung Besser scheitern. Hätte ich fast vergessen. Und nächstes Jahr ist ja auch noch ein Jahr.

Danke für das schöne Leben, Weltgeist. Weitermachen, bitte.

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