Helgoland, Tag 3: Sonne

Wenn bei diesem Helgolandaufenthalt jeden Tag ein Naturphänomen im Vordergrund steht, dann war es am ersten Tag der Wind, am zweiten das Wasser, und heute war es die Sonne.
Heute Morgen war es noch hellgrau, aber dann wurde es ganz schnell blau. Blauer Himmel, blaues Meer, und wir ganz betrunken von der Sonne. Wir haben ein paar Stunden draußen gesessen, im Aquariumscafé, mit unseren Macbooks, und den Insulanern live vorgeführt, wie die coolen Großstadtkids heute arbeiten: mit Laptop im Café, draußen. Mit der Sonne im Gesicht. In T-Shirt und Strickjacke und mit Blick aufs blaue Meer. Vergessen: Sonnenmilch.
Und dann waren die Laptop-Akkus leer, und wir haben draußen Pommes gegessen und draußen Eis gegessen und sind draußen rumgelaufen.

Auf dem unteren Bild das sind sogenannte Börteboote. Die braucht man zum Ausbooten. Die Seebäderschiffe aus Cux-, Bremer- und Wilhelmshaven legen nämlich nicht an der Hafenmole an, sondern ankern vor der Insel, und dann kommen die Börteboote und holen die Passagiere ab. Ein paar Stunden später bringen sie sie wieder hin.
Und ich bin zum x-ten Mal auf der Insel und noch nie ausgebootet worden! Weil ich immer entweder mit dem Katamaran aus Hamburg gefahren bin, der legt im Hafen an, oder mit einem der Seebäderschiffe im Winter, dann legen sie auch an. Ich muss unbedingt mal im Sommer von Cuxhaven aus fahren!

Heute Nachmittag haben wir eine Bunkerführung mitgemacht. Im Bunker war es kühl und feucht und überhaupt nicht schön. Der Führer hat etwas unstrukturiert mit Daten, Zahlen, Fachvokabular und Detailwissen um sich geworden, ich konnte ihm nicht immer ganz folgen, aber egal, interessant war es trotzdem. Was für eine Vorstellung, mit Hunderten von Menschen in so einem langen Gang auf einer Bank zu sitzen, jeder hat seinen festen Platz, jeder hat 50 cm Bank, es ist feucht und kalt, die Kinder schreien, alle haben Angst, und oben werfen sie Bomben ab und versuchen, die ganze Insel kaputtzumachen und vielleicht fällt die nächste Bombe auf dein Haus. Und da hatten die, die da unten saßen, noch Glück. Scheißzeit.

Und als wir rauskamen, schien immer noch die Sonne, und es war immer noch warm und das Meer so blau. Aber wir mussten dann doch wieder rein und ein bisschen arbeiten. Wir sind ja nicht zum Spaß hier, ich habe heute Mittag die nächsten beiden Kolumnen weggeschickt, immerhin. Jetzt habe ich ein bisschen übersetzt, gleich gehen wir noch schnell was essen. Und Leuchttürme gucken, mal sehen, ob man welche sehen kann. Hach. Leuchttürme!

vgl. Adelhaid, a.a.O.

Helgoland, Tag 2: Wasser

Dochdoch, wir haben auch gearbeitet. Aber wir waren auch draußen. Die meiste Zeit hat die Sonne geschienen, Wolken gab es auch, es hat auch kurz genieselt, aber den Großteil des Tages war es sonnig. Da kann man unmöglich den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen.

Wir sind also spazierengegangen, dann haben wir ein bisschen gearbeitet, dann in der Sonne gesessen und Tee getrunken (draußen nur Kännchen), dann wieder ein bisschen gearbeitet, dann sind wir zur Südspitze gegangen, wo es richtig hässlich ist, eine ellenlange Betonmauer zieht sich am Meer entlang, so hoch, dass man nicht drübergucken kann, dass man das Meer also gar nicht sieht, nur gelegentlich brechen sich die hohen Wellen und Gischt stiebt über die Mauer. Das Wasser landet dann in einer sehr breiten Abflussrinne (Beton), durch die es ins Hafenbecken abgeleitet wird, dann kommt eine zweite Mauer (Beton), dahinter wir. Dann Industriegebiet und Bauschutt, teils noch die Reste der Sprengungen aus dem Krieg. Buddeln will man hier lieber nicht, liegen noch überall Blindgänger. Aber buddeln wollten wir eh nicht.

Was wir aber durchaus wollen, ist, das Meer besser sehen, nicht nur die über die Mauer brechende Gischt, sondern das ganze Meer, die ganzen Wellen, den ganzen Sturm. Von allen Schiffen, die die Insel täglich ansteuern, ist heute nur eins gefahren. Aus Gründen. So wahnsinnig windig ist es gar nicht mehr, aber Wellen gibt es reichlich, es schäumt und tost.
Wir klettern über die erste Mauer, runter in die Betonrinne, hüpfen über das Wasser, das sich dort gesammelt hat, steigen die Treppe an der zweiten, der hohen Mauer hoch bis zu dem Schild „Betreten verboten“, klettern um das Schild herum und stehen auf der allersüdlichsten Spitze der Insel (Beton) und sehen das Meer und die Wellen und die Brecher, und da kommen sie angerollt und brechen und spritzen, und wir werden nass, aber so richtig. Fotografieren komplett unmöglich, alles viel zu nass und zu windig, keine von uns wird ihre Tasche aufmachen und die Kamera rausholen, aber was für ein herrliches Gefühl, der Wind ist eigentlich erstaunlich warm, die Gischt fühlt sich fast an wie weiche Hagelkörner oder sowas, oder ist das Salz? Unsere Jacken halten erstaunlich dicht, die Hosen sind aber bald schon klatschnass, wir freuen uns und grinsen blöd und lachen, weil das so schön ist. Naturgewalten, tolltolltoll. Echt. Dann schnell nach Hause, die nassen Sachen ausziehen.
(NACHTRAG: Na, okay, es war kein Sturm, es waren nur Wellen. Das hier ist Sturm. Aber nass waren wir!)

Abends Essen und Cocktails mit dem Helgoländer in der Bunten Kuh. Fühlt sich fast schon an wie zu Hause.
Aber gearbeitet haben wir auch, ehrlich!

Vgl. Adelhaid, a.a.O.

Spaziergang

… zwischen Yachthafen und Alfred-Wegener-Institut.
Ich, Blick nach links: Hach! Boote!
Sie, Blick nach rechts: Guck! Naturwissenschaftler!

*

Etwas später, hundert Meter weiter:

Helgoland, Tag 1: Wind

Mal wieder. Diesmal bin ich zum Arbeiten hier, zusammen mit Adelhaid, die schon alles Wesentliche geschrieben hat. Wir müssen jeweils Bücher schreiben oder übersetzen, es ist reichlich zu tun, und hier lenkt uns nichts ab, außer vielleicht wir uns gegenseitig oder der Wind oder das Meer oder die Robben oder die Basstölpel. Es sind nämlich überraschenderweise noch ein paar hier, ich dachte, die sind längst weg. Und Wind ist auch, er hat uns fast von den Klippen gepustet. Fotografieren fast unmöglich, weil es einem entweder die Kamera aus der Hand haut oder die Vögel plötzlich in unmögliche Richtungen verschwinden. Wir legen uns mit dem ganzen Körper in den Wind und lachen, das ist einfach so toll. Die Basstölpel sind noch toller, sie bewegen die Flügel kaum, breiten sie nur aus und halten sich und bewegen sich offenbar nur mit winzigen Korrekturen in der Flügelstellung. Wenn es so windig ist wie heute, nehmen sie die Füße zu Hilfe, sie sind meist angelegt, aber plötzlich werden sie dann ausgefahren und gespreizt, um dem Wind zu trotzen. Toll!

Ansonsten möchte ich zu Protokoll geben, dass es eine recht schaukelige Überfahrt war und dass auf dem Schiff reichlich und lautstark und dann auch olfaktorisch nicht mehr ignorierbar gespuckt wurde, aber nicht von mir. Und auch nicht von Adelhaid.
Das Wetter könnte in den nächsten Tagen meinetwegen noch ein bisschen schöner werden, heute war es grau und nieselig. Zwischen all der Arbeit wollen wir natürlich auch mal zur Düne rüber. Aber soll auch tatsächlich schöner werden! Und gearbeitet werden muss auch tatsächlich. Die Ansage lautet: „Hauptsache, das Buch wird fertig“, was allerdings für Adelhaid gilt. Für mich nicht, ich habe zwei Bücher dabei, eins zu schreiben, eins zu übersetzen, und die werden hier beide nicht fertig, das ist mal sicher.

Und: ich habe schon wieder das schöne Zimmer im schönen Hotel. Diesmal vergesse ich nicht wieder, Fotos zu machen.

Nächtliches Dilemma

Fenster auf: Mücken.
Fenster zu: Ersticken.
 
 

    [Als ich heute zu Hause den Koffer wieder aufmachte, schlug mir eine Zitronenduftwolke entgegen, vom Mücken-Abschreck-Spray, mit dem ich mich mehrmals pro Nacht einrieb. Es hat geholfen, so hatte ich morgens nur fünf neue Stiche statt dreißig, und es hat mir vor allem nicht die ganze Nacht im Ohr gesummt und mich wachgehalten. In der ersten Nacht hätte ich fast geweint vor lauter Jucken und Summen und Nichtschlafenkönnen. Meine Kill Skills sind beträchtlich gestiegen in der kurzen Zeit, ich kann jetzt einhändig im Dunkeln Mücken im Flug fangen. Die Stiche jucken sehr, bei mir allerdings schlimmer als beim Mann, und sind auch hartnäckig, sie fangen immer wieder neu an zu jucken. Und das Gesumm. Zehn Stiche allein an der linken Hand. Gegen Ende des Urlaubs endlich irgendwo diese Dinger gefunden, die auf Japanisch Katorisenko heißen, immer lief ich durch die Supermärkte und Touristenläden und murmelte Katorisenko, wir brauchen Katorisenko, sonst kann ich fast kein Wort Japanisch mehr, aber Katorisenko, sowas Wichtiges, aber ich konnte ja nicht gut eine griechische Supermarktangestellte fragen, ob sie Katorisenko haben. Mosquito Coils! Super Zeug. Ein anderes schlimmes Tier war der sogenannte Raketenwurm, ein Tausendfüßler, der eines Abends durch unser Bad flanierte und der ungefähr 15 cm lang war und in einer Ritze verschwand. Sonst stelle ich mich nicht besonders an, was Insekten angeht, aber 15 cm sind verdammt lang. Und er hatte verdammt viele Beine. Um mich nicht so zu ekeln, stellte ich mir vor, er solle an all seinen Füßen winzige Steppschuhe tragen, er könnte dann ganz allein Riverdance tanzen, aber bitte nicht in meiner Nähe. Später hoffte ich sehr, er möge nicht ins Bett kommen. Wir sagten uns, dass die Ritze, in der er verschwunden war, sehr eng war, und das er da bestimmt nicht mehr rauskommt, denn dann hätte er irgendwo wenden müssen, das ging bestimmt nicht. Bestimmt steckte er kopfunter im Badezimmerfußboden fest und kam nie wieder raus, der Arme. Außerdem hätte ich ihn mit den Steppschuhen auf den Bodenfliesen sicher gehört, und so konnte ich dann doch beruhigt schlafen.]
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