Aus aktuellem Anlass: Frau Isabo erzählt Geschichten aus dem Leben

Die Tür ging auf, eine Pistole schob sich ins Bild, der erste Kammerjäger stieg über das Netz, das sie vor die Tür gespannt hatten, damit die Ratte nicht entwischt. Es folgte die zweite Pistole und der zweite Kammerjäger. Leider wurden wir dann von unserem Zuschauerplatz vor dem Fenster verscheucht und durften nicht weiter zusehen, denn eigentlich braucht man eine Genehmigung, um in Wohnräumen schießen zu dürfen. Es war aber schon Freitag Nachmittag und keine Genehmigung mehr zu kriegen. Deswegen wollten sie keine Zeugen.
Wir hörten zwei Schüsse, und das war’s auch schon. Ratte tot. T. musste dann nur doch die ganzen Köttel wegmachen und die Plastikspäne, die um die Toilette herum lagen, wo die Ratte sich durchgenagt hatte, alle Lebensmittel wegschmeißen, die ganzen angeknabberten Tütensuppen, Reis, Kakao, Müsli, und ihr weißes Schlafsofa verkaufen. Das Einschussloch darin verkaufte sie als Zigarettenbrandloch und das Rattenblut als ihr eigenes.

Angekommen

Im Europäischen Übersetzerkollegium Nordrhein-Westfalen in Straelen e.V., im EÜK. Für alle, denen ich damit nicht schon stundenlang auf den Keks gegangen bin: Das Kollegium ist ein Arbeitszentrum für Literaturübersetzer. Man bekommt hier keine Aufträge, man kann auch nicht übersetzen lernen (okay, manchmal gibt es Seminare, aber das ist was anderes), sondern man kommt mit seinem Übersetzungsauftrag her und arbeitet. Und zwar intensiv ? ich weiß nicht, woran es liegt, aber seit ich dieses Haus kenne, glaube ich daran, dass es so etwas wie ?gute? Orte gibt. Es scheint einfach das ganze Haus von einer so positiven Arbeitsatmosphäre beseelt zu sein, dass alle das Gefühl haben, sie schaffen irrsinnig viel und erholen sich trotzdem. Und natürlich wird ganz furchtbar viel getrunken und geraucht, die Abende in der Küche sind meist lang, man hat nämlich endlich mal Kollegen! Die verstehen, wovon man spricht! Hurra!
Außerdem beherbergt das EÜK die weltweit größte Spezialbibliothek für Übersetzer ? 120.000 Bände, wenn ich es richtig im Kopf habe, Nachschlagewerke in 280 Sprachen und Dialekten und zu den abgefahrensten Themen. Das ganze befindet sich in fünf alten Wohnhäusern, die einmal um einen kleinen Innenhof herumstanden. Sämtliche Wände zum Hof wurden herausgerissen und es kam ein Glasdach drüber, sodass man jetzt auf zwei Etagen um ein mediterran anmutendes Atrium herum die Bibliothek hat. Wenn demnächst mal die Sonne scheint, mache ich Bilder, es ist wunderschön. Die Bibliothek ist glücklicherweise viel zu klein, deswegen stehen auf allen Gängen und in allen Zimmern Bücher. Das und die Holzdielen und dicken Deckenbalken machen das Haus gemütlich, es ist eher ein Zuhause als ein Tagungshotel. Im Moment ist es ziemlich ruhig, außer mir sind nur vier weitere Kollegen und ?innen da. Morgen kommt noch eine nette Kollegin, übermorgen reist eine ab, und ab morgen ist außerdem eine Gruppe Praktikanten des Düsseldorfer Studiengangs Literaturübersetzen da. Davon bekommt man aber meist nicht viel mit ? außer, dass die im Haus anwesenden Übersetzer ihnen an einem Abend etwas vorlesen sollen. Das finde ich immer wieder aufregend, auch wenn das Publikum nur aus 15 Leuten besteht ? lauter kritische Kollegen, die mir zuhören! Am Mittwoch gibt es wahrscheinlich Grass auf Deutsch, Schwedisch und Finnisch, zufällig sind die schwedische und die finnische Grassübersetzerin da, und ich mache dann das Gegenprogramm. Unterhaltungsliteratur muss schließlich auch anständig übersetzt werden.

So, und um jetzt noch auf die beiden langen Kommentare unten von Itha und der Kaltmamsell einzugehen: Auf dem Außentitel würden wir alle gerne stehen, mit Recht, wie ich finde. Ein paar wenige Verlage machen das, Manesse zum Beispiel und Mare Buch. Bei Goldmann dürfen wir immerhin schon auf die U4, also die Rückseite, ist ja schon mal was. Ach so, und natürlich schreiben ALLE Verlage den Übersetzer vorne druff, wenn er Harry Rowohlt heißt. Ich verstehe gar nicht, wieso die Verlage den Übersetzernamen nicht auch als Werbeinstrument einsetzen ? bei Herrn Rowohlt wird das gemacht, wieso nicht bei anderen?

Demut vor dem Original ist eine prima Sache, aber wenn sie mit der Demut vor der deutschen Sprache kollidiert, muss man sich entscheiden. Ich gebe zu, ich habe vor meinen Autoren sehr unterschiedlich viel Respekt. Wenn jemand mit dem Vokabular eines Sechstklässlers ewig die gleichen Formulierungen wiederholt, sehe ich schon zu, dass die deutsche Fassung idiomatischer wird und weniger nervt. An einer platten Geschichte oder ungeschickt gezeichneten Figuren kann ich natürlich nichts ändern. Sachliche Fehler korrigiere ich ebenfalls. Man merkt ja auch ziemlich schnell, ob eine bestimmte Marotte eben eine Marotte ist, die zum Stil des Autors gehört und mit übersetzt werden muss, oder ob etwas einfach ungeschickt, schlecht oder falsch ist. Und man merkt es auch der Übersetzung an, ob da ein schlechter Autor gut übersetzt oder ein guter schlecht übersetzt wurde.

Und, ja, hin und wieder werde ich sicher übersetzte Textstellen bloggen ? wahrscheinlich am ehesten dann, wenn mir etwas eingefallen ist, was ich für besonders gelungen halte, oder wenn ich lange gerungen oder gar keine Lösung gefunden habe. Wird alles kommen. Freut mich, dass das Thema auf Interesse stößt.

Itha schreibt, man muss ?die Sprache? gut beherrschen ? ja, muss man, allerdings ist das größere Problem meist nicht die Fremdsprache, sondern die Muttersprache; nicht, was da im Original gemeint ist, sondern wie man es auf Deutsch ausdrückt. So, dass es authentisches Deutsch wird und nicht eine offensichtliche Übersetzung. Nichtliterarische Übersetzungen habe ich anfangs auch gemacht ? Internetseiten für irgendwelche metallverarbeitenden Betriebe im Sauerland und so, das ist grässlich. Erstens: in die Fremdsprache übersetzen taugt sowieso schon nicht, zweitens verstehe ich von Metallverarbeitung so viel wie die Kuh vom Fliegen, das heißt: Fachwörterbuch kaufen, irgendwas nachschlagen, was einem schon auf Deutsch nichts sagt, und aus den angegebenen Möglichkeiten blindlings die hübscheste raussuchen. Das ist nun wirklich in höchstem Maße unbefriedigend und ich will es nie wieder machen. Wird allerdings deutlich besser bezahlt als Literatur.

Tut mir Leid, das ist jetzt ziemlich lang geworden. Und demnächst gibt?s noch mehr, hihi.

Durchsage

Ich werde hier sicher immer wieder etwas über die Bücher schreiben, die ich gelesen habe. Viele davon werden Übersetzungen sein. Wenn ich Rezensionen in Zeitungen lese, nervt es mich, wenn der Übersetzer nicht erwähnt, geschweige denn gewürdigt wird ? ich kann mich geradezu in Rage echauffieren, wenn ein Rezensent die wunderbare Sprache eines Autors in den Himmel lobt, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren, dass diese wunderbare Sprache aus der Feder eines Übersetzers stammt (ja, Frau Heidenreich, das gilt unter anderem für Sie).
Trotzdem werde ich hier ebenfalls nichts über die Qualität der Übersetzungen schreiben, weil ich nicht öffentlich Kollegenschelte betreiben möchte. Was jetzt keineswegs heißen soll, dass ich alles schlecht fände. Wenn jemanden meine Meinung über eine bestimmte Übersetzung interessiert, beantworte ich gerne Mails, die Adresse steht im Impressum.

Glückstag

.. Die beiden nächsten Aufträge festgezurrt, und zwar zu meiner Zufriedenheit. Das heißt: Ausgebucht bis November! Und schon eine lose Vorankündigung für danach. UND, kleines Unglück im Glück: in zwei Tagen drei Projekte absagen müssen. Hey! Ich bin begehrt, liebe andere Verlage, weil ich nämlich gut bin! Dass Ihr?s nur wisst!

.. Von einer mir völlig unbekannten Frau ein supernettes Angebot bekommen, einfach so.

.. Charles und Camilla heiraten doch noch.

.. Heute Abend zum Käsefondue eingeladen.

.. Lauter nette Mails bekommen.

.. Ab übermorgen bin ich für vier Wochen in Klausur und es wird live aus dem EÜK berichtet.

.. Eine Woche Malta gebucht. Da ist es bis dahin bestimmt schon so warm, dass ich meinen neuen, schlumpfblauen Frühlingsmantel anziehen kann.

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