„Natürlich frage ich mich oft, was die Unterschiede zwischen dem Schreiben und Übersetzen sind. Eins ist es auf jeden Fall nicht: Ich glaube nicht, dass Übersetzen einfacher ist als Schreiben. Es ist nur mit weniger Angst behaftet, ich muss mich beim Übersetzen nicht davor fürchten, dass der ganze Aufbau, die Personnage, die Handlung falsch ist. Es gibt ein Original, und wenn da etwas nicht stimmt, kann ich mich – nicht immer ganz ohne kollegiale Häme – zurücklehnen und sagen: „Bitte, Autor, wenn Du unbedingt willst…“ Doch das macht das Übersetzen nicht einfacher, denn der Vorteil der lediglich sprachlichen und nicht kompositorisch-inhaltlichen Verantwortung wird dadurch aufgehoben, dass man eben auch nur das Sprachliche gestalten kann und einem das allerwichtigste Gestaltungsmittel, das dem Schriftsteller die Arbeit erleichtert, nicht zur Verfügung steht: Das Streichen. Als Autor muss ich nur das ausdrücken, was ich auch ausdrücken will und was sich in meiner Sprache ausdrücken lässt. Als Übersetzer muss ich alles ausdrücken können. Und da sich das Streichen nicht nur auf Sätze beschränkt, sondern ganze Kapitel, Handlungsstränge, Figuren betreffen kann, bin ich als Autor ein Mensch, der seine Personen mit utilitaristisch kühlem Blick beäugt, sich bei jedem Charakter fragt: ‚Nutzt Du meinem Text oder soll ich Dich löschen?‘ Als Übersetzer sehe ich die Personen als gegeben an, nehme die Menschen so, wie sie sind und versuche, das Beste daraus zu machen. Der wichtigste Unterschied zwischen dem Schreiben und Übersetzen liegt für mich also nicht in der unterschiedlichen Schwierigkeit, sondern darin, dass ich beim Übersetzen ein netterer Mensch bin.“
Kristof Magnusson
Internationaler Übersetzertag am 30. September 2010
Bereits 1991 hat die Fédération Internationale des Traducteurs (FIT) den 30. September, an dem traditionell des Bibelübersetzers Hieronymus gedacht wird, zum Internationalen Übersetzertag erklärt. Der VdÜ, aus dessen Reihen bereits vor Jahrzehnten der Hieronymusring zur Würdigung von Übersetzerleistungen gestiftet wurde, will diesen Tag, der weltweit und in vielen europäischen Ländern – Österreich, Litauen, Frankreich und Dänemark – eingeführt ist, jetzt auch in der deutschen Öffentlichkeit etablieren.
Warum?
„Die Weltliteratur“, so der portugiesische Schriftsteller und Nobelpreisträger Saramago, „wird von Übersetzern gemacht.“ Aber Übersetzer „machen“ noch viel mehr: Auf ihrer Arbeit baut die gesamte abendländische Kultur auf. Das fängt mit den Bibelübersetzungen der Spätantike an und setzt sich im 9. Jahrhundert in Bagdad fort, wo die wissenschaftlichen Texte der griechischen Antike ins Arabische übersetzt wurden. Die sogenannte „Übersetzerschule von Toledo“ übertrug dann im 12. Jahrhundert neben originalsprachig arabischen wissenschaftlichen und religiösen Texten auch diese Übersetzungen ins Lateinische, im 13. Jahrhundert auch ins Kastilische, was sich normierend auf die spanische Sprache auswirkte. Luthers Bibelübersetzung hat die deutsche Sprache wesentlich geprägt, die englische „King James Bible“ hatte großen Einfluss auf Milton und andere bedeutende englische Dichter. Die Shakespeare-Übersetzungen von Schlegel und Tieck haben der deutschsprachigen Bühnenkunst und ihren größten Repräsentanten unverzichtbare Impulse gegeben, und die Gedanken der Aufklärung konnten sich erst durch Übersetzungen in der ganzen Welt verbreiten.
Mit anderen Worten: Wo immer gesprochen, geschrieben, gelesen, ja selbst gesungen wird, hatten und haben Übersetzer ihre Hand im Spiel, und ihnen verdanken wir es, dass die ganze Welt in der eigenen Sprache aufgehoben ist. Ihre Arbeit hat die Voraussetzung für die Entwicklung von Kultur und Wissenschaft, aber auch für die Entwicklung der Volkssprachen geschaffen und nicht zuletzt für die Möglichkeiten des vereinigten Europas und der heutigen globalisierten Welt.
Am Internationalen Übersetzertag sollen zahlreiche Übersetzerveranstaltungen in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für die Bedeutung der Übersetzung in Vergangenheit und Gegenwart wecken und zeigen, wer hinter den Übersetzungen steht, mit denen jeder ständig konfrontiert ist – von der schönen Literatur bis zum Fachbuch, vom Theater bis zu Film und Fernsehen, von Zeitungen und Zeitschriften bis zu Werbung und Gebrauchsanweisungen.
Übersicht über die Veranstaltungen zum Internationalen Übersetzertag 30. September 2010
(Stand: 1. September 2010)
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BERLIN
29. September
Kino Moviemento, 18.00 Uhr, Sonderveranstaltung des BDÜ-Landesverbandes Berlin-Brandenburg am Vorabend des Internationalen Übersetzertags: „Klappe! – Filmübersetzen“, mit Brigitte Große, Andrea Kirchhartz und Georg Felix Harsch. Geschlossene Veranstaltung für Mitglieder des BDÜ, VDÜ und VÜD; Eintritt: 6.50 Euro (inkl. 1 Glas Sekt zum Anstoßen auf uns), zu entrichten vor Ort. Anmeldung über Katrin Harlaß (mail@transnation-kh.de oder telefonisch unter 030/5327847)
30. September
„Buchhändlerkeller“, Carmerstraße 1, 10623 Berlin-Charlottenburg, 20.30 Uhr, Übersetzerinnen / Übersetzer stellen ihre Arbeit vor: Karin Uttendörfer: Jacques Yonnet „Rue des Maléfices“, Klaus-Jürgen Liedtke: Kjell Espmark „Epitaphe“
Tucholsky-Buchhandlung, Tucholskystraße 47, 10117 Berlin, 20.00 Uhr, Christine Belakhdar liest aus: Maissa Bey „Nachts unterm Jasmin“ (Übersetzung aus dem algerischen Französisch) Nähere Informationen unter http://www.yedd.org/literatur
Buchhandlung Thaer, Bundesallee 77, 12161 Berlin-Friedenau, Tel. 030 852 7908, 20.00 Uhr, Frank Heibert, Lesung (Philipp Meyer, „Rost“ u. a.) und Gespräch zum Übersetzer-Alltag
südost Europa Kultur e.V., Großbeerenstraße 88, 10963 Berlin, www.suedost-ev.de, 19.30 Uhr, Neues aus Südost, Mitwirkende: Brigitte Döbert liest aus dem neuesten Buch von Zarko Radakovic, Serbien, „Strah od emigracije“ (2010); Will Firth stellt einen Auszug aus dem Roman „Skriena kamera“ (2004) von Lidija Dimkovska, Mazedonien, vor; Ines Sebesta liest aus dem Kurzgeschichtenband „Fußnotengeschichten“ von Alexander Spatov (bulgarisch 2008, deutsche Übersetzung erscheint Ende September 2010 beim Wieser Verlag)
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BREMEN
30. September
Buchhandlung Leuwer, Am Wall 171, Bremen, 19.00 Uhr: „Übersetzer packen aus“. Mit Johanna Sophia Wais (Wie wird man Literaturübersetzer/in?), Wolfgang Schlott (Übersetzungsvergleich von Gedichten Pablo Nerudas); Dorota Tarach (Übersetzen aus dem Deutschen ins Polnische); Reiner Kornberger (Übersetzen aus dem argentinischen Spanisch); Claudia Otte-Lindner (Friedrich Rückert und seine Koranübersetzungen), Moderation Jürgen Dieking (unterstützt durch das Bremer Literaturkontor)
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ERLANGEN
30. September
Hugenottenkirche, 19.30 Uhr, Veranstaltung des Instituts für Fremdsprachen und Auslandskunde der Universität Erlangen, „Faszination Neuübersetzung“ mit den Referenten Frau Dr. Ott (Neuübersetzung der Geschichten aus „Tausendundeine Nacht“) und Herr Prof. Bobzin (Neuübersetzung des Koran)
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FRANKFURT / MAIN
30. September
Zentralbibliothek der Stadtbücherei, Hasengasse 4, 60311 Frankfurt am Main, Veranstaltung der Weltlesebühne: Aktionstag mit Bücherschau von aktuellen und herausragenden Übersetzungen aus dem Argentinischen und von Übersetzerinnen/Übersetzern aus dem Rhein-Main-Gebiet zum Gastland der Frankfurter Buchmesse 2010 (Argentinien). Nachmittags: Gläserner Übersetzer. Abends: Gespräch zwischen der Übersetzerin Susanna Mende und dem argentinischen Autor Raul Argemi
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FREIBURG
30. September
Stadtbibliothek Freiburg, Münsterplatz 17, 79098 Freiburg, 20.00 Uhr, „In Freiburg übersetzt“- Lesung und Ausstellung, Eintritt frei:
„… aber zum Untergang reicht es allemal“. Texte über große und kleine Katastrophen. Es lesen aus ihren Übersetzungen: Adelheid Zöfel, Beate Thill, Birgitta Höpken, Christoph Trunk, Cornelia Holfelder-von der Tann, Maja Ueberle-Pfaff, Sabine Grebing und Stefanie Fahrner. Die Ausstellung ‚In Freiburg übersetzt‘ ist vom 30.09.-17.10.10 zu den Öffnungszeiten der Stadtbibliothek, Di-Fr 10-19 Uhr, Sa 10-14 Uhr, zu sehen. Eine Veranstaltung von Literaturbüro Freiburg, Stadtbibliothek Freiburg und weltlesebühne.
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HAMBURG
27. September
20 Uhr | Übersetzer packen aus: Neuerscheinungen
Annette Kopetzki, Miriam Mandelkow und Eva Profousová stellen ihre jüngsten Übersetzungen vor und verlosen je ein Buch.
Erri De Luca: Der Tag vor dem Glück (Graf 2010), Richard Price: Cash (Fischer 2010), Jáchym Topol: Die Teufelswerkstatt (Suhrkamp 2010)
Buchhandlung Christiansen, Bahrenfelder Straße 79, 22765 Hamburg
Eintritt 5 Euro, erm. 3 Euro
28. September
19.30 Uhr | Und die Nilpferde kochten in ihren Becken
Michael Kellner stellt seine Übersetzung des von William S. Burroughs und Jack Kerouac 1944 gemeinsam verfassten Romans Und die Nilpferde kochten in ihren Becken (Nagel & Kimche 2010) vor und bringt die Stimmen der beiden Autoren durch Radioaufnahmen aus den Fünfzigern und Sechzigern zu Gehör.
Galerie Farbwerke M6, Marktstraße 6, 30357 Hamburg
29. September
19 Uhr | Autobiographische Kontrapunkte
Inka Marter und Andreas Löhrer stellen vor: Kindheitserinnerungen der argentinischen Avantgardeautorin Norah Lange: Kindheitshefte (Lilienfeld 2010) und die Autobiographie des spanischen Anarchosyndikalisten Abel Paz: Im Nebel der Niederlage / Am Fuß der Mauer (Edition AV 2009 / 2010).
B-Movie, Brigittenstraße 5, 20359 Hamburg
19.30 Uhr | TIERE ESSEN. Übersetzer lesen Foer.
Isabel Bogdan, Ingo Herzke und Brigitte Jakobeit lesen beim veganen Menü (€ 29) aus „Tiere essen“ von Jonathan Safran Foer (Kiepenheuer & Witsch 2010). Vorbestellung nötig!
Restaurant Trific, Eppendorfer Weg 170, 20253 Hamburg, Tel 040/21996927. Mehr dazu hier.
30. September
19 Uhr | The Subterraneans
Michael Kellner zu Gast bei der Langen Nacht mit Lesung, Film, O-Tönen und Musik
Lesung aus den Kerouc-Romanen On the Road – Die Urfassung, Gammler, Zen und hohe Berge und Be-Bop, Bars und weißes Pulver.
Metropolis-Kino, Steindamm 52/54, 20099 Hamburg
19.30 Uhr | Fegefeuer
Angela Plöger stellt den neuen Roman der finnisch-estnischen Autorin Sofi Oksanen vor: Fegefeuer (Kiepenheuer & Witsch 2010)
Buchhandlung Schaumburg, Große Schmiedestraße 27, 21682 Stade
20 Uhr | Ein Kräcker unterm Kanapee
Ingo Herzke stellt seinen Autor Alan Bennett (Die souveräne Leserin) vor, berichtet von seiner Arbeit und liest aus dessen jüngst erschienenen Werk Ein Kräcker unterm Kanapee (Wagenbach 2010).
Bücherstube Fuhlsbüttel, Hummelsbütteler Landstraße 8, 22335 Hamburg
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MÜNCHEN
30. September
Lesecafé, Kunst- und Textwerk München, Ligsalzstr. 13; 19.30 Uhr, „Drei Übersetzer aus dem Westend“: Richard Barth, Tanja Handels und Luis Ruby lesen aus ihren Übersetzungen und berichten von ihrer Arbeit. Eintritt frei.
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WINTERTHUR
30. September
ZHAW, Departement Angewandte Linguistik, IUED Institut für Übersetzen und Dolmetschen, Theaterstrasse 15c, Winterthur, Schweiz, ganztägig, Mitglieder des Zürcher Übersetzertreffens und der Weltlesebühne präsentieren sich als „Gläserne Übersetzer“ (E-D: Ulrich Blumenbach; E-D subtitles: Claudia und Michel Bodmer; F-D: Claudia Steinitz; I-D: Birgitta Höpken; S-D: Christian Hansen; R-D: Dorothea Trottenberg)