Was machen die da? Roland Jesse rennt

Es ist ja nicht so, dass ich kein Verständnis fürs Laufen hätte, ich laufe ja selbst. Laufen ist super. Aber mal ehrlich: zweiundvierzig Kilometer? Meine Schwägerin würde sagen: Es gibt doch Fahrräder! Es ist schon ein bisschen beknackt, zweiundvierzig Kilometer zu rennen. Und wem das noch nicht beknackt genug ist, der macht es auch noch auf Helgoland. Helgoland ist nur einen Quadratkilometer groß, da muss man schon jede verfügbare Straße ablaufen, und das fünf mal, um auf zweiundvierzig Kilometer zu kommen. Und dabei geht es ganz schön rauf und runter, und Wind ist auch noch. Roland Jesse hat es gemacht.

Und wir, wir konnten leider nicht hinfahren, um ihn dabei zu fotografieren und anzufeuern. Wir haben ihn aber gleich am nächsten Tag in Hamburg getroffen. Falls jemand nächstes Jahr hinfährt, ich führe mit und würde an der Strecke stehen und jubeln und Getränke und Handtücher anreichen. Aber jetzt lest erstmal, was Roland erzählt.

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Wer viel im Internet herumliest, kennt Roland als Señor Rolando von seinem Blog Papas Wort oder von Twitter.

Abgegeben

Morgen vor drei Wochen habe ich den Pfau abgegeben. „Abgegeben“ bedeutet: an meine Agentin geschickt. Die aber natürlich auch noch was anderes zu tun hat, als ausgerechnet meinen Pfau sofort zu lesen. Seither warte ich also auf Feedback und kriege nichts anderes auf die Reihe. Das ist ziemlich albern, denn es ist ja so: Der komplette Pfau hat 180 Seiten. Meine Agentin hat irgendwann schon mal 130 Seiten gelesen, es kommt jetzt also für sie nicht die große Überraschung. Es ist nichts komplett Anderes als sie dachte, sie weiß, was kommt, und das kommt auch. Von daher wird auch ihr Feedback für mich keine komplette Überraschung sein. Sie wird weder sagen „Sorry, ich find’s saublöd, such dir ne andere“, noch sonst irgendwas total Unerwartetes. Sie wird ein paar Verbesserungsvorschläge haben, die vermutlich klug und durchdacht sind, dann werde ich noch mal kurz ranmüssen – ich weiß ja im Prinzip auch, wo es noch hakt – und dann schicken wir es an Verlage. Dann habe ich Grund zur Nervosität. Aber nicht jetzt.
Und was ist? Ich tigere Rillen in den Boden und kriege sonst nichts auf die Reihe. „Lauter neue Ideen“? Nee, nix. Leere im Kopf.
Ich blogge nicht mal, mir fällt nichts ein, ich war im Kino und habe nicht drüber geschrieben, wir hatten die Elektriker hier, über deren Unbeholfenheit man sich trefflich mokieren könnte, unser Nummernschild wurde geklaut, ich blogge trotzdem nicht. Und es ist auch nicht so, dass ich nichts zu tun hätte, ich habe genug zu übersetzen, die nächsten Wasmachendieda-Termine stehen an, und dann bin ich demnächst auch noch dauernd unterwegs. Was mache ich? Nichts. Wenn der beste Ehemann von allen mich nicht gelegentlich aus der Tür schubsen würde, würde ich nicht mal laufen.

So kann es nicht weitergehen, ich gehe mir ja selbst auf die Nerven. Und so wird es auch nicht weitergehen, denn Anfang der Woche werde ich sowohl mit meiner Agentin sprechen, als auch mit der Lektorin der supereiligen Übersetzung, die ich mit einem Lieblingskollegen zusammen mache, und zwar ab ungefähr genau jetzt. Berühmter Autor, ich freu mich sehr drauf, das erzähle ich dann demnächst. Jetzt lese ich erstmal das betreffende Buch. Ach ja, das ist übrigens nicht das einzige, was ich jetzt aber wirklich endlich mal lesen sollte. Ab morgen wird alles besser, dann wird in die Hände gespuckt und tschakka. Dochdoch, wirklich.

Was machen die da? Saša Stanišić, Schriftsteller

Saša Stanišić! Super Autor, super Typ. Vor acht Jahren erschien „Wie der Soldat das Grammofon repariert“, ein Roman über eine Kindheit im Bosnien-Krieg. Ein stark autobiografischer Roman, Saša ist als Kind mit seinen Eltern aus Bosnien nach Deutschland geflohen. Und ein sensationell guter Roman auch, wer ihn noch nicht gelesen hat, dem sei er sehr ans Herz gelegt.
In diesem Frühjahr kam dann endlich der zweite Roman, „Vor dem Fest“ – etwas vollkommen anderes, das Portrait eines Dorfes in der Uckermark. Und bekam erst den Döblinpreis, dann den Preis der Leipziger Buchmesse. Hurrahurra!
Wir haben Saša in einer Bar getroffen und anderthalb Stunden über das Schreiben gesprochen. Das ist sowieso gerade meine Lieblingsbeschäftigung, gestandene Autoren darüber auszufragen, wie sie schreiben, wie das funktioniert. Wie man eine Idee entwickelt, etwas ausprobiert, es wieder verwirft und trotzdem unbeeindruckt weitermacht, weil das eben dazugehört. Wie man recherchiert, schreibt, löscht, und am Ende das bestmögliche Buch daraus wird. Das ist wirklich toll. Nur meistens traue ich mich nicht, so lange immer weiterzufragen.

Bitte hier klicken:

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„Ein Getränk miteinander trinken an einem Ort, der dazu geeignet ist, das zählt im Leben mehr, als woher man kommt.“ (Saša Stanišić, Vor dem Fest.)

Kekse! Total korrekt!

Guckt mal, von Penny. Leckeres Mürbegebäck mit Schokoladenstückchen drin. Und dann auch noch so korrekt! Jippie! Steht ja drauf, gleich drei Siegel, Pro Planet, UTZ Certified Kakao und Eier aus Bodenhaltung. Super.

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Bodenhaltung, hm? Was bedeutet das denn? Käfighaltung ist ja inzwischen verboten. Sie wurde ersetzt durch die sogenannte „Kleingruppenhaltung“ – geschenkt.
„Bodenhaltung“ bedeutet, dass bis zu 30.000 Hühner in einer riesigen Halle zusammengepfercht sind, wo sie knietief im eigenen Kot stehen und entsprechende Krankheiten entwicklen, von Parasiten befallen werden und so weiter. Sie können keine Hackordnung festlegen, weil es einfach zu viele sind, also hacken sie permanent aufeinander ein. Auch, weil sie keinen Platz haben. Damit die Verletzungen durch die Hackerei nicht allzu schlimm werden, bekommen sie die Schnäbel gekürzt. Und. so. weiter. Und da habe ich von den Antibiotika noch gar nicht angefangen, und von den resistenten Keimen, was uns dann wieder alle betrifft.
Wer ein paar glückliche Biohühner sehen möchte, der kann mal hier gucken. Aber Vorsicht, das ist nichts für zarte Gemüter.

Merke: Nicht mal „bio“ bedeutet zwangläufig, dass es den Tieren okay geht. „Bodenhaltung“ bedeutet für das Wohlergehen der Hühner haargenau gar nichts.

Gucken wir uns das Siegel „UTZ Certified Kakao“ an: UTZ ist ein Siegel für Kaffee, Tee und Kakao, das die Industrie sich ausgedacht hat. Mars, Tchibo und so weiter. Auf der Kekspackung und auf der Webseite steht jeweils als erstes, dass es bei diesem Siegel darum geht, dass die Bauern dazu angeleitet werden, ihre Erträge zu steigern. Nicht etwa darum, dass sie für ihre Ernte vernünftig bezahlt würden oder man sich aktiv gegen Kinderarbeit einsetzte oder sowas.
Ich zitiere mal kurz aus der Wikipedia:

Im Juli 2012 veröffentlichte die Zeitschrift Ökotest einen Artikel, in dem UTZ Certified als „unfair“ deklariert wurde, weil der Standard keine Vorfinanzierung von Saatgut und keine Mindestabnahmepreise vorsieht. Die Stiftung hat eine Antwort auf den Artikel veröffentlicht, in dem sie angibt, dass UTZ Certified keinen fairen Handel zertifiziere und das auch nicht behaupte, ihre Arbeit sich aber insgesamt positiv auf tropische Landwirte auswirke. (von hier)

„Insgesamt positiv auswirken“. Wie schön. Ich empfehle zum Thema Kakaoanbau noch einmal dringend die beiden Filme von Miki Mistrati. Im zweiten geht es um die Versprechungen der Schokoladenindustrie und die hübschen Labels, die sie sich ausgedacht haben, wie Rainforest Alliance und UTZ.

Und drittens schließlich das Siegel „Pro Planet“: Das ist „ein Label für nachhaltigere Produkte der REWE Group. Es kennzeichnet Produkte, die Umwelt und Gesellschaft während der Herstellung, Verarbeitung oder Verwendung weniger belasten.“ (Von der Webseite.)
Ich mag nicht mehr. „Weniger belasten“ heißt vermutlich sowas wie oben die Bodenhaltung bei den Hühnern. Da hat so ein Huhn dann nicht mehr so viel Platz wie ein DIN A4-Blatt, sondern so viel wie ein DIN A4-Blatt plus eine Scheckkarte, und man nennt es eine Verbesserung. Es werden vor allem Komparative benutzt: nachhaltiger, ressourcenschonender, weniger. Ich verstehe das als: nichts ist gut, es ist nur hier und da graduell ein klein wenig besser. Vielleicht. Im Fall meiner Kekse heißt es folgendes:

Sie verpflichtet die Lieferanten der Kekse mit dem PRO PLANET-Label dazu, schrittweise auf Palmöl umzusteigen, das aus ressourcenschonender bewirtschafteten Plantagen stammt.
Außerdem wird beim Kakaoanbau das Zertifizierungssystem UTZ Certified angewandt. Es zielt darauf ab, die Qualität des Kakaoanbaus unter Berücksichtigung der kritischen sozialen und ökologischen Bedingungen beim Anbau der Kakaobohnen systematisch zu verbessern und für einen ressourcenschonenderen Anbau zu sorgen.

Das Palmöl soll also „schrittweise ressourcenschonender“ angebaut werden. Zum Thema Palmöl gibt es bei Wikipedia übrigens ein ganzes Kapitel „Ökologische und sozialethische Probleme.
Und für den Kakao in den Keksen bedeutet das Label, was das andere Label auch schon sagt. Also vermutlich wenig bis gar nichts. Außerdem „zielt es darauf ab“, Dinge zu verbessern. Entschuldigung, wenn ich langsam schnippisch werde, aber das klingt doch wirklich nach „wir haben auch total gute Vorsätze, ehrlich“.

Drei Labels, die alle nicht das bedeuten, was man als Kunde hofft. Die nicht bedeuten, dass die Hühner auch nur halbwegs okay behandelt werden, die nicht bedeuten, dass Kinderarbeit verhindert wird, die gar nichts bedeuten.

Das macht mich wirklich wütend. Menschen, Tiere und Umwelt auszubeuten bis zum Letzten, ist das eine. Aber dann Labels auf die Produkte zu kleben, die suggerieren sollen, es sei alles toll und man gebe sich echt Mühe und mache die Dinge besser als andere – das finde ich doppelt mies.

Was machen die da? Marei Blischke und Ole Greifsmühlen, Swingtanzlehrer

Dieses „Was machen die da“-Projekt ist wirklich fürchterlich, ich möchte nämlich am liebsten alles gleich selbst ausprobieren. Diesmal wieder ganz besonders: Swingtanz! Lindy Hop! Balboa! Hach. Man müsste überhaupt mehr tanzen. Jedenfalls: Marei Blischke und Ole Greifsmühlen unterrichten diese Tänze hier in Hamburg. Und zwar eindeutig mit großem Spaß. Bitte hier entlang.

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Und hier noch ein kleines „Making of“ von einer der ganz großen Swingtanzszenen der Filmgeschichte.

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