Fundstück

„Translators also suffer from a lack of status, a situation reflected in the fact that only two of the Society of Authors‘ seven winners work as translators full time. Translation is considered by many universities to be insufficiently significant or original to add lustre to an academic CV, while publishers routinely sweep evidence of translation off the covers of books. „It’s weird,“ says Allen. „There’s no stigma attached to being an actor rather than a playwright, or a pianist rather than a composer, but there’s this horrible stigma attached to being a translator.“ Translations are often seen as second best because they are interpretations of an author’s work, but as Allen says, „It’s like saying ‚I‘m not going to see Hamlet because Shakespeare’s not playing it‘.“

Richard Lea im Guardian (schon etwas älter).

Louise Carpenter: Ida und Louise

Die Schwestern Ida und Louise Cook werden Anfang des 20. Jahrhunderts in einfachen Verhältnissen in England geboren. Beide werden Sekretärinnen und leben fast ihr ganzes Leben lang zusammen in ihrem Elternhaus. Eines Tages im jungen Erwachsenenalter hören sie zufällig im Radio eine Opernarie, sie begeistern sich und werden zu großen Opernfans. Zwei Jahre lang sparen sie jeden Cent, gehen zu Fuß, statt den Bus zu nehmen und so weiter, um sich eine Reise nach New York an die Met leisten zu können. Dort knüpfen sie erste Kontakte zu den Größen der Opernwelt, und als sie heimkommen, schreibt eine der beiden, Ida, einen Artikel über diese Reise. Nachdem dieser Artikel gut ankommt, wagt sie sich an einen Liebesroman, der noch viel besser ankommt, und so bringen weitere Liebesromane den Schwestern ein Einkommen, das ihnen weitere Opernreisen erlaubt. Louise arbeitet weiterhin als Sekretärin, Ida schreibt, und übers Wochenende fahren sie nach Deutschland und Österreich, besuchen Opern und knüpfen Kontakte in die entsprechenden Künstlerkreise. Und erfahren so langsam, was in Deutschland in den Dreißigerjahren mit den Juden passiert. Juden dürfen, wenn sie aus Deutschland ausreisen, nichts mitnehmen. Also schaffen Ida und Louise Wertgegenstände aus Deutschland raus. Sie stecken sich echte Brillantbroschen an ihre billigen Kaufhauspullover mit Glasknöpfen, die kein Zollbeamter für echt hält. Sie bringen englische Textiletiketten mit und nähen sie in deutsche Pelzmäntel, die sie auf der Heimreise tragen. Die Menschen selbst dürfen zwar ausreisen, brauchen aber, um in England einreisen zu dürfen, eine Bürgschaft. Auch die geben ihnen Ida und Louise. Mindestens 29 Menschen retten sie auf diese Weise das Leben, ganz genau lässt es sich nicht mehr nachvollziehen.
Die englische Journalistin Louise Carpenter hat die Geschichte von Ida und Louise nun entdeckt, noch ein bisschen recherchiert und nachgeforscht und ihre Reportage dann zunächst in der Zeitschrift Granta veröffentlicht. Miriam Mandelkow hat sie für den Dörlemann-Verlag ins Deutsche übersetzt. Faszinierende Geschichte, sehr beeindruckend, gerade weil es eine so „kleine“ Geschichte ist. Zwei einfache Frauen, die man sich auch im jungen Alter irgendwie schon als alte Jungfern vorstellt, verschrobene Damen, deren Hobby zur Obsession wird, und die schließlich Großes leisten – fast wie nebenbei, so liest es sich jedenfalls in Carpenters Bericht. Ein ganz erstaunliches Büchlein. Es steht im Regal zwischen Truman Capote und John LeCarré, der vielleicht eher unter L gehört, wenn ich jetzt so drüber nachdenke – dann steht rechts also Lewis Carroll.

Louise Carpenter (Miriam Mandelkow): Ida und Louise. 126 Seiten. Dörlemann-Verlag, 16,90 €.

Autorenstimme des Monats (Aus dem Presse-Newsletter des VdÜ)

„Natürlich frage ich mich oft, was die Unterschiede zwischen dem Schreiben und Übersetzen sind. Eins ist es auf jeden Fall nicht: Ich glaube nicht, dass Übersetzen einfacher ist als Schreiben. Es ist nur mit weniger Angst behaftet, ich muss mich beim Übersetzen nicht davor fürchten, dass der ganze Aufbau, die Personnage, die Handlung falsch ist. Es gibt ein Original, und wenn da etwas nicht stimmt, kann ich mich – nicht immer ganz ohne kollegiale Häme – zurücklehnen und sagen: „Bitte, Autor, wenn Du unbedingt willst…“ Doch das macht das Übersetzen nicht einfacher, denn der Vorteil der lediglich sprachlichen und nicht kompositorisch-inhaltlichen Verantwortung wird dadurch aufgehoben, dass man eben auch nur das Sprachliche gestalten kann und einem das allerwichtigste Gestaltungsmittel, das dem Schriftsteller die Arbeit erleichtert, nicht zur Verfügung steht: Das Streichen. Als Autor muss ich nur das ausdrücken, was ich auch ausdrücken will und was sich in meiner Sprache ausdrücken lässt. Als Übersetzer muss ich alles ausdrücken können. Und da sich das Streichen nicht nur auf Sätze beschränkt, sondern ganze Kapitel, Handlungsstränge, Figuren betreffen kann, bin ich als Autor ein Mensch, der seine Personen mit utilitaristisch kühlem Blick beäugt, sich bei jedem Charakter fragt: ‚Nutzt Du meinem Text oder soll ich Dich löschen?‘ Als Übersetzer sehe ich die Personen als gegeben an, nehme die Menschen so, wie sie sind und versuche, das Beste daraus zu machen. Der wichtigste Unterschied zwischen dem Schreiben und Übersetzen liegt für mich also nicht in der unterschiedlichen Schwierigkeit, sondern darin, dass ich beim Übersetzen ein netterer Mensch bin.“

Kristof Magnusson

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