Schreibcamp

Irgendwann im November kommt eine Rundmail von meiner Freundin Simone an sechs oder acht Autorinnen und Autoren: Ob wir nicht mal mit ein paar Leuten ein nettes Haus irgendwo mieten wollen, für eine Woche oder ein paar Tage, und dort schreiben und über das Schreiben sprechen und vielleicht kleine Workshops machen. Fast alle sagen sofort zu, und dann dauert es keine zwei Wochen, bis wir einen Termin erdoodelt, 10 Leute zusammengesucht und das wirklich umwerfend schöne Gutshaus Lexow gemietet haben. Und dort waren wir nun letzte Woche, leider nur zu neunt, weil einer kurzfristig absagen musste.

Das Gutshaus ist das Paradies. Wunderschön renoviert, die Zimmer sind riesig, wir haben jeder ein Doppelzimmer, also genügend Platz, um sich auch mal zurückzuziehen, falls man mal allein sein möchte oder irgendjemand nervt. Es nervt aber niemand. Nicht alle kannten sich vorher, ich kannte ungefähr die Hälfte, teils nur flüchtig. Alle sind kluge Leute mit einem speziellen Humor, alle haben offenbar sehr ähnliche Vorstellungen davon, was wir hier wollen. Wir wollen reden und arbeiten und mehr reden und es gut haben und essen und trinken und arbeiten und lachen und baden.
Am ersten Abend setzen wir uns zusammen und jeder sagt, was er gern lernen möchte, worüber er reden möchte. Und jemand anders sagt „dazu kann ich was sagen“. Und wir erzählen uns, woran wir gerade arbeiten, wie weit wir sind, und daraus ergeben sich neue Gesprächsthemenwünsche, die alle auf Post-its an die Wand geklebt werden. Wir überlegen uns, was wir wann machen wollen, was besonders dringend ist, was sich zusammenfassen lässt, und sortieren die Post-its neu.

Und dann machen wir sechs Tage lang das, worauf wir uns sechs Monate lang gefreut haben. Manche laufen morgens eine Runde. Frank macht Rührei. Tatjana geht in den Garten, Kräuter ernten. Ich werfe Beeren in Joghurt. Ein- oder zweimal am Tag setzen wir uns zusammen und reden über ein Thema. Wir brainstormen unter Anleitung nach einem bestimmten System zu Franks Sujet. Wir reden übers Plotten, über Sex und Gewalt, über Dialoge, Rhythmus, Hörspiele und Interviews, über Verlage und Motivation und Scheitern. Immer nur die, die wollen; niemand muss an irgendwas teilnehmen, es gibt keine Regeln, wir sind ja alle freiwillig hier und weil wir etwas wollen. Wir lernen Boxen, weil Romy das für den nächsten Roman braucht und Markus es kann und zwei Paar Handschuhe mitgebracht hat. Wir baden im nahen See, ich springe als einzige auf dem Trampolin herum und lasse mich auf der Slackline festhalten (was ist los mit euch, Leute?).

Wir sitzen im Garten, auf der Terrasse oder im Haus und arbeiten still vor uns hin, wir geben einander etwas zu lesen und sprechen zu zweit oder in Kleingruppen darüber. Angélique erklärt mir ganz viel über meine Figur. Ich fange an, Simones Fahne zu lesen, komme aber nicht weit. Vier von uns lassen sich von einer Aromatherapeutin in die totale Entspannung massieren. Nachmittags fahren zwei oder drei vielleicht mal einkaufen, jemand anders kocht oder grillt oder wirft Salat zusammen, und die nächsten räumen hinterher alles weg und machen die Küche wieder klar. Niemand ist schwierig in Sachen Essen oder Geld oder sonstwas. Abends spielen wir tatsächlich Flaschendrehen oder Personenraten, wir singen und tanzen, manche sogar auf dem Tisch, eine muss hinterher den Besen mit ins Bett nehmen, und wir können nicht mehr aufhören zu lachen. Wir vereinbaren eine Anspielung, die wir alle in unseren respektiven nächsten Romanen unterbringen wollen. Am vorletzten Abend machen wir eine Lesung, zu der (leider) so wenig Leute kommen, dass wir (zum Glück!) doch nicht an neun verschiedenen Stellen lesen, sondern alle nacheinander im Café, sodass wir einander auch hören können, und das ist viel schöner, als wenn jeder seins gemacht hätte.

(Zwischen Simone und mir die Buchhändlerin, die bei der Lesung den Büchertisch gemacht hat.)

Am letzten Tag fahren wir alle zusammen an den See und baden und paddeln oder sitzen einfach in der Sonne herum, und es ist so unfassbar und umwerfend idyllisch und schön, dass man fast ein bisschen weinen möchte, und das sieht man im Wasser zum Glück nicht.
Wir haben uns ein halbes Jahr lang auf diese Woche gefreut. Wir hatten große Hoffnungen. Aber dass es so großartig wird, konnte keiner ahnen. So konstruktiv und produktiv und motivierend und inspirierend und lustig und lecker und erholsam und wundervoll. Oder wie Romy auf Facebook schrieb: Wir kamen als Kollegen an und reisen als Freunde wieder ab.

Danke an alle. Vor allem an Simone Buchholz für den Anstoß. Und an Romy Fölck, Markus Friederici, Anja Goerz, Tatjana Kruse, Angélique Mundt, Till Raether und Frank Spilker für generelles Supersein und eure Wärme. Ich habe da jetzt etwas im Herzen, was da bleiben wird.

(Alle Fotos sind von Anja Goerz.)

3 Kommentare

  1. Katrin Montag, 25. Juni 2018 um 21:21 Uhr [Link]

    Die Woche hört sich wahnsinnig toll an?

  2. LiFe Dienstag, 26. Juni 2018 um 10:52 Uhr [Link]

    Wir kamen als Kollegen an und reisen als Freunde wieder ab……wunderbar! Wäre gerne dabei gewesen :-)

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