Frankfurter Buchmesse 2014
Ach, herrlich, Kinder!
Es gibt ja zwei Sorten Buchmessenbesucher: die, die nur unter Protest hinfahren und nur, wenn sie unbedingt müssen, und die, dich sich das ganze Jahr über darauf freuen, die gerne hinfahren und gar nicht genug bekommen. Ich gehöre eindeutig zur letzten Kategorie.
So viele Leute getroffen oder wiedergetroffen, verabredet oder zufällig, so viele neu kennengelernt, ganz unbekannte oder Facebookfreunde endlich in Echt erlebt, und viel zu viele andere nicht getroffen. Leuten vorgestellt worden, Leute einander vorgestellt. Verblüffend viel Wein und Sekt getrunken und verblüffend wenig (nämlich gar keine) Kopfschmerzen gehabt. Jeden Abend auf einer Party gewesen, einmal deswegen, weil ich fünf Minuten vor Messeschluss am Stand eines Verlages, für den ich nie gearbeitet habe, eine Freundin traf, die dort auch nicht arbeitet, mich aber fragte, ob ich am Abend bei der Party ebendieses Verlages sein würde, woraufhin ich mich beschwerte, dass ich in 15 Jahren Buchmesse noch kein einziges Mal zu einer dieser sagenumwobenen Partys eingeladen war, woraufhin wiederum eine mir völlig unbekannte Dame dieses Verlags eine Einladung hervorzauberte und sagte dochdoch, das sei schon in Ordnung. Danke, liebe unbekannte Dame vom Dumont Verlag, das war wirklich sehr nett.
Ich verließ die respektiven Partys allabendlich gegen zwei Uhr nachts, und ab halb sieben morgens lärmten die Kinder meiner Gastgeberin vor meiner Tür herum. Machte aber nichts, ich war verblüffend unmüde, und dass ich nach all dem Wein und all den Partys so unverkatert war, lag womöglich zum einen daran, dass niemand mehr in Räumen raucht, und zum anderen daran, dass ich sowieso die ganze Zeit voll auf Endorphinen war.
Es ist nämlich so: Mein Verlag – mein Verlag! – war ja schon immer mein Lieblingsverlag als Übersetzerin. Jetzt erscheint mein eigener Roman – mein Roman! – bei KiWi, und ich bin vollends verliebt. Ich war eine ziemliche Weile am Stand, am Donnerstag Abend durfte ich mit zum komplett verkicherten Autorenessen, und einer nach dem anderen kam zu mir, stellte sich vor und sagte, er habe den Pfau schon gelesen und fände ihn toll, und alle würden sich freuen, dass ich bei ihnen gelandet sei. Hallo? Ich habe noch nicht mal den Vertrag! Das ist doch nicht normal, dass gefühlt drei Viertel des Verlags den Roman schon gelesen haben. Und auch noch alle behaupten, sie würden ihn super finden und sich freuen. Fast hätte ich ein kleines Tränchen verdrückt vor lauter Rührung, ich kann das auch alles immer noch nicht richtig glauben, ich warte vielmehr fast darauf, dass sie merken, dass das alles ein Irrtum war. Aber bis dahin: Große KiWi-Liebe.
Überhaupt große Literaturszenenliebe, so viele tolle Menschen, und die Doofen kriege ich irgendwie immer gar nicht mit, aber ich muss dort auch keine Geschäfte machen. Ich treffe meine Lektorinnen, Freunde, Kolleginnen, Bekannte, ich verabrede mich mit den Leuten, die ich sehen will, und sagte ich schon, dass ich zu viele Leute gar nicht gesehen habe? Wann denn auch? Ich war ja dauernd verabredet. Nicht mal im Übersetzerzentrum war ich so richtig, nur am Samstag, als ich mich da kurz zum Obst machen musste, es gab einen „Translation Slam“, bei dem die Kollegen Ingo Herzke, Peter Torberg und ich spontan literarische Zitate und Sprichwörter übersetzen sollten. Es war ein Experiment, ein erstes Mal, nicht geprobt. Vorbereitet und moderiert von Annette Kopetzki, wir drei Teilnehmer waren einigermaßen ahnungslos, was auf uns zukommen würde, aber es hat gut geklappt, wir hatten unfassbar viele Zuschauer, und sie sind alle bis zum Ende geblieben und wurden immer mehr. Den Buchmessensamstag habe ich ansonsten ausgelassen, den Vormittag habe ich mit meiner Gastgeberin verbracht, und nach dem Slam bin ich gleich nach Hause gefahren. Die Besuchertage auf der Messe sind dann doch kein Spaß mehr, da ist es nur noch anstrengend.
Ich quassel zu viel auf Facebook, dort hatte ich nämlich einen Tag vorher geschrieben, dass ich mir aus Versehen noch ein Kleid für die Buchmesse gekauft habe, und so wurde ich drei Tage am Stück gefragt, ob das das neue Buchmessenkleid sei. Das war es nur am Donnerstag, und zwar dieses hier. Neben mir steht Mona Lang, KiWi-Lektorin, und wir halten aktuelle KiWi-Titel hoch. An den anderen Tagen trug ich ebenfalls schöne Kleider, ich freu mich ja über solche Gelegenheiten. Katy war noch besser ausgestattet, sie hatte drei Kleider für tagsüber und drei für abends dabei. Respekt! Überhaupt gab es auf der Messe viele schöne Kleider zu sehen.
Aber verblüffend, wie viele Leute meinen Facebookquatsch lesen und sich auch noch merken, was ich geschrieben habe. Ich hingegen vergesse ja alles, das ist manchmal sehr schlimm und sehr peinlich. Zum Beispiel vergesse ich Leute. Wie sie aussehen, wie sie heißen, woher ich sie kenne. Auf der Messe behauptet jeder, das ginge ihm genauso, aber so schlimm wie ich ist natürlich niemand.
Ansonsten habe ich es mal wieder geschafft, keine Bücher wahrzunehmen und keine Veranstaltungen mitzubekommen, keine Vorträge, keine Gespräche, keine Lesungen. Ich weiß nicht, wie andere das machen, im Halbstundentakt Termine zu haben, zwischendurch womöglich noch von Halle 3 in Halle 6 zu müssen, und dann auch noch irgendwelche Lesungen zu hören, die Gastlandhalle zu besichtigen und Bücher zu entdecken. Ich bekomme auf der Messe schlagartig einen Tunnelblick und nehme die Bücher höchstens als Tapete wahr. Was ich auch nicht beherrsche: hübsche kleine Giveaways mitnehmen. Von Büchern ganz zu schweigen. Aber die würde ich eh nicht für den Rest des Tages über die Messe schleppen wollen.
Vorsätze fürs nächste Jahr:
- Vielleicht einen Tag länger? Schon Mittwoch auf die Messe? Dann könnte ich mehr Leute treffen. Und womöglich nach Büchern gucken (hahahaha!), oder wenigstens mal die Gastlandhalle gehen. Finnland soll toll gewesen sein, hört man. Ich war nur kurz im Mumins-Bus, aber der hat mich nicht vom Hocker gerissen. Ich habe mir nicht mal ein Gehirnströme-Gedicht generieren lassen.
- Endlich selbst zu Partys eingeladen werden, statt mich immer als irgendjemandes „+1“ durchzuschnorren. Mit wem muss man dafür schla
- Mehr Fotos machen, mehr instagrammen, twittern, facebooken, livebloggen oder meinetwegen mit Gänsekiel auf Bütten notieren, denn ich vergesse ja alles. Jedenfalls mehr Momente festhalten, wie etwa den, als ich am Samstag in Halle 3.1 kam, wo am Anfang die christlichen Verlage sind. Hinter mir gingen zwei Frankfurter Muttis, von denen eine nur einen Blick in die Halle warf und feststellte: „Nee, hier simmä katholisch, des brauche mä net.“
Oder den, als mir Thomas Hettche vorgestellt wurde, und ich ihm gleich mit meinem ersten Satz mitteilte, dass ich ihn ein bisschen hasse. Das hat natürlich nichts mit ihm zu tun, sondern damit, dass ich das Cover seines aktuellen Romans so wunderschön finde und deswegen schlicht neidisch bin. So hätte meiner aussehen können.
***
Wen ich, außer der bereits im Text zweimal verlinkten Katy noch getroffen habe:
Unter anderem die Herren Stefan Möller und Stefan Mesch. Und endlich Wibke Ladwig – es muss sich irgendwie um ein Versehen des Universums handeln, dass wir uns vorher noch nie getroffen hatten.
Nora Bossong habe ich auch kurz kennengelernt.
Und natürlich noch viel mehr, aber die haben alle (noch) nicht gebloggt. Glaube ich. Wenn doch, sagt Bescheid, wird alles verlinkt.
Buchmesse gefühlt, gelassen und gefunden #fbm14 | Sinn und Verstand Kommunikationswerkstatt Montag, 13. Oktober 2014 um 13:58 Uhr [Link]
[…] … zeigen die Buchmenschen mehr Mut in der Wahl ihrer Kleidung. Während die Männer in dieser Hinsicht noch etwas einfallslos wirken und zum DIN-Norm-Anzug greifen, habe ich an den Damen erfreulich viele schöne Kleider, Röcke und Hosen gesehen. Bestangezogener Mann: Mario Giordano in einem hervorragend geschnittenen Anzug in mysteriösem Nachtviolett. Bestangezogene Frau: Isabel Bogdan in einem himmlischen Kleid, wenn sie auch nicht mein Lieblingskleid mit den bunten Herbstblättern trug. Sie bloggte übrigens auch über die Buchmesse. […]
Wibke Ladwig Montag, 13. Oktober 2014 um 14:01 Uhr [Link]
Wir trafen uns, und mich hat das außerordentlich gefreut. Und ich habe gebloggt, soeben: http://www.sinnundverstand.net/2014/10/13/buchmesse-gefuhlt-gelassen-und-gefunden-fbm14/
Isabel Bogdan Montag, 13. Oktober 2014 um 14:03 Uhr [Link]
Du bist ja schneller als ich hinterherbloggen kann. Schon verlinkt!
Zahnwart Montag, 13. Oktober 2014 um 14:25 Uhr [Link]
Ich war früher, als ich noch im Hessischen wohnte, immer gerne auf der Buchmesse. Und ich finde es schön, dass das jetzt auch jemand schreibt, und nicht immer nur „Igitt, Buchmesse, wenn ich nicht müsste, also, keine zehn Pferde würden mich da hinkriegen!“ Ich verstehe aber, wenn jemand es da doof findet. Marlene Streeruwitz etwa schrieb einen schönen Text, in dem ziemlich viel an dieser Messe doof ist, und ich schrieb was über die Streeruwitz: http://www.kulturnews.de/knde/review.php?id=4508&topic=buecher&title=Nachkommen.&artist=Marlene%20Streeruwitz.
(Dass das mit dem vielen Wein und Sekt keine Kopfschmerzen nach sich ziehe, weil nichtmehr geraucht werde, stimmt übrigens nicht. Au.)
Sophie Montag, 13. Oktober 2014 um 14:30 Uhr [Link]
Liebe Isabel,
nur damit du weißt, woher wir uns „kennen“: Vom Bookup im Büchereck, ich war auch die, der du auf Facebook die feierliche Erlaubnis zum Ins-Gespräch-Platzen erteilt hast. (bloß für den Fall, dass du es vergessen hast, die Sache mit dem Gedächtnis kommt mir sehr bekannt vor!) .. das ist jedenfalls ein schöner Bericht und er ist beruhigend insofern als auch ich es nicht auf Lesungen oder in den Finnland-Pavillon oder sonstewohin von Bedeutung geschafft habe. Irgendwas zu schreiben habe ich dennoch gefunden (http://literatourismus.net/2014/10/es-war-ja-wieder-buchmesse/)
Herzliche Grüße nach Hamburg!
Isabel Bogdan Montag, 13. Oktober 2014 um 14:42 Uhr [Link]
Oh, super – gerade erst kennengelernt, und schon habe ich dich bei dem Bloggertreffen bei Hanser nicht erkannt. Denn da stand ich auch irgendwo im Hintergrund herum, als Ihr mit Karen Köhler gesprochen habt. Mann, mann, mann.
Susanne Dienstag, 14. Oktober 2014 um 21:07 Uhr [Link]
Wie wunderbar, so einen buchmesseliebenden Blogbeitrag zu lesen! Wo ich gerade noch davon zehre… Ich freu mich auch schon das ganze Jahr drauf, und dieses Jahr hab ich es erstmals geschafft, JEDEN Tag dort zu sein, und gaaaanz viel von Finnland mitzubekommen (weil ich Land und Sprache toll finde). Und da ich nicht aus der buchherstellenden, sondern aus der buchverwaltenden Branche bin (Bibliothek), hab ich im Gegensatz zu Dir nur offizielle Lesungen, Interviews etc. erlebt, und war auf keiner Party. Und es war trotzdem toll, und ich freu mich schon wieder aufs nächste Jahr. :-)