Das Massaker von Nanking / 南京大屠殺

Am 13. Dezember 1937 besetzten japanische Truppen die damalige chinesische Hauptstadt Nanking (heute schreibt man Nanjing) und richteten in den folgenden sechs Wochen ein ungeheuerliches Massaker an. Etwa 300.000 Zivilisten und Kriegsgefangene wurden ermordet, 20.000 Mädchen und Frauen systematisch vergewaltigt (und dann entweder ebenfalls ermordet, oder sie haben sich selbst das Leben genommen, weil sie es nicht aushielten), es wurde geplündert und gebrandschatzt und massakriert. Die Japaner haben hier auf unvorstellbare Weise gewütet.

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Heute war ich im Museum, das sich diesem Massaker widmet, und bin immer noch ganz erschlagen. Die schieren Zahlen erschlagen einen. Und die Brutalität erschlägt einen. Was Menschen sich ausdenken, um andere Menschen zu quälen. Vollkommen unbegreiflich.
Und dann hauen einen natürlich die exemplarisch dargestellten Einzelschicksale um, die Berichte von Überlebenden. Unbegreiflich, alles. Was für ein Glück wir haben, in Friedenszeiten zu leben. Mich überkommt bei sowas immer der vielleicht naive Kindergedanke: Warum können die Leute sich nicht einfach in Ruhe lassen? Es kann doch so schwer nicht sein, einander verdammt noch mal einfach in Ruhe zu lassen?

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Was einen leider auch ein bisschen erschlägt, sind die Textmassen und die Besuchermassen. Das Museum besteht hauptsächlich aus Bild- und Texttafeln. Ich persönlich finde ja, so ein Museum muss kein lückenloses Archiv sämtlichen vorhandenen Wissens zum Thema sein, ich glaube, weniger wäre vielleicht mehr. Kein Mensch kann das alles lesen und verarbeiten. Andererseits: Es sind auch unfassbar viele Leute dort. Vielleicht verteilen die sich besser, wenn es viel zu lesen gibt. Ich kann trotzdem nicht empfehlen, an einem Sonntag bei schlechtem Wetter hinzugehen, es ist einfach zu voll.

Mich beeindruckt eine Kunstinstallation, ein dunkler, spitz zulaufender Raum, in dem man eine Uhr ticken hört, jede Sekunde tickt es einmal. Alle zwölf Sekunden hört man das Geräusch eines Wassertropfens. Während der sechs Wochen des Massakers wurde im Schnitt alle zwölf Sekunden ein Mensch ermordet. Zu dem Wassertropfengeräusch leuchtet jeweils für wenige Sekunden an der Wand ein Bild eines Ermordeten auf, immer ein anderes. Alle zwölf Sekunden. Sechs Wochen lang.

Und was mich auch beeindruckt, sind die Helfer. Es gab damals eine Gruppe von Ausländern, Geschäftsleuten und Missionaren, die eine 4 qkm große Schutzzone für Zivilisten eingerichtet haben. Der Chef dieser Gruppe war John Rabe, der Leiter der Siemens-Niederlassung in Nanjing. Er hat nicht nur für die Einrichtung der Schutzzone gesorgt, sondern auch daneben, im Garten seines privaten Wohnhauses, eine riesige Hakenkreuzfahne aufgespannt, damit die Japaner dort keine Bomben abwarfen. Unter der Hakenkreuzfahne waren die chinesischen Flüchtlinge sicher. Was für eine Vorstellung. Man geht davon aus, dass John Rabe auf diese Weise über 200.000 Menschen das Leben gerettet hat. Man nennt ihn den „Oskar Schindler Asiens“ und den „deutschen lebenden Buddha“. Rabe kehrte noch während des Krieges nach Deutschland zurück und hielt dort Vorträge über die Kriegsverbrechen der japanischen Armee in China, bis ihn die Gestapo deswegen aus dem Verkehr zog. Bei der Entnazifizierung gab es zunächst Probleme, weil Rabe NSDAP-Mitglied gewesen war; er konnte dann aber glaubhaft machen, dass sie in China keine Ahnung hatten, was diese ganze NSDAP überhaupt bedeutete und was in Deutschland los war. Dennoch kam er nicht mehr richtig auf die Beine. John Rabe starb 1950 verarmt nach einem Schlaganfall in Berlin.

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Das Haus von John Rabe liegt direkt bei mir gegenüber, ich sehe es aus meinem Fenster; dort war ich schon vor einigen Tagen.

2 Kommentare

  1. Simone Sonntag, 24. November 2013 um 19:09 Uhr [Link]

    Hallo Isabel, es gibt zu dem Thema auch einen beeindruckenden Roman von Mo Hayder. ‚Tokio‘ :)
    Ich wünsche dir noch eine inspirierende Zeit in China.
    viele Grüße Simone

  2. Tina Montag, 25. November 2013 um 09:55 Uhr [Link]

    Verfilmt worden ist das auch – also der Teil mit John Rabe: http://de.wikipedia.org/wiki/John_Rabe_%28Film%29

    Danke übrigens für Dein China-Tagebuch. Man ist sofort wieder selbst dort.

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