Kunst

Hier in Hamburg war gestern die „Lange Nacht der Museen“. Wir haben uns sozusagen für das kleine Paket entschieden, keine langen Wege: Kunstverein, Deichtorhallen, Haus der Fotografie. Liegt praktischerweise alles gleich nebeneinander, und das ist gut, denn die Schlangen an den Shuttlebussen sehen nicht nach einem großen Spaß aus.

Im Kunstverein ist im unteren Stockwerk eine Ausstellung von mehreren Künstlern, die sich alle mit demselben Roman auseinandersetzen: „Der Mann, der Donnerstag war“, von G. K. Chesterton. Wir erfahren nicht wirklich, worum es in dem Roman geht, wir erfahren nicht, welches Kunstwerk von wem ist, und wir erfahren schon gar nicht, was davon sich in welcher Weise auf den Roman bezieht. Alles komplett informationsfrei. Irgendwo liegt ein angegammeltes Bund Bananen auf dem Fußboden, wir sehen Tarotkarten, so ein Klappdings für Wischmops wird automatisch immer wieder ein Stückchen angehoben und fallengelassen, und woanders sagt eine Stimme „Ein Sack Zweifel, zwei Sack Eifel“. Wir sind zur Abwechslung mal wieder ratlos. Der Text am Eingang ist einer dieser Museumstexte: klingt schlau, lässt sich auch irgendwie ganz flüssig lesen, aber wenn ich hinterher reproduzieren sollte, was da steht: äh … also … irgendwas mit Geheimdiensten und Anarchie und Bedrohlichkeit? Nun denn.
Immerhin, den Raum mit den Fotografien finde ich imposant. Wir sind mit unserer alten Freundin Andrea da, sie versteht etwas von Kunst, sie macht das beruflich, sie erkennt, dass die Bilder von Gilbert und George sind. Steht aber natürlich nicht dran.
Im oberen Stockwerk ist eine Ausstellung von Norbert Schwontkowski: großformatige Gemälde, von denen mir einige wirklich gut gefallen. (Die älteren Leser erinnern sich vielleicht: ich unterteile Kunst meist in „schön“ und „nicht so schön“, ich Banausin.)
Als wir eigentlich gerade gehen wollen, kündigt sich Großes an: ein Auftritt von „Tulip, die singende Tulpe“. Und das ist keineswegs so schlimm, wie es erstmal klingt, sondern noch viel schlimmer. Ein Mann mit einer selbstgebastelten Papptulpe um den Kopp? Seriously? Im Museum?

Wir gehen weiter in die Deichtorhallen zur Ausstellung von Hans-Peter Feldmann, die mir gut gefällt. Mir sagte der Name natürlich nichts, aber Andrea sagt, er ist berühmt. Ich mochte da vieles. Lieblingsobjekt: eine ganze Reihe sich drehender, vielleicht schallplattengroßer Scheiben, auf denen allerhand Puppen, Tiere, Schneebesen und sowas montiert sind, und die so angestrahlt werden, dass sie auf die dahinterliegende Wand große Schatten werfen. Diese tanzenden Schatten sind sehr schön, sehr meditativ, da hätte ich eine Weile zugucken können. Auch sonst viel Schönes, auch Quatsch (manipulierte bekannte Gemälde, „Der Ursprung der Welt“ mit Bikinihosenabdruck, klassische Portraits mit roter Nase oder blauem Auge), eine Reihe Fotos von Autoradios während gute Musik läuft; Fotos, Gemälde, Objekte, Readymades, ich finde das sehr vielseitig und schön. Blöd nur, dass irgendwelche Kasper herumturnen und über Verstärker „lustige“ Sachen machen, in die sie das Publikum „einbeziehen“, was bedeutet, dass man immer mindestens auf der Hut, schlimmstenfalls auch auf der Flucht ist. Was, bitte, soll der Quatsch, ich möchte da in Ruhe gucken und nicht bekaspert werden. (Okay. Man könnte jetzt sagen, wer in Ruhe gucken will, soll nicht zur langen Nacht gehen. Ist was dran.)
Unsere letzte Station ist das Haus der Fotografie, wo eine Harry-Callahan-Retrospektive gezeigt wird und außerdem irgendwelche Kasper herumkaspern. Ich mag die Fotos, vor allem die von Callahans Frau Eleanor, schöne Fotos einer schönen Frau, und dann ist auch der Kasper weg und stattdessen kommt eine Jazzband. Auch recht. Wir sind aber jetzt schon ziemlich voll im Kopf und erschöpft, vier Ausstellungen in drei Häusern reichen, wir wollen nach Hause.
Auf dem Weg zum Bahnhof kommen wir noch am Kunsthaus vorbei, wo eine Fotoausstellung über Künstlerateliers gezeigt wird. Da gehen wir dann doch auch noch durch – ganz interessant, wie unterschiedlich Künstler arbeiten. Einer in einer Art Ballsaal, manche eher in Rumpelkammern, manche verblüffend aufgeräumt, andere so chaotisch, wie man es sich vorstellt. (Den Versuch, Männer und Frauen zu zählen, habe ich aufgegeben.)

Tatsächlich hatten wir uns vorher auch schon den ganzen Tag mit Kunst beschäftigt. Da wir selbst nämlich irgendwie zu blöd zum Bilderaufhängen sind, und schon erst recht für eine Petersburger Hängung, fragten wir Andrea, ob sie nicht eine Idee hätte. Es ging eigentlich vor allem um die leere Wand überm Bett und die fast leere Wand hinter meinem Schreibtisch. Und so wühlten wir den ganzen Tag in Bildern und Rahmen, hielten hier etwas hin und dort etwas nebeneinander, wischten Glasscheiben ab und schlugen Nägel in die Wand. Herausgekommen ist natürlich weder für die eine Wand, noch für die andere etwas, stattdessen haben wir jetzt eine neue Wand im Wohnzimmer. Voilà, die Sammlung Bogdan:

Bilder

Im Uhrzeigersinn von links: Christoph Niemann, „Brooklyn Bridge“, Druck (auf Facebook gewonnen); Maximilian Buddenbohm, „Termin“, Fotografie (Geschenk des Künstlers); Gerd Brunzema, „Plantage“, 2007, und „In die Brombeeren gehen“, 2009, Druckgrafiken (Geschenke des Künstlers); Ellen Dressler, „Tordurchgang Richardstraße 3“, Aquarell, 1946 (Erbstück); Wolf Erlbruch, „Turnschwein“ (Kalenderblatt); Torsten W. Schneider, „Fußballer, zerrissen“, Fotografie (Geschenk des Künstlers).

9 Kommentare

  1. Marina Sonntag, 14. April 2013 um 15:56 Uhr [Link]

    schön, nu bin ich neugierig auf die Ausstellung im Kunstverein.
    Und es beruhigt mich ungemein nicht die einzige Banausin zu sein (ich erwischte mich gestern oft bei dem Gedanken „ist das Kunst oder kann das weg?“)
    VG, Marina

  2. la23ng Sonntag, 14. April 2013 um 18:05 Uhr [Link]

    Kunsthaus (mit den Atelierphotos) fand ich auch sehr fein, Feldmann fand ich zu beliebig (der ist berühmt? Au Mann, ich lebe unterm Stein), aber am besten gefallen hat mir ‚Besser Scheitern‘ in der Kunsthalle, da sind ein paar sehr feine Arbeiten und ich mag halt den Ansatz, da ich mir den Erkenntnisgewinn immer vom Fehlschlag her denke.

    • Isabel Bogdan Sonntag, 14. April 2013 um 18:58 Uhr [Link]

      Hihi – Andrea meinte, „der macht auch schon seit 30 Jahren das gleiche“, und ich fand: wieso das gleiche, das ist doch ganz viel Unterschiedliches. Jetzt findest Du es beliebig. Ich wunder mich immer, wenn Künstler wirklich jahre- oder gar jahrzehntelang das gleiche machen. Die armen Künstler, können es einem auch wirklich nicht recht machen.
      Kunsthalle waren wir nicht, aber „besser scheitern“ ist ja eigentlich auch gerade mein Thema.

  3. kid37 Sonntag, 14. April 2013 um 23:50 Uhr [Link]

    Ah, Ihr habt doch wohl nicht die Ecke mit Tessa Farmer übersehen? Die Ausstellung im Kunstverein ist wirklich großartig. Sehr politisch, bedrückend und auch ein wenig böse. Also unterhaltsam.

    • Isabel Bogdan Montag, 15. April 2013 um 00:05 Uhr [Link]

      Och Mensch, das war das, wo man durch die niedrige Tür hätte kriechen müssen? Das haben wir uns geschenkt – wir haben ja den ganzen Rest auch schon achselzuckend nicht kapiert, und vor dem Durchkriechdings war eine Schlange.

    • kid37 Montag, 15. April 2013 um 10:39 Uhr [Link]

      Ich hätte mich auch nicht gewundert, hätte man dieses Kabinett anläßlich der Mob-Nacht gesperrt. Die Sachen sind sehr filigran und empfindlich und hängen da einfach frei rum. Und wenn man weiß, hinter einem warten noch Dutzende anderer Leute, macht das auch keinen Spaß. Kostet aber nur 3 Euro, ich kann es nur empfehlen, das noch mal in Ruhe unter der Woche anzugehen.

  4. zeiserl Montag, 15. April 2013 um 08:48 Uhr [Link]

    Hat Tulip, die singende Tulpe, wenigstens „Tiptoe through the tulips“ gesungen? http://www.youtube.com/watch?v=90JCY0Eh1s4

    Mist, jetzt habe ich für den Rest des Tages wohl einen besonders gemeinen Ohrwurm.

    • Isabel Bogdan Montag, 15. April 2013 um 09:54 Uhr [Link]

      Keine Ahnung, wir sind nach einem Lied gegangen. Das war so ein Erpresserding mit „Ich kann ohne dich nicht glücklich sein“.

  5. Anna Montag, 15. April 2013 um 09:07 Uhr [Link]

    Tolle Wohnzimmerkunstwand, die Brücke ist genial – und ich finde es schön, dass es so viele persönliche Bezüge in Form von Geschenken der Künstler höchstderoselbst gibt. Sehr anregend :-).

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