Belauscht

Vater: Und wie heißt die Mutter von der Emma*?
Sohn: Mama. Die heißt Mama.
Vater: Mama? Die heißt doch nicht Mama, das ist doch nicht ihr Name.
Sohn: Doch, die Mutter von der Emma heißt Mama.
Vater: Ja, für die Emma. Aber für dich doch nicht, wie hast Du denn zu ihr gesagt?
Sohn: (nicht verstanden)
Vater: (nicht verstanden)
Sohn: Dann heißt sie bestimmt Frau Hansen.
Vater: Frau Hansen? Wieso Frau Hansen, hat sie denn keinen Vornamen?

Pause

Sohn: Papa?
Vater: Ja?
Sohn: In Wirklichkeit weiß ich gar nicht, wie sie heißt.

*Gibt es eigentlich sowas wie einen Elternkonsens, Kinder erst in höherem Alter in die Geheimnisse des Genitivs einzuweihen? Und noch dazu Vornamen mit Artikeln zu versehen, wie es sonst nur in ein paar Dialekten gemacht wird? Oder anders gesagt: warum sagen fast alle Eltern kleiner Kinder „Die Mutter von der Emma“ statt ganz normal „Emmas Mutter“?

28 Kommentare

  1. adelhaid Freitag, 25. Januar 2013 um 11:35 Uhr [Link]

    vielleicht als emphatisches mittel? halt die mutter von der emma und nicht die schwester von der.

  2. maki Freitag, 25. Januar 2013 um 11:37 Uhr [Link]

    „Nur in ein paar Dialekten“, ich bitte Sie, Gnädigste! „Die Mutter von der Emma“ würde, schätze ich, im gesamten süddeutschen und alpinen Raum als völlig korrekt empfunden. „Emmas Mutter“ klingt für mich nach abgespreiztem kleinen Finger und Formular mit dreifachem Durchschlag.

  3. Helga Freitag, 25. Januar 2013 um 11:40 Uhr [Link]

    Liegt vielleicht daran, dass der Genitiv von den meisten Erwachsenen auch nicht mehr beherrscht wird?

  4. jubil Freitag, 25. Januar 2013 um 11:45 Uhr [Link]

    Hihi…

    [Im Zug mal Folgendes belauscht:
    Sohn: Mama, wie heißt denn der Fluß?
    Mutter: Oh, das ist sicher ein Nebenarm der Elbe.
    Pause
    Sohn: Quatsch, ein Fluss hat doch keine Arme.]

  5. Annika Freitag, 25. Januar 2013 um 11:53 Uhr [Link]

    Das überrascht mich jetzt, dass „die Mutter von der Emma“ in Norddeutschland so verbreitet ist. Im pfälzischen Raum würde das allerdings als perfektes Hochdeutsch durchgehen. Im Dialekt sagt man eher „der Emma ihre Mutter“.

  6. Extramittel Freitag, 25. Januar 2013 um 11:55 Uhr [Link]

    Der Artikel vor dem Vornamen ist in vielen Teilen Deutschlands normale Umgangssprache, auch bei Leuten, die keinen Dialekt sprechen. Meinen Beobachtungen nach (ich kann mich natürlich irren) finden das zwei Gruppen von Leuten irritierend: diejenigen, die aus einer Region kommen, in der das nicht üblich ist und diejenigen, die sehr bewusst dazu erzogen wurden, nicht so zu sprechen wie die Kinder „auf der Straße“. Für mich ist das wie gesagt Umgangssprache, schreiben würde ich es eher nicht, aber es fühlt sich ein wenig komisch an zu sagen: „Hast du Isa getroffen?“.

  7. Isabel Bogdan Freitag, 25. Januar 2013 um 12:02 Uhr [Link]

    Echt? Klingt für mich überhaupt kein bisschen komisch.
    „Ich treff mich heute Abend mit dem Max und der Bettina.”
    „Wie heißt eigentlich der Mann von der Isa?”
    „Hast Du schon mit der Annika gesprochen?”

    Das klingt für mich alles komisch. Das sagst Du alles so? Krass. Also, im Sinne von: ich kenne das wirklich nur dialektal, und wenn ich es im Hochdeutschen, auch im umgangssprachlichen, höre, zieht es mir die Schuhe aus. Und das mit dem nichtvorhandenen Genitiv wird tatsächlich nur kleinen Kindern gegenüber gemacht. Unter Erwachsenen würden diese Eltern auch „Emmas Mutter“ sagen.
    „Der ihre“ geht natürlich auch in allen Dialekten.

    • serotonic Freitag, 25. Januar 2013 um 12:31 Uhr [Link]

      Auch für mich ist der Artikel vor dem Vornamen völlig normal, die hochdeutsche Variante wirkt eher gestelzt auf mich. Ich wüsste allerdings nicht, ob das an den Eifeler Wurzeln liegt oder auch im Köln/Bonner Raum verbreitet ist, da müsste ich mal drauf achten.

    • Stephan Freitag, 25. Januar 2013 um 12:39 Uhr [Link]

      Ich bin’s so wie Isa gewohnt, habe mich aber von einem promovierten Anglisten (hint!) aus Frangen abwatschen lassen müssen, als ich fragte, ob er denn der einzige „Gerhard“ weit und breit sei.

  8. Extramittel Freitag, 25. Januar 2013 um 12:12 Uhr [Link]

    Ok, ich habe mich hauptsächlich auf den Artikel vor dem Vornamen bezogen. Von deinen Beispielen würde 1 und 3 wirklich so sagen, bei 2 fände ich auch den Genitiv normal. (Dass Eltern mit ihren Kindern in einem übermäßig vereinfachten Deutsch reden, ist ein anderes Thema).
    Übrigens bin ich (wie du weißt nicht so weit von dir) relativ dialektfrei aufgewachsen, weil meine Eltern aus „dem Osten“ kamen. Wenn ich gesagt habe „ich geh nach der Doris“, hat meine Mutter das verbessert. „Ich treff mich mit der Elke“ war auch für sie Hochdeutsch.

  9. chick Freitag, 25. Januar 2013 um 12:21 Uhr [Link]

    Ich bin ja auch „die Mutter von der Emma“ also für die anderen Kinder im Kindergarten und der Nachbarschaft. Ich sage das natürlich nicht so. Aber obwohl ich mich immer um einen korrekten Genitiv bemühe, bringt die kleine A so Dinge wie: „Emma sein Fahrrad“.

    Von mir hat sie das nicht.

    Dass man im Süddeutschen einen Artikel vor den Vornamen setzt, habe ich mir über die Jahre auch so angeeignet. Ich glaube, ich kann schon gar nicht mehr anders.

  10. A.-N. Freitag, 25. Januar 2013 um 12:45 Uhr [Link]

    Für mich (aus dem wunderschönen Ruhrgebiet) ist das auch ganz normale Umgangssprache. Daher auch oft das Missverständnis:
    „Da musst du mal die Jana fragen.“
    „Sag mal, Diana …?“

  11. Helge Freitag, 25. Januar 2013 um 12:49 Uhr [Link]

    Ich traue mich fast nicht den Link zu posten.

    http://m.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/a-623493.html

    Nich dat jemand glaubt dat dat Isa inne schlechte Jesellschaft jeraten in.

    • Isabel Bogdan Freitag, 25. Januar 2013 um 13:59 Uhr [Link]

      Hui, das halte ich aber für eine wirklich gewagte These – der Artikel soll in Kitas verwendet werden, damit die Erzieherinnen sich das Geschlecht der Kinder besser merken können? Das ist doch, mit Verlaub, Quark. Aber sonst hatter natürlich recht, der Herr Sick.

  12. Knud Freitag, 25. Januar 2013 um 12:59 Uhr [Link]

    Wenn es um Lucas Mutter geht, dann sage ich auch „Mutter von Lucas“ oder „Mutter von Luca“. Gäbe es da eine sowohl korrekte als auch eindeutige Formulierung?

    • Isabel Bogdan Freitag, 25. Januar 2013 um 13:52 Uhr [Link]

      Naja, schriftlich ist es eindeutig: Lucas Mutter ist die Mutter von Luca. Lucas‘ Mutter ist die Mutter von Lucas. Hören kann man das schlecht, außer man betont es absichtlich sehr.

  13. kleine fluchten ♥ Freitag, 25. Januar 2013 um 13:45 Uhr [Link]

    Hier sagen das nicht nur Kinder… Der Genitiv ist im Moselfränkischen nicht so populär ;-)

    Da fällt mir ein, dass mich eine Kindergartenfreundin meiner Großen mehrere Jahre lang jedesmal, wenn wir uns morgens in der Garderobe trafen, gefragt hat „Duhuuuu, Mama von der S……., wie heißt Du nochmal!?“
    Aber je-des-mal, ich schwöre!
    Und ich habe wirklich einen extrem einfachen Namen :-P

    LG Tina

  14. fxf Freitag, 25. Januar 2013 um 14:31 Uhr [Link]

    Was maki sagt. Die Namensnennung ohne Artikel würde hier in München zumindest zu einer hochgezogenen Augenbraue führe, vermutlich verbunden mit einem leise gezischten „Saupreiß“. Das gilt nicht nur für Dialekt, sondern auch für die Sprache, die von Einheimischen als Hochdeutsch angesehen wird – ich weiß, das läßt der Hamburger nicht gelten.

    Und überhaupt… Bayern und der Genitiv… umgangssprachlich wäre das eh „da Erna ihr Mama“.

  15. N. Freitag, 25. Januar 2013 um 17:12 Uhr [Link]

    Es gibt da so eine schöne Studie von Günter Bellmann, der herausgefunden hat, das der Artikel vor dem Vornamen in allen Teilen Deutschlands verwendet wird – je nach Situation :)

  16. trippmadam Montag, 28. Januar 2013 um 15:23 Uhr [Link]

    Also, ich ziehe ja die nordhessische Variante vor: dem Emma seine Mutter. Bei uns heißt es „das Emma“ oder vielmehr „’s Emma“. Was mich zu der Familie mit den fünf Töchtern, deren Namen fast alle mit S beginnen, bringt: nämlich ’s Anna, ’s Isa, ’s Paulina, ’s Marie, nur ’s Zofie (Sophie) nicht, das fängt mit Z an.

  17. trippmadam Montag, 28. Januar 2013 um 15:24 Uhr [Link]

    Schess verdammter, (auf Hochdeutsch: verdammter Mist), die Apostrophe sind nach unten gerutscht.

    • Isabel Bogdan Montag, 28. Januar 2013 um 15:31 Uhr [Link]

      Ja, das ist ein Elend mit den Anführungszeichen und den Apostrophen. Meine Webmistress ist immer mal wieder dran, aber irgendwie funktioniert das nicht.

    • serotonic Montag, 28. Januar 2013 um 20:35 Uhr [Link]

      Grml. Es ist wirklich ein Kreuz mit diesen Typografieplugins. Ich hab’s jetzt mal händisch korrigiert, das konnte man so ja nicht stehen lassen.

  18. trippmadam Montag, 4. Februar 2013 um 15:00 Uhr [Link]

    Ach, und ich dachte schon, ich sei zu dumm! Danke, Frau Serotonic.

  19. Extramittel Samstag, 16. Februar 2013 um 15:08 Uhr [Link]

    Hier, im Atlas zur deutschen Alltagssprache war das auch Thema in der letzten Runde: http://www.atlas-alltagssprache.de/artikelvorname/
    Es ist also ein Nord-Süd-Ding und du bist anscheinend hoffnungslos eingenordet.

    • Isabel Bogdan Samstag, 16. Februar 2013 um 18:02 Uhr [Link]

      Dann fragt sich aber immer noch, warum der Artikel auch in Norddeutschland benutzt wird, wenn man mit kleinen Kindern spricht. „Der Papa“ sagt nämlich dauernd „die Mama von der Emma“, egal, wie norddeutsch er ist. (Statt Emmas Mutter zu sagen. Macht mich ganz jeck, aber das erwähnte ich wohl schon.)

    • Extramittel Sonntag, 17. Februar 2013 um 10:49 Uhr [Link]

      Dazu steht da (unter „Artikel und Vorname in der Schule“) „Nach unseren Karten scheint jedoch auch bei einer neutralen Äußerung der Bezug auf Schüler (oder Kinder allgemein?) den Gebrauch des Artikels zu begünstigen. Gut möglich erscheint ein Zusammenhang mit der vertraulichen Wirkung, die dem bestimmten Artikel bei Namen gerade dort zugeschrieben wird, wo er nicht durchgehend üblich ist “
      (Löst dein Problem nicht, schon klar.)

  20. Atlas zur deutschen Alltagssprache: neue Runde | extramittel Samstag, 16. Februar 2013 um 19:07 Uhr [Link]

    [...] erst neulich bei Isa heftig darüber diskutiert wurde, wie der Gebrauch des Artikels vor Namen zu bewerten ist [...]

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