Arno Geiger: Alles über Sally

Alfred und Sally sind seit 30 Jahren verheiratet. Sie haben drei mehr oder weniger erwachsene Kinder und ein Haus und führen ein ganz normales bürgerliches Leben. Alfred ist Museumsdirektor, Sally Lehrerin – und entsprechend lebt Alfred vornehmlich in der Vergangenheit, während Sally zupackender und zukunftsgerichteter ist. Ein Einbruch ins Haus wirft Alfred ziemlich aus der Bahn. Besonders trifft ihn, dass die Einbrecher in seinen Tagebüchern herumgeschmiert haben; Alfred schreibt seit seiner Jugend permanent Tagebuch, und wenn er gerade nicht Tagebuch schreibt, erinnert er sich an lang vergangene Zeiten. Wie er damals in Kairo Sally kennengelernt hat, zum Beispiel. Darüber ist er alt und ein wenig hypochondrisch geworden, und so trägt er wegen seiner Krampfadern gern einen Thrombosestrumpf. Sally findet das nicht besonders sexy.
Überhaupt hat Sally deutlich mehr Tatendrang als Alfred, seine Lethargie und sein Gejammer gehen ihr zunehmend auf die Nerven. Sie krempelt nach dem Einbruch die Ärmel hoch, räumt auf, streicht einige Zimmer neu und legt sich einen Liebhaber zu. Und dann nehmen die Dinge ihren Lauf.
Das Erstaunliche ist: wir gucken dauernd in die Köpfe der beiden. Dauernd lesen wir ihre Gedanken, meistens Sallys, manchmal auch Alfreds. Normalerweise bin ich immer sehr vehement für „show, don’t tell“, ich möchte eigentlich nicht erklärt kriegen, was Leute denken und was in ihren Köpfen vorgeht, aber hier funktioniert es. Auch wenn ich es stellenweise etwas langatmig oder redundant fand, insgesamt habe ich das doch wirklich gerne und irgendwie sogar mit Spannung gelesen. Auf jeden Fall eine Empfehlung!

Arno Geiger wohnt im Regal zwischen Théophile Gautier und Wilhelm Genazino, ich habe es allerdings als E-Book gelesen.

Arno Geiger: Alles über Sally. Hanser, Hardcover, 21,50 €
dtv Taschenbuch, 9,90 €
E-Book, 9,99 €

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