Alan Bennett (Ingo Herzke): Vatertage

Irgendwie habe ich gerade ein Leseloch, ich hab das Gefühl, schon ewig nichts mehr gelesen zu haben, wie kommt das denn? Tst. Jetzt geht es aber wieder los, und Alan Bennett geht ja sowieso immer. Von Alan Bennett war ich schon dreimal sehr, sehr begeistert (Die souveräne Leserin, Così fan tutte, Handauflegen), jetzt also der vierte: Vatertage. Diesmal nicht eine durchgehende Geschichte, sondern zwei Texte: eine Geschichte und ein nicht-fiktionaler, erzählender Text über Bennetts Eltern.

Die Geschichte, „Vater, Vater, lichterloh“, fängt so an:

Jedesmal, wenn Midgley seinen Vater umgebracht hatte, war der Tod ganz leicht gewesen. Er war schnell, schmerz- und kampflos gestorben. Im Rückblick musste MIdgley zugeben, dass er seinem Vater nicht einmal mit diesen Todesphantasien gerecht geworden war. Es sah ihm gar nicht ähnlich, so zu sterben. Und er tat es auch nicht.

Midgley ist Lehrer, verheiratet, ein Sohn. Eines Tages erreicht ihn in der Schule ein Anruf, dass sein Vater im Krankenhaus liegt, er hatte einen Schlaganfall und liegt im Koma. Möglicherweise wird er die Nacht nicht überleben. Midgley fährt hin und hält Wache; der Vater überlebt die Nacht und noch ein paar Nächte mehr, und Midgley sitzt an seinem Bett oder draußen im Flur. Andere Verwandte kommen und gehen. Und wer das Ende nicht vorher wissen will, der lese keinen Klappentext, denn dann kommt es doch recht überraschend. Wie ich das hasse, wenn der Klappentext ausplaudert, was auf den letzten zwei Seiten passiert! Argh.
Der zweite Text dreht sich um Bennetts Eltern. Er heißt „Mr. Bennett, Sen.“, obwohl es genauso um die Mutter geht. Und mir ist nicht so ganz klar, was der Text soll, oder was ich damit anfangen soll. Gut geschrieben ist er, natürlich, ist ja Bennett (bzw. Herzke). Aber. Weiß auch nicht, vielleicht hatte ich einfach mit etwas Fiktionalem gerechnet und wollte keine Autobiografie lesen.
Insgesamt ist das nicht mein Lieblingsbennett. Die erste Geschichte ist natürlich toll, aber auch sie ist – bis auf einige nahezu Loriot-artige Dialoge – irgendwie anders als die anderen Bennetts, viel weniger ironisch und witzig. Dabei durchaus nicht humorlos, aber sie hat irgendwie so eine Grund-Traurigkeit. Was auch sehr schön ist.
Allen, die Bennett nicht kennen, lege ich die anderen drei Bücher dringend ans Herz. Dieses hier ist auch sehr schön, keine Frage, aber ich hatte eben ein bisschen was anderes erwartet. Was meiner Bennett-Liebe aber keinen Abbruch tut, ich habe noch die „Lady im Lieferwagen“ hier liegen und zwei weitere auf meinen Wunschzettel gesetzt. Bennett wohnt im Regal immer noch zwischen Benn und Bergengrün.

Alan Bennett (Ingo Herzke): Vatertage. Wagenbach, gebunden (und zwar in rotes Leinen, sehr schön, wie alle Bennetts), 14,90 €

5 Kommentare

  1. Lakritz und Schokolade Freitag, 16. September 2011 um 09:51 Uhr [Link]

    Danke für den Hinweis, ich liebe Bennett. Und Herzke ist einer der ganz wenigen Übersetzer, die ich richtig gut finde, bei Englisch-Deutsch bin ich sehr sehr pingelig. Und ja, die Wagenbach-Ausgaben sind sehr schön gemacht, ich verschenke die auch gerne.
    Viele Grüße aus Worms
    Nicole (Borheier)

  2. Lakritz und Schokolade Freitag, 16. September 2011 um 10:16 Uhr [Link]

    Ich bin’s nochmal – habe gerade in deiner Liste der Übersetzungsarbeiten die Namen Fforde, Evanovich und Foer gesehen und ziehe ganz tief meinen Hut.

    Da ich englischsprachige Autoren immer im Original lese, kenne ich außer Herzke keine Übersetzer mit Namen. Sie sind mir bisher nur durch lausige Übersetzungen aufgefallen, wenn ich einen Lieblingsautor mit jemandem teilen wollte, der kein Englisch kann. Pratchett ist da ein Paradebeispiel.

    Ich weiß nun, welche Autoren ich beruhigt auf deutsch verschenken kann. Alles Gute wünsch‘ ich dir!

  3. Isabel Bogdan Sonntag, 18. September 2011 um 09:43 Uhr [Link]

    Danke, danke! (Ich hingegen lese ja fast gar nichts auf Englisch.)

  4. Lakritz und Schokolade Montag, 19. September 2011 um 12:04 Uhr [Link]

    Oh. Ja, das verstehe ich gut! Und die Haiku-Sache finde ich sehr sinnvoll. Man kann mit Wort-für-Wort-Übersetzungen so hölzern werden, dass das Lesen einfach keinen Spaß macht. Deswegen wird mein armer, nicht-ausreichend-Englisch-sprechender Gatte eben keinen Terry Pratchett lesen können: macht keinen Spaß auf Deutsch.

    Willst du nicht mal neu…? Wäre klasse.

  5. Isabel Bogdan Montag, 19. September 2011 um 12:12 Uhr [Link]

    Tja, da habe ich keinen Einfluss drauf, da kaufen Verlage die Rechte und suchen sich dann einen Übersetzer. Einfach so neuübersetzen geht nicht. Außerdem ist Terry Pratchett wohl Fantasy, da würden sie mich hoffentlich gar nicht erst fragen. Nicht mein Genre. :-)

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