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2014 war von zwei großen Projekten geprägt, dem Pfau und „Was machen die da?“.
Aber am Anfang des Jahres ging es erstmal noch um meinen Fuß, den ich mir Ende 2013 hatte operieren lassen. To cut a long story short: Ich kann längst wieder laufen und steppen und alles, aber es ist immer noch nicht gut. Den großen Zeh kann ich nur nach oben bewegen, aber nicht nach unten, und der vierte Zeh, der ein Hammerzeh war, was behoben werden sollte, hammert immer noch und nervt. Sehr. Sollte jemand die ultimative Orthopädin, Krankengymnastin, Osteopathin oder Wunderheilerin in Hamburg kennen, immer gern her damit.
Im Februar schrieb ich, der Plan sei, den Pfau bis zur Buchmesse in Leipzig fertigzuhaben. Hatte ich natürlich nicht. Auf der Buchmesse war ich trotzdem, und der Pfau war Ende Mai fertig. Oder jedenfalls fertig genug, um ihn meiner Agentin zu schicken.
Mitten drin, am 1. April, ist außerdem Was machen die da? online gegangen. Es kam von Anfang an sehr gut an, wurde viel verlinkt, und wir haben einen Haufen Komplimente bekommen. Außerdem macht es uns auch selbst nach wie vor großen Spaß, Leute auszufragen, es kommt immer irgendwas Überraschendes, und es ist immer interessant.
Ende April waren wir eine Woche auf Eiderstedt, wo ich langsam auch wieder angefangen habe zu übersetzen, parallel zum Pfauschreiben. Ansonsten war das eine tiefenentspannte Woche, weil das Ferienhäuschen so schnuckelig war und das Wetter so schön und das Meer so blau. Und geritten bin ich auch noch.
Meine Agentin hatte natürlich noch Anmerkungen zum Pfau, ich bearbeitete ihn also im Juni noch mal, und Anfang Juli haben wir ihn an die ersten Verlage geschickt. Und ich war in Klagenfurt – eigentlich, um Karen Köhler das Händchen zu halten, die dann aber wegen blöder Windpocken zu Hause bleiben musste. Klagenfurt war das nächste Highlight des Jahres, das war sehr, sehr schön, da möchte ich gern wieder hin. Dummerweise ist es quasi immer an meinem Geburtstag.
Kaum aus Klagenfurt zurück, fuhren wir nach Schottland in die Sommerferien, wo ich allerdings nicht nur Ferien hatte, sondern außerdem eilig Nick Hornby übersetzte. Auch das ein Highlight, das hat großen Spaß gemacht. Gleichzeitig war ich hibbelig wie noch nie und fuhr zweimal am Tag rüber in die Jugendherberge, wo es Internet gibt, um zu checken, ob es Rückmeldung zum Pfau gibt. Gelegentlich meldete sich ein Verlag und sagte ab, allesamt sehr nett und positiv, aber eben Absagen. Die alle nicht so superschlimm waren, weil der Wunsch- und Lieblingsverlag sich immer noch nicht gemeldet hatte, der ließ mich zappeln, und ich war den Sommer über mit dem Versuch beschäftigt, mir das aus dem Kopf zu schlagen. Bis es dann doch klappte und der Pfau nun im Frühjahr 2016 bei KiWi erscheint. Das waren aufregende Zeiten, und so richtig fasse ich es immer noch nicht. Jedenfalls führte es dazu, dass ich den ganzen Herbst über auf so rosaglitzernden Endorphinwölkchen gewandelt bin, ganz besonders auf der Buchmesse, wo sich nämlich herausstellte, dass der netteste Verlag der Welt wirklich der netteste Verlag der Welt ist.
Nach der Buchmesse waren wir dann noch spontan eine Woche auf Menorca, noch einmal Sonne tanken, bevor der Winter kommt, was hervorragend geklappt hat, und danach habe ich mich in die Arbeit an dem Buch gestürzt, an dem ich jetzt immer noch sitze.
Und dann gab es dieses Jahr noch eine Neuerung, wir haben nämlich Wohnzimmerlesungen veranstaltet. Wir dachten schon lange, dass das doch eine schöne Sache wäre, und jetzt haben sich quasi von ganz allein fünf Lesungen in einem Jahr ergeben. Angefangen hat es mit Nunu Kaller, die Lesung fiel quasi vom Himmel, und es folgten Karen Köhler, Ulrike Schimming, Anne von Canal und Dorian Steinhoff. Danke Euch, ihr wart allesamt großartig! Im Moment ist nichts Neues geplant, aber da kommt bestimmt wieder was. Ich kann es zur Nachahmung übrigens sehr empfehlen. Wir machen das so: Kein großer Aufwand für uns. Wir kaufen Bier, Wasser, Salzstangen und Erdnüsse und laden unsere Freunde ein. Die Gäste bringen Wein mit und wenn sie sonst was knabbern wollen („ich hab hier noch eine halbe Torte, soll ich die mitbringen?“). Am Ende geben wir einen Hut rum, damit die Autorin wenigstens ein bisschen Honorar kriegen kann. (Es waren trotzdem immer Freundschaftsdienste, es kommt kein „normales“ Lesungshonorar dabei herum.) Ich liebe diese Abende sehr. Sehr, sehr. Bude voll, alle pünktlich, eine Stunde Lesung, dann weitertrinken und Schwätzchen, alle happy. Wundervoll.
Ich bin ein Glückskind, das Leben ist gut zu mir. Danke, Leben.
Es ist ja nicht so, dass ich kein Verständnis fürs Laufen hätte, ich laufe ja selbst. Laufen ist super. Aber mal ehrlich: zweiundvierzig Kilometer? Meine Schwägerin würde sagen: Es gibt doch Fahrräder! Es ist schon ein bisschen beknackt, zweiundvierzig Kilometer zu rennen. Und wem das noch nicht beknackt genug ist, der macht es auch noch auf Helgoland. Helgoland ist nur einen Quadratkilometer groß, da muss man schon jede verfügbare Straße ablaufen, und das fünf mal, um auf zweiundvierzig Kilometer zu kommen. Und dabei geht es ganz schön rauf und runter, und Wind ist auch noch. Roland Jesse hat es gemacht.
Und wir, wir konnten leider nicht hinfahren, um ihn dabei zu fotografieren und anzufeuern. Wir haben ihn aber gleich am nächsten Tag in Hamburg getroffen. Falls jemand nächstes Jahr hinfährt, ich führe mit und würde an der Strecke stehen und jubeln und Getränke und Handtücher anreichen. Aber jetzt lest erstmal, was Roland erzählt.
Wer viel im Internet herumliest, kennt Roland als Señor Rolando von seinem Blog Papas Wort oder von Twitter.
Morgen vor drei Wochen habe ich den Pfau abgegeben. „Abgegeben“ bedeutet: an meine Agentin geschickt. Die aber natürlich auch noch was anderes zu tun hat, als ausgerechnet meinen Pfau sofort zu lesen. Seither warte ich also auf Feedback und kriege nichts anderes auf die Reihe. Das ist ziemlich albern, denn es ist ja so: Der komplette Pfau hat 180 Seiten. Meine Agentin hat irgendwann schon mal 130 Seiten gelesen, es kommt jetzt also für sie nicht die große Überraschung. Es ist nichts komplett Anderes als sie dachte, sie weiß, was kommt, und das kommt auch. Von daher wird auch ihr Feedback für mich keine komplette Überraschung sein. Sie wird weder sagen „Sorry, ich find’s saublöd, such dir ne andere“, noch sonst irgendwas total Unerwartetes. Sie wird ein paar Verbesserungsvorschläge haben, die vermutlich klug und durchdacht sind, dann werde ich noch mal kurz ranmüssen – ich weiß ja im Prinzip auch, wo es noch hakt – und dann schicken wir es an Verlage. Dann habe ich Grund zur Nervosität. Aber nicht jetzt.
Und was ist? Ich tigere Rillen in den Boden und kriege sonst nichts auf die Reihe. „Lauter neue Ideen“? Nee, nix. Leere im Kopf.
Ich blogge nicht mal, mir fällt nichts ein, ich war im Kino und habe nicht drüber geschrieben, wir hatten die Elektriker hier, über deren Unbeholfenheit man sich trefflich mokieren könnte, unser Nummernschild wurde geklaut, ich blogge trotzdem nicht. Und es ist auch nicht so, dass ich nichts zu tun hätte, ich habe genug zu übersetzen, die nächsten Wasmachendieda-Termine stehen an, und dann bin ich demnächst auch noch dauernd unterwegs. Was mache ich? Nichts. Wenn der beste Ehemann von allen mich nicht gelegentlich aus der Tür schubsen würde, würde ich nicht mal laufen.
So kann es nicht weitergehen, ich gehe mir ja selbst auf die Nerven. Und so wird es auch nicht weitergehen, denn Anfang der Woche werde ich sowohl mit meiner Agentin sprechen, als auch mit der Lektorin der supereiligen Übersetzung, die ich mit einem Lieblingskollegen zusammen mache, und zwar ab ungefähr genau jetzt. Berühmter Autor, ich freu mich sehr drauf, das erzähle ich dann demnächst. Jetzt lese ich erstmal das betreffende Buch. Ach ja, das ist übrigens nicht das einzige, was ich jetzt aber wirklich endlich mal lesen sollte. Ab morgen wird alles besser, dann wird in die Hände gespuckt und tschakka. Dochdoch, wirklich.
[Vor einem halben Jahr habe ich hier Annette Rufeger vorgestellt, jetzt sind die Kolleginnen von garment dran. Disclosure: Ich bekomme für diesen Eintrag etwas. Und wie bisher immer bei Blogwerbung war es meine Idee. Ich trage schon seit Jahren vorzugsweise garment-Kleider, tue das hier also aus reinster Überzeugung. Und außerdem, weil es in meine Reihe Besser ist das passt. Buy local.]
Mode und ich, das war immer eine etwas distanzierte Beziehung. Ich war lange der Jeans-und-Pulli-Typ, habe nie etwas gewagt, wäre zwar gern cooler gewesen, aber irgendwie hat es nie geklappt. Ich habe nie kapiert, was genau die Coolen anders machen als ich. Ich sah langweilig und brav aus, nichts dran auszusetzen, aber eben öde. Ich erinnere mich noch genau, wann und wo ich das erste Mal Stiefel zum Rock getragen habe, da habe ich mich geradezu verrucht gefühlt. Heute frage ich mich, wie ich je etwas anderes tragen konnte als Rock und Stiefel, inzwischen wohne ich quasi darin. Eine Zeitlang habe ich mich beim Einkaufen immer mal gefragt „würde Gesine das tragen“, denn Gesine sieht immer sensationell aus. Toller Trick, hat manchmal geholfen.
2005 zogen wir nach Hamburg. Gerade mal nachgeguckt: im alten Blog steht am 24. April 2006 als kurze Notiz: Mein neuer Lieblingsladen wird mit sofortiger Wirkung garment in der Marktstraße. Da war ich zum ersten Mal zufällig in den Laden geraten und hatte vom ersten Blick an das Gefühl: das ist meins. So will ich aussehen, das möchte ich tragen, das ist genau meine Kleidung. Klassisch, schlicht, aber nie langweilig. Endlich.
Ein halbes Jahr später hörte ich auf zu rauchen und nahm in rasantem Tempo sieben Kilo zu. Ich habe quasi von heute auf morgen nur noch Röcke getragen, weil meine Hosen mir nicht mehr passten. Bei Röcken ist es egal, dann rutschen sie halt ein Stückchen weiter hoch. Die Röcke kamen von garment, fast alle. Ich bekam so viele Komplimente wie noch nie.
Kurz drauf ging dann auch der lustige Mann mit und kauft seither ebenfalls bei garment. Und ist ebenfalls so überzeugt von den Sachen, dass er jetzt nach geschlagenen neun Jahren is a blog zum ersten Mal hier auftaucht.
garment sind Ullinca Schröder und Kathrin Müller. Wir waren mit Ullinca und Maximilian in der Hafencity und haben Quatsch gemacht. Tadaaa!
Was garment macht, hat eigentlich nicht viel mit Mode zu tun, sondern vielmehr mit Stil. Und der Stil ist extrem reduziert, die Schnitte sehr schlicht, meist schmal, ein bisschen Sixties, ein bisschen britisch. Und alles in hochwertigen, alltagstauglichen Materialien und in einer leider so unfassbar guten Verarbeitung, dass einfach nie irgendwas kaputtgeht. Man hat also selten Grund, etwas Neues zu kaufen, außer dass eben alles so schön ist. Die Kleider! Und die Jacken! Mit diesen Kapuzen! (Hier nicht im Bild, es war zu warm.) Und die Röcke sowieso, Röcke hat man ja eh nie genug. Und Hosen. Die meisten Hosen nähen sie unten erst um, wenn man sie kauft – ich verstehe nicht, warum das nicht alle so machen, es macht die Sache so viel einfacher. Und habe ich schon die Kleider erwähnt? Die KLEIDER!
Für Herren ist es genauso: Hemden, Hosen, Jacken, Anzüge, Mäntel, alles super. Ich bin vor allem immer wieder verliebt in die Details. Die kontrastfarbig eingefassten Knopflöcher. In der verdeckten Knopfleiste. Die schrägen, quasi unsichtbaren Eingrifftaschen in den vorderen Kleidernähten. Die dezent versenkten Reißverschlüsse. Die Kragen. Hach.
Und das Beste ist, es ist genau das Gegenteil von fast fashion. Nichts wird unmodern, nichts geht kaputt. Man wirft nicht alle Naselang etwas weg. Die Stoffe kommen vor allem aus England und Italien, entworfen und zugeschnitten wird in Hamburg, genäht teils hier, teils in Polen. Die Sachen sind logischerweise nicht ganz billig, aber wirklich jeden Cent wert. Und ich freue mich außerdem, weil ich sogenanntes Shoppen nicht leiden kann. „Bummeln“ womöglich, von einem Laden in den nächsten, der Horror. Also gucke ich immer mal in die beiden Lieblingsläden, wenn ich gerade in der Nähe bin (oder wenn sie Schlussverkauf machen), dazu ein paar Basics vom Ökodealer, fertig. Das Leben kann so einfach sein. Ein-zwei echte Lieblingsläden, immer gut angezogen. Und ich muss nie wieder zu H+M oder P+C.
2006 hat es angefangen und sich bis heute nicht geändert. garment macht immer noch haargenau die Kleidung, die ich tragen will. Und die der lustige Mann tragen will. Und in der ich plötzlich nicht mehr die Uncoole bin, sondern die, die gerne mal einen Hauch overdressed ist, und zwar aus Überzeugung. Die Komplimente bekommt, weil sie „immer so stylische Sachen“ hat. Ich! Das muss man sich mal vorstellen. Wir haben hier schon so einen running gag, wenn wir zu zweit vorm Kleiderschrank stehen und einer sagt: „Was soll ich denn anziehen?“, dann sagt der andere: „Was von garment“, und wir müssen lachen. Keine Sorge, in Wahrheit laufen wir natürlich nicht im Partnerlook herum.
garment-Kleider gibt es in Shops in Hamburg, München und Köln und im Onlineshop.
Alle Bilder: Maximilian Buddenbohm
Alle Kleidungsstücke: garment
Danke, Axel, Maximilian und garment! Das hat großen Spaß gemacht.
Okay, vielleicht war es ein klitzekleines Bisschen ungeschickt, den Start von Was machen die da? auf den Tag zu legen, an dem wir beide auf der TEDx sind. Aber Maximilian hat an dem Tag seinen 10. Bloggeburtstag, da passt das schön als Geburtstagsgeschenk, außerdem ist der 1. April sowieso ein guter Termin, und wir waren startklar und hibbelig. Und hatten schon Tage vorher angekündigt, dass wir am 1. April online gehen. Also schalten wir um halb neun das neue Blog und die entsprechenden Einträge in unseren alten Blogs frei, und dann müssen wir auch schon los zur TEDx.
Wo als erster Speaker Paul Hilder von change.org auf die Bühne kommt und ein paar herzergreifende Geschichten von Veränderungen erzählt, die durch Petitionen auf change.org erreicht wurden. Untermalt von Bildern von Vogelschwärmen im Sonnenuntergang mit Liebespaarschattenriss im Vordergrund. Keine Frage, dass change.org eine tolle Sache ist, aber das ist mir alles zu dick aufgetragen und zu kitschig. Neben mir sitzt nicht nur Maximilian, sondern auch noch Johannes von der GLS-Bank, die das neue Projekt unterstützt, und Michael Merkel, einer der ersten portraitierten. Wir sind also zu viert und allesamt nebenbei mit dem Versuch befasst, ins W-Lan zu kommen, was komplett aussichtslos ist. Ebenfalls aussichtslos ist eine Internetverbindung übers Telefon, wenn man bei O2 ist. Ich bin bei der Telekom und habe als einzige Empfang, muss also am laufenden Band gucken, was mit dem neuen Blog ist. Die ersten Leute twittern den Link, wir freuen uns. Auf der Bühne spricht jetzt Sascha Haselmayer darüber, wie Städte Geld ausgeben und wie Entscheidungen getroffen werden. „Cities must open their problems“, sagt er, und meint: die Städte müssen beispielsweise kommunizieren, dass sie blinde Menschen unterstützen wollen, und nicht nur sagen, wir wollen sprechende Ampeln, die 600 verschiedene Anforderungen erfüllen, aber womöglich gar nicht so hilfreich sind. Das finde ich sehr interessant, ich höre zu und gucke zwischendurch nur ganz kurz, was wasmachendieda.de macht, ehrlich.
Es kommt Katarina Sostmann und berichtet von einem Projekt, mit dem in Krisengebieten und totalitären Systemen Informationsstrukturen geschaffen werden können. Ihr Unternehmen hat einen winzigen Radiosender entwickelt, der aussieht wie ein Radio, und der mit relativ geringem Aufwand und einer Autobatterie betrieben werden kann. Ich habe keinen Schimmer, wie toll und innovativ das ist. Aber wenn es dazu beiträgt, dass Menschen, denen der Strom und das Internet abgedreht wird, wenigstens wieder ein paar Informationen verbreiten können, soll es recht sein. Missbrauch ist natürlich nicht ausgeschlossen. Und zum Abschluss vor der Pause hören wir Jennifer Wood mit der Message: Be kinder. Sie arbeitet ehrenamtlich in der KZ-Gedenkstätte Dachau mit, schon seit vielen Jahren. Das ist natürlich toll, und die Leute im Internet finden unser neues Blog übrigens auch toll, wir werden verlinkt und auf Facebook geteilt, die ersten Kommentare kommen. Hurra! Die anderen finden es auch so toll wie wir!
Nach der Pause höre ich beim ersten Vortrag überhaupt gar nicht zu. Es geht um ein Musikprojekt, ich bekomme nichts mit. Wir gucken zum ersten Mal in die Blogstatistik und kriegen uns gar nicht mehr ein, wie toll ist das denn bitte? Als wir uns halbwegs wieder beruhigt haben, spricht Geraldine de Bastion zum Thema „Made in Africa“. Das ist interessant, was sie erzählt, und ihre Botschaft gefällt mir auch: stop helping, start investing. Afrika endlich ernstnehmen, bestimmt ein guter Ansatz. Nicht, dass ich irgendetwas über Afrika wüsste.
Es folgt eine Performance des Musikers Dekel Bor mit dem Schauspieler Christian Berkel. Bor spielt Gitarre, Berkel liest dazu Proust vor. Auf Englisch. Weil, ist ja alles Englisch hier (Ihr dürft EINmal raten, wer nicht genannt wurde). Na ja, kann man machen. Dann legt er den englischen Proust beiseite und erzählt eine Geschichte aus seiner Kindheit, sehr intensiv und berührend. Um zum Abschluss wieder irgendetwas zu lesen, was ich schon nicht mehr mitbekomme, mich nervt die Gitarrenuntermalung so langsam. Alsdann kommt Van Bo mit einem Baby im Tragetuch auf die Bühne (das natürlich eine Puppe ist), und erzählt, dass er sich gerne ein Sabbatical crowdfunden lassen möchte. Dass er vorher schon Karma Chakhs und Hartz4-Möbel entwickelt hat, erwähnt er nur en passant, dabei sind das wirklich tolle Sachen. Auch seine Überlegungen zu diesem bedingungslos einseitigen „Democratic Scholarship“, wie er es nennt, sind interessant, aber die Idee an sich, öhm, okay. Ich kann langsam nicht mehr zuhören, die Luft wird schlechter, wenn auch eindeutig weniger schlimm als letztes Jahr.
Das neue Blog geht durch die Decke, wir bekommen Kommentare, Retweets, Facebook, Verlinkungen, Komplimente, rivva. Van Bo hat seinen Vortrag beendet und kommt an uns vorbei, das Baby stellt sich als echtes Baby heraus. Sieh an. Jörg Reckhenrich spricht als nächster über die Rezeption von Kunst und darüber, dass es Zeit braucht, dass man sich Zeit nehmen muss, um Kunst zu „verstehen“, um sich ihr zu nähern. Das ist toll, ich würde sehr gern mal mit ihm ins Museum gehen. Zu guter Letzt vor der großen Pause erzählt Anja Fiedler uns etwas über „Stadt macht satt“. Man soll die Stadt ernten. Sie geht mit Kindergarten- und Grundschulkindern in Supermärkte und bittet um die Lebensmittel, die sonst weggeworfen würden. Sie legt Kräuter- und Gemüsebeete mit den Kindern an, hängt Kräutertöpfchen an Bauzäune und zack! werden die Kinder zu kleinen Gourmets. Klingt alles super, aber die anwesenden drei Väter sagen, dass es in ihren respektiven Kindergärten ähnliche Projekte gibt, die Kinder zu Hause aber sofort wieder Nudeln mit Butter möchten und sonst nichts. Was macht eigentlich das neue Blog?
Es ist Mittagspause, wir suchen uns etwas zu essen. Unterhalten uns über alles mögliche, aber nicht über die gehörten Vorträge. Obwohl einige wirklich gut waren, aber die sind in der Menge leider ein bisschen untergegangen. Und in dem Gefühl, dass hier ein Haufen weißer Mitteleuropäer (die USA gehören doch zu Mitteleuropa?) sich in der Pose des Machers und des kreativen Vordenkers für die ganze Welt gefällt. Alles awesome. Das ist jetzt ziemlich gemein, denn die Leute machen ja wirklich tolle Sachen. Das meine ich ernst. Es ist die Gesamtheit, die dieses Gefühl verursacht, nicht der Einzelne.
Nach dem Essen holen wir uns noch einen Kaffee und setzen uns in den Park, und als wir den Kaffee ausgetrunken haben, holen wir den Sekt raus, den wir mitgebracht haben, immerhin haben wir etwas zu feiern. Im Saal fängt derweil der dritte Teil an, wir sitzen in der Sonne und schicken Bilder von Sekt in Plastikbechern ins Internet. Und gucken in die neue Blogstatistik und können es nicht fassen und freuen uns und trinken noch einen Schluck Sekt. Johannes muss einen Zug bekommen, wir begleiten ihn noch zum Bahnhof und verpassen den dritten Teil komplett. Mal ehrlich, wie viele Vorträge kann man an einem Tag hören? Zumal dann, wenn man stattdessen mit netten Menschen in der Sonne sitzen und auf den gelungenen Start eines Projekts anstoßen kann, das wir alle super finden. Hurra!
(Foto: Michael Merkel)