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Helgoland, Tag 6: Grau

Morgens ist es noch graublau, wir haben Hoffnung. Bleiben aber erstmal drinnen und arbeiten. Es gibt ja sehr, sehr neidische und missgünstige Menschen auf Twitter, die nicht glauben wollen, dass wir gearbeitet haben. Tst! Natürlich haben wir gearbeitet. Hoch-kon-zen-triert. Die kicherigen Tweets zwischendurch vermitteln einen völlig falschen Eindruck.
Mittags stößt Iris wieder zu uns, wir wollen im Falm-Café etwas Kleines zu Mittag essen, denn da gibt es Aussicht und W-LAN. Wir wollen ja arbeiten. Beim Losgehen verdreht Little Jamie sich das Knie – das kommt nicht so richtig gut, zumal sie sowieso schon ziemlich erkältet ist, das ist der Laune alles nicht zuträglich. Im Falm-Café gibt es zwar Aussicht, aber kein W-LAN (was aber nicht schlimm ist) und schreckliche Musik. Musikalisch, muss man sagen, ist Helgoland ebensoweit hinterher wie kulinarisch, nämlich dreißig bis vierzig Jahre. Es laufen überall die größten Hits der Siebziger und Achtziger, und zu Essen gibt es überall Fleischfleisch mit Fleisch oder Fleisch, wahlweise auch Fisch mit Speck, anderen Fisch oder Fisch ohne Speck. Dazu verschiedene Soßen aus großen Eimern. Das einzige vegetarische Gericht auf der Karte sind zumeist Spaghetti mit Tomatensoße, man kann aber auch einen „Salat mit Schinken“ ohne Schinken oder einen „Salat mit Putenbruststreifen“ ohne Putenbruststreifen bestellen. Dazu „Dreams are my reality“. Wo war ich? Montag Mittag.
Adelhaid und ich wollen jetzt aber endlich wirklich (dritter Versuch) die Inselrundfahrt mit dem Börteboot machen. Iris und Little Jamie bleiben im Café sitzen. Das Börteboot fährt nicht, zu viel Wind. Na super, gehen wir stattdessen ins Aquarium, das wollten wir ja sowieso auch noch machen.
Wie deprimierend ist das denn? Ein dunkler Raum, an den Wänden schmuddelige Aquarien, einige haben außer Fischen immerhin ein paar Pflanzen drin, in anderen liegt nur eine hauchdünne Schicht Sand auf dem Boden. Dass die Fische der Nordsee nicht spektakulär bunt sind oder sonst groß was hermachen, dafür kann das Aquarium nix, aber die Präsentation ist wirklich trist. Das einzige, was ein bisschen hübsch gemacht ist, ist das Becken der Seepferdchen. Und die Quallen sind von allein schön.

Also wieder raus, und dann ist es auch schon bald Zeit, Little Jamie (langsam, humpelnd, die Arme) zum Katamaran zu bringen. Und sofort wieder zurückzuflitzen, die letzte Inselrundfahrt mit dem Börteboot erwischen … die wieder nicht fährt, wegen Wind. Ziemlich grau ist es inzwischen auch. Wir sollen es morgen wieder versuchen, sagt die Dame, die uns nun schon zum vierten Mal wegschickt. Morgen sind wir aber nicht mehr da. Wir beschließen, dass man sich ja auch noch was für einen nächsten Besuch übriglassen muss, und gehen stattdessen Trampolinspringen.

Bei unserer Abschiedsrunde über Strand und Oberland fängt es an zu regnen. Das ist irgendwie nett von der Insel, es macht den Abschied ein bisschen leichter. Wir hatten vier volle Tage unglaublich schönes Wetter, waren fast nur draußen, sind braun geworden und haben gleichzeitig ein bisschen Arbeit weggeschafft und uns erholt und es genossen und gekichert und uns keine Sekunde gelangweilt. Jetzt macht Helgoland mal kurz Herbst und schickt uns nach Hause. (Außer dass am nächsten Morgen, als wir in aller Herrgottsfrühe raus und nach Hause fahren müssen, schon wieder strahlend blauer Himmel und orangefarbener Sonnenaufgang und blaues Meer ist – das volle Angeberprogramm. Aber das wird an anderer Stelle beschrieben.) Wir werden also zum Abschluss nochmal schön nass, lassen uns nochmal gehörig durchpusten, gucken nochmal den Basstölpeln bei ihren eleganten Flugmanövern zu und werden glatt ein bisschen wehmütig. Ich hätte auch noch ein paar Tage dranhängen können. Aber zu Hause isses auch schön.

Und was man ja auch mal sagen muss: Jetzt war ich sieben Tage mit einer Frau zusammen, die ich aus dem Internet kenne, und die ich nur drei-vier Mal persönlich getroffen habe (unter anderem auf der Klassenfahrt nach Helgoland). Sowas kann ja ganz schnell schiefgehen, man kann sich fürchterlich auf die Nerven gehen. Stattdessen haben wir sieben Tage gelacht und gearbeitet und Sachen gemacht und total viel Spaß gehabt, und es war toll. Wir müssen dringend einen Termin ausmachen, wann wir das wiederholen. Vorhin schrieb sie, sie vermisst mich ein bisschen. Ich Dich auch, Liebelein, ich fahre jederzeit gern wieder mit Dir weg. Und wir müssen ja noch die Inselrundfahrt machen. Und ins Schwimmbad. Und in die Sauna. Und, äh, Arbeit ist ja auch immer.

Helgoland, Tag 5: Kichern

Naturgewalt des Tages: Kichern. Allerdings auch deswegen, weil ich die Sonne sozusagen schon zur Naturgewalt des dritten Tages erklärt habe, tatsächlich scheint sie aber schon wieder, und zwar aberhallo. Knallblauer Himmel, kein einziges Wölkchen, und warm ist es auch. Nach dem Frühstück setzen wir uns mit den Computern auf eine Bank direkt am Wasser, man muss ziemlich die Augen zusammenkneifen, um auf dem Display überhaupt etwas zu sehen, aber drinnen sitzen kann man bei dem Wetter unmöglich.

Eine Frau kommt vorbei und zeigt uns ihre Möpse. Erst den großen, der hält nämlich bei uns an und will auf die Bank, das sei nämlich seine Bank, erklärt die Frau. Weil sie da immer sitzen. Sie habe auch noch einen weiteren Mops, einen kleineren. Aha.
Zehn Minuten später kommt sie wieder vorbei, in der anderen Richtung, diesmal mit dem kleinen Mops. Der ist auch wirklich sehr niedlich. Sie hat ihn auch sehr lieb. Und wir haben den ersten Kicheranfall des Tages. Möglicherweise liegt das aber weniger an der Frau mit den Möpsen als daran, dass wir ganz betrunken sind von der Sonne.

Am Nachmittag bricht Hektik aus. Wir haben das Internet so vollgeschrieben mit Helgolandbegeisterung und Wetterfotos und allem, dass sich gleich zwei Leute spontan auf den Weg gemacht haben. Um halb vier holen wir Little Jamie am Katamaran ab, stürmen mit ihr kurz ins Hotel und dann zum Nord-Ost-Hafen, weil da das Börteboot zur Inselrundfahrt abfährt. Wir sind eine Viertelstunde vorher da, da hat das Boot gerade schon abgelegt, weil es voll war. Na super.
Dann also doch gleich wieder rüber zur Düne. War eigentlich nicht geplant, aber bei dem Wetter! Da muss man ja quasi. Außerdem kommt da später Iris mit dem Flugzeug an. Auf der Düne ziehen wir sofort Schuhe und Strümpfe aus, krempeln die Hosenbeine hoch und laufen am Wassersaum entlang und ein paar Schritte rein ins Meer, und es ist ganz warm, oder naja, jedenfalls gar nicht so kalt. Wir machen zum hundertsten Mal dieselben Robbenfotos, barfuß, mit den Füßen im Wasser, das ist alles so herrlich. Eine nackte Frau steht bis zur Hüfte im Wasser und fotografiert in aller Seelenruhe ihren ebenso nackten Mann, der mit bestimmt acht Robben um die Wette schwimmt. Scheint nicht besonders kalt zu sein, sie steht da lange. Nackt in der Nordsee.
Wir haben kein Handtuch dabei, sonst hätte ich womöglich noch mitgemacht. Aber die Begleiterinnen scheinen nicht allzu begeistert zu sein von der Idee, da mag ich dann auch nicht.
Wir umrunden die Düne einmal komplett, wie sich das gehört. Und zwar barfuß, inklusive dem Kiesstrand an der anderen Seite. Tut saumäßig weh, über den Kies zu gehen, aber wir sind ja auch nicht zum Spaß hier. Ende des Rundgangs ist logischerweise im Dünencafé, wo wir draußen sitzen und auf Iris warten und mit dem Kichern weitermachen. Derweil ändert mein Gesicht langsam seine Farbe, gut, dass ich Sonnenmilch gekauft habe.

Abends Essen zu viert, anschließend zu dritt in meinem Zimmer, zwei versuchen zu arbeiten, wir kichern und kichern und kichern, und ich weiß gar nicht mehr, was genau so witzig war, wahrscheinlich alles („Can you hear the drums, Fernando?“ – „Ja, Mann.“). Als der Mann anruft und hier drei hysterisch kichernde Weiber hört, befindet er, „klingt nach Hanni und Nanni“. Auch das finden wir unfassbar witzig. Die Luft, die Sonne, wir sind total besoffen davon. Aber vielleicht waren wir auch nur deshalb so albern, weil wir so irre viel gearbeitet haben.

vgl. Adelhaid, a.a.O.
vgl. Little Jamie

Helgoland, Tag 3: Sonne

Wenn bei diesem Helgolandaufenthalt jeden Tag ein Naturphänomen im Vordergrund steht, dann war es am ersten Tag der Wind, am zweiten das Wasser, und heute war es die Sonne.
Heute Morgen war es noch hellgrau, aber dann wurde es ganz schnell blau. Blauer Himmel, blaues Meer, und wir ganz betrunken von der Sonne. Wir haben ein paar Stunden draußen gesessen, im Aquariumscafé, mit unseren Macbooks, und den Insulanern live vorgeführt, wie die coolen Großstadtkids heute arbeiten: mit Laptop im Café, draußen. Mit der Sonne im Gesicht. In T-Shirt und Strickjacke und mit Blick aufs blaue Meer. Vergessen: Sonnenmilch.
Und dann waren die Laptop-Akkus leer, und wir haben draußen Pommes gegessen und draußen Eis gegessen und sind draußen rumgelaufen.

Auf dem unteren Bild das sind sogenannte Börteboote. Die braucht man zum Ausbooten. Die Seebäderschiffe aus Cux-, Bremer- und Wilhelmshaven legen nämlich nicht an der Hafenmole an, sondern ankern vor der Insel, und dann kommen die Börteboote und holen die Passagiere ab. Ein paar Stunden später bringen sie sie wieder hin.
Und ich bin zum x-ten Mal auf der Insel und noch nie ausgebootet worden! Weil ich immer entweder mit dem Katamaran aus Hamburg gefahren bin, der legt im Hafen an, oder mit einem der Seebäderschiffe im Winter, dann legen sie auch an. Ich muss unbedingt mal im Sommer von Cuxhaven aus fahren!

Heute Nachmittag haben wir eine Bunkerführung mitgemacht. Im Bunker war es kühl und feucht und überhaupt nicht schön. Der Führer hat etwas unstrukturiert mit Daten, Zahlen, Fachvokabular und Detailwissen um sich geworden, ich konnte ihm nicht immer ganz folgen, aber egal, interessant war es trotzdem. Was für eine Vorstellung, mit Hunderten von Menschen in so einem langen Gang auf einer Bank zu sitzen, jeder hat seinen festen Platz, jeder hat 50 cm Bank, es ist feucht und kalt, die Kinder schreien, alle haben Angst, und oben werfen sie Bomben ab und versuchen, die ganze Insel kaputtzumachen und vielleicht fällt die nächste Bombe auf dein Haus. Und da hatten die, die da unten saßen, noch Glück. Scheißzeit.

Und als wir rauskamen, schien immer noch die Sonne, und es war immer noch warm und das Meer so blau. Aber wir mussten dann doch wieder rein und ein bisschen arbeiten. Wir sind ja nicht zum Spaß hier, ich habe heute Mittag die nächsten beiden Kolumnen weggeschickt, immerhin. Jetzt habe ich ein bisschen übersetzt, gleich gehen wir noch schnell was essen. Und Leuchttürme gucken, mal sehen, ob man welche sehen kann. Hach. Leuchttürme!

vgl. Adelhaid, a.a.O.

Christopher Street Day

Nicht zu fassen, aber gestern war ich nach sechs Jahren Hamburg tatsächlich zum ersten Mal auf dem Christopher Street Day. Keine Ahnung, was in den Jahren vorher immer war, irgendwie habe ich es immer verpasst. Ebenso wie den Schlagermove übrigens, der kollidiert oft mit meinem Geburtstag. Irgendwann werde ich es auch dahin schaffen.

Dieses Jahr habe ich mich also in der Langen Reihe mit Freunden getroffen, und pünktlich zum Beginn des Umzugs fing es an zu regnen. Und zwar gar nicht mal so wenig. Machte nichts, es war warm genug, wir wurden nass und nasser, hatten aber Sekt, und alles war gut. Und später kam auch noch die Sonne raus und machte uns teilweise wieder trocken. Das mit den Fotos war trotzdem schwierig. Sekt in einer Hand, Kamera in der anderen, dazu Regen, und dann löst das Ding auch immer so spät erst aus, da sind die meisten Leute schon vorbeigelaufen. Dass die aber auch nicht stillhalten! Anders gesagt: ich bin halt keine gute Fotografin. Insgesamt hatte ich auch irgendwie mehr erwartet. Egal, war trotzdem ein großer Spaß. Olivia Jones zum Beispiel sah umwerfend aus, logisch, aber ich habe sie nicht rechtzeitig scharf gekriegt. (Pun intended, haha.) Eine kleine Auswahl gibts trotzdem bei Flickr, bitte aufs Bild klicken.

(Bessere Bilder hat, wie immer, Klaus Friese.)

Nachtrag Hafencitylauf

Voilà, la Chefmütze. Und wie man sieht, hatte ich nicht nur eine Chefmütze, sondern sogar einen Haarehochhalter. Das bisschen Komfort kann man sich ja schon gönnen.

Sehr schöner Laufbericht bei Frau Brausebrezel, von der auch das Bild stammt.

Ich muss ebenfalls immerzu das Wort „Köhlbrandbrückenlauf“ denken. Köhlbrandbrückenlauf. Ein Wort wie eine Köhlbrandbrücke. (Nicht, dass ich gläubte, da je mitlaufen zu können.)

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