Film: La La Land

Haaaaach, Kino. So muss das!


Vorschlag: den Film anmachen, beim Weiterlesen schon mal zuhören. Und da, wo sie dazukommt, unbedingt wieder hingucken.

Mia (Emma Stone) ist eine junge Schauspielerin, die von einem Casting zum nächsten auf eine Rolle hofft, leider erfolglos, obwohl sie wirklich gut ist. Daher jobbt sie im Café auf dem Gelände der Warner Brothers Studios in Los Angeles. Sebastian (Ryan Gosling) ist ein ebenso erfolgloser und natürlich ebenso talentierter Jazzpianist, der sich mit seichter Barmusik und peinlichen Partybands durchschlägt. Die beiden begegnen sich, können sich natürlich erstmal nicht leiden, bekommen dann aber sehr schnell so Glitzerherzchen in den Augen und das Kinopublikum gleich mit. Das ist eine wirklich schöne Liebe, die da gezeigt wird, zwei Menschen, die zusammengehören und die einander unterstützen und das, was der andere macht, vorbehaltlos super finden. Und dann kommt der Erfolg, allerdings nicht für beide gleichzeitig, und auch nicht auf dieselbe Weise. Mehr von der Handlung verrate ich jetzt nicht, schon gar nicht das Ende. Das Besondere jedenfalls ist: das ist ein Musical. Es wird gesungen und getanzt (sogar gesteppt!) und geschwebt, alle haben immerzu wunderschöne Kleider an, wir sehen unglaublich schöne Bilder und Kulissen, und es ist alles ein bisschen magisch im Sinne von: bezaubernd. Weil Emma Stone und Ryan Gosling natürlich sowieso unglaublich charming sind und eine so überzeugende Chemie zwischen sich rüberbringen, dass man gleich auch noch mal frisch verliebt sein möchte. So wie in dem Song da oben.

Und das finde ich wirklich bemerkenswert: dass man im Jahr 2016 vollkommen unironisch ein quietschbuntes klassisches Musical bringen kann, und dass es funktioniert und nicht etwa platt ist, sondern zauberhaft. Man vermisst eine ironische Metaebene oder sowas gar nicht. (Drehbuch und Regie: Damien Chazelle)

Here’s to the ones who dream!
Foolish as they may seem.
Here’s to the hearts that ache.
Here’s to the mess we make.

Film: Paula

Kaum hat das Jahr angefangen, war ich schon im Kino. (Und im Musical und essen und auf einem Konzert, und ich habe eine Party geschmissen und ein Interview gegeben, dabei ist heute erst der neunte. Und ich sollte übersetzen, statt mich rumzutreiben. Jenun. Jetzt bin ich aber erstmal krank.) Im Kino habe ich Paula (Regie: Christian Schwochow) gesehen, ein Biopic über Paula Modersohn-Becker. Das passt ganz gut, weil wir dieses Jahr nach Worpswede wollen. Wie so Streber!
Paula Becker kommt um die vorletzte Jahrhundertwende als junge Frau nach Worpswede, um Malen zu lernen. Dummerweise ist sie erstens eine Frau, und Frauen können ja vielleicht auch ein bisschen malen, wenn sie denn wollen, aber sie können bitteschön keine Malerin sein. Zweitens malt Paula auch noch in ihrem eigenen Stil, moderner als der alte Mackensen es lehrt, und das passt ihm nun wirklich überhaupt nicht. Etwas entspannter sieht das sein Kollege Otto Modersohn; Paula und er verlieben sich und heiraten. Für ihn ist es die zweite Ehe, seine erste Frau ist gestorben. Die Ehe ist zunehmend katastrophal. Außerdem lässt er Paula zwar malen, wie sie will, aber in Worpswede kann sie nichts werden. Rainer Maria Rilke lockt sie schließlich nach Paris, wo sie ganz anders ernstgenommen wird und aufblüht, bis dann, na ja, ich plaudere das Ende nicht aus; gebildetere Leute als ich wissen, wie es mit Paula Modersohn-Becker weiterging, und wer es nicht weiß, kann den Film gucken.
Wie sag ich das jetzt? Das ist ein toller Film, es ist alles sehr, sehr schön anzugucken. Und das ist so ein bisschen das Problem: ich fand, der Film bemüht sich zu sehr um schöne Bilder. Es ist natürlich ein Film über eine Malerin, schöne Bilder sind also quasi das Thema, aber diese ganzen Landschaftsaufnahmen mit Nebel über dem Moor sind halt genauso klassisch und konventionell wie das, was Paula eben nicht will. Und dann kommen geradezu David-Hamilton-hafte Momente hinzu, wenn Paula und ihre Freundin Clara Westhoff etwa barfuß in weißen Kleidchen kichernd durchs Moor tanzen, du lieber Himmel. Außerdem hat mich Rilke fürchterlich irritiert, der praktisch als Witzfigur eingeführt wird. Das bessert sich zwar im Laufe des Films, aber es fällt einem schwer, das mitzuvollziehen. Allerdings macht Paula (Carla Juri) das durch ihre wirklich umwerfende Zauberhaftigkeit alles wieder wett. Also: Kann man sich gut angucken, aber für den ganz großen Wurf halte ich den Film jetzt nicht. Alles ein bisschen zu schön. Was eine Mäkelei auf wirklich hohem Niveau ist.

„Es gibt schreckliche Versuchungen. Und es erfordert Kraft, Ihnen nachzugeben.“

Film: Tschick

Das hätte bis vor Kurzem auch noch niemand geglaubt, dass das hier zum Filmblog verkommt. Jedenfalls: Ich war schon wieder im Kino. Tschick ist endlich verfilmt, und die Erwartungen sind natürlich riesig. Wahrscheinlich gar nicht so einfach, einen so aufgeladenen Stoff zu verfilmen. Lars Hubrich als Drehbuchautor und Fatih Akin als Regisseur haben es gewagt, und das Ergebnis ist großartig.

Die Geschichte ist bekannt? Maik Klingenberg stammt aus reichem Hause, sein Vater verdient viel Geld, seine geliebte Mutter hat ein Alkoholproblem. Zu Beginn der Sommerferien geht die Mutter mal wieder auf die Beautyfarm (also in die Entzugsklinik), der Vater fährt mit seiner Sekretärin auf, ähm, Geschäftsreise. Maik ist allein zu Hause, und in seiner Klasse ein Außenseiter. Außer ihm ist nur noch der andere Außenseiter, Tschick, nicht zur Party der Klassenschönheit Tatjana eingeladen. Und dann „leiht“ sich Tschick ein Auto aus – die Jungs sind 14 –, und damit fahren sie los, in die Walachei, wo Tschicks Großvater lebt. Ich mochte im Buch die Dialoge so gern, und die sind auch hier toll. Dieses hochkomische, total ernsthafte Austauschen von jugendlichem Halbwissen, das muss man erstmal hinkriegen. Die Walachei ist ein super Thema dafür, und das funktioniert im Film genauso schön wie im Buch.
Überhaupt ist die Wahl der Protagonisten perfekt, Maik (Tristan Göbel) und Tschick (Anand Batbileg) sind wundervoll besetzt, Tschick mit dieser unmöglichen Frisur und den Hawaiihemden, Maik in der Wohlstandverwahrlosung, großartig. Und am allerliebsten mag ich, wie sie beide am Anfang des Films diese pubertäre Grundgereiztheit haben, genervt und negativ und alles scheiße, und wie sich dann, als sie losfahren, langsam ihre Gesichtszüge entspannen und sie immer gelöster werden. Und gerade in der Hinsicht wird der Film dem Buch wirklich gerecht: Man hat nicht das Gefühl, dass die beiden „rebellieren“ müssen, gegen alles sind, die böse Jugend von heute etc. Sie müssen einfach nur raus. Selbständig werden, mit dem Leben anfangen. Und das funktioniert auch gut, natürlich tun sie das ein oder andere Verbotene, aber nicht aus bösem Willen, sondern weil sie auf der Suche sind.
Was ich erstmal nicht ganz verstanden habe, ist die Isa (Nicole Mercedes Müller), und warum sie am Anfang so rumbrüllt. Entweder, sie hat Angst, dann würde sie sich verstecken, sie ist ja weit genug weg, und die Jungs haben sie noch gar nicht bemerkt. Oder sie will die beiden verjagen, dann würde sie näher rangehen und sie erschrecken, statt aus so weiter Entfernung Schimpfwörter zu brüllen. Aber vielleicht muss man angeknackste Jugendliche auch gar nicht verstehen, und dann wird ja sowieso alles gut mit Isa, und Maik entpuppt sich als überraschend talentierter Friseur. Und überhaupt, was dann zwischen Maik und Isa passiert, ist wieder ganz und gar zauberhaft, und bei aller Überzeugtheit, nie wieder 14 sein zu wollen: Als sie am Steg sitzen, möchte man das vielleicht doch noch mal.

Ich habe tatsächlich vergessen, wie das Buch ausging, und mein Exemplar verliehen. Das Ende des Films jedenfalls lässt einen zwar ein bisschen in der Luft hängen, aber auch das ist genau richtig. Dringende Empfehlung!

Film: Toni Erdmann

Jajaja, den haben natürlich alle schon gesehen. Ich jetzt auch! Mit Maximilian. Allerdings hatte ich etwas falsche Vorstellungen, aus irgendeinem Grund habe ich mit einem lustigen Film gerechnet. Und ja, er ist auch lustig. Aber vor allem ist er herzzerreißend, und das meine ich vollkommen unironisch. Es zerreißt einem das Herz.
Winfried Conradi ist ein schrecklich einsamer Mensch. Er ist Musiklehrer, sein letzter Klavierschüler kündigt, seine Mutter ist steinalt, sein Hund ebenfalls, die Tochter macht Karriere in einer Unternehmensberatung, für die sie zur Zeit in Rumänien arbeitet. Sie trägt dunkelblaue Hosenanzüge, telefoniert pausenlos und träumt davon, bei McKinsey zu arbeiten. Winfried Conradi versucht verzweifelt, sich mit Scherzartikeln und albernen Verkleidungen aus der Einsamkeit herauszuwitzeln; das klappt natürlich nicht so recht und führt beim Zuschauer dauernd zu leichtem Fremdschämen.
In einem besonders einsamen Moment fliegt er kurzentschlossen nach Bukarest und besucht seine Tochter. Unangekündigt. Das läuft natürlich auch nicht besonders gut, also reist er ab, und an seiner Stelle taucht „Toni Erdmann“ auf, denn Winfried will seine Tochter, die ihm irgendwie entglitten ist, zurückerobern. Als Vater hat er das nicht geschafft, also versucht er es in dieser Rolle und schreckt dabei vor keiner Peinlichkeit zurück. Wie Peter Simonischek es schafft, die ganze Zeit haarscharf an der Kante zum echten Verrücktwerden entlangzubalancieren, das ist umwerfend. Und noch umwerfender ist Sandra Hüller als seine Tochter Ines. Auch sie balanciert den ganzen Film über an verschiedenen Kanten entlang: Etwa an der Kante zwischen Scham über ihren Vater und ihrer Liebe zu ihm. Zwischen eiskalter Karrierefrau und Verletztlichkeit. Zwischen professionell und privat, zwischen Selbstsicherheit und Zweifel, zwischen den Rollen, die sie spielt, und denen, die sie gern spielen würde, zwischen Angespanntheit und Souveränität. Und wer nicht heult, wenn sie singt (weil ihr Vater sie dazu zwingt), der hat kein Herz.

Also: Unbedingt angucken! Sensationeller Film. Es wird übrigens alles ganz unaufgeregt erzählt. Keine spektakulären Kamerafahrten oder Schnitte, nicht dauernd Musik, kein Schischi. Nur diese Menschen, die man im echten Leben vermutlich nur schwer ertragen könnte, aber einfach lieben muss. Was für ein Film!

Buch und Regie: Maren Ade.

Film: Nur wir drei gemeinsam

Wenn alle Welt Fußball guckt, das letzte Deutschland-Spiel der EM, dann ist eindeutig ein guter Zeitpunkt, ins Kino zu gehen. Außer uns waren noch vier weitere Menschen dort.

LeeresKino

Eigentlich wollten wir was ganz anderes sehen. Eigentlich wollten wir den Stefan-Zweig-Film sehen, das wollen wir auch immer noch, aber der lief nicht, vermutlich wegen Fußball. Deswegen also Nur wir drei gemeinsam. „Dieser Film beruht nicht auf einer wahren Geschichte – er ist eine wahre Geschichte“, heißt es im Trailer. Und zwar die Geschichte von Hibat, der unter dem Schah von Persien politisch aktiv war und acht Jahre im Gefängnis saß. Dann ist der Schah geflohen, Khomeini kam, Hibat und seine Freunde wurden aus dem Gefängnis entlassen, aber nichts wurde besser, sondern alles noch schlimmer. Hibat heiratete, bekam einen Sohn, und dann wurde der politische Druck so hoch, dass sie ins Ausland fliehen mussten, er und seine Frau und das Baby. Sie landeten irgendwann in Frankreich in der Banlieue von Paris, wo natürlich auch nicht gleich alles super war, aber langsam besser wurde. Das Baby ist heute erwachsen, ist Komiker geworden, nennt sich Kheiron und ist der Regisseur und Hauptdarsteller dieses Films.
Und jetzt weiß ich auch nicht recht, was ich sagen soll. Der Film wird als Komödie angekündigt. Der Stoff ist natürlich überhaupt nicht komisch, im Gegenteil, es ist nicht lustig im iranischen Gefängnis. Schon gar nicht, wenn man sich weigert, den Kuchen zu essen, den der Schah den Gefangenen spendiert hat; das sind schon Szenen, wo ich weggucke. Und an den Stellen, wo der Film lustig ist, ist er das irgendwie zu unentschlossen, fand ich. Die besten Witze sind quasi schon im Trailer verbraten. Man wandelt auf einem schmalen Grat, wenn man einen solchen Stoff als Komödie inszeniert, und ich bin nicht sicher, ob ich die Umsetzung für gelungen halte. Es ist manchmal lustig, ja. Es ist manchmal hart. Vor allem aber hätte es einem an vielen Stellen sehr viel näher gehen können, hat mich aber irgendwie nicht richtig erreicht. Was auch daran liegen könnte, dass die Figuren teilweise nicht richtig klar sind. Die Frau zum Beispiel – klug, wunderschön, teilweise sehr witzig und charmant, und dann wieder so unsagbar zickig (ob das lustig sein soll?), das erschließt sich einem gar nicht. Und auch Hibat selbst – sein politisches Engagement wird teilweise eher behauptet, als dass man es ihm abnehmen würde, aber dann kommen die fiesen Gefängnisszenen. Im zweiten Teil, in Frankreich, zerfasert dann alles ein bisschen, Privatleben, Geldverdienen, das Engagement im Jugendzentrum, es wird puzzlestückhaft und hört irgendwann einfach auf.
Dabei ist das alles überhaupt nicht „schlecht“. Wirklich nicht. Ich glaube nur, es wäre besser gegangen.

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