Endlich wieder was zum Mitdichten!
If I were a cassowary
On the plains of Timbuctoo,
I would eat a missionary,
Blood and bones and hymn-book too.
Ein cassowary ist ein Kasuar, ein anscheinend gefräßiger, flugunfähiger Laufvogel, der vor allem in Neuguinea vorkommt. Was nicht direkt neben Timbuktu liegt, aber hey. Das Gedicht kursiert in England offenbar in verschiedenen Varianten seit Anfang des 19. Jahrhunderts, mehr dazu hier, wenn es Euch interessiert. Und es wird in meiner aktuellen Übersetzung zitiert.
Wäre ich ein Kasuar
irgendwo in Afrikar
fräß ich einen Missionar
mit Liederbuch Gesangbuch, Haut und Haar.
Äh, ja. Und jetzt Ihr. Timbuktu muss nicht, der Bezug zum Missionar schon. Also Gesangbuch, Gebetbuch, Bibel, irgendsowas.
Hallo Schatz
wie geht es dir heute
mein Name ist Geschenk,
um mir eine Freude zu kontaktieren
Sie bitte ich werde wie Sie,
um mich zurück in meine E-Mail
zu schreiben,
so dass ich Ihnen mehr über mich
selbst erklären,
für Sie zu wissen,
wem ich bin,
ich hoffe auf Ihre Antwort
erhalten
Das ist vielleicht die poetischste Mail, die ich je erhielt. Danke, Rabia.
Man möchte glatt ein Glanzbild drunterkleben.
Ich bin natürlich nicht die einzige, die sich gerade um Lyrik bemüht – Anne Schüssler hat nämlich etwas ganz Tolles angefangen, sie bedichtet Postkarten. Das heißt, sie schreibt Gedichte über das, was vorne drauf ist, und verschickt die Karten dann. Die erste ging an Kiki, und die zweite habe ich bekommen! Hurra! Vielen Dank, Anne!
Vorne drauf ist, sehr schön passend zum lyrischen Thema der letzten Tage, Köhlers Schwein von Michael Sowa. Und gedichtet hat Anne natürlich Limericks, das wäre ja quasi gar nicht anders gegangen. Gleich drei Stück!
I
Ein sportliches Ferkel aus Bergheim,
das wollte viel lieber ein Fisch sein.
Drum sprang es ins Wasser
doch wurd es nur nasser
und metamorphierte zum Schwimmschwein.
II
Eine ehrgeiz‘ge Sau aus Neuwilen,
der die Wettbewerbsregeln missfielen,
trainierte doch heiter,
schwamm schneller und weiter,
und träumt nachts von olympischen Spielen.
III
Ein Altbademeister aus Lahr,
der wusste nicht, wie ihm geschah,
als vom Einmeterbrett
sehr grazil und adrett
ein Schwein in den See sprang, echt wahr!
(Es spräche vermutlich rein gar nichts dagegen, wenn auch da noch jemand mitspielen wöllte. Wo ihr gerade so schön in Schwung seid und ich arbeiten muss.)
Ein Blogkommentator aus Hessen
wollt Anstand und Sitte vergessen,
die schmutzige Dichtung
war eher seine Richtung,
da warn Blogs wohl die rechten Adressen.
Gebt’s zu, Ihr anderen habt nur drauf gewartet, dass irgendwer es als erster sagt. Also dann: die Schweinkram-Limerick-Challenge. Dann legt mal los.
Zur Erinnerung: NicWest hat mal aufgeschrieben, wie ein Limerick geht. Reimschema aabba, drei Hebungen in den Zeilen 1, 2 und 5, und nur zwei Hebungen in den Zeilen 3 und 4. Alles klar?
Ach, das ist immer schön: HAM.LIT im Uebel und gefährlich. „HAM.LIT“ bedeutet, dass auf drei Bühnen im Halbstundentakt insgesamt fünfzehn Autoren lesen, und zwar – bei aller sonstigen Coolness – pünktlich. Anders würde es auch gar nicht gehen. „Uebel und gefährlich“ bedeutet, dass es stockduster ist und dadurch irgendwie kuschelig, obwohl wir uns im Bunker befinden. Und zwischendurch und hinterher gibt’s Musik.
Ansonsten ist das tatsächlich die literarische Großveranstaltung des Jahres, auf die sich alle schon lange vorher freuen, ich mich auch. Eine große Literaturparty, ein „man trifft sich“, und ich genieße es sehr, dass auch ich hier Leute kenne, und denke zum einemillionsten Mal in den letzten siebeneinhalb Jahren: Mann, wir haben mal in Coesfeld gewohnt. Was bin ich froh, dass wir jetzt hier sind. Fünfzehn tolle Autoren auf drei Bühnen in einem coolen Club. Und dann hole ich mir noch ein Alster und höre irgendwem zu.
Und zwar dieses Jahr Tilman Rammstedt, Donata Rigg, Kevin Kuhn, Sascha Reh, Friederike Gräff, Matthias Nawrat, Inger-Maria Mahlke und Daniela Chmelik. Teilweise bin ich mitten in der Lesung zu einer anderen Bühne gewechselt – mal deswegen, weil mich beide interessierten, mal eher, weil mich der erste langweilte. So eine richtig große Neuentdeckung war für mich dieses Jahr nicht dabei; aber auch keine Ausfälle, das war schon alles ganz schön gut. Ich habe allerdings mal wieder festgestellt, dass ich auf Lesungen gern unterhalten werden möchte. Ernsthafte Literatur lese ich lieber allein abends im Bett, aber auf Lesungen wird mir das schnell zu schwer, vor allem kann ich da nicht gut zuhören, meine Gedanken wandern immer schnell wo anders hin. Auf Lesungen lache ich lieber. Was bedeutet, am meisten Spaß hatte ich tatsächlich an Tilman Rammstedt, obwohl ich die Texte alle schon kannte, aber in den bin ich ja bekanntermaßen sowieso verliebt, das kam also nicht überraschend. Außerdem war er der erste, da war ich noch frisch.
Ansonsten: gute Texte gehört, nette Leute getroffen, Schwätzchen gehalten, Bierchen getrunken. Man sollte viel mehr solche Partys haben, solche „man sieht sich“-Veranstaltungen, ich liebe sowas. Mich ein bisschen treiben lassen, hier zuhören, da weghören, dort noch jemanden treffen, den ich auch viel zu lange nicht gesehen habe, das ist doch herrlich. Als ich nach Hamburg zog, gab es drei größere Lesereihen, Transit, Kaffee.Satz.Lesen und den Macht-Club. Sie sind ungefähr in dieser Reihenfolge verstorben, glaube ich, das ist sehr schade.
Für den 6. Februar 2014 schreibe ich jetzt schon „HAM.LIT“ in meinen Kalender und hoffe, Euch da alle zu sehen.