Gilt auch mit für das Bücherstöckchen, Tag 12 – Ein Buch, das du von Freunden / Bekannten empfohlen bekommen hast
(Hat wer behauptet, man müsse das der Reihe nach beantworten? Also.)
Die erste, die mir das Buch empfiehlt, ist Lady Grey. Ein tolles Buch sei das, es gehe um eine Frau, deren Mann gestorben ist, und eines Tages sitzt ein älterer Herr im Anzug auf ihrem Badewannenrand. Er ist schon tot, ein Geist, und bleibt fortan bei ihr. Und dann taucht eines Abends noch ein Feuerwehrmann auf. Und das sei ganz toll. Ich zweifle kurz an Lady Greys geistiger Gesundheit und denke dann nicht weiter drüber nach.
Dann eine andere Freundin: ob ich schon die Herrenausstatterin gelesen hätte? Ich frage zurück, ob das das mit dem Geist ist, ja, sagt sie, und ich sage, ach nee, lass mal. Geister echt nicht. Beide Freundinnen beteuern, durchaus noch bei Verstand zu sein, und dass das ein tolles Buch sei.
Als nächstes taucht es auf irgendwelchen Longlists auf, die Buchhändlerin empfiehlt es, schließlich erzählt mir irgendwer, Mariana Leky sei die Freundin von Tilman Rammstedt, und zack! Auf einmal will ich es unbedingt lesen. Der Roman beginnt so:
Alles hätte gut und gern so weitergehen können, aber dann ist alles zerbrochen, was, wie Blank später sagte, ein sicheres Zeichen dafür ist, dass es eben nicht so habe weitergehen können, auch wenn ich das geglaubt hatte. Was man selber glaubt, ist, auch das sagte Blank später, manchmal unmaßgeblich in der Frage, ob etwas zerbrochen gehört oder nicht.
Blank ist überhaupt ganz klug, aber glücklicherweise ziemlich zurückhaltend. Er ist eines Tages plötzlich da und bleibt. Und rettet Katja das Leben, denn ohne ihn wäre sie nach dem Tod ihres Mannes wahrscheinlich verrückt geworden oder sonstwie zugrunde gegangen. Anders gesagt: She have Wackelkontakt with Realität. Und dann taucht plötzlich noch jemand auf: Armin, angeblich Feuerwehrmann, kleinkriminell, Karatefilm-Fan und auch sonst nicht im geringsten auf Katjas Wellenlänge. Armin kann Blank nicht sehen, akzeptiert aber, dass er da ist. Diese beiden Männer holen Katja langsam wieder ins Leben zurück, und das ist alles sehr grotesk und sehr, sehr wunderbar. Tatsächlich erinnert es mich an Tilman Rammstedt, insofern als es sich selbst in all seinem Unernst total ernst nimmt. Oder umgekehrt, wer weiß das schon, kommt wahrscheinlich sowieso auf eins raus. Es hat einen eigenen, wunderbaren Ton, einen ganz großartigen Humor, der sich nie über irgendwas lustig macht, ich musste einige Male laut lachen, dabei ist das natürlich alles überhaupt nicht komisch, sondern eigentlich traurig und melancholisch. Und dann steckt auch noch so viel Wahrheit drin, über Beziehungen und Liebe und Leidenschaft und über den Tod. Und es hat ein Tempo, dass man es ganz schnell durchliest. Ich bin komplett begeistert und möchte, dass Ihr alle sofort in die nächste Buchhandlung geht und dieses Buch kauft. Weil es wundervoll, wundervoll, wundervoll ist.
Mariana Leky: Die Herrenausstatterin. DuMont, gebunden, 207 Seiten. 18,95 €
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Bücher, die ich nicht leiden konnte. Bücher, die ich langweilig fand. Bücher, die ich aus irgendwelchen Gründen lesen musste.
Nun ist es glücklicherweise so, dass ich keine Bücher mehr lesen muss. Und was ich langweilig oder sonstwie doof finde, lese ich nicht zu Ende. Trotzdem lautet die Antwort auf die Frage, welche Bücher ich nur einmal lese: alle. Ich lese alles nur einmal. Weil es doch da draußen immer so viel Neues zu lesen gibt, so viele tolle Bücher! Da werde ich doch nicht immer dasselbe lesen. Ehrlich, ich freu mich immer so auf das nächste Buch. Selbst, wenn ich eins so super fand, dass ich es „am liebsten gleich noch mal lesen“ würde – das tue ich nicht, und im Normalfall lese ich es auch nicht später noch mal. Denn ich vergesse zwar zu großen Teilen, was in einem Buch steht, aber in dem Moment, in dem ich es wieder läse, wüsste ich es wahrscheinlich wieder. Da lese ich lieber was Neues.
Kannst, ich weiß; da steht, ein Buch, das ich nur einmal lesen kann. Habt Ihr eine Ahnung, was ich alles kann! Ich freu mich aber, dass ich nicht muss. „Wenn ich nur darf, wenn ich soll, aber nie kann, wenn ich will, dann mag ich auch nicht, wenn ich muss. Wenn ich aber darf, wenn ich will, dann mag ich auch, wenn ich soll, und dann kann ich auch, wenn ich muss. Denn: die können sollen, müssen wollen dürfen.“ Da fällt mir ein: „Die lustigsten Spontisprüche aus den Achtzigern“ könnte ich wahrscheinlich nicht nochmal ertragen.
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Das ist tatsächlich eine schwierige Frage – ich lese Bücher normalerweise nur einmal. Auch wenn ich sie super finde, und auch wenn mein Gedächtnis leider dafür sorgt, dass ich schon beim Zuklappen kaum mehr weiß, was drinstand. Trotzdem, mehrfach gelesen habe ich schon lange nichts mehr. Es gibt doch immer noch so viele tolle neue Bücher, die ich auch lesen will!
Aber die Kaltmamsell erinnert mich gerade an was, und zwar mit dem Eintrag zu ihrem Lieblingsautor. Das bringt mich darauf, von einem Buch zu erzählen, das ich dreimal gelesen habe, und einmal den Film gesehen. Das Buch heißt „Garp und wie er die Welt sah“ und ist von John Irving.
Meine Mutter hat es mir geschenkt, als ich mit knapp 20 Jahren oder so zum letzten Mal für ein paar Tage mit in den Familienurlaub fuhr, ich bin dann von da aus allein weitergefahren irgendwoanders hin. Man hat es ihr in unserer Dorfbuchhandlung, wo man mich kannte, für mich empfohlen, und so saß ich auf einem Campingplatz irgendwo in Frankreich, langweilte mich mit den kleinen Brüdern und las Garp. Und kam aus dem Staunen nicht mehr raus: was sollte das? Was um ALLES in der Welt war das für ein sonderbares, bescheuertes, uninteressantes, unwitziges und überhaupt durch und durch blödes Buch? Und wie konnte irgendwer darauf kommen, das wäre was für mich? Ich kam aus dem Kopfschütteln über diesen gequirlten Quark gar nicht mehr raus, hatte aber auch nichts anderes zu tun, als es zu Ende zu lesen.
Ein paar Jahre später hatte ich mehrfach Menschen von diesem Buch schwärmen hören, ein Kultbuch sei das, und total toll und so witzig und überhaupt, ganz groß. Ich kam zu dem Schluss, dass ich wohl zu jung gewesen sei und es irgendwie nicht verstanden hätte, und las es ein zweites Mal. Ich fand es uninteressant, unwitzig, gewollt, an den Haaren herbeigezogen und ganz generell fürchterlich.
Irgendwann lief der Film im Fernsehen, ich dachte, vielleicht war ich beim zweiten Lesen immer noch zu jung für das Buch, oder was weiß ich, ich habe dem Film auch noch eine Chance gegeben, weil doch alle es toll finden und es doch „Kult“ ist und alles, da muss doch was dran sein. Und? Scheiße gefunden. Hanebüchen. Grauenhaft.
Ich glaube, ich habe das Buch tatsächlich noch ein drittes Mal gelesen. Weil ich immer noch dachte, da muss doch was dran sein, wenn sich doch alle einig sind. Neinneinnein, das ist fürchterlich, sagte ich das schon? Mir war so. Inzwischen habe ich glücklicherweise noch mehr Leute getroffen, die es fürchterlich finden, da bin ich ganz beruhigt. Und nein, ich werde es nicht noch ein viertes Mal lesen. Ich besitze es nicht mal mehr; keine Ahnung, auf welche Weise ich es mal losgeworden bin. Wahrscheinlich Müll. Stimmt gar nicht. Steht im Schrank. Ich könnte also, wenn ich wollte. Noch eine Überraschung, denn ich habe natürlich erstmal nachgeguckt, wer das übersetzt hat: Jürgen Abel. Inzwischen ist er bei der Hamburger Kulturbehörde, und ich hatte keine Ahnung, dass er mal übersetzt hat.
Na los, steinigt mich.
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Hass, meine Güte. Bisschen heftig für ein Buch, oder? Wenn ich ein Buch nicht mag, lege ich es beiseite. Aber ich riskiere doch keine Magengeschwüre deswegen. Ich mag schon das Wort hassen nicht, das ist mir nicht nur für Bücher zu heftig, sondern auch sonst.
So. Aber ein Buch hat mir wirklich einen Klumpen im Magen gemacht, und zwar eines, das ich übersetzt habe, dem ich also nicht ausweichen konnte. Das ist mir wirklich schwer gefallen, ich konnte es nicht leiden, ich fand alles daran schlecht, die Figuren unglaublich unangenehm, die Geschichte war schlecht, voller Klischees und logischer Unstimmigkeiten, und sie war schlecht erzählt, die Bilder stimmten nicht und jeder Satz fing mit „I“ an, und es war einfach von vorne bis hinten alles grauenhaft, und es war auch noch Winter und schlechtes Wetter und dunkel draußen und ich war mal wieder spät dran und unter Druck, und dann hat die Lektorin mir auch noch fürchterlichen Unfug reingeschrieben, sodass ich beim Fahnenlesen alles gleich noch mal doppelt furchtbar fand, das war wirklich, wirklich hart, und ich konnte das Buch einfach abgrundtief nicht leiden.
Und dann wurde es, als es eigentlich schon vorbei war, noch mal hart, als es nämlich ungefähr gleichzeitig mit meinem Lieblingsbuch (von meinen Übersetzungen) erschien, und das Hassbuch sieht schön aus, und das Lieblingsbuch ist optisch das hässlichste von all meinen Übersetzungen. Das hat mir wirklich das Herz gebrochen. Über das Hassbuch bin ich hinweg, der Stapel mit den Belegexemplaren liegt unverschenkt im Regal, ich denke nicht weiter daran. Ist auch schon eine Weile her. Das Lieblingsbuch hingegen bricht mir immer noch das Herz, weil es so ein wundervolles Buch ist und so schrecklich aussieht.
Manchmal werde ich gefragt, was man als Übersetzer macht, wenn man ein Buch nicht leiden kann. Gute Frage! Nach Möglichkeit gar nicht erst annehmen, natürlich. Wenn’s aber schon passiert ist: Augen zu und durch. Profi sein. Sich sagen, dass es ein Job ist und man dafür Geld bekommt, und man diesen Job ebenso professionell erledigt wie alle anderen. Wenn man Glück hat, hat man einen Mann, der einem sagt, ja, Du hast recht, das ist alles ganz schrecklich und Du bist ein armer kleiner Hase, aber komm, mach noch eine Seite, ich koch Dir Pudding.
Bevor Ihr fragt: ich werde hier sicher nicht öffentlich sagen, welches Buch ich so schrecklich fand. Schlimm genug, dass ich überhaupt so rumschimpfe.
Und jetzt wird wieder gutgefunden statt gehasst.
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Och nöööö. Das ewige Problem mit diesen Bücher- und sonstigen Umfragen. Ich kann Lieblingsdingse nicht leiden, ich habe auch kein Lieblingsessen. Mal muss es Sushi sein, mal Schokolade, dann wieder Gemüseeintopf. Dass ich gern Tim und Struppi lese, tut meiner Begeisterung für David Grossman ja keinen Abbruch.
Die Autoren, die mich in den letzten paar Jahren am nachhaltigsten beeindruckt haben, sind wahrscheinlich Wolf Haas, Tilman Rammstedt, Jenny Erpenbeck, Anette Pehnt, Gerbrand Bakker. Oh, und Alan Bennett. Und die nenne ich deswegen, weil ich von ihnen mindestens zwei Bücher gelesen habe. Wenn ich die dazunehme, von denen ich nur eins, ach, lest doch am besten gleich hier.
Oder um es mit Frau Sopran zu sagen: „Lieblingsbuch“ ist so 1985. Ihr dürft mir aber gern erzählen, was Euer Lieblingsbuch ist. Wenn Ihr eins habt.
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