Ein paar Tage hatte ich so richtig schlechte Laune. Einigermaßen grundlos eigentlich, ich habe halt mal wieder weniger geschafft, als ich mir vorgenommen hatte, ich will Frühling, ich war zu wenig draußen. Also Jammern auf hohem Niveau, aber manchmal ist man eben scheiße drauf. Vorgestern Abend las ich dann im Jazzlog den Eintrag über die Virtuelle Möhre. Hat mir sofort eingeleuchtet. Natürlich ist das ein alter Trick gegen schlechte Laune, sich auf irgendwas zu freuen, aber das Bild von der virtuellen Möhre kannte ich nicht, und es hat mir so gut gefallen, dass ich es gleich twittern musste.
Was für ein bescheuerter Scheißtag. Ich hätte eine virtuelle Möhre brauchen können, habe ich aber zu spät entdeckt. jazzlog.de/jazzlounge/201…
Das Internet ist einer der besten Orte der Welt. Und das liegt an Leuten wie Giardino. Heute bekam ich nämlich Post, ein kleines, weiches Päckchen. Danke, lieber Giardino, ich bin mal wieder sehr gerührt. Und werde mir etwas einfallen lassen, wie ich sie mir vor die Nase hänge, die unvirtuelle Möhre.
Dokumentarfilm über Harry Belafonte. Oder anders gesagt: Dokumentarfilm über Harry Belafontes Kampf gegen Rassismus, Hunger und andere himmelschreiende Ungerechtigkeiten auf der Welt.
Ich war ja vor genau einem Jahr schon schwer beeindruckt von Harry Belafonte, und mit Musik hatte das wenig zu tun. Wobei ich seine Musik auch mag.
Um Musik geht es auch im Film eher am Rande. Die Musik hat Harry Belafonte berühmt gemacht, und weil er berühmt ist, kann er sich für anderes einsetzen. So kämpfte er an der Seite Martin Luther Kings (den er immer noch respektvoll „Dr. King“ nennt) für die Gleichberechtigung der Schwarzen in den USA, unter anderem auch durch Fernsehauftritte mit weißen Künstlern zusammen, die immer wieder für Skandale sorgten (Petula Clark hat ihn berührt! Öffentlich, im Fernsehen!), überzeugte Bobby Kennedy, trommelte Märsche zusammen, wurde diskriminiert, natürlich, stellte riesige Konzerte für Frieden und Bürgerrechte auf die Beine, stellte sich zusammen mit Sidney Poitier dem Klan entgegen und sorgte dafür, dass auch in den Südstaaten schwarze Wähler registriert werden konnten. Er hat in Südafrika mit Nelson Mandela gekämpft, und er hat sich gegen den Hunger in Äthiopien engagiert. Und. so. weiter, die Liste ist quasi endlos.
Harry Belafonte ist 1927 geboren, berühmt wurde er Anfang der 50er Jahre, und seitdem hat sein politisches und soziales Engagement nicht nachgelassen. Heute arbeitet er mit Menschen in Gefängnissen und kämpft gegen die immer noch anhaltende Kriminalisierung von Schwarzen in den USA.
Seit 60 Jahren macht dieser Mann Musik und engagiert sich, er kämpft und kämpft und kämpft für Gerechtigkeit, erreicht unfassbar Großartiges, und dann kämpft er weiter, weil es nicht reicht, weil es nie reichen kann, weil die Ungerechtigkeit auf der Welt immer noch himmelschreiend ist und er das nicht zulassen kann. Es macht ihn wütend, und dann tut er etwas, er hat Ideen, er kannte schon immer einflussreiche Politiker und Künstler, und er lässt sich nicht verbiegen, lässt sich nichts einreden, lässt sich keinen Maulkorb verpassen. Ich hatte schon bei der Lesung vor einem Jahr das Gefühl, dass seine auffallend aufrechte Körperhaltung (der Mann ist 86!) mit seiner geistigen Haltung einhergeht.
Und bei allem Engagement und aller gerechten Wut hat er es irgendwie geschafft, nicht verbittert zu werden. Der Mann strahlt immer noch, er lächelt, er verströmt eine Freundlichkeit, die einem ans Herz geht, und er sagt (aus dem Gedächtnis zitiert): Ich bin immer optimistisch, ich habe immer Hoffnung, und Hoffnung ist das, was die Welt am dringendsten braucht.
Wie geht das, wie kann jemand, der dermaßen diskriminiert und erniedrigt wird, so positiv bleiben und so stark, und immer weitermachen? Keine Ahnung.
Man hat zwischendurch übrigens kurz den Eindruck, dass seine Familie bei all dem politischen Aktivismus ein bisschen zu kurz gekommen ist. Um hier wenigstens noch irgendetwas Negatives über den Mann zu sagen.
Ich habe keine Ahnung, ob das nach irgendwelchen Filmkunst-Kriterien ein „guter Film“ ist. Wahrscheinlich schon, denn er verwebt sehr geschickt Belafontes musikalische Karriere mit seinem politischen Engagement. Mich hat der Film jedenfalls sehr bewegt. Sehr. Die Bilder aus dem Kampf um Bürgerrechte, Bilder von Diskriminierung, brutalen Prügeleien, von Ungerechtigkeiten und Gewalt, Bilder von verhungernden Kindern in Äthiopien und all das haben mich wirklich fassungslos gemacht. Natürlich wusste ich das alles, aber es noch mal geballt zu sehen, hat mich wirklich erschüttert, ich habe nicht nur einmal geweint. Und mitten in all dem Elend steht dieser imponierende Mann mit dem umwerfenden Lächeln und der Hoffnung und der Aufrichtigkeit und nicht zuletzt der Musik; ein Mann, dessen Hoffnung auch Hoffnung für wahrscheinlich Hunderttausende bedeutet.
Mir egal, ob das pathetisch klingt. Ein bewegender, erschütternder Film über einen großen Mann. Guckt ihn euch an.
Jawollja! Es ist Tatendrang-Woche. Ich hab so richtig Lust, ganz viel zu schaffen. Ich fange sofort mit dem nächsten Buch an, mache mir einen Plan, schreibe ganz nebenbei noch dieses und jenes kleine Dingsi, die ich noch schreiben muss, führe Interviews mit tollen Autorinnen, putzen-aufräumen-ausmisten geht ganz nebenbei, es wird super, da habe ich wirklich richtig Lust drauf und total viel Energie. Tschakka und hurra! Wollen wir doch mal sehen, ob wir nicht eine schöne, kleine SFP hinkriegen.
Hurra! Diesmal ist alles anders: Maximilian und ich lesen nicht. Wir moderieren*, und wir haben illustre Gäste: Pia Ziefle, deren wundervollen Roman „Suna“ ich bestimmt schon 15 mal verschenkt habe, Stevan Paul, dessen Texte immer so einen Appetit machen und der bestimmt etwas aus dem Schlaraffenland lesen wird, und Bov Bjerg, der so charmant böse sein kann wie kein anderer, und dessen Blog eines der ersten war, die ich las. Ich freu mich sehr!
*man darf uns dann „das charmante Moderatorenduo“ nennen, wir denken noch über vorher zurechtgelegte Witze und bunte Pappkärtchen nach, vielleicht ziehen wir uns zwischendurch auch ein anderes Abendkleid an wie beim Eurovision Song Contest. Schaumermal.